Zusammenfassung des Urteils LF210039: Obergericht des Kantons Zürich
Der Beschwerdeführer X._____ beantragte beim Regionalgericht Imboden die provisorische Rechtsöffnung für einen Betrag von CHF 7'204.85 gegen die Beschwerdegegnerin Y._____, basierend auf einem Verlustschein und einer Schuldanerkennung. Das Gericht wies das Gesuch ab, da X._____ nicht eindeutig als Gläubiger identifiziert werden konnte. X._____ legte Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden ein, die jedoch abgewiesen wurde, da er seine Aktivlegitimation nicht nachweisen konnte. Die Gerichtskosten von CHF 300.00 gehen zu Lasten des Beschwerdeführers X._____
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF210039 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 22.06.2021 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ausweisung / Rechtsschutz in klaren Fällen |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Vorinstanz; Frist; Recht; Berufungsbeklagte; Verfahren; Ausweisung; Verfügung; Stellung; Berufungsbeklagten; Stellungnahme; Verfahrens; Kündigung; Urteil; Entscheid; Vertretung; Rechtsvertreter; Meilen; Ausweisungsbegehren; Pensionsvertrag; Eingabe; Vertreter; Akten; Gehör; Rechtsanwalt; Neffe; Parteien |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 106 ZPO ;Art. 148 ZPO ;Art. 248 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 53 ZPO ;Art. 60 ZPO ;Art. 67 ZPO ;Art. 69 ZPO ;Art. 93 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF210039-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. et phil. D. Glur und Oberrichterin lic. iur. A. Strähl sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. K. Würsch
Urteil vom 22. Juni 2021
in Sachen
,
Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
AG,
Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Fürsprecher Y1. und / Rechtsanwältin M.A. HSG Y2.
betreffend
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Meilen vom 15. April 2021 (ER210004)
Erwägungen:
1.
Am 29. Juli 2016 resp. 30. August 2016 schlossen A. (Gesuchsgegnerin und Berufungsklägerin, nachfolgend Berufungsklägerin) als Gast und die
B. AG (Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte, nachfolgend Berufungsbeklagte) als Gesellschaft einen Pensionsvertrag für die persönliche Nutzung ei- nes 2½-Zimmer-Appartments inkl. Kellerabteil in der Residenz C. am
D. -Weg 1 in C. . Für die persönliche Nutzung des Appartements sowie weitere Leistungen im Zusammenhang mit der Verpflegung, Betreuung / Veranstaltungen, Reinigung, Infrastrukturversorgung sowie Benutzung hauseige- ner Allgemeinräume und Einrichtungen wurde ein Pensionspreis von monatlich Fr. 7'100.00 vereinbart (act. 3/1 S. 1, 3-5). Am 6. Juli 2020 schrieb die Berufungsbeklagte der Berufungsklägerin, sie habe trotz mehrmaliger mündlicher Aufforderung seit Dezember 2019 ihre Rechnungen nicht beglichen und werde ein letztes Mal aufgefordert, den offenen Betrag von Fr. 63'210.55 bis spätestens 10. Juli 2020 zu überweisen, andernfalls das Vertragsverhältnis aufgelöst werde
(act. 3/7). Mit Schreiben an die Berufungsklägerin vom 15. Juli 2020 kündigte die Berufungsbeklagte den Pensionsvertrag über das Appartement per 31. Oktober 2020 (act. 3/9).
Mit Eingabe vom 3. Februar 2021 (Datum Poststempel) gelangte die Berufungsbeklagte an das Bezirksgericht Meilen (fortan Vorinstanz) und verlangte unter Androhung der Zwangsvollstreckung die Ausweisung der Berufungsklägerin aus dem 2½-Zimmer-Appartment in der Residenz C. (act. 1 S. 2). Mit Verfügung vom 8. Februar 2021 setzte die Vorinstanz der Berufungsbeklagten Frist an, um Angaben zum Streitwert zu machen. Die Vorinstanz wies zudem das Gemeindeammannamt an, der Berufungsklägerin die genannte Verfügung zusammen mit einem Doppel des Ausweisungsbegehrens zuzustellen (act. 5-6). Die Berufungsklägerin verweigerte die Annahme der durch das Gemeindeammannamt zugestellten Verfügung (act. 12). Am 9. Februar 2021 äusserte sich die Berufungsbeklagte zum Streitwert (act. 8). Mit Verfügung vom 11. Februar 2021 erhob die Vorinstanz von der Berufungsbeklagten einen Kostenvorschuss. Der Berufungsklägerin setzte sie eine 14-tägige Frist zur schriftlichen Stellungnahme zum Ausweisungsgesuch an (act. 10). Eine Angestellte der Residenz C. nahm die Verfügung am 15. Februar 2021 entgegen, womit die Frist bis am 1. März 2021 lief (act. 11/2).
Der Kostenvorschuss ging in der Folge fristgerecht ein (act. 17). Mit Schreiben vom 22. Februar 2021 stellte die Vorinstanz der Berufungsklägerin die Verfügung vom 8. Februar 2021 erneut zu und teilte ihr mit, dass diese aufgrund des erfolglosen Zustellungsversuchs als zugestellt gelte (act. 16). Die Berufungsklägerin verweigerte die Annahme des Schreibens (act. 18). Am 3. März 2021 meldete sich E. , der Neffe der Berufungsklägerin, per E-Mail bei der Vorinstanz. Er äusserte sich zu den Vorkommnissen zwischen den Parteien, den genauen Stand der Auseinandersetzung kenne er jedoch nicht. Er teilte mit, dass die Berufungsklägerin 90-jährig sei, seit langem an Multiple Sklerose erkrankt sei und ihre rechtliche Stellung nicht ausreichend beurteilen könne, weshalb er um Aktenzustellung bitte (act. 19). Die Vorinstanz erklärte E. am 4. März 2021 telefonisch, dass seine E-Mail die Formerfordernisse an Eingaben an das Gericht nicht erfülle und die angehängte Vollmacht nicht ausreiche (act. 20). Mit Verfügung vom selben Tag setzte die Vorinstanz der Berufungsklägerin eine siebentätige Frist an, um dazu Stellung zu nehmen, ob sie zur selbständigen Prozessführung imstande sei, und um einen möglichen Vertreter zu bezeichnen (act. 21). Am 5. März 2021 wandte sich E. schriftlich und unter Beilage einer Vollmacht an die Vorinstanz; er ersuchte erneut um Akteneinsicht (act. 22). Am 5. März 2021 erkun- digte sich zudem die KESB Meilen nach dem Verfahrensstand. Die Errichtung ei- ner Beistandschaft für die Berufungsklägerin sei in Abklärung, es sei nicht sicher, ob sie urteilsfähig sei (act. 25). Die Vorinstanz wies mit Schreiben vom 8. März 2021 auf die nicht genügende Vollmacht von E. hin, woraufhin dieser tags darauf telefonisch um Erlass einer anfechtbaren Verfügung betreffend die Abweisung des Akteneinsichtsgesuches ersuchte (act. 27 und 29). Mit Verfügung vom
9. März 2021 liess die Vorinstanz E. einstweilen nicht als Vertreter der Berufungsklägerin zu und wies sein Akteinsichtsgesuch ab (act. 31). Am 15. März 2021 wandte sich die Berufungsklägerin an die Vorinstanz und ersuchte um Fristerstreckung für eine Stellungnahme bis zum 22. März 2021, weil eine Lösung für
eine allfällige Vertretung vor Gericht gefunden und hierfür noch Abklärungen getätigt werden müssten. Dem Schreiben legte sie eine Generalvollmacht an E. bei. Die Vorinstanz bewilligte die Fristerstreckung und stellte E. Aktenkopien zu (act. 35-36; act. 38). Mit Eingabe vom 19. März 2021 zeigte Rechtsanwalt lic. iur. X. die Vertretung der Berufungsklägerin an. Seinem Ersuchen um Zustellung der Verfahrensakten kam die Vorinstanz nach (act. 42-43; act.46).
Ein Tag nach Retournierung der Verfahrensakten durch Rechtsanwalt lic. i- ur. X. erliess die Vorinstanz den unbegründeten Entscheid über das Ausweisungsbegehren der Berufungsbeklagten: Sie verpflichtete die Berufungsklägerin, das 2½-Zimmer-Appartmeint L 3.03 inklusive Kellerabteil LK 13 in der Resi- denz C. am D. -Weg 1 in C. bis spätestens 3. Mai 2021,
12.00 Uhr mittags, zu räumen und der Berufungsbeklagten ordnungsgemäss gereinigt mit allen dazugehörenden Schlüsseln zu übergeben, unter der Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall (act. 52).
Mit Eingabe vom 29. April 2021 (Datum Poststempel: 30. April 2021) verlangte der Rechtsvertreter der Berufungsklägerin fristgerecht die schriftliche Begründung des vorinstanzlichen Entscheides. Eventualiter ersuchte er die Vorinstanz, wiedererwägungsweise auf das Urteil zurückzukommen und der Berufungsklägerin zur Wahrung des rechtlichen Gehörs eine Frist zur Stellungnahme zum Ausweisungsgesuch der Berufungsbeklagten anzusetzen (act. 54). Die Vorinstanz versandte das begründete Urteil am 4. Mai 2021 (act. 56 = act. 59).
2.
Dagegen erhob die Berufungsklägerin mit Eingabe vom 25. Mai 2021 (Datum Poststempel) rechtzeitig Berufung. Sie beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Rückweisung des Verfahrens an die Vorinstanz zur Neubeurteilung, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen inkl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zulasten der Berufungsbeklagten der Staatskasse (act. 60 S. 2; act. 57/2).
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1-57). Auf obergerichtliche Nachfrage am 1. Juni 2021 teilte die KESB Meilen im Wesentlichen mit, dass
ein Verfahren betreffend Beistandschaft über die Berufungsklägerin noch pendent sei, ihr aber bisher kein Beistand bestellt worden sei, da sie hinsichtlich der Wohnsituation von ihrem Rechtsanwalt vertreten und ihrem Neffen unterstützt werde (act. 65). Mit Verfügung vom 2. Juni 2021 wurde der Berufungsbeklagten die Abklärung bei der KESB Meilen zur Kenntnis gebracht und Frist zur Berufungsantwort angesetzt (act. 66). Sie erstattete diese fristgemäss mit Eingabe vom 10. Juni 2021 (Datum Poststempel). Die Berufungsbeklagte beantragt die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) zulasten der Berufungsklägerin (act. 68 S. 2). Die Sache erweist sich als spruchreif. Der Berufungsklägerin ist mit dem vorliegenden Entscheid ein Doppel der Berufungsantwort zuzustellen.
3.
Die Vorinstanz ging in ihrem Entscheid davon aus, dass seitens des Rechtsvertreters der Berufungsklägerin keine Anträge eingegangen seien (act. 59 S. 3). Gemäss unbestritten gebliebenem Sachverhalt habe die Berufungsbeklagte im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Pensionsvertrages eine Vielzahl an Leistungen erbracht. Die Berufungsklägerin habe für die bezogenen Leistungen einen Pensionspreis von monatlich Fr. 7'100.00 bezahlt, bis sie im Dezember 2019 ihre monatlichen Zahlungen eingestellt habe. Nach dem Scheitern verschiedener Lösungsversuche und der schriftlichen Abmahnung der Berufungsklägerin, habe die Berufungsbeklagte den Pensionsvertrag mit Schreiben vom
15. Juli 2020 per 31. Oktober 2020 gekündigt. Die Berufungsklägerin habe den Erhalt der Kündigung am 17. Juli 2020 bestätigt. Gemäss dem Pensionsvertrag habe die Berufungsbeklagte bei Nichtbezahlung des Pensionspreises das Recht, nach schriftlicher Abmahnung mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen. Da Auftragsrecht auf den Pensionsvertrag zur Anwendung gelange, bestehe kein Raum für die Anwendung von Kündigungsschutzbestimmungen. Die Vorinstanz schloss, dass die Berufungsklägerin vor diesem Hintergrund über keinen Rechtstitel zum Gebrauch der Räumlichkeiten verfüge und das Ausweisungsbegehren der Berufungsbeklagten daher wie beantragt gutzuheissen sei (act. 59 S. 4 f.).
Die Berufungsklägerin lässt ausführen, 90-jährig zu sein, im Rollstuhl zu sitzen und schon seit Jahren an Multiple Sklerose zu leiden. Sie verfüge weder über eine Schreibmaschine noch einen Computer und sei nicht in der Lage, handschriftliche Rechtsschriften zu verfassen. Es zeuge daher von Weltfremdheit der Vorinstanz, sie mit klägerischen Rechtsschriften zu konfrontieren. Erst nach der Intervention ihres Neffen habe die Vorinstanz offensichtlich realisiert, dass sie den Prozess nicht selbständig führen könne, und es sei Frist zur Benennung eines Rechtsvertreters angesetzt worden. Dem bezeichneten Rechtsvertreter sei am
31. März 2021 Einsicht in die Verfahrensakten gewährt worden. Nach Einsicht habe die Vorinstanz ein unbegründetes Urteil erlassen, ohne ihrem Rechtsvertreter Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Die Erwägungen der Vorinstanz, dass ihr Rechtsvertreter keine Anträge gestellt habe, sei unbehelflich und widerspreche allen verfahrensrechtlichen Prinzipien. Es habe davon ausgegangen werden dürfen und müssen, dass die Vorinstanz dem bezeichneten Rechtsvertreter eine Frist zur Stellungnahme ansetzen werde. Indem die Vorinstanz ohne Gewährung des rechtlichen Gehörs einfach ein Urteil erlassen habe, sei sie gesetzes- und verfassungswidrig vorgegangen (act. 60 S. 4 ff.).
In der Sache lässt die Berufungsklägerin vorbringen, die Kündigung sei nicht rechtsgültig erfolgt. Insbesondere sei ihr kein amtliches Kündigungsformular zugestellt worden und die Kündigungsfristen seien nicht eingehalten worden. Sie sei überfallmässig genötigt worden, die Kündigung zu unterzeichnen, was sie wegen Willensmangel widerrufen habe. Zu den Zahlungsausständen lässt die Berufungsklägerin ausführen, wiederholt Barzahlungen geleistet zu haben, welche auf den Abrechnungen nicht nicht korrekt wiedergegeben seien. Sie müsse sich zu den Barzahlungen äussern dürfen. Eine Ausweisung stelle für sie eine grosse soziale Härte dar (act. 60 S. 5 f. und 8).
Die Berufungsbeklagte entgegnet, die Berufungsklägerin schiebe ihre Erkrankung vor und ihre Strategie bestehe in der Verfahrensresp. Ausweisungsverzögerung. Der Neffe der Berufungsklägerin habe sich bereits mit E-Mail vom
3. März 2021 in das Verfahren involviert. Spätestens ab dann wäre es der Berufungsklägerin zuzumuten gewesen, ihre Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren
sicherzustellen. Der von der Berufungsklägerin bezeichnete Rechtsvertreter habe es nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme zum Ausweisungsgesuch unterlassen, innert zehn Tagen ein Gesuch um Fristwiederherstellung zu stellen, dies trotz entsprechendem Hinweis der Vorinstanz auf den Fristablauf, die Säumnis und die Möglichkeit einer Nachfristgewährung nach Art. 248 ZPO (recte: Art. 148 ZPO) in der Verfügung vom 4. März 2021. Damit habe der Rechtsvertreter der Berufungsklägerin auf eine Stellungnahme zum Ausweisungsbegehren verzichtet. Die Vorinstanz sei nicht verpflichtet gewesen, der Berufungsklägerin eine erneute Frist anzusetzen, dies wäre nach der ZPO gar nicht zulässig gewesen. Eine Fristansetzung wäre auch nicht aufgrund des unbedingten Replikrechts geboten gewesen, müsse ein solches doch umgehend und unaufgefordert wahrgenommen werden (act. 68 S. 4 f. und 7).
Die Berufungsbeklagte hält weiter fest, die summarisch vorgebrachten Einwen- dungen der Berufungsklägerin gegen die Ausweisung seien verspätet. Die Berufungsklägerin genüge auch den Anforderungen an die Berufungsbegründung nicht, indem sie es unterlasse, sich mit den vorinstanzlichen Argumenten ausei- nanderzusetzen, und nicht darlege, inwiefern die neu vorgebrachten Tatsachen im Berufungsverfahren noch zu berücksichtigen seien. Auf den Pensionsvertrag kämen die Bestimmungen über das Auftragsrecht zur Anwendung, weshalb die Vorbringen der Berufungsklägerin zur nicht eingehaltenen Kündigungsfrist und dem nicht verwendeten Kündigungsformular ins Leere laufen würden. Bei der Kündigung handle es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht, weshalb ein Willensmangel auf Seiten der Kündigungsempfängerin rechtlich nichts an der Gültigkeit der Kündigung ändern würde. Die Einwendungen zur wiederholten Leistung von Barzahlungen seien unsubstanziiert resp. unbelegt und würden bestritten (act. 68 S. 5 f. und 8 ff.).
Die Prozessfähigkeit ist eine Prozessvoraussetzung, welche das Gericht von Amtes wegen prüft (Art. 59 Abs. 2 lit. c ZPO, Art. 60 ZPO). Sie beinhaltet das Recht, einen Prozess selber zu führen durch einen selber bestellten Vertreter führen zu lassen. Prozessfähig ist, wer handlungsfähig ist (Art. 67 Abs. 1 ZPO). Die Prozessfähigkeit beinhaltet als Teilaspekt die Postulationsfähigkeit
(Prozessführungsbefugnis); dies ist die Fähigkeit, als Partei vor Gericht aufzutreten und prozessuale Handlungen vornehmen zu können, wie prozessuale Anträge zu stellen, schriftliche mündliche Parteivorträge zu halten. Sie ist danach zu beurteilen, ob die betreffende Person fähig ist, die eigene Sache als Ganzes gehörig zu führen. Fehlt es an der Postulationsfähigkeit, so muss der betroffenen Person eine Vertretung zur Seite gestellt werden (ZK ZPO-Staehelin/Schweizer,
3. A., Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 67 N 1 ff.; BK ZPO-Zingg, Bd. I, Bern 2012, Art. 59 N 60 und 62). Persönliche Eingaben der Partei vor Anordnung der Vertretung sind nicht von vornherein unbeachtlich (BGer 2C_550/2007 vom 25. Februar 2008, E. 5.2). Ist bereits eine Frist zur Vornahme einer Prozesshandlung abgelaufen, so ist der postulationsunfähigen Partei eine neue Frist zur Vornahme der gebotenen Prozesshandlung anzusetzen (vgl. ZK ZPO-Staehelin/Schweizer, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2016, Art. 69 N 15, BSK ZPO-Tenchio, 3. A., Basel 2017,
Art. 69 N 22 f., a.M. BK ZPO I-Sterchi, Bd. I, Bern 2012, Art. 69 N 13).
Die Vorinstanz stellte aufgrund des Verhaltens der Berufungsklägerin und der Mitteilung von E. vom 3. März 2021 die Postulationsfähigkeit der Berufungsklägerin in Frage und setzte ihr mit Verfügung vom 4. März 2021 im Sinne von Art. 69 Abs. 1 ZPO Frist an, um sich dazu zu äussern, ob sie sich imstande sehe, den Prozess selbst zu führen. Gleichzeitig setzte die Vorinstanz der Berufungsklägerin Frist an, einen möglichen Vertreter zu bezeichnen (act. 21). Am
22. März 2021 zeigte Rechtsanwalt lic. iur. X. die Vertretung der Berufungsklägerin an (act. 42). Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Stellungnahme zum Ausweisungsbegehren schon längst abgelaufen. Die Gründe für die Postulationsunfähigkeit der Berufungsklägerin (wie das Alter und der Gesundheitszustand) lagen allerdings schon seit Beginn des Verfahrens und damit auch zum Zeitpunkt der Fristansetzung sowie während des Fristenlaufes vor. Aufgrund der fehlenden Postulationsfähigkeit konnte die Berufungsklägerin die ihr angesetzte Frist nicht selber wahrnehmen, erst recht nicht im von der Vorinstanz gewählten schriftlichen Verfahren. Auch das Vorbringen der Berufungsbeklagten, der Neffe der Berufungsklägerin habe sich bereits ab dem 3. März 2021 in das Verfahren involviert, ab welchem Zeitpunkt der Berufungsklägerin die Sicherstellung einer Verfahrensvertretung zuzumuten gewesen wäre, ändert daran nichts. Die Frist zur
Stellungnahme zum Ausweisungsbegehren war zum einen bereits am 1. März 2021 abgelaufen. Zum anderen legte der Neffe keine hinreichende Vollmacht zur Vertretung der Berufungsklägerin vor, weshalb er von der Vorinstanz nicht als Vertreter zugelassen wurde und bis am 15. März 2021 keine Akteneinsicht erhielt. Angesichts des Unvermögens der Berufungsklägerin zur (selbständigen) Wahrung der Frist zur Stellungnahme zum Ausweisungsbegehren ist die Frist nicht säumniswirksam abgelaufen. Die gegenteilige Meinung, wonach die (gewillkürte gerichtlich bestellte) Vertretung die Prozessführung in dem Stadium über- nehme, indem sich der Prozess befinde, und versäumte Handlungen verwirkt seien (vgl. BK ZPO I-Sterchi, a.a.O., Art. 69 N 13), widerspricht dem Sinngehalt von Art. 69 ZPO und erscheint aus rechtsstaatlichen Überlegungen bedenklich. Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet bei Unvermögen einer Partei im Sinne von Art. 69 ZPO ein Handeln von Amtes wegen. Trotz des Hinweises auf eine zu gewährende Nachfrist in der vorinstanzlichen Verfügung vom 4. März 2021 lag es nicht an Rechtsanwalt lic. iur. X. , ein Wiederherstellungsgesuch zu stellen, sondern (nach Treu und Glauben) an der Vorinstanz, dem notwendigen Vertreter der Berufungsklägerin eine neue Frist anzusetzen (so auch ZK ZPO- Staehelin/Schweizer, a.a.O., Art. 69 N 15). Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die von der Berufungsbeklagten zitierte Bestimmung von Art. 148 ZPO nicht auf den vorliegenden Fall passt: Zum einen kann beim Vorliegen von Gründen, welche zur notwendigen Vertretung nach Art. 69 ZPO führen, nicht von einem (unverschuldeten leicht verschuldeten) Hinderungsgrund im Sinne von Art. 148 ZPO gesprochen werden. Zum anderen wäre auch fraglich, wann von einem Wegfall des Säumnisgrundes und Beginn der zehntägigen Frist nach Art. 148 Abs. 2 ZPO auszugehen wäre.
Nach dem Gesagten hätte die Vorinstanz dem nach Art. 69 Abs. 1 ZPO bestellten Vertreter der Berufungsklägerin eine (neue) Frist zur Stellungnahme zum Ausweisungsbegehren der Berufungsbeklagten ansetzen müssen. Indem sie dies unterliess und direkt den Entscheid über die Ausweisung der Berufungsklägerin fällte, verletzte sie deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 53 ZPO). Wird im Rechtsmittelverfahren eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz festgestellt, leidet der Entscheid an einem schweren Mangel und wird auf-
grund der sogenannten formellen Natur des Gehörsanspruchs grundsätzlich aufgehoben. Ausnahmsweise kann die Verletzung von der Rechtsmittelinstanz geheilt werden, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht gravierend ist und die Rechtsmittelinstanz die gleiche Kognition in Tat- und Rechtsfragen hat wie die Vorinstanz (ZK ZP O-Sutter-Somm/Chevalier, a.a.O., Art. 53 N 27).
Zwar kann die Berufungsinstanz sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei überprüfen (vgl. Art. 310 ZPO). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist je- doch gravierend. Eine Heilung käme nur in Frage, wenn sich die Berufungsklägerin zur Sache geäussert hätte. Dies hat sie nicht getan. Sie verlangt insbesondere, sich zu den Barzahlungen an die Berufungsbeklagte äussern zu dürfen
(act. 60 S. 7). Aus diesem Grund und weil andernfalls die Berufungsinstanz faktisch die Aufgabe der Vorinstanz wahrnehmen würde und die Parteien im Ergeb- nis eine Instanz verlieren würden, rechtfertigt es sich vorliegend, das Urteil der Vorinstanz vom 15. April 2021 aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung zurückzuweisen.
4.
4.1. Mit der Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und der Rückweisung der Sache an die Vorinstanz obsiegt die Berufungsklägerin im Berufungsverfahren. Die Berufungsbeklagte unterliegt mit ihrem Antrag auf Abweisung der Berufung und hat demzufolge die Verfahrenskosten zu tragen und der Berufungsklägerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Da es im Rechtsmittelverfahren nicht um die Sache, sondern ausschliesslich um das vorinstanzliche Verfahren ging, ist von der (bei einer Rückweisung nach Art. 104 Abs. 4 ZPO gegebenen) Möglichkeit abzusehen, die Verteilung der Prozesskosten des Rechtsmittelverfahrens der Vorinstanz zu überlassen.
Es wird erkannt:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Meilen, Einzelgericht im summarischen Verfahren, vom 15. April 2021 (Geschäfts-Nr. ER210004-G/U) wird aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die Entscheidgebühr für das Berufungsverfahren wird auf Fr. 1'200.-festgesetzt und der Berufungsbeklagten auferlegt.
Die Berufungsbeklagte wird verpflichtet, der Berufungsklägerin für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'900.00 (inkl. MwSt.) zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsklägerin unter Beilage eines Doppels von act. 68 sowie an die KESB Bezirk Meilen (Dorfstrasse 7, Postfach 332, 8700 Küsnacht) und an das Bezirksgericht Meilen (unter Beilage der Akten), je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 42'600.00.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. K. Würsch
versandt am:
23. Juni 2021
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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