Zusammenfassung des Urteils LF210065: Obergericht des Kantons Zürich
Die Klägerin forderte Schadenersatz von der Erbengemeinschaft wegen eines Schadens an ihrem Fahrzeug durch einen automatischen Poller auf einem Parkplatz. Nach einer Schlichtungsverhandlung und einer Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Maloja wurde die Klage abgewiesen. Der Richter entschied, dass die Klägerin die Gerichtskosten von CHF 1'000.00 tragen und den Beklagten aussergerichtlich CHF 4'738.50 entschädigen muss. Die Klägerin reichte Beschwerde ein, die jedoch abgewiesen wurde, da der Schaden in Euro entstanden war und sie in Schweizer Franken klagen müsste. Zudem wurde die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Beschwerdeführerin muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen und die Beschwerdegegner mit CHF 2'000.00 entschädigen. Die Entscheidung kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF210065 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 11.10.2021 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Erbausschlagung / Protokollierung, Erbausschlagung / Abweisung |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Erben; Erbschaft; Vorinstanz; Protokoll; Erblasserin; Frist; Ausschlagungserklärung; Protokollierung; Urteil; Ausschlagungsfrist; Erbschaftssachen; Einzelgericht; Gesuch; Entscheid; Ausstellung; Gründen; Schwander; Erbausschlagung; Bezirksgerichtes; Formular; Erbscheins; Behörde; Vorbringen |
Rechtsnorm: | Art. 28 ZPO ;Art. 56 ZPO ;Art. 570 ZGB ;Art. 571 ZGB ;Art. 576 ZGB ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 133 III 1; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF210065-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Ersatzrichter Dr. E. Pahud und Ersatzrichter lic. iur. T. Engler sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. D. Tolic Hamming
Beschluss vom 11. Oktober 2021
in Sachen
,
Berufungsklägerin
betreffend Erbausschlagung / Protokollierung, Erbausschlagung / Abweisung
im Nachlass von B. , geboren tt. Juli 1926, Staatsangehörigkeit: Österreich, gestorben tt.mm.2020, wohnhaft gewesen [Adresse]
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 12. August 2021 (EN210502)
Erwägungen:
Am tt.mm.2020 verstarb die zuletzt in Zürich wohnhaft gewesene
(fortan Erblasserin, act. 5/2). Sie hinterliess mehrere gesetzliche Erben, darunter ihre Nichte A. (fortan Berufungsklägerin). Mit Urteil vom 6. April 2021 (Geschäfts-Nr. EN200604 = act. 5) stellte das Einzelgericht Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Zürich (fortan Vorinstanz) fest, dass die gesetzlichen Erben zur Erbfolge gelangen. Diese wurden im vorerwähnten Urteil darüber informiert, dass die dreimonatige Frist zur Erklärung der Ausschlagung mit dem Zeitpunkt, da ihnen der Tod der Erblasserin bekannt geworden sei, zu laufen beginne (act. 5/10).
Mit Formular vom 26. August 2020 ersuchte die Berufungsklägerin bei der Vorinstanz um Ausstellung eines Erbscheins (act. 3b). Mit an die Vorinstanz adressiertem Schreiben vom 3. Mai 2021 erklärte sie die Ausschlagung der Erbschaft (act. 1c) und ersuchte darum, ihre Erbscheinbestellung vom 26. August 2020 als gegenstandlos zu betrachten (act. 1c). Auch zwei weitere Erbinnen,
und D. , erklärten Ausschlagung der Erbschaft (act. 1a und 1b).
Mit Urteil vom 12. August 2021 wies die Vorinstanz das Gesuch der Berufungsklägerin um Protokollierung ihrer Ausschlagung ab. Die beiden weiteren Ausschlagungserklärungen (s. oben Ziff. 2) wurden zu Protokoll genommen. So- dann wurde davon Vormerk genommen, dass die Berufungsklägerin das Gesuch um Ausstellung einer Erbbescheinigung zurückgezogen hat (act. 10).
Dagegen erhob die Berufungsklägerin fristgerecht Berufung bei der Kammer (act. 11 und Beilagen act. 12 f.; zur Rechtzeitigkeit vgl. act. 6). Der Rechtsmitteleingabe lässt sich entnehmen, dass sie sinngemäss die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und Gutheissung ihres Antrags auf Protokollierung der Ausschlagungserklärung wünscht.
Die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens wurden von Amtes wegen beigezogen (act. 1 - 8). Die Sache erweist sich als spruchreif.
Die Vorinstanz äusserte sich im angefochtenen Urteil vom 12. August 2021 zunächst zur Kognition der protokollierenden Behörde (act. 10 S. 2). Darauf kann, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen werden. In der Folge wurde erwogen, die Berufungsklägerin habe mit Eingabe vom 26. August 2020 die Ausstellung eines Erbscheins im Nachlass der am tt.mm.2020 verstorbenen Erblasserin beantragt. Folglich habe sie bereits seit bald einem Jahr Kenntnis vom Ableben der Erblasserin und von ihrer Erbberechtigung. Damit sei die dreimonatige Frist zur Ausschlagung des Nachlasses der Erblasserin offensichtlich bereits abgelaufen und das entsprechende Gesuch der Berufungsklägerin abzuweisen
(act. 10 S. 2 f.).
Dagegen bringt die Berufungsklägerin im Rechtsmittelverfahren vor, sie sei an der Erbschaft ihrer Tante nicht interessiert. Sie habe nicht gewusst, dass sie die Ausschlagung innert drei Monaten nach dem Tod der Erblasserin erklären müsse. Es müsse doch möglich sein, trotz versäumter Ausschlagungsfrist auf das Erbe zu verzichten. Die ihr ohne Aufklärung zugesandten Formulare, wie die Erbscheinbestellung, habe sie ausgefüllt und in ihrer Naivität zurückgeschickt
(act. 11).
Mit der Berufung kann unrichtige Rechtsanwendung unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz geltend gemacht werden (Art. 310 lit. a und b ZPO). Solches macht die Berufungsklägerin indes nicht geltend; vielmehr bestätigt sie, die Ausschlagungsfrist verpasst zu haben. Auf die Berufung der Berufungsklägerin ist daher nicht einzutreten.
Vorliegend möchte die Berufungsklägerin die Protokollierung ihrer Ausschlagungserklärung trotz verpasster Ausschlagungsfrist erwirken. Die Berufung gegen den angefochtenen Entscheid ist nach dem Gesagten jedoch nicht der richtige Weg, um das angefochtene Urteil entsprechend zu korrigieren.
Gestützt auf Art. 576 ZGB kann die zuständige Behörde bzw. das Einzelgericht für Erbschaftssachen des Bezirksgerichts Zürich (Art. 28 Abs. 2 ZPO
i.V. m. § 137 lit. e GOG) aus wichtigen Gründen den gesetzlichen Erben eine
Fristverlängerung gewähren sofern die Frist bereits verstrichen ist eine neue Ausschlagungsfrist ansetzen. Dazu muss die gesuchstellende Partei dartun, dass ihr eine rechtzeitige Erklärung aus wichtigen Gründen nicht zuzumuten war. Die wichtigen Gründe müssen sich auf Umstände beziehen, die während des Laufes der Ausschlagungsfrist eine sachgemässe Entscheidung verhindert haben, nicht aber auf solche, die die nachträgliche Nützlichkeit der Ausschlagung betreffen (vgl. OGerZH LF130062 vom 27. November 2013, E. 5a). Der Begriff der wichtigen Gründe lässt dem richterlichen Ermessen einen weiten Spielraum. Als wichtige Gründe werden in der Lehre und Praxis beispielsweise die Abwesenheit des Erben, Erbschaftsstreitigkeiten, komplizierte tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, andauernde Krankheit des Erben, Vermögenslagen in verschiede- nen Staaten, hängige Prozesse, von deren Ergebnis die Entscheidung abhängt, komplexe Rechtslagen (insbesondere internationalprivatrechtlicher Natur) vorgängige missverständliche Rechtsbelehrung durch die zuständige Behörde genannt (vgl. BSK ZGB II-Schwander, 6. A. 2019, N 4 zu Art. 576 ZGB m.w.H). Von Belang sind auch die räumliche und persönliche Nähe der Erbin zur Erblasserin sowie deren Alter, Gesundheitszustand und die Gewandtheit in geschäftlichen Angelegenheiten (Schwander, a.a.O., N 5 zu Art. 576 ZGB). Eine Fristwie- derherstellung fällt ausser Betracht, wenn das Ausschlagungsrecht aus den in Art. 571 Abs. 2 ZGB genannten Gründen verwirkt ist (Schwander, a.a.O., N 3 zu Art. 576 ZGB). Dies ist beim Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins nicht der Fall (vgl. BGE 133 III 1, E. 3.3).
Eine Kopie der Berufungsschrift (act. 11) ist an die Vorinstanz weiterzuleiten. Diese wird zu prüfen haben, ob es sich bei den Vorbringen der Berufungsklägerin um ein sinngemässes Gesuch um Ansetzung einer neuen Frist zur Erklärung der Ausschlagung aus wichtigen Gründen handelt. Darauf deutet hin, dass die Berufungsklägerin geltend macht, nicht gewusst zu haben, dass die Erbausschlagung innert drei Monaten nach dem Tod der Erblasserin zu erfolgen habe. Es müsse trotz versäumter Ausschlagungsfrist möglich sein, auf das Erbe zu verzichten. Ihre Vorbringen, die verschiedenen ohne Aufklärung erhaltenen Formulare in ihrer Naivität ausgefüllt und zurückgeschickt zu haben, deuten auf Ge-
schäftsungewandtheit hin (vgl. auch act. 5/3a). Gemäss der oben dargelegten Rechtsprechung und Lehrmeinungen kann sich eine gewisse Grosszügigkeit bei der Behandlung eines Fristwiederherstellungsgesuchs rechtfertigen. Bei dessen Prüfung wird die Vorinstanz zu berücksichtigen haben, ob der Berufungsklägerin im Rahmen der richterlichen Fragepflicht (Art. 56 ZPO) Gelegenheit zur Ergänzung ihrer Vorbringen zu geben ist.
Anzumerken bleibt noch Folgendes: Wie die Vorinstanz bereits festhielt (act. 10 S. 2), schafft das Protokoll im Sinne von Art. 570 Abs. 3 ZGB lediglich den Beweis für die Abgabe und den Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung und hat keinerlei Rechtskraftwirkung zwischen den (ausschlagenden) Erben und den Gläubigern des Erblassers. Auf die zivilrechtliche Gültigkeit einer Ausschlagung hat das Protokoll keinen Einfluss. Selbst wenn die Ausschlagungserklärung eines Erben wie im vorliegenden Fall zurückgewiesen wurde, bleibt es dem betroffenen Erben unbenommen, sich auf die erklärte Ausschlagung zu berufen, sollte er für Erbschaftsschulden belangt werden. Umgekehrt steht den Gläubigern des Erblassers ungeachtet der Protokollierung der Ausschlagungserklärung die Möglichkeit offen, gegen einen ausschlagenden Erben vorzugehen, indem sie auf dem ordentlichen Prozessweg eine ungültige Ausschlagung beseitigen (sei es als selbständige Feststellungsklage, sei es als Vorfrage im Rahmen einer Leistungsklage gegen den Erben, vgl. BGer 4A_394/2014 vom 1. Dezember 2014 E. 2, BGer 5A_44/2013 vom 25. April 2013 E. 3 und BGer 5A_578/2009 vom 12. Oktober 2009 E. 2.2 m.w.H.). Mit anderen Worten kann aus der Protokollierung Nichtprotokollierung einer Ausschlagungserklärung nicht darauf geschlossen wer- den, ob diese rechtsbeständig ist nicht (Schwander, a.a.O., N 14 zu Art. 570 ZGB m.w.H.). Die definitive Prüfung der Verhältnisse bleibt dem ordentlichen Richter vorbehalten (vgl. BSK ZGB II- Karrer/Vogt/Leu, 6. A. 2019, N 10 vor Art. 551-559; OGerZH LF190031 vom 21. Juni 2019 E. 2.6).
Umständehalber sind keine Kosten zu erheben. Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen, zumal die Berufungsklägerin im Sinne von Art. 106 Abs. 1 ZPO unterliegt.
Es wird beschlossen:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
Ein Doppel der Berufungsschrift wird dem Einzelgericht Erbschaftssachen des Bezirksgerichts Zürich zugestellt, um zu prüfen, ob die Berufungsklägerin sinngemäss ein Gesuch um Ansetzung einer neuen Frist zur Erklärung der Ausschlagung stellt.
Für das Berufungsverfahren werden keine Kosten erhoben.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Berufungsklägerin sowie - unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten und der Beilage einer Kopie von act. 11 an das Einzelgericht Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Zürich, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert ist nicht bekannt.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. D. Tolic Hamming
versandt am:
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