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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LF220053
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF220053 vom 01.11.2022 (ZH)
Datum:01.11.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Erbgangsichernde Massnahmen
Schlagwörter : Berufung; Berufungsklägerin; Vorinstanz; Recht; Schen; Erwachsenen; Massnahmen; Erben; Umfassende; Beistandschaft; Sicherung; Verfahren; Entscheid; Gerichtlich; Behörde; österreichische; Schweiz; Person; Angelegenheiten; Bestellt; Erblasserin; Sicherungsinventar; Vertretung; Gerichtliche; Kantons; Erbangssichernde; Bezirksgerichtes; Einzelgericht; Erwachsenenschutz; Urkunde
Rechtsnorm: Art. 28 ZPO ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 389 ZGB ; Art. 398 ZGB ; Art. 551 ZGB ; Art. 553 ZGB ; Art. 98 BGG ;
Referenz BGE:120 II 293;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

    Geschäfts-Nr.: LF220053-O/U

    Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichterin lic. iur.

    1. Strähl sowie Gerichtsschreiberin MLaw M. Schnarwiler

Urteil vom 1. November 2022

in Sachen

A. ,

Berufungsklägerin

vertreten durch Mag. X. ,

betreffend erbangssichernde Massnahmen

im Nachlass von B. , geboren tt. September 1943, von C. BE, ge- storben tt.mm.2021, wohnhaft gewesen in D. ,

Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Uster vom 27. Juni 2022 (EN220024)

Erwägungen:

1. Am tt.mm.2021 verstarb die zuletzt in D. wohnhaft gewesene

B. . Mit Schreiben vom 31. Januar 2022 gelangte die Stadt D. , Abtei- lung Steuern, an das Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksge- richtes Uster (Vorinstanz). Sie führte aus, der Ehemann der Verstorbenen,

E. , sei am tt.mm.2022 nun ebenfalls verstorben. In Bezug auf ihn bzw. auf B. könne indes die Inventarisation nicht eingeleitet werden, da der Stadt

D. keine weiteren Erben bekannt seien. Aus diesem Grund werde um einen Erbenruf ersucht bzw. um die Mitteilung, wer Erben der verstorbenen Eheleute

B. E. seien (act. 1).

    1. Die Vorinstanz führte in der Folge die Erbenermittlung durch. Im Lauf des Verfahrens wandte sich X. vom Niederösterreichischen Landesverein für Erwachsenenschutz mit Schreiben vom 28. Februar 2022 an die Vorinstanz und machte geltend, der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter der Schwester der Erblasserin, A. , zu sein. Er belegte dies mittels einer Urkunde vom

      11. Januar 2021 (act. 8). Auf Aufforderung der Vorinstanz (vgl. act. 11) reichte er weitere Unterlagen im Zusammenhang mit der Erbenermittlung ein (act. 16).

    2. Mit Urteil vom 27. Juni 2022 erwog die Vorinstanz, es sei kein Testament der Erblasserin eingereicht worden, weshalb die gesetzlichen Erben zur Erfolge gelangten. Diese seien der nachverstorbene Ehemann sowie (mangels Nach- kommen) aus dem Stamm der Eltern F. sowie A. . Da damit keine Ungewissheit über die Erben bestehe und daher keine Gründe für die Anordnung erbangssichernder Massnahmen vorlägen, seien – so erwog die Vorinstanz – kei- ne solchen anzuordnen.

Die Vorinstanz erkannte daraufhin im Dispositiv, dass keine erbangssi- chernden Massnahmen angeordnet würden, das Geschäft als erledigt abge- schrieben werde, die Regelung des Nachlasses Sache der gesetzlichen Erben sei und den gesetzlichen Erben auf Verlangen eine auf sie lautende Erbbescheini- gung ausgestellt werde ([act. 20 =] act. 23 [= act. 25]).

    1. Gegen diesen Entscheid gelangte A. (fortan Berufungsklägerin), ver- treten durch X. , mit Eingabe vom 8. Juli 2022 rechtzeitig (vgl. act. 21) an die Kammer. Sie macht sinngemäss geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht keine erbangssichernden Massnahmen angeordnet. So sei gestützt auf Art. 553 ZGB durch die zuständige Behörde von Amtes wegen die Aufnahme eines Sicherungs- inventars zu veranlassen, wenn ein Erbe unter umfassender Beistandschaft ste- he. Im Falle der Berufungsklägerin sei eine sehr umfassende österreichische Er- wachsenenvertretung angeordnet worden, welche einer umfassenden Beistand- schaft nach schweizerischem Recht gleichzustellen sei, weshalb ein Sicherungs- inventars aufzunehmen sei (act. 24).

    2. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1–21). Da die Eingabe der Berufungsklägerin keine Originalunterschrift trug, wurde sie mit Verfügung vom 19. Juli 2022 zur Verbesserung zurückgesandt unter der Androhung, bei Säumnis gelte die Eingabe vom 8. Juli 2022 als nicht erfolgt. Zudem wurde der Berufungsklägerin Frist zur Bezeichnung eines Zustelldomizils in der Schweiz an- gesetzt, ansonsten die weiteren gerichtlichen Zustellungen durch Publikation im Amtsblatt erfolgten (act. 27). Die Berufungsklägerin reichte die verbesserte Ein- gabe innert Frist (vgl. act. 28) ein und erklärte, keine Zustelladresse in der Schweiz bezeichnen zu wollen, sondern die Publikation im Amtsblatt zu wün- schen (act. 29). Entsprechend hat die Zustellung dieses Entscheides an die Beru- fungsklägerin wie angedroht mittels Publikation im Amtsblatt des Kantons Zürich zu erfolgen. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

4. Die erbrechtlichen Sicherungsmassregeln (Art. 551 ff. ZGB) stellen vorsorg- liche Massnahmen dar (BGer 5A_517/2018 vom 9. Januar 2019, E. 2.2.). In ver- mögensrechtlichen Streitigkeiten ist eine Berufung gegen erstinstanzliche Ent- scheide über vorsorgliche Massnahmen zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000.– beträgt (Art. 308 ZPO). Vorliegend handelt es sich um eine erbrechtliche und damit vermögens- rechtliche Angelegenheit. Laut Abklärungen der Vorinstanz betrug das Vermögen der Erblasserin gemäss Steuererklärung 2020 rund Fr. 1'884'000.– (act. 5). Es ist

damit ohne weiteres von einem Nachlass und damit einem streitwerten Interesse am vorliegenden Verfahren von über Fr. 10'000.– auszugehen.

Mit der Berufung kann eine unrichtige Rechtsanwendung und eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Neue Tatsachen und Beweismittel werden nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Ver- zug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster In- stanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO).

5.1 In Art. 551 ff. ZGB sind verschiedene Sicherungsmassregeln in Bezug auf den Nachlass vorgesehen. Eine davon ist das in Art. 553 ZGB normierte Erb- schafts- oder Sicherungsinventar, wobei es sich um eine amtliche Aufzeichnung des Nachlasses zur Feststellung seines Bestandes im Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges handelt (BGE 120 II 293, E. 2). Es soll verhindern, dass zwischen Erbgang und Teilung Vermögenswerte unbemerkt verschwinden.

Die zuständige Behörde hat das Sicherungsinventar (u.a.) dann von Amtes wegen anzuordnen, wenn ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft

i.S.v. Art. 398 ZGB steht (vgl. Art. 551 u. Art. 553 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB; PraxKomm Erbrecht-EMMEL, 4. Aufl. 2019, Art. 553 N 1 u. 5; BSK ZGB II-KARRER/VOGT/LEU,

6. Aufl. 2019, Art. 553 N 10a).

Die umfassende Beistandschaft nach Art. 398 ZGB wird errichtet, wenn eine Person namentlich wegen dauernder Urteislunfähigkeit besonders hilfsbedürftig ist (Abs. 1). Sie kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die betroffene Per- son ihre Angelegenheiten derart unzweckmässig besorgt, etwa krass gegen ihre eigenen wohlverstandenen Interessen handelt, dass nicht verantwortet werden kann, ihr die Handlungsfähigkeit zu belassen (BSK ZGB I-BIDERBOST/HENKEL,

6. Aufl. 2018, Art. 398 N 2). Die umfassende Beistandschaft bezieht sich auf alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsver- kehrs (Abs. 2). Die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person entfällt dabei von Gesetzes wegen (Abs. 3).

      1. Laut Art. 22 Ziff. 1 des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (HEsÜ, SR 0.211.232.1), von wel- chem sowohl Österreich als auch die Schweiz Vertragsstaaten sind, werden die

        von den Behörden eines Vertragsstaates getroffenen Massnahmen grundsätzlich kraft Gesetz, mithin ohne förmliche Anerkennungsentscheidung, in den anderen Vertragsstaaten anerkannt (vgl. auch: HUNGERBÜHLER/JOHN, in: FHB Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, 2016, N 17.55). Wie gezeigt, belegt X. mit Ur- kunde vom 11. Januar 2021, dass er mit Beschluss des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 4. Januar 2021 nach österreichischem Recht als gerichtlicher Erwachsenenvertreter der Berufungsklägerin bestellt worden ist (vgl. act. 8; be- reits vor Vorinstanz eingereicht als act. 26/1), was nach dem Gesagten anzuer- kennen ist.

      2. Es fragt sich, ob diese nach österreichischem Recht errichtete Vertretung mit einer umfassenden Beistandschaft nach Schweizerischem Recht vergleichbar ist und damit ein Fall von Art. 553 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB vorliegt:

        Gemäss § 271 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbu- ches (ABGB), auf welchen in genannter Urkunde Bezug genommen wird, wird ei- ne gerichtliche Erwachsenenvertretung einer volljährigen Person (u.a.) dann be- stellt, wenn sie bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht oh- ne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann. Ein gerichtlicher Er- wachsenenvertreter darf dabei nur für einzelne oder Arten von gegenwärtig zu besorgenden und bestimmt zu bezeichnenden Angelegenheiten bestellt werden (§ 272 Ziff. 1 ABGB). Damit sind die Befugnisse des gerichtlichen Erwachsenen- schutzvertreters nach österreichischen Recht nicht per se gleichzustellen mit den- jenigen der umfassenden Beistandschaft nach Schweizerischem Recht. Es bleibt der konkrete Fall zu betrachten.

        Gemäss eingereichter Urkunde wurde X. der Berufungsklägerin für folgende Angelegenheiten bestellt:

        • Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern

        • Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten

        • Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen

        • Vertretung bei medizinischen Heilbehandlungen

        • Organisation von Pflege und Betreuung

        • Bestimmung des Wohnortes

Diese Befugnisse sind weitreichend und betreffen sowohl die Personensor- ge, die Vermögenssorge als auch den Rechtsverkehr. Der Umfang der Angele- genheiten, für welche der Berufungsklägerin eine Vertretung bestellt wurden, sind damit ohne Weiteres mit denjenigen einer umfassenden Beistandschaft nach

Art. 389 ZGB vergleichbar.

Entsprechend liegt ein Fall von Art. 553 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB vor. Ein anderer Grund für die Aufnahme eines Inventars ist nicht behauptet und nicht ersichtlich. Insbesondere verlangte die Berufungsklägerin vor Vorinstanz nicht die Aufnahme eines Inventars (Art. 553 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB).

      1. Gemäss Art. 28 Abs. 2 ZPO ist für Massnahmen im Zusammenhang mit dem Erbgang, worunter auch die Inventaraufnahme nach Art. 553 ZGB fällt, ört- lich die Behörde am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers zwin- gend zuständig (vgl. auch: BSK ZPO-MARTIN-SPÜHLER, 3. Aufl. 2017, Art. 28

        N 21). Gestützt auf § 137 lit. b GOG ist sachlich das Einzelgericht die zuständige Behörde für (u.a.) Massregeln zur Sicherung des Erbganges (Art. 551 ZGB), so- weit dies nicht Sache der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ist. Die Bestimmung verweist auf § 125 Abs. 2 EG ZGB. Gemäss dieser ordnet die KESB die Aufnahme eines Inventars in den Fällen von Art. 553 Abs. 1 Ziff. 1, 2 und 4 ZGB an.

        Da vorliegend wie gezeigt ein Fall von Art. 553 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB vorliegt, ist die Vorinstanz sachlich für die Anordnung des Inventars vorderhand nicht zustän- dig. Die Berufung ist entsprechend abzuweisen.

      2. Wie gezeigt (hiervor E. 5.1), hat die Anordnung des Sicherungsinventars von Amtes wegen zu erfolgen. Zuständig ist nach dem Gesagten die KESB am letzten Wohnsitz der Erblasserin, mithin die KESB Dübendorf. Ihr ist von der vor- liegenden Sachlage mit diesem Entscheid Mitteilung zu machen.

6. Umständehalber sind für dieses Verfahren keine Kosten zu erheben. Da die Berufungsklägerin unterliegt, ist ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen.

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird abgewiesen.

  2. Für das Berufungsverfahren werden keine Kosten erhoben und es wird kei- ne Parteientschädigung zugesprochen.

  3. Schriftliche Mitteilung an die Berufungsklägerin mittels Publikation im Amts- blatt des Kantons Zürich sowie an die KESB Dübendorf und – unter Rück- sendung der erstinstanzlichen Akten – an das Einzelgericht im summari- schen Verfahren des Bezirksgerichtes Uster, je gegen Empfangsschein.

  4. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert liegt über Fr. 30'000.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw M. Schnarwiler versandt am:

1. November 2022

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