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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LF220049
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF220049 vom 30.06.2022 (ZH)
Datum:30.06.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Rechtsschutz in klaren Fällen (Ausweisung)
Schlagwörter : Berufung; Berufungsklägerin; Vorinstanzliche; Vorinstanzlichen; Berufungsbeklagte; Ausweisung; Urteil; Verfahren; Vorinstanz; Berufungsbeklagten; Kinder; Gesuch; Gesuchsgegner; Datum; Ausweisungsbegehren; Begründung; Partei; Vorgebracht; Vollstreckung; Wohnung; Beschwerde; Oberrichter; Gesuchsgegnerin; Stadt; Beherbergungs; Eingabe; Poststempel; Stellung; Soll; Entscheid
Rechtsnorm: Art. 257 ZPO ; Art. 266 OR ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LF220049-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Sarbach und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl sowie Gerichts- schreiber MLaw B. Lakic

Beschluss vom 30. Juni 2022

in Sachen

  1. A. ,

    2. ...

    3. ...

    Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin

    gegen

    Stadt Zürich,

    Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte

    betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen (Ausweisung)

    Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes Audienz des Bezirksgerichtes Zü- rich vom 31. Mai 2022 (ER220074)

    Erwägungen:

    1. Die Berufungsbeklagte schloss mit der Berufungsklägerin 1 und B. (Gesuchsgegner 3 im vorinstanzlichen Verfahren) am 11./14. November 2021 ei- nen bis zum 31. März 2022 befristeten Beherbergungs- und Betreuungsvertrag ab (act. 2). Mit Eingabe vom 13. April 2022 (Datum Poststempel) gelangte die Beru- fungsbeklagte an die Vorinstanz und stellte gestützt auf Art. 257 ZPO (Rechts- schutz in klaren Fällen) ein Ausweisungsbegehren (act. 1). Daraufhin wurde der Berufungsklägerin 1, B. und C. (Gesuchsgegnerin 2 im vorinstanzli- chen Verfahren) mit Verfügung vom 21. April 2022 Frist zur Stellungnahme ange- setzt (act. 3). Mit Eingaben vom 27. April 2022 (Datum der Überbringung) und

  2. Mai 2022 (Datum Poststempel) nahm die Berufungsklägerin 1 zum Auswei- sungsbegehren Stellung (act. 5 und act. 9). B. und C. liessen sich nicht vernehmen. Mit Urteil vom 31. Mai 2022 hiess die Vorinstanz das Auswei- sungsbegehren gut. Zugleich wurde das Stadtammannamt Zürich … angewiesen, den Ausweisungsbefehl auf Verlangen der Berufungsbeklagten – frühestens je- doch ab dem 18. Juli 2022 – zu vollstrecken (act. 20 = act. 24).

    1. Mit Eingabe vom 21. Juni 2022 (Datum Poststempel) erhob die Beru- fungsklägerin 1 rechtzeitig Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil (act. 25; zur Rechtzeitigkeit act. 21b).

    2. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (vgl. act. 1 – 22). Das Ver- fahren ist spruchreif. Auf die Ausführungen der Berufungsklägerin 1 ist nur inso- weit einzugehen, als sie für den Berufungsentscheid relevant sind.

2. Im Berufungsverfahren können die unrichtige Rechtsanwendung und die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden

(Art. 310 ZPO). Die Berufung ist innerhalb der Rechtsmittelfrist schriftlich, begrün- det und mit Rechtsmittelanträgen versehen einzureichen (Art. 311 ZPO). Bei Rechtsmitteleingaben von Laien genügt als Antrag eine Formulierung, aus der sich mit gutem Willen herauslesen lässt, wie die Berufungsinstanz entscheiden soll. Zur Begründung reicht aus, wenn auch nur ganz rudimentär zum Ausdruck kommt, an welchen Mängeln der angefochtene Entscheid leidet bzw. weshalb der

angefochtene Entscheid nach Auffassung der die Berufung führenden Partei un- richtig sein soll. Sind auch diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist auf die Be- rufung nicht einzutreten. Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Berufungsver- fahren grundsätzlich nur zuzulassen, wenn sie (a) ohne Verzug vorgebracht wer- den und (b) trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 ZPO).

    1. Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, die Sachdarstellung im Gesuch der Berufungsbeklagten sei unbestritten geblieben. Entsprechend hätten die Be- rufungsklägerin 1 sowie B. und C. ungeachtet der vereinbarten Miet- dauer das Mietobjekt der Berufungsbeklagten bis zum Urteilsdatum nicht ord- nungsgemäss übergeben (act. 24 E. 2.1.). Ferner unterstünden die Betreuungs- und Beherbergungsverträge für begleitetes Wohnen der Stadt Zürich grundsätz- lich dem Mietrecht. Unter Verweis auf Art. 255 Abs. 1 und 2 sowie Art. 266 Abs. 1 OR erwog die Vorinstanz, dass das Vertragsverhältnis bei befristeten Vertrags- verhältnissen ohne Kündigung mit Ablauf der vereinbarten Dauer ende. Da der Beherbergungs- und Betreuungsvertrag bis zum 31. März 2022 befristet gewesen sei und kein Anspruch auf Vertragserneuerung bestanden habe, befänden sich die Berufungsklägerin 1 sowie B. und C. ohne Rechtsgrund im Ver- tragsobjekt (act. 24 E. 2.2.). Somit sei das Ausweisungsbegehren der Berufungs- beklagten gutzuheissen (act. 24 E. 2.3.).

      In Bezug auf die Vollstreckungsmodalitäten ordnete die Vorinstanz die Zwangsvollstreckung der Ausweisung an, gewährte der Berufungsklägerin 1,

      B. und C. jedoch – entgegen dem Antrag der Berufungsbeklagten – eine Schonfrist bis zum 18. Juli 2022 (act. 24 Dispositiv-Ziffer 2; vgl. Rechtsbe- gehren act. 1 S. 2). Die Gewährung einer Schonfrist begründete die Vorinstanz hauptsächlich damit, dass die Berufungsklägerin 1 ihre schwierige familiäre Situa- tion sowie die psychische Belastung ihrer Kinder u.a. durch einen möglichen Wohnungswechsel belegt habe. Entsprechend würde eine unmittelbare Vollstre- ckung des Ausweisungsurteils dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht standhalten und wäre mit dem Kindeswohl nicht vereinbar (act. 24 E. 3.4.).

    2. Die Berufungsklägerin 1 beantragt in ihrer Berufung die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Zur Begründung führt sie zusammengefasst aus, sie sei Mutter von fünf Kindern, um welche sie sich alleine sorge. Ihr Ehemann leide an Depressionen und wohne zurzeit nicht in der Wohnung. Sie sei nicht fähig, eine Wohnung zu finden, und erhalte keine Hilfe, obwohl sie das Sozialamt und den Kinderbeistand informiert habe. Sie sei von der Sozialhilfe abhängig. Sie wisse nicht, wohin sie mit den fünf Kindern hingehen solle. Ihre älteste Tochter

  • C. (Gesuchsgegnerin 2 im vorinstanzlichen Verfahren) – besuche die Lehre. Die ständigen Wohnungswechsel seien eine Störung, weswegen die ältes- te Tochter auch in psychiatrischer Behandlung sei. Die anderen Kinder würden die Schule resp. den Kindergarten besuchen (act. 25).

      1. Die Berufungsklägerin 1 unterlässt es, sich mit den vorinstanzlichen Er- wägungen auseinanderzusetzen. Vielmehr wiederholt sie – fast wortwörtlich – ihre Argumente, die sie bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebracht hat (vgl. Wortlaut der Berufung mit den Stellungnahmen im vorinstanzlichen Verfahren, act. 5, act. 9 und act. 25). An welchen Mängeln das vorinstanzliche Urteil leiden soll, macht die Berufungsklägerin 1 nicht ansatzweise geltend. Dies genügt den

  • auch unter Berücksichtigung der für Laien herabgesetzten – Anforderungen an die Begründung einer Berufung nicht.

Zusammenfassend zeigt die Berufungsklägerin 1 mit ihren Ausführungen nicht auf, was ihrer Ansicht nach an den vorinstanzlichen Erwägungen betreffend Ausweisung falsch sein soll. Damit kommt sie ihrer Begründungspflicht nicht nach, und auf die Berufung ist entsprechend nicht einzutreten.

    1. Die zwei neu eingereichten Bestätigungen der Heilpädagogin und Schulsozialarbeiterin wären im Übrigen nicht zu berücksichtigen (act. 27/1-2). Zwar sind beide Schreiben nach Erlass des vorinstanzlichen Urteils entstanden; es darf jedoch angenommen werden, dass sie auf Bitte der Berufungsklägerin 1 geschrieben wurden. Folglich stellen die Noven sog. Potestativ-Noven dar. Deren Zulässigkeit richtet sich nach den Voraussetzungen der unechten Noven und ent- scheidet sich danach, ob die Behauptungen trotz zumutbarer Sorgfalt im Sinn von Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO nicht vorher hätten vorgebracht werden können

      (BGer 4A_583/2019 vom 19. August 2020 E. 5.3). Diese Voraussetzung wäre vor- liegend zu verneinen, zumal angenommen werden kann, dass die Schreiben auch im Laufe des vorinstanzlichen Verfahrens hätten geschrieben und eingereicht werden können.

    2. Anzumerken bleibt, dass die Vorinstanz im Sinne einer Vollstreckungsmoda- lität eine Frist von rund sieben Wochen vorgesehen hat, um so der Situation der Berufungsklägerin 1 und ihrer Familie Rechnung zu tragen und ihr einen freiwilli- gen Auszug zu ermöglichen (vgl. BGer 4A_391/2013 vom 17. Dezember 2013,

E. 7 [übersetzt in mp 2014 S. 167]). Die Gewährung einer weiteren Frist für den Auszug kommt angesichts des vorliegenden Nichteintretensentscheids nicht in Frage und würde die Situation wohl auch nicht wesentlich entschärfen. Gegebe- nenfalls kann den Mietern im Rahmen der Vollstreckung aus praktischen bzw. humanitären Überlegungen noch ein kurzer Aufschub gewährt werden und es kann die zuständige Sozialbehörde nötigenfalls für eine Notwohnung angerufen werden

(OGer ZH LF210074 vom 22. November 2021 E. 2.10; OGer ZH LF160041 vom 5. Juli 2016 E. 5c).

5. Die Berufungsklägerin 1 unterliegt, indes ist umständehalber von der Er- hebung von Gerichtskosten abzusehen. Parteientschädigungen sind nicht zuzu- sprechen, der Berufungsklägerin 1 nicht, da sie unterliegt, der Berufungsbeklag- ten nicht, weil sie sich im Rechtsmittelverfahren nicht äussern musste und ihr da- her keine Umtriebe entstanden sind, die zu entschädigen wären.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Berufung wird nicht eingetreten.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsbeklagte unter Beila- ge einer Kopie von act. 25, sowie – unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten – an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 13'200.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

MLaw B. Lakic versandt am:

1. Juli 2022

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