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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LF220073
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF220073 vom 02.11.2022 (ZH)
Datum:02.11.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Erbvertrag / Erbenaufruf / Erbschaftsverwaltung
Zusammenfassung : Die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln hat Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters am Bezirksgericht Höfe eingelegt, das B.________ wegen mehrfacher vorsätzlicher grober Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt hat. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Berufung zurückgezogen hat, wurde das Verfahren abgeschrieben. Die zweitinstanzlichen Gerichtskosten von Fr. 300.00 gehen zu Lasten des Staates. Gegen diesen Entscheid kann innerhalb von 30 Tagen Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden.
Schlagwörter : Berufung; Erbschaftsverwaltung; Entscheid; Berufungskläger; Vorinstanz; Berufungsbeklagte; Erben; Rechtsmittel; Verfahren; Streitwert; Gericht; Urteil; Erblasser; Berufungsbeklagten; Anordnung; Kanton; Bundesgericht; Obergericht; Kantons; Oberrichter; Erbvertrag; Erbenaufruf; Meilen; Bezirksgericht; Schweizerischen; Rechtsschutzinteresse; Zeitpunkt; SEILER; Lasses
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ; Art. 116 BGG ; Art. 119 BGG ; Art. 242 ZPO ; Art. 315 ZPO ; Art. 325 ZPO ; Art. 551 ZGB ; Art. 554 ZGB ; Art. 59 ZPO ; Art. 90 BGG ; Art. 98 BGG ;
Referenz BGE:142 V 551; 145 III 153; 146 III 416;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LF220073-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Sarbach und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiber MLaw S. Widmer

Beschluss vom 2. November 2022

in Sachen

  1. ,

    Berufungskläger

    gegen

  2. ,

Berufungsbeklagter

betreffend Erbvertrag / Erbenaufruf / Erbschaftsverwaltung

im Nachlass von C. , geboren tt. November 1932, von D. ZH, gestorben tt. mm. 2022, wohnhaft gewesen in … D.

Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Meilen vom 5. September 2022 (EL220314)

Erwägungen:

    1. Am tt. mm. 2022 verstarb C. , geb. tt. November 1932 in der Tschechischen Republik, von D. ZH (nachfolgend: Erblasser). Er hatte seinen letzten Wohnsitz in D. (act. 1).

    2. Mit Eingabe vom 25. Juli 2022 reichte das Notariat E. dem Bezirksgericht Meilen (nachfolgend: Vorinstanz) einen Erbvertrag vom 26. Mai 1992, abgeschlossen zwischen dem Erblasser und seiner vorverstorbenen Ehegattin,

      F. , zur amtlichen Eröffnung ein (act. 2). In diesem Erbvertrag wird nebst dem im Schweizerischen Zivilstandsregister aufgeführten Sohn, A. , geb. tt. Oktober 1961, von D. ZH (nachfolgend: Berufungskläger; vgl. act. 3), noch ein weiterer Sohn des Erblassers aus erster Ehe, B. , geb. tt. Dezem-

      ber 1959 (recte: 1958), erwähnt (nachfolgend: Berufungsbeklagter; vgl. act. 6 S. 2 f.).

    3. Nachdem der Berufungskläger keine Angaben zum Verbleib und der Adresse seines Halbbruders, des Berufungsbeklagten, hatte machen können und gerichtliche Nachforschungen bei den Behörden in Tschechien ergebnislos geblieben waren (vgl. act. 5), ordnete die Vorinstanz mit Urteil vom 5. September 2022 (act. 8 = act. 14) die Publikation eines Erbenaufrufes im Amtsblatt des Kantons Zürich und in einer in der Tschechischen Republik vielgelesenen Tageszeitung (Dispo-Ziff. 2) sowie die Erbschaftsverwaltung an (Dispo-Ziff. 3). Als Rechtsmittel gegen den Entscheid nannte sie in der Rechtsmittelbelehrung die Berufung innert zehn Tagen beim Obergericht (act. 8 = act. 14 S. 4); ein Streitwert lässt sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen.

2. Mit Eingabe vom 20. September 2022 erhob der Berufungskläger rechtzeitig (vgl. act. 9/2) Berufung gegen die Anordnung der Erbschaftsverwaltung (act. 16).

    1. Das Gericht tritt auf eine Klage auf ein Gesuch ein, sofern die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 59 Abs. 1 ZPO). Eine Prozessvoraussetzung ist insbesondere, dass die klagende gesuchstellende Partei ein schutzwürdiges Interesse hat (Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO). Dieses sog. Rechtsschutzinteresse muss im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Prozesses bzw. der Anhängigmachung

      des Rechtsmittels vorhanden sein, ansonsten auf die Klage bzw. das Rechtsmittel nicht eingetreten werden kann. Das bedeutet für ein Rechtsmittel u.a., dass es geeignet sein muss, den gewünschten Erfolg herbeizuführen und einen wirtschaftlichen, ideellen materiellen Nachteil der das Rechtsmittel ergreifenden Partei zu beseitigen (vgl. SEILER, Die Berufung nach ZPO, N 533 und 546; STEINER, Die Beschwerde nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, N 320). Da das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen zu entscheiden hat, muss das Rechtsschutzinteresse auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung aktuell sein. Fällt das Rechtsschutzinteresse während des Verfahrens definitiv weg, ist das Verfahren i.S.v. Art. 242 ZPO als gegenstandslos abzuschreiben (vgl. zum Ganzen: CHK ZPO-SUTTER-SOMM/SEILER, Art. 242 N 8; PC CPC-HEINZMANN/BRAIDI, Art. 242 N 6; KRIECH, DIKE-Komm-ZPO, 2. Aufl. 2016, Art. 242 N 3 f. und 6; ENG-

      LER, OFK-ZPO, 2. Aufl. 2015, Art. 242 N 2; BK ZPO-KILLIAS, Art. 242 N 10;

      BGE 146 III 416 E. 7.4; BGer 4A_226/2016 vom 20. Oktober 2016, E. 5).

    2. Bereits kurz nach Publikation des Erbenrufes meldete sich der Berufungsbeklagte über eine Vertreterin bei der Vorinstanz (vgl. act. 12), worauf diese mit Urteil vom 23. September 2022 vom Abschluss des Erbenaufrufes Vormerk nahm und den Erbschaftsverwalter anwies, die Verwaltung des Nachlasses mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils abzuschliessen, den gesetzlichen Erben für seine Bemühungen und Kosten Rechnung zu stellen und ihnen die Aktiven auszuhändigen bzw. auszubezahlen. Die Erbschaftsverwaltung werde auf den Zeitpunkt der Aushändigung des Nachlasses aufgehoben und der Notar des Notariatskreises

      E. von seinem Auftrag entbunden (act. 12/7 = act. 15). Der Berufungsbeklagte ergriff dagegen innert zehn Tagen ab Zustellung (vgl. act. 12/8) kein Rechtsmittel.

    3. Die Berufung vom 20. September 2022 richtet sich ausschliesslich gegen die Erbschaftsverwaltung, deren Aufhebung die Vorinstanz bereits beschlossen hat. Die Anordnung der Erbschaftsverwaltung gehört zu den Sicherungsmassregeln nach Art. 551 ff. ZGB. Sie gilt wenn sie wie im Kanton Zürich von richterlichen Behörden erlassen wird als vorsorgliche Massnahme im Sinne von

Art. 308 Abs. 1 lit. b und Art. 315 Abs. 4 lit. d ZPO (vgl. ZPO-RechtsmittelHOFFMANN-NOWOTNY, Art. 315 N 46 Ziff. 6; OGer ZH, LF140016 vom

31. März 2014, E. 1.1). Die Berufung gegen Entscheide über vorsorgliche Mass- nahmen hat keine aufschiebende Wirkung (Art. 315 Abs. 4 lit. b ZPO). Sie hemmt die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids nicht (statt Vieler: CHK ZPO- SUTTER-SOMM/SEILER, Art. 315 N 6 und 11; STEININGER, DIKE-Komm-ZPO, 2.

Aufl. 2016, Art. 315 N 10). Allfällige Bemühungen und Kosten des Erbschaftsverwalters im Zeitraum zwischen der Anordnung und der Aufhebung bleiben von der Berufung mangels eines Antrags auf Aufschub der Vollstreckung unberührt (vgl. Art. 315 Abs. 5 ZPO). Somit ist die Berufung aufgrund der zwischenzeitlich angeordneten Aufhebung der Erbschaftsverwaltung gegenstandslos geworden. Das Verfahren ist demzufolge abzuschreiben (Art. 242 ZPO).

An der Gegenstandslosigkeit würde sich im Übrigen auch nichts ändern, wenn gegen den angefochtenen Entscheid nicht die Berufung, sondern mangels Erreichens der Streitwertgrenze von Fr. 10'000.- die Beschwerde zur Verfügung gestanden hätte (vgl. Art. 308 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 lit. a ZPO). Die Vorinstanz nannte keinen Streitwert und hinreichende Informationen zur Bestimmung des massgebenden Bruttowerts des Nachlasses fehlen (vgl. OGer ZH, LF120017 vom

16. April 2012, E. V). Dem Berufungskläger zufolge soll dieser Fr. 9'515.96 betra-

gen (act. 16 S. 2 mit Verweis auf act. 17). Auch die Beschwerde hemmt die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids nicht (Art. 325 ZPO). Insofern und weil vor Bundesgericht hier unabhängig vom Streitwert nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann (vgl. Art. 98, 113 und Art. 116 BGG), ist der Streitwert ausnahmsweise offenzulassen (vgl. Art. 112 Abs. 1 lit. d und Art. 119 BGG).

    1. Bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens kann das Gericht von den Verteilungsgrundsätzen (Art. 106 ZPO) abweichen und die Prozesskosten nach Ermessen verteilen (Art. 107 Abs. 1 lit. e ZPO; BGE 145 III 153 E. 3.3.2). Dabei kann namentlich berücksichtigt werden, welches der mutmassliche Prozessausgang gewesen wäre (BGE 142 V 551 E. 8.1; BGer 5A_717/2020 vom 2. Juni 2021,

      E. 4.2.1.1; BGer 5A_1047/2019 vom 3. März 2020, E. 3.1.1).

    2. Die Vorinstanz stützte sich im angefochtenen Entscheid auf Art. 554 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB, wonach die Erbschaftsverwaltung angeordnet wird, wenn nicht alle Erben des Erblassers bekannt sind (act. 8 = act.14 S. 3). Dagegen wandte der Berufungskläger zusammengefasst ein, vorliegend seien sehr wohl alle Erben bekannt gewesen, der Berufungsbeklagte sei lediglich dauernd und ohne Vertretung abwesend. In einem solchen Fall werde die Erbschaftsverwaltung gemäss

      Art. 554 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB nur angeordnet, sofern es die Interessen des abwesenden Erben erforderten, was angesichts des geringen Nachlasswerts hier zu verneinen sei. Die Vorinstanz habe zudem seinen Gehörsanspruch verletzt, in- dem sie die Erbschaftsverwaltung angeordnet habe, ohne ihn vorgängig zur Ver- nehmlassung einzuladen (act. 16 S. 2 f.).

    3. Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers fallen unter Art. 554 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB nicht nur Fälle, in welchen vollends ungewiss ist, ob neben dem den bekannten noch andere Erben existieren, sondern auch Fälle, in welchen sich die Ungewissheit darauf bezieht, ob bekannte Erben noch leben (PraxKomm Erbrecht-EMMEL, 4. Aufl. 2019, Art. 554 N 7; BSK ZGB II-KARRER/VOGT/LEU, 6. Aufl.

      2019, Art. 554 ZGB N 13). Wie eingangs erwähnt, konnte der Berufungskläger der Vorinstanz keine Angaben (aktuelle Wohnadresse, E-Mailadresse o.ä.) zum Berufungsbeklagten machen und verliefen entsprechende gerichtliche Nachforschungen ergebnislos (vgl. act. 5). Es blieb somit insbesondere ungewiss, ob der Berufungsbeklagte noch lebt. Damit aber waren die Voraussetzungen von Art. 554 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB erfüllt und lag der Entscheid über die Anordnung der Erbschaftsverwaltung nicht im Ermessen der Vorinstanz (BSK ZGB II-KARRER/ VOGT/LEU, 6. Aufl. 2019, Art. 554 N 19). Als Sofortmassnahme ist die Erbschaftsverwaltung unverzüglich anzuordnen und zu vollziehen, sobald die zuständige Behörde vom Todesfall und dem Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen Kenntnis erhalten hat, nötigenfalls auch ohne Anhörung der Betroffenen (Art. 551 ZGB; BGer 5P.322/2004 vom 6. April 2005 E. 3.2; BSK ZGB II- KARRER/VOGT/LEU, 6. Aufl. 2019, Art. 554 N 19). Folglich wäre auch der nicht weiter substantiierte Vorwurf der Gehörsverletzung ins Leere gelaufen und die Berufung mutmasslich abzuweisen gewesen. Bei dieser Sachlage rechtfertigt es sich,

      die Prozesskosten des vorliegenden Berufungsverfahrens dem Berufungskläger aufzuerlegen.

    4. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr ist in Anwendung von § 12 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 (Streitwert: ca. Fr. 10'000.-) und 2, § 8 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 200.festzusetzen.

    5. Umtriebsoder Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen: dem Berufungskläger nicht, weil er mutmasslich unterlegen wäre, dem Berufungsbeklagten nicht, weil ihm keine zu entschädigenden Aufwände entstanden sind.

Es wird beschlossen:

  1. Das Berufungsverfahren wird abgeschrieben.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 200.festgesetzt und dem Berufungskläger auferlegt.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Berufungsbeklagten unter Beilage der Doppel von act. 16 und 17, sowie an das Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Meilen, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG in einem Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

MLaw S. Widmer versandt am:

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