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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LF230073
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF230073 vom 03.01.2024 (ZH)
Datum:03.01.2024
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Rechtsschutz in klaren Fällen (Ausweisung)
Zusammenfassung : Die Siedlungsgenossenschaft B. hat gegen die Gesuchsgegner 1-4 eine Ausweisung aus einer Wohnung in Zürich beantragt, welche vom Bezirksgericht Zürich genehmigt wurde. Die Ehefrau des Gesuchsgegners 1 hat daraufhin Berufung eingelegt, da sie angibt, von den Mietrückständen und der Kündigung nichts gewusst zu haben. Das Gericht entscheidet, dass die Berufung unbegründet ist und die Kosten von CHF 400.- der Berufungsklägerin auferlegt werden.
Schlagwörter : Berufung; Berufungsklägerin; Recht; Gesuch; Gesuchsgegner; Ausweisung; Berufungsbeklagte; Entscheid; Urteil; Rechtsmittel; Zustellung; Vorinstanz; Ehemann; Mieter; Kündigung; Frist; Wohnung; Streitgenossen; Sendung; Fällen; Audienz; Verfügung; Akten; Berufungsbeklagten; Verfahren; Berufungsverfahren; Parteien; Streitgenossenschaft; Stellung
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ; Art. 138 ZPO ; Art. 257d OR ; Art. 266n OR ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 71 ZPO ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:118 II 42; 136 III 431; 137 III 455;
Kommentar:
-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LF230073-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl sowie Gerichtsschreiberin MLaw S. Ursprung

Urteil vom 3. Januar 2024

in Sachen

1. ...

2. A. ,

3. ...

4. ...

Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin

gegen

Siedlungsgenossenschaft B. , Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen (Ausweisung)

Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes des Bezirksgerichtes Zürich, Audienz, vom 2. Oktober 2023 (ER230172)

Erwägungen:

I.

Sachverhalt und Prozessgeschichte

  1. Mit Eingabe vom 5. September 2023 (Datum Poststempel) gelangte die Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte (nachfolgend: Berufungsbeklagte) an das Einzelgericht des Bezirksgerichtes Zürich, Audienz (nachfolgend: Vorinstanz), und beantragte die Ausweisung der Gesuchsgegner 1 4 aus der 4.5-Zimmer- Wohnung am C. 1 [Adresse], in ... Zürich, inklusive Garagenparkplatz Nr. 2 (act. 1). Daraufhin wurde den Gesuchsgegnern mit Verfügung vom 7. September 2023 Frist zur Stellungnahme angesetzt, unter Androhung, bei Säumnis aufgrund der Akten zu entscheiden, und der Berufungsbeklagten gleichzeitig Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses eingeräumt (act. 5). Der Kostenvorschuss ging in- nert Frist ein (act. 7). Die Gesuchsgegner liessen sich innert Frist nicht vernehmen, worauf die Vorinstanz mit Urteil vom 2. Oktober 2023 das Ausweisungsbegehren guthiess (act. 8 = act. 11, fortan act. 11).

  2. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2023 (Datum Poststempel) erhob die Gesuchsgegnerin 2 und Berufungsklägerin (nachfolgend: Berufungsklägerin), die Ehefrau des Gesuchsgegners 1, rechtzeitig Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil (act. 12, zur Rechtzeitigkeit act. 9c).

  3. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (vgl. act. 19). Auf weitere prozessleitende Anordnungen wurde verzichtet. Die Sache erweist sich als spruchreif.

II.

Prozessuale Vorbemerkungen

  1. Der vorinstanzliche Entscheid betrifft ein Gesuch um Ausweisung im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen, auf welches die Bestimmungen des summarischen Verfahrens Anwendung finden (Art. 248 lit. b ZPO). Der Entscheid der Vorinstanz ist grundsätzlich mit Berufung anfechtbar (Art. 308 Abs. 1 lit. b ZPO), soweit da es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt der

    Streitwert der zuletzt aufrecht erhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000 beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO).

  2. Im Berufungsverfahren können die unrichtige Rechtsanwendung und die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufung ist innerhalb der Rechtsmittelfrist schriftlich, begründet und mit RechtsmittelAnträgen versehen einzureichen (Art. 311 ZPO). Bei Rechtsmitteleingaben von Laien genügt als Antrag eine Formulierung, aus der sich mit gutem Willen herauslesen lässt, wie die Berufungsinstanz entscheiden soll. Zur Begrün- dung reicht aus, wenn auch nur ganz rudimenTür zum Ausdruck kommt, an welchen Mängeln der angefochtene Entscheid leidet bzw. weshalb der angefochtene Entscheid nach Auffassung der Berufung führenden Partei unrichtig sein soll. Hierzu bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem vorinstanzlichen Entscheid. Sind auch diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist auf die Berufung nicht einzutreten. Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Berufungsverfahren grundsätzlich nur zuzulassen, wenn sie (a) ohne Verzug vorgebracht werden und (b) trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 ZPO).

    1. Das Gesuch der Berufungsklägerin um Rechtsschutz in klaren Fällen richtete sich vorinstanzlich gegen die Berufungsklägerin sowie gegen deren Ehemann, den vorinstanzlichen Gesuchsgegner 1, welche die MietvertRüge betreffend Woh- nung und Parkfeld vom 24. Oktober 2022 bzw. 26. Oktober 2022 (act. 3/6) unterzeichnet haben und Mieter sind. Das Gesuch richtete sich ferner gegen die in der Wohnung lebenden gemeinsamen Kinder der Mieter (Gesuchsgegner 3 und 4). Im angefochtenen Urteil wurden die Berufungsklägerin und ihr Ehemann sowie die Kinder gemeinsam verpflichtet, die streitgegenständliche Wohnung unverzüglich zu räumen und der Berufungsbeklagten ordnungsgemäss zu übergeben

      (act. 11 Disp.-Ziff. 1). Da die Berufung nunmehr jedoch nur von der Gesuchsgeg- nerin 2 als Berufungsklägerin erhoben wurde (vgl. act. 12), stellt sich vorab die Frage, ob diese alleine zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert ist.

    2. Ein Rechtsmittel ist grundsätzlich dann von allen klagenden beklagten Parteien gemeinsam zu ergreifen, wenn sie untereinander eine notwendige

Streitgenossenschaft bilden; formieren mehrere klagende Streitgenossen demgegenüber lediglich eine einfache Streitgenossenschaft, sind sie unabhängig vonei- nander zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert (Art. 70 Abs. 2 und Art. 71 Abs. 3 ZPO). Ob seitens der klägerischen beklagten Partei eine notwendige lediglich eine einfache Streitgenossenschaft vorliegt, beantwortet sich dabei alleine nach dem materiellen Recht (statt vieler vgl. BGE 137 III 455 E. 3.5;

BGE 136 III 431 E. 3.3). Nach stündiger Praxis der Kammer bilden die beklagten Mieter im Ausweisungsverfahren keine notwendige, sondern lediglich eine einfache Streitgenossenschaft (OGer ZH, LF110128 vom 1. März 2012, E. II.4.3 m.w.H.; OGer ZH, LF160018 vom 7. März 2016, E. 4.2; LF160025 vom 14. April 2016, E. 2.1; PF170030 vom 25. Juli 2017, E. 2.3; vgl. auch FELIX RAJOWER, Pro-

zessuale Aspekte der Ausweisung von Mietern, AJP 1998, S. 805; SVIT Kommentar Mietrecht-MÜLLER, 4. Aufl. 2018, Art. 267- 267a N 29). Die Berufungsklägerin ist daher legitimiert, den vorliegenden Prozess zu führen.

III.

Zur Berufung im Einzelnen

  1. Die Berufungsklägerin stellt sich auf den Standpunkt, sie habe von den Mietzinsausständen und der Kündigung nicht rechtzeitig erfahren, da der Gesuchsgegner 1, ihr Ehemann, ihr dies verheimlicht habe. Er sei hoch verschuldet, habe psychische Probleme und sei deswegen in Behandlung. Als sie die Urteile betreffend Ausweisung im Briefkasten gefunden habe, habe sie sofort reagiert und alle ausstehenden Mietzahlungen bis zum aktuellen Datum beglichen. Des Weiteren sei sie bereit, die Verantwortung als Hauptmieterin zu übernehmen und einen Dauerauftrag für die Künftigen Mietzahlungen einzurichten. Sie habe immer noch ein schulpflichtiges Kind zu Hause und es wäre äusserst schwer für sie, unverzüglich eine neue Wohnung zu finden. Sie bitte höflich darum, ihr die Gelegenheit zu geben, ihre finanzielle Situation zu stabilisieren und die MietRückstände vollständig zu begleichen (act. 12).

  2. Zunächst ist auf den Einwand der Berufungsklägerin einzugehen, sie habe keine Kenntnis vom erstinstanzlichen Verfahren gehabt. Die an sie adressierte

    Verfügung der Vorinstanz vom 7. September 2023 (act. 5 und 6c), in der sie aufgefordert wurde, zum Begehren der Berufungsbeklagten auf Ausweisung Stellung zu nehmen, wurde nicht der Berufungsklägerin persönlich, sondern gemäss Angaben der Post unter anderem an ihre 16-jährige Tochter D. zugestellt

    (act. 6c). Allerdings hat die Unterschrift auf der Zustellungsbescheinigung auffallende ähnlichkeit mit derjenigen des Ehemannes der Berufungsklägerin (vgl.

    act. 6b). Wem die genannte Verfügung tatsächlich zugestellt wurde, kann aber offen bleiben. Die Zustellung ist erfolgt, wenn die Sendung von der Adressatin von einer im gleichen Haushalt lebenden, mindestens 16 Jahre alten Person entgegengenommen wurde (Art. 138 Abs. 2 ZPO). Damit ist die Zustellung der Ver- Fügung vom 7. September 2023 in beiden Fällen nach Art. 138 Abs. 2 ZPO gültig erfolgt und die Frist zur Stellungnahme lief in der Folge ungenutzt ab. Die Vorinstanz ist demnach zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungsklägerin säumig ist. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass androhungsgemäss aufgrund der Akten entschieden wurde.

  3. Da die Berufungsklägerin im erstinstanzlichen Verfahren Gelegenheit gehabt hätte, zum Gesuch um Ausweisung Stellung zu nehmen, dies aber unterlassen hat, stellen ihre neuen Vorbringen im Berufungsverfahren unzulässige Noven dar (Art. 317 ZPO). Die verspäteten Vorbringen können im vorliegenden Berufungsverfahren nicht mehr beRücksichtigt werden.

  4. Der vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Berufungsklägerin mit ihren Vorbringen nicht bestreitet, dass die Voraussetzungen einer Zahlungsverzugskündigung im Sinne von Art. 257d OR gegeben sind. Insbesondere bestreitet sie weder die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Mietzinsausst?n- de noch das Verstreichen der Zahlungsfrist nach Art. 257d Abs. 1 OR. Dass der MietzinsRückstand auf die gesundheitliche Beeinträchtigung ihres Ehemannes zu- Rückzuführen ist, ist sehr bedauernswert und bringt die Berufungsklägerin und ihr schulpflichtiges Kind in eine schwierige Situation. In rechtlicher Hinsicht gilt die Mahnung mit Kündigungsandrohung wie auch die Kündigung mit der Zustellung an ihren Ehemann als der Berufungsklägerin zugegangen. Die Kündigung ist nach Art. 266n OR jedem Ehegatten separat zuzustellen. Das Erfordernis der separaten Zustellung ist erfüllt, wenn zwei amtliche Formulare in zwei getrennten Sendungen an die Adresse der Mieter versandt werden. Dies ist vorliegend erfolgt (act. 3/7, 3/12). Die Zustellung einer Sendung an einen Mieter wird bejaht, sobald sie in seinen Machtbereich gelangt. Die Sendung gilt insbesondere auch als zugegangen, wenn sie einer zur Entgegennahme berechtigten Drittperson zugestellt wird. Werden bei der Kündigung einer Familienwohnung beide Sendungen nach den Geschäftsbedingungen der Post einem Ehegatten ausgehündigt, so hindert die fehlende Kenntnis des andern Ehegatten die Gültigkeit der Kündigung nicht (BGE 118 II 42 E. 3).

  5. Aufgrund des Gesagten erweist sich die Berufung als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.

IV.

Kosten- und Entschädigungsfolgen

  1. Ausgangsgemäss wird die Berufungsklägerin kostenpflichtig (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidgebühr ist ausgehend von einem Streitwert von CHF 11'238 (vgl. act. 11 E. 4.2) und unter BeRücksichtigung der eher geringen

    Schwierigkeit des Falles auf CHF 400 festzusetzen (vgl. 12 i.V.m. 4 und 8 Abs. 1 GebV OG) und der Berufungsklägerin aufzuerlegen.

  2. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen. Der Berufungsklägerin nicht, weil sie mit ihrer Berufung unterliegt, der Berufungsbeklagten nicht, weil ihr keine Umtriebe entstanden sind, die zu entschädigen wären.

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil des Einzelgerichtes des Bezirksgerichtes Zürich, Audienz , vom 2. Oktober 2023 bestätigt.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf CHF 400 festgesetzt und der Berufungsklägerin auferlegt.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsbeklagte unter Beilage eines Doppels von act. 1213 sowie an das Bezirksgericht Zürich, Audienz, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt CHF 11'238.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw S. Ursprung versandt am:

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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