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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LF220080: Obergericht des Kantons Zürich

In dem Fall vor dem Obergericht des Kantons Zürich ging es um die Ausstellung eines Erbscheins im Nachlass von E., der im April 1939 geboren wurde und im März 2022 verstorben ist. Die Berufungsklägerin A., die Ehefrau des Verstorbenen, wurde von den Berufungsbeklagten B., C. und D., vertreten durch Rechtsanwalt X., angefochten. Das Einzelgericht s.V. des Bezirksgerichtes Andelfingen hatte entschieden, dass solange die Einsprache besteht, keine Erbbescheinigung ausgestellt wird. Die Erbschaftsverwaltung wurde angeordnet, die Kosten des Verfahrens wurden den Einsprechern auferlegt. Die Berufungsklägerin argumentierte, dass die Ausstellung des Erbscheins nicht von einer Einsprache abhängig sein sollte, da die Erben bereits feststehen. Das Obergericht gab der Berufung statt und ordnete die Ausstellung des Erbscheins an. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen, keine Parteientschädigung wurde zugesprochen.

Urteilsdetails des Kantongerichts LF220080

Kanton:ZH
Fallnummer:LF220080
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF220080 vom 01.12.2022 (ZH)
Datum:01.12.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einsprache gegen das Ausstellen eines Erbscheines
Schlagwörter : Berufung; Erben; Einsprache; Berufungsklägerin; Erbschein; Erblasser; Testament; Ausstellung; Erblassers; Urteil; Berufungsbeklagte; Andelfingen; Vorinstanz; Testaments; Recht; Einzelgericht; Verfügung; Erbscheins; Testamentseröffnung; Erbbescheinigung; Erbenstellung; Berufungsbeklagten; Bezirksgerichtes; Ehefrau; Entscheid; Erbberechtigung; Obergericht; Einzelgerichtes; Erbschaftsverwaltung; Anordnung
Rechtsnorm:Art. 107 ZPO ;Art. 457 ZGB ;Art. 462 ZGB ;Art. 556 ZGB ;Art. 557 ZGB ;Art. 559 ZGB ;Art. 98 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts LF220080

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

    Geschäfts-Nr.: LF220080-O/U

    Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichterin lic. iur.

    1. Strähl sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. D. Tolic Hamming

Urteil vom 1. Dezember 2022

in Sachen

A. ,

Berufungsklägerin,

gegen

  1. B. ,

  2. C. ,

  3. D. ,

Berufungsbeklagte,

1, 2, 3 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

betreffend Einsprache gegen das Ausstellen eines Erbscheines im Nachlass von E. , geboren am tt. April 1939,

von F. , gestorben am tt.mm.2022, wohnhaft gewesen in … G. , Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes s.V. des Bezirksgerichtes Andelfingen vom 27. September 2022 (EN220056)

Urteil des Einzelgerichtes s.V. des Bezirksgerichtes Andelfingen:

(act. 4 = act. 7)

  1. Von der Einsprache von B. , C. und D. vom 19. September 2022 gegen die Ausstellung einer Erbbescheinigung wird Vormerk ge- nommen und den Beteiligten davon Kenntnis gegeben.

    Solange die Einsprache zu Recht besteht, wird keine Erbbescheinigung ausgestellt. Die Einsprache fällt jedoch dahin, wenn innerhalb der einjährigen Frist von Art. 521 bzw. 533 ZGB keine Ungültigkeitsoder Herabsetzungsklage angehoben wird.

  2. Über den Nachlass wird die Erbschaftsverwaltung angeordnet. Damit wird das Notariat Andelfingen beauftragt und angewiesen, dem Einzelgericht in Erbschaftssachen die Abschrift des Inventars im Doppel zuzustellen.

  3. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 600.00.

  4. Die Kosten des Verfahrens werden den Einsprechern, B. , … [Adresse], C. , … [Adresse], und D. , … [Adresse], je zu einem Drittel unter solidarischer Haftung auferlegt. Für die Anordnung der Erbschaftsverwaltung wird vorderhand keine Gebühr erhoben.

  5. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 6./7. (Mitteilung / Rechtsmittel).

    Berufungsanträge:

    der Berufungsklägerin (act. 8):

    1. Ziffer 1. Absatz 2 des Urteils EN220056-B/U01/er des Bezirksgerichts Andelfingen vom 27. September 2022 sei aufzuheben.

    2. unter Kostenfolge zulasten der Staatskasse (Vorinstanz).

    Erwägungen:

    I.

      1. Am tt.mm.2022 verstarb E. (fortan Erblasser), zuletzt wohnhaft gewesen in G. . Mit (Testamentseröffnungs-)Urteil vom 25. August 2022 stellte das Einzelgericht s.V. des Bezirksgerichtes Andelfingen (fortan Vorinstanz) gestützt auf Zivilstandsurkunden die gesetzliche Erbenstellung der Ehefrau bzw. Witwe des Erblassers, A. (fortan Berufungsklägerin), und der drei Kinder des Erblassers (aus erster Ehe),

        B. , C. und D. (fortan Berufungsbeklagte), fest. Die Vorinstanz eröffnete die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 5. Oktober 2020 in Form einer Kopie, welche von der Berufungsklägerin eingereicht worden war, und stellte den vorerwähnten gesetzlichen Erben die Ausstellung eines auf sie lautenden Erbscheins in Aussicht, sofern dagegen seitens der gesetzlichen Erben ei- nem aus einer früheren Verfügung Bedachten nicht innert Monatsfrist Einsprache erhoben werde (vgl. act. 12/3 S. 2 f. = act. 3 S. 2 f.; act. 12/2).

      2. Mit Eingabe vom 19. September 2022 liessen die Berufungsbeklagten Einsprache gegen die Ausstellung des Erbscheins an die Berufungsklägerin bei der Vorinstanz erheben (act. 1). Diese entschied mit Urteil vom 27. September 2022 (act. 4 = act. 7) im eingangs wiedergegebenen Sinne.

    1. Dagegen erhob die Berufungsklägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2022 rechtzeitig Berufung bei der hiesigen Instanz und stellte die vorstehend wiedergegebenen Anträge (act. 8 inkl. Beilagen act. 9 und 10; zur Rechtzeitigkeit vgl. act. 5).

    2. Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 1-5 sowie Testamentseröffnungsakten [= act. 12/1-4]). Mit Verfügung der Kammer vom 3. November 2022 wurde den Berufungsbeklagten Frist zur Beantwortung der Berufung angesetzt, mit dem Hinweis, dass im Säumnisfall das Verfahren ohne die Berufungsantwort weitergeführt werde. Des Weiteren wurde die Prozessleitung delegiert (act. 13). Die Verfügung wurde den Berufungsbeklagten am 7. November 2022 zugestellt (act. 14). Innert Frist und bis dato liessen sie sich nicht vernehmen.

      II.

        1. Die Berufungsbeklagten liessen vor Vorinstanz einzig ausführen, dass sie Einsprache gegen die Berechtigung der Berufungsklägerin und damit gegen die entsprechende Ausstellung eines Erbscheins erheben, wobei die Einsprache nicht begründet zu werden brauche (act. 1).

        2. Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid mit der Argumentation, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erhebung der Einsprache gegen die Ausstellung der Erbbescheinigung im Sinne von Art. 559 ZGB bedeute, dass seitens der Einsprecher bzw. Berufungsbeklagten die Erbberechtigung der Ehefrau des Erblassers bzw. der Berufungsklägerin bestritten werde. Da die Einsprache nach ständiger Rechtsprechung des Obergerichts nicht begründet werden müsse, sei die materielle Begründetheit der Einsprache nicht zu prüfen, weshalb von der Einsprache ohne nähere Prüfung Vormerk zu nehmen sei. Infolgedessen könne vorläufig keine Erbbescheinigung ausgestellt werden. Als weitere Folge der Einsprache sei gestützt auf Art. 556 Abs. 3 ZGB und gemäss ständiger Praxis des Einzelgerichtes und des Obergerichtes die Erbschaftsverwaltung anzuordnen (act. 7 S. 2 f.).

      2. Die Berufungsklägerin wirft der Vorinstanz falsche Rechtsanwendung und Willkür vor. Sie macht im Kern geltend, Anspruch auf Ausstellung der Erbbe-

      scheinigung hätten die gesetzlichen Erben, deren Berechtigung mittels Einsprache nicht bestritten werden könne, weshalb die Ausstellung des Erbscheins nicht vom Vorliegen einer Einsprache im Sinne von Art. 559 ZGB abhängig gemacht werden könne, wenn wie im vorliegenden Fall die Zusammensetzung der Erbengemeinschaft (unter Vorbehalt der erbrechtlichen Klagen) zurzeit offenkundig feststehe. Aus der Testamentseröffnung vom 25. August 2022 ergebe sich so- dann, dass das erblasserische Testament vom 5. Oktober 2000 nichts an der Erbenstellung der vorliegenden vier gesetzlichen Erben ändere. Dieses beinhalte einzig Anordnungen für den Fall des Vorversterbens des Erblassers vor seiner vormaligen Ehefrau H. , welche Situation nicht eingetreten sei, so dass das Testament an der gesetzlichen Erbfolge nichts geändert habe. Die vorinstanzliche Anordnung sei daher willkürlich und aufzuheben, zumal die Einsprache keine Begründung für das allfällige Wegfallen ihrer (der Berufungsklägerin) gesetzlichen Erbenstellung enthalte (act. 8 S. 2-4).

        1. Findet sich beim Tode eines Erblassers eine letztwillige Verfügung vor, so ist sie der Behörde unverweilt einzuliefern und binnen Monatsfrist nach der Einlieferung zu eröffnen (vgl. Art. 556 Abs. 1 und Art. 557 Abs. 1 ZGB; vgl. Testamentseröffnung act. 3). Gemäss Art. 559 Abs. 1 ZGB wird nach Ablauf eines Monats seit der Mitteilung der eröffneten letztwilligen Verfügung an die Beteiligten den eingesetzten Erben, wenn die gesetzlichen Erben die aus einer früheren Verfügung Bedachten nicht ausdrücklich deren Berechtigung bestritten haben, auf ihr Verlangen von der Behörde eine Bescheinigung darüber ausgestellt, dass sie unter Vorbehalt der Ungültigkeitsklage und der Erbschaftsklage als Erben anerkannt seien. Anspruch auf Ausstellung eines solchen Erbscheins haben entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht nur eingesetzte, sondern auch gesetzliche Erben. Der Zweck des Erbscheins erschöpft sich darin, sämtliche Erben auszuweisen, damit diese den Nachlass einstweilen in Besitz nehmen und provisorisch darüber verfügen können. Die Ausstellung einer Erbbescheinigung ist nur zu verweigern, wenn die Erbberechtigung der betroffenen Personen bestritten wird. Die Erbberechtigung der gesetzlichen Erben kann, im Gegensatz zu derjenigen der eingesetzten Erben, allerdings nicht bestritten werden (vgl. BGer 5D_305/2020 vom

    3. Mai 2021, E. 3.2 m.w.H.). Ist sodann im Zeitpunkt der Einsprache bereits klar,

dass sich am Kreise der Erben nichts mehr ändern kann, vermag der Erbschein seinen vorstehend umschriebenen Zweck vollumfänglich zu erfüllen, sodass er trotz Einsprache auszustellen ist. Das gilt auch, wenn aufgrund des Streits der Erben eine Erbschaftsverwaltung angeordnet wurde (Art. 556 Abs. 3 ZGB) und der Erbschein daher einstweilen kaum einen praktischen Nutzen hat (vgl. zum Ganzen BGer 5D_305/2020 vom 4. Mai 2021, E. 3.4).

    1. Unstrittig ist, dass die Berufungsklägerin Ehefrau bzw. Witwe des Erblassers ist. Dies ergibt sich aus dem Familienausweis und dem Ausweis über den registrierten Familienstand (act. 12/2). Als solche kommt ihr nach Art. 462 ZGB gesetzliche Erbenstellung zu (vgl. auch Testamentseröffnung act. 3 S. 3). Ihre Erbberechtigung als gesetzliche Erbin kann im Einspracheverfahren wie vorstehend gesagt nicht bestritten werden. Auch den Berufungsbeklagten als Nachkommen des Erblassers kommt gesetzliche Erbenstellung zu (Art. 457 ZGB; vgl. Testamentseröffnung act. 3 S. 3). Es sind vorliegend somit sämtliche Erben bereits bekannt, und selbst bei Ungültigkeit des Testaments vom 5. Oktober 2000 (welches lediglich Anordnungen für den Fall des Vorversterbens des Erblassers vor seiner vormaligen Ehefrau H. enthält und welche Situation nicht eingetreten ist, vgl. Testamentseröffnung act. 3 S. 2) würde deren gesetzliche Erbberechtigung nicht dahinfallen. Dass weitere Personen Erbenstellung beanspruchen könnten, ist weder behauptet noch aktenkundig. Inwiefern sodann potentielle Klagen am Kreis der gesetzlichen Erben etwas zu verändern vermöchten, ist nicht ersichtlich. Zu Recht macht die Berufungsklägerin daher geltend, dass im vorliegenden Fall die Erbbescheinigung ihren Zweck, sämtliche Erben auszuweisen, mangels Zweifel an deren Identität trotz erhobener Einsprache uneingeschränkt zu erfüllen vermag (act. 8 S. 4).

4. Die Rüge der Berufungsklägerin betreffend Nichtausstellung des Erbscheins erweist sich nach dem Gesagten als berechtigt. In Gutheissung der Berufung ist Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Urteils aufzuheben. Die Vorinstanz wird auf entsprechendes Ersuchen eines gesetzlichen Erben einen Erbschein auszustellen haben.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind auf die Gerichtskasse zu nehmen (Art. 107 Abs. 2 ZPO). Eine Entschädigung wurde nicht beantragt.

Es wird erkannt:

  1. In Gutheissung der Berufung der Berufungsklägerin wird Ziffer 1 des Urteils des Einzelgerichtes s.V. des Bezirksgerichtes Andelfingen vom

    27. September 2022 aufgehoben.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz.

  3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an das Notariat Andelfingen sowie – unter Beilage der Akten – an das Einzelgericht s.V. des Bezirksgerichtes Andelfingen, je gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 168'000.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. D. Tolic Hamming versandt am:

2. Dezember 2022

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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