Zusammenfassung des Urteils LF220068: Obergericht des Kantons Zürich
Die Ausgleichskasse A. hat gegen das Urteil des Einzelgerichts Erbschaftssachen des Bezirksgerichts Zürich Berufung eingelegt, um eine amtliche Liquidation im Nachlass von B. zu erreichen. Die Berufungsklägerin fordert eine konkursamtliche Liquidation gemäss Artikel 193 SchKG, da das Einzelgericht den Antrag abgelehnt hat. Die Vorinstanz wies den Antrag ab, da die Frist für eine amtliche Liquidation verpasst wurde. Die Berufungsklägerin argumentiert, dass die Erbenermittlung nicht vollständig durchgeführt wurde und verlangt die Liquidation aufgrund von Schulden. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigt jedoch das Urteil des Einzelgerichts und entscheidet, dass keine Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren erhoben werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF220068 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 21.10.2022 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_901/2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Amtliche Liquidation |
Schlagwörter : | Berufung; Erbschaft; Liquidation; SchKG; Vorinstanz; Erben; Lasse; Berufungsklägerin; Erblasserin; Urteil; Gläubiger; Bezirksgericht; Einzelgericht; Erbschaftssachen; Erbenermittlung; Gericht; Sinne; Akten; Verfahren; Frist; Forderung; Recht; Einzelgerichtes; Bezirksgerichtes; Antrag; Eröffnung; Verfügung |
Rechtsnorm: | Art. 193 KG ;Art. 555 ZGB ;Art. 566 ZGB ;Art. 593 ZGB ;Art. 594 ZGB ;Art. 597 ZGB ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF220068-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichterin lic. iur.
R. Bantli Keller sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Götschi
Urteil vom 21. Oktober 2022
in Sachen
Berufungsklägerin
betreffend amtliche Liquidation
Rechtsbegehren:
Einleitung einer amtlichen Liquidation gemäss Artikel 193 SchKG.
Urteil des Einzelgerichtes:
Der Antrag der Ausgleichskasse der Kommunikationsbranche auf Einleitung der amtlichen Liquidation wird abgewiesen.
Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 200.00 festgesetzt und der Ausgleichskasse der Kommunikationsbranche auferlegt.
3./4. (Mitteilung / Rechtsmittel).
Berufungsanträge:
der Berufungsklägerin (act. 6):
1. Das Urteil des Bezirksgerichts vom 22. August 2022 sei vollständig aufzuheben.
2. Das Bezirksgericht soll den Fall neu beurteilen und gegebenenfalls eine vollständige Erbenabklärung durchführen und uns die Erben bekanntgeben gestützt auf Artikel SchKG 193 die konkursamtliche Liquidation einleiten, wenn niemand das Erbe angenommen hat die Ausschlagung zu vermuten ist.
Erwägungen:
B. (nachfolgend: Erblasserin), österreichische Staatsangehörige, verstarb am tt.mm.2022 (vgl. act. 2/3). Eine Tochter der Erblasserin, C. , schlug den Nachlass aus (vgl. act. 2/1). Die Ausschlagungserklärung von C. wurde vom Einzelgericht Erbschaftssachen des Bezirksgerichts Zürich mit Urteil vom
4. Mai 2022 (Geschäfts-Nr. EN220178) zu Protokoll genommen (vgl. nicht akturiertes Urteil in act. 2). Zurzeit kümmert sich offenbar Herr D. , eigenen Angaben zufolge ein Halbbruder der Erblasserin, um den Nachlass der Erblasserin. Dies gab er gegenüber dem Einzelgericht Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Zürich (nachfolgend: Vorinstanz) an (vgl. act. 2/5).
Mit Schreiben vom 11. August 2022 (act. 1) ersuchte die Berufungsklägerin die Vorinstanz gestützt auf Art. 193 SchKG um Einleitung einer amtlichen Liqui- dation.
Mit Urteil vom 22. August 2022 (vgl. act. 5 [Aktenexemplar]) wies die Vorinstanz den Antrag der Berufungsklägerin ab (a.a.O., Dispositiv-Ziffer 1), setzte die Entscheidgebühr auf Fr. 200.– fest und auferlegte diese der Berufungsklägerin (a.a.O., Dispositiv-Ziffer 2). Als Rechtsmittel belehrte die Vorinstanz die Berufung (a.a.O., Dispositiv-Ziffer 4).
Dagegen erhebt die Berufungsklägerin mit Eingabe vom 7. September 2022 (Datum Poststempel) Berufung (act. 6).
Die vorinstanzlichen Akten wurden von Amtes wegen beigezogen (vgl.
act. 1-3). Prozessuale Weiterungen erübrigen sich. Das Verfahren ist spruchreif.
Die Vorinstanz wies den Antrag der Berufungsklägerin im Wesentlichen mit der Begründung ab, eine amtliche Liquidation gestützt auf Art. 594 Abs. 1 ZGB könne nur innert einer absoluten und nicht erstreckbaren Frist von drei Monaten vom Tode der Erblasserin der Eröffnung der Verfügung an gerechnet verlangt werden. Da die Erblasserin am tt.mm.2022 verstorben sei und mangels Einreichung eines Testamentes keine Eröffnung einer Verfügung stattgefunden habe, sei der mit Eingabe vom 11. August 2022 gestellte Antrag der Berufungsklägerin verspätet und daher abzuweisen (vgl. act. 5 E. II.).
Die Berufungsklägerin macht geltend, die Vorinstanz habe die amtliche Liquidation gemäss Art. 594 ZGB abgelehnt, weil die dreimonatige Frist verpasst worden sei. Sie, die Gläubigerin, stütze sich aber auf Artikel 193 SchKG und sie verlange die konkursamtliche Liquidation. Die Vorinstanz habe diesbezüglich mitgeteilt, dass sie keine vollständige Erbenermittlung durchgeführt habe und keine Angaben über allfällige Erben machen könne. Sie, die Gläubigerin, habe alles versucht, um den Ausstand von Fr. 2'218.– bei den Erben einfordern aber im Liquidationsverfahren geltend machen zu können. Sie hätten versucht, die Forderung beim Konkursamt direkt anzumelden. Die Forderungseingabe sei aber retour
gekommen mit der Begründung, dass momentan kein Konkursverfahren hängig sei (act. 6 S. 1). Aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Akten müsse sie davon ausgehen, dass die Erbschaft ausgeschlagen worden die Ausschlagung zu vermuten sei (a.a.O., S. 1 f.). Es sei die Aufgabe der zuständigen Behörde, die konkursamtliche Liquidation in den Fällen von Art. 193 SchKG einzuleiten; ein Gläubiger müsse dies nicht verlangen und es gebe auch keine Frist, die einzuhalten sei (vgl. a.a.O., S. 2). Dass die Vorinstanz zu Unrecht keine amtliche Liquidation nach Art. 594 ZGB angeordnet habe, macht die Berufungsklägerin nicht explizit geltend. Insbesondere rügt sie nicht, die Vorinstanz habe zu Unrecht erwogen, die dreimonatige Frist gemäss Art. 594 ZGB, um die amtliche Liquidation zu verlangen, sei ungenutzt verstrichen.
Erbrechtliche Sicherungsmassregeln nach Art. 551 ff. ZGB werden in einem Verfahren der freiwilligen, nichtstreitigen Gerichtsbarkeit erlassen (vgl. BSK ZGB II-KARRER/VOGT/LEU, 6. Aufl. 2019, Vor Art. 551-559 N 10). Der Erbe kann Sicherungsmassregeln als Alternative zur Ausschlagung der Erbschaft Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar verlangen. Er kann auch die amtliche Liquidation der Erbschaft verlangen (Art. 593 ZGB; siehe aber Art. 593 Abs. 2 ZGB), was zur Folge hat, dass er für die Schulden der Erbschaft nicht haftet
(Art. 593 Abs. 3 ZGB). Die Sicherungsmassregeln zu Gunsten des Gläubigers haben nicht den Haftungsausschluss vor Augen, sondern bezwecken die Absicherung der Forderung des Gläubigers des Erblassers. Die Absicherung der For- derung der Gläubiger des Erblassers geschieht vor allem durch Art. 594 Abs. 1 ZGB. Die Gläubiger können die amtliche Liquidation der Erbschaft innerhalb von drei Monaten nach dem Tod des Erblassers verlangen, wenn sie begründete Besorgnis haben, dass ihre Forderung nicht bezahlt wird. Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie hier sind summarisch (vgl. Art. 248 lit. e ZPO) und das Gericht hat den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen (vgl. Art. 255 lit. b ZPO). Dies bedeutet, dass das Gericht den Sachverhalt unter Mitwirkung der Partei(en) festzustellen, nicht jedoch zu erforschen hat. Grundsätzlich ist es Sache der Partei(en), das Tatsächliche vorzutragen und die Beweismittel zu nennen (vgl. BSK ZPO-MAZAN, 3. Aufl. 2017, Art. 255 N 6).
Es stellt sich die Frage, ob die Vorinstanz das Konkursgericht im Ergebnis zu Recht nicht (im Sinne von Art. 193 SchKG) benachrichtigt hat. Die Vorinstanz hat als zuständige Behörde im Sinne von Art. 193 SchKG (vgl. insb. § 137 lit. e und g GOG i.V.m. § 24 GOG) das Konkursgericht zu benachrichtigen, wenn alle nächsten gesetzlichen Erben (hier alle Nachkommen) die Erbschaft ausgeschlagen haben die Ausschlagung zu vermuten ist (Art. 566 ff. und 573 ZGB) wenn eine Erbschaft, für welche die amtliche Liquidation verlangt angeordnet worden ist, sich als überschuldet erweist (vgl. Art. 193 Abs. 1 SchKG und Art. 597 ZGB). In diesen Fällen ordnet das Konkursgericht die konkursamtliche Liquidation an (vgl. Art. 193 Abs. 2 SchKG). Auch ein Gläubiger – wie die Berufungskläge-
rin – ein Erbe kann die konkursamtliche Liquidation verlangen (Art. 193 Abs. 3 SchKG).
Das Tatsächliche hierzu hat die Berufungsklägerin vor Vorinstanz nicht vorgetragen und insbesondere nicht dargelegt, weshalb in sachverhaltsmässiger Hinsicht – so wie sie dies nun in der Berufungsschrift geltend macht (vgl. act. 2 S.
2) – aufgrund der zur Verfügung stehenden Akten davon auszugehen sei, dass (im Sinne von Art. 193 SchKG) die Erbschaft (von allen nächsten gesetzlichen Erben) ausgeschlagen worden die Ausschlagung zu vermuten sei. Der Vorinstanz ist mangels erfolgter Erbenermittlung zurzeit insbesondere nicht bekannt, ob mit der Ausschlagung von C. (vgl. oben E. 1.1) alle Erben der Erblasserin ausgeschlagen haben im Sinne von Art. 193 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG. Eine Erbe- nermittlung erfolgt namentlich dann, wenn ein Erbe die Ausstellung eines Erbscheins verlangt ein Testament zur Eröffnung eingereicht eine Erbschaftsverwaltung angeordnet wird (vgl. Art. 554 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB i.V.m. Art. 555 ZGB).
Offenbar wurde bei der Vorinstanz bislang weder die Ausstellung eines Erbscheins verlangt noch ein Testament zur Eröffnung eingereicht, weshalb die Erbenermittlung nicht in Gang gesetzt worden ist. Ausnahmsweise werden etwa auf Hinweis der Polizei des Steueramtes, wonach ein Verwaltungsaufwand für den Nachlasse bestehe, erbgangsichernde Massnahmen in die Wege geleitet und es kommt zur Erbenermittlung. Solche Anzeigen liegen aber auch nicht vor. Die Vorinstanz hat bei dieser Ausgangslage keine Erbenermittlung (von Amtes wegen) vorzunehmen. Zudem hat sie auch keine Hinweise auf eine Zahlungsunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes auf eine Überschuldung der Erbschaft (Art. 566 ZGB). Im Gegenteil: laut Angaben des Halbbruders der Erblasserin sei der Nachlass nicht überschuldet, er habe sich um die Erblasserin und ihre Finanzen gekümmert (vgl. act. 2/5). Ob (mit der Ausschlagungserklärung von C. bereits) alle nächsten gesetzlichen Erben die Erbschaft der Erblasserin ausgeschlagen haben die Erbschaft offensichtlich überschuldet ist, was die gesetzliche Vermutung nach Art. 566 ZGB zur Folge hätte, wonach die Ausschlagung der anderen nächsten gesetzlichen Erben vermutet würde, ist somit zurzeit nicht bekannt.
Im Ergebnis hat die Vorinstanz das Konkursgericht zu Recht nicht (im Sinne von Art. 193 SchKG) benachrichtigt. Bei diesem Ausgang kann insbeson- dere die in der Literatur umstrittene Frage offen gelassen werden, ob ein Gläubiger die dreimonatige Frist von Art. 594 ZGB für die Beantragung der konkursamtlichen Liquidation nach Art. 193 Abs. 3 SchKG ebenfalls zu beachten hätte (vgl. dazu BSK SchKG-BRUNNER/BOLLER/FRITSCHI, 3. Aufl. 2021, Art. 193 N 8 und SK
SchKG-TALBOT, 4. Aufl. 2017, Art. 193 N 6 mit PraxKomm Erbrecht-HÄUPTLI,
4. Aufl. 2019, Art. 573 N 4 m.w.H.).
2.5 Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen und das Urteil des Einzelgerichtes Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 22. August 2022 (Geschäfts-Nr. EN220818) zu bestätigen.
3. Umständehalber ist auf das Erheben von Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren zu verzichten. Ausgangsgemäss sind keine Parteioder Umtriebsentschädigungen zuzusprechen.
Es wird erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Einzelgerichtes Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 22. August 2022 wird bestätigt.
Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.
Parteioder Umtriebsentschädigungen werden keine zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Berufungsklägerin und – unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten – an das Einzelgericht Erbschaftssachen des Bezirksgerichts Zürich, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert wurde nicht ermittelt.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Götschi versandt am:
21. Oktober 2022
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