Zusammenfassung des Urteils LF190036: Obergericht des Kantons Zürich
Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, fordert von einem Milchproduzenten einen Sonderminderpreis für eine im Milchjahr 2008/2009 produzierte Mehrmenge Milch. Der Milchproduzent war Teil einer Genossenschaft, die Aktien der Klägerin gezeichnet hatte. Es kam zu Unstimmigkeiten bezüglich der Zuteilung und Bezahlung der Mehrmenge, was zu einer Klage führte. Das Kantonsgericht St. Gallen entschied, dass es sich um eine privatrechtliche Angelegenheit handelt und wies die Klage ab. Die Klägerin legte daraufhin eine Rechtsverweigerungsbeschwerde ein, da sie den Zivilrechtsweg als zuständig ansah. Nach Prüfung der Prozessvoraussetzungen wurde festgestellt, dass der Zivilrechtsweg offensteht und die Angelegenheit dem Privatrecht zuzuordnen ist. Der Fall wurde zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF190036 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 31.07.2019 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_708/2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Testamentseröffnung |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Erben; Erblasser; Recht; Verfügung; Pflichtteil; Vorinstanz; Erbin; Erblassers; Erbenstellung; Vermächtnis; Urteil; Pflichtteils; Testament; Berufungsbeklagte; Gericht; Verfügungen; Einzelgericht; Entscheid; Wille; Willen; Praxis; Horgen; Willensvollstrecker; Erbbescheinigung; Rechtsanwalt; Ziffer; Sinne |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 145 ZPO ;Art. 308 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 312 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 457 ZGB ;Art. 477 ZGB ;Art. 522 ZGB ;Art. 551 ZGB ;Art. 556 ZGB ;Art. 559 ZGB ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 115 II 211; 131 III 601; 138 III 354; 139 V 1; 143 III 369; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF190036-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Götschi
in Sachen
,
Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X. ,
gegen
,
Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y. ,
betreffend Testamentseröffnung
im Nachlass von C. , geboren am tt. Juli 1934, von D. VD, gestorben am tt.mm.2019 in E. ZH, wohnhaft gewesen in E. ,
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes des Bezirksgerichtes Horgen vom 31. Mai 2019 (EL190100)
(act. 1, 3 und 4, sinngemäss)
Es seien die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zu eröffnen.
Die eigenhändige letztwillige Verfügung des Erblassers vom 13. April 2010 sowie die öffentliche letztwillige Verfügung des Erblassers vom 11. Januar 2018 werden unter heutigem Datum amtlich eröffnet.
Die Originale der letztwilligen Verfügungen werden im Gerichtsarchiv aufbewahrt. Jeder Ausfertigung des heutigen einzelgerichtlichen Entscheides wird eine Kopie der Verfügungen von Todes wegen beigeheftet.
Es wird festgestellt, dass der Erblasser die in Ziffer I der Erwägungen erwähnten gesetzlichen Erbinnen hinterlassen hat.
Den Vermächtnisnehmern wird, sofern ihnen nicht bereits als Erben das ganze Urteil zugestellt wird, ein Auszug der letztwilligen Verfügung (Vermächtnisanzeige) zugestellt. Eine Mitteilung erfolgt somit an:
[Adresse];
[Adresse];
[Adresse];
[Adresse].
Von der Annahme des Mandates als Willensvollstrecker durch Rechtsanwalt Dr. phil. et Dr. iur. J. , Zürich, wird Vormerk genommen.
Auf die gesetzliche Erbin 1 wird auf schriftliches Verlangen eine Erbbescheinigung ausgestellt, sofern dagegen nicht binnen Monatsfrist seit Zustellung dieses Urteils durch schriftliche Eingabe an das Einzelgericht in Erbschaftssachen des Bezirkes Horgen Einsprache im Sinne von Art. 559 Abs. 1 ZGB erhoben wird.
Die Erbabwicklung ist Sache des Willensvollstreckers.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Die Kosten werden auf Rechnung des Nachlasses vom Willensvollstrecker, Rechtsanwalt Dr. phil. et Dr. iur. J. , [Adresse], bezogen. Die Gerichtskasse wird in diesem Sinne Rechnung stellen.
Dieser Entscheid wird samt einer beigehefteten Kopie der in Dispositivziffer 1 erwähnten Dokumenten gegen Empfangsschein zugestellt an:
die in Ziffer I erwähnten Rechtsanwälte Dr. iur. Y. , Zürich, und lic. iur. X. , Zürich, je im Doppel für sich und zuhanden der gesetzlichen Erbin 1 bzw. der gesetzlichen Erbin 2
den Willensvollstrecker: Rechtsanwalt Dr. phil. et Dr. iur. J. , Zürich
das Gemeindesteueramt E.
das Kantonale Steueramt, Inventarkontrolle, Postfach, 8090 Zürich.
Eine Berufung gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen von der Zustellung an in je einem Exemplar für das Gericht und für jede Gegenpartei sowie unter Beilage dieses Entscheids beim Obergericht des Kantons Zürich, Zivilkammer, Postfach, 8021 Zürich, erklärt werden. In der Berufungsschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.
Die Anfechtung der Testamente hat durch Einleitung der Klage beim zuständigen Friedensrichteramt zu erfolgen.
Die gesetzlichen Fristenstillstände gelten nicht (Art. 145 Abs. 2 ZPO).
der Berufungsklägerin (act. 19):
1. Es sei Vormerk zu nehmen, dass die Berufungsklägerin pflichtteilsgeschützte Erbin und somit Universalsukzessorin des Erblassers ist;
Es sei die Dispositivziffer 6 des Urteils des Bezirksgerichts Horgen vom 31. Mai 2019 (EL190100-F/U/ca) aufzuheben und wie folgt zu ersetzen: Es sei der Berufungsklägerin und der Berufungsbeklagten auf schriftliches Verlangen eine Erbbescheinigung auszustellen, sofern dagegen binnen Monatsfrist seit Zustellung dieses Urteils durch schriftliche Einsprache an das Einzelgericht in Erbschaftssachen des Bezirksgerichts Horgen Einsprache im Sinne von Art. 559 Abs. 1 ZGB erhoben wird;
Es sei der Berufungsklägerin für das vorliegende Verfahren eine angemessene Entschädigung zu gewähren;
Ein allfälliger Prozesskostenvorschuss sei auf Rechnung des Nachlasses vom Willensvollstrecker, Rechtsanwalt Dr. phil. et Dr. iur. J. , [Adresse], zu beziehen;
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten des Nachlasses.
Sachverhalt
Am tt.mm.2019 verstarb C. (nachfolgend: Erblasser), geboren am tt. Juli 1934, mit letztem Wohnsitz in E. . Gemäss Ausweis über den registrierten Familienstand des Erblassers vom 27. März 2019 ist die Berufungsklägerin das einzige Kind des Erblassers und die Berufungsbeklagte dessen hinterbliebene Ehegattin (vgl. act. 10) bzw. die Stiefmutter der Berufungsklägerin (vgl. act. 19 Rz. I./6).
Prozessgeschichte
Mit Eingaben vom 14. und 18. März 2019 (act. 1 und act. 4) reichten der Rechtsvertreter der Berufungsbeklagten sowie Rechtsanwalt J. , [Adresse], je dem Einzelgericht des Bezirksgerichtes Horgen (nachfolgend: Vorinstanz) eine am 11. Januar 2018 öffentlich beurkundete letztwillige Verfügung des Erblassers ein. Mit Eingabe vom 15. März 2019 (act. 3) reichte das Notariat Thalwil der Vorinstanz ein eigenhändiges Testament vom 13. April 2010 zur amtlichen Eröffnung ein. Die Vorinstanz ermittelte in der Folge die Identität der gesetzlichen Erben anhand eines Auszuges aus dem schweizerischen Zivilstandsregister (vgl. act. 5 i.V.m. act. 10) und holte Auskünfte über das steuerbare Vermögen des Erblassers ein (vgl. act. 6 i.V.m. act. 7).
Mit Urteil vom 31. Mai 2019 (act. 13 = act. 18 [Aktenexemplar] = act. 20) entschied die Vorinstanz im eingangs wiedergegebenen Sinne. Sie eröffnete die eingereichten letztwilligen Verfügungen und legte diese vorläufig aus.
Dagegen erhob die Berufungsklägerin mit Eingabe vom 13. Juni 2019 (act. 19) rechtzeitig (vgl. act. 13 i.V.m. act. 15/1 i.V.m. act. 19 S. 1) Berufung.
Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1 - 16). Auf die Einholung einer Berufungsantwort kann wie nachfolgend darzulegen sein wird verzichtet werden (vgl. Art. 312 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist spruchreif und ohne Weiterungen zu entscheiden.
Prozessuales
Die Eröffnung eines Testaments gehört zu den Angelegenheiten der freiwilligen bzw. nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, welche der Kanton Zürich dem Einzelgericht im summarischen Verfahren zugewiesen hat (vgl. Art. 556 ZGB i.V.m. Art. 551 Abs. 1 ZGB und Art. 54 Abs. 1 und 3 SchlT ZGB, § 24 lit. c und § 137 lit. c GOG/ZH i.V.m. Art. 248 lit. e ZPO). Gegen erstinstanzliche Summarentscheide in vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung zulässig, sofern der Streitwert wie hier (vgl. act. 7) mindestens Fr. 10'000.beträgt
(Art. 308 Abs. 2 ZPO).
Mit der Berufung können unrichtige Rechtsanwendung und/oder unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufung ist zu begründen (Art. 311 Abs. 1 ZPO), d.h. die Berufungsklägerin hat im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen der angefochtene Entscheid ihrer Meinung nach falsch ist und deshalb abgeändert werden muss (Begründungslast, vgl. ZK ZPO-REETZ/THEILER, 3. Aufl. 2016, Art. 311 N 36). Neue Tatsachen und Beweismittel sind im Berufungsverfahren zugelassen, wenn sie (a) ohne Verzug vorgebracht werden und (b) trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 ZPO).
Zur Berufung im Einzelnen
Die Testamentseröffnung gemäss Art. 557 f. ZGB bedeutet, dass die Behör- de vom Inhalt einer letztwilligen Verfügung Kenntnis nimmt und diesen den Betroffenen zur Kenntnis gibt. Ihr Zweck ist die Information der Erben über das Vorhandensein sowie den Inhalt des Testaments und die Einräumung einer Kontrollmöglichkeit (vgl. BSK ZGB II-KARRER/VOGT/LEU, 5. Aufl. 2015, Art. 557 N 1 f.,
Art. 558 N 1). Das eröffnende Gericht hat im Hinblick auf die nach Art. 559 ZGB auszustellende Erbbescheinigung - die gesetzlichen und allenfalls eingesetzten Erben zu ermitteln, zu diesem Zweck allenfalls Testamente auszulegen, aber bloss vorläufig und unpräjudiziell für ein ordentliches Gerichtsverfahren (vgl. OGer ZH LF170040 vom 26. Juli 2017, E. II./1. m.w.H.), ferner Einsicht in öffentliche Register wie das Zivilstandsund das Einwohnerregister zu nehmen sowie sich bei bereits bekannten Erben, dem Willensvollstrecker etc. zu erkundigen
(vgl. EMMEL, in: ABT/WEIBEL [Hrsg.], Praxiskommentar Erbrecht, 3. Aufl. 2015 [nachfolgend: Praxiskommentar Erbrecht], Art. 557 N 4). Primär massgebend ist dabei der Wortlaut der Testamente. Anhaltspunkte ausserhalb der Verfügungen (Externa), wie z.B. Beziehung des Erblassers zu Anwärtern der Nachlasswerte, können beigezogen werden, aber nur soweit, als dadurch eine im Text enthaltene Angabe geklärt erhärtet und der in gesetzlicher Form manifestierte Wille des Erblassers dadurch erhellt wird (vgl. BGE 131 III 601 ff. = Pra 95 [2006] Nr. 65). Bei der Eröffnung muss das Eröffnungsgericht nach billigem Ermessen auf den soweit erkennbar wahren Willen des Erblassers abstellen (vgl. ZR 82 [1983] Nr.
66 S. 171 f.). Über die definitive Auslegung der letztwilligen Verfügung und die damit verbundene Frage, ob einer Person Erbenstellung zukommt nicht, äussert sich somit nicht die die Erbbescheinigung ausstellende Behörde, sondern das ordentliche Gericht. Daher prüft die Kammer nach ständiger Praxis im Rechtsmittelverfahren auch einzig, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung in diesem beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist (vgl. OGer ZH LF160012 vom 10. März 2016, E. 3b; LF160062 vom 18. Oktober 2016, E. 2.3;
LF130079 vom 27. Mai 2014, E. 2.1).
Die Vorinstanz stellte im angefochtenen Urteil namentlich fest, der Erblasser habe als gesetzliche Erbinnen die Berufungsbeklagte sowie die Berufungsklägerin hinterlassen (vgl. act. 18 E. I./2 und Dispositiv-Ziffer 3). In provisorischer Auslegung der Verfügungen von Todes wegen ging die Vorinstanz sodann davon aus, dass der Erblasser die Berufungsbeklagte als Alleinerbin eingesetzt habe; im Übrigen verwies die Vorinstanz auf den Wortlaut der Testamente. Demzufolge stellte die Vorinstanz (einzig) der Berufungsbeklagten eine Erbbescheinigung in Aussicht (vgl. a.a.O., E. II./2, Dispositiv-Ziffer 6). Sodann eruierte die Vorinstanz vier Vermächtnisnehmer (F. , G. , H. und I. -Stiftung), welchen sie einen Auszug der letztwilligen Verfügung (Vermächtnisanzeige) zustellte (vgl. a.a.O., Dispositiv-Ziffer 4).
In Ziffer 2, 3 und 5 der eröffneten, öffentlichen letztwilligen Verfügung vom
11. Januar 2018 hielt der Erblasser Folgendes fest:
2. Meine alleinige Erbin ist meine Ehefrau B. , geboren am tt. November 1947.
3. Meine Tochter A. , geboren am tt. Mai 1967, schliesse ich als Erbin aus. Sie erhält aber ein Vermächtnis an Barmitteln Wertschriften in folgender Höhe:
Die Höhe des Vermächtnisses entspricht dem gesetzlichen Pflichtteil, abzüglich der bereits erhaltenen ausgleichungspflichtigen Zuwendungen. Die Aufwendungen, die ich für sie gemacht habe, etwa für Erziehung, Ausbildung, Lebensunterhalt, Pferde, Autos, Lastautos, Hausumbau, Geldgeschenke (in Höhe von insgesamt rund CHF 500'000), sind bis zum Betrag von CHF 5 (fünf) Millionen zur Ausgleichung zu bringen, im darüber hinausgehenden Umfang sind sie von der Ausgleichung befreit. Ebenfalls zur Ausgleichung zu bringen sind die Aufwendungen für die Liegenschaft K. [Strasse] , L. [Ort].
Es sind die folgenden Legate auszurichten:
CHF 50'000 Gerd F.
- CHF 50'000 G.
- CHF 50'000 H.
CHF 50'000 I. Foundation, Zürich
Die Vorinstanz legte die Verfügungen von Todes wegen provisorisch aus und kam wie bereits dargelegt namentlich zum Schluss, der Erblasser habe die Berufungsbeklagte als Alleinerbin eingesetzt und F. , G. , H. und die I. -Stiftung seien als Vermächtnisnehmer zu betrachten. Die Berufungsklägerin macht in Bezug auf dieses Ergebnis der vorläufigen Auslegung einzig geltend, die Vorinstanz hätte auch ihr eine Erbbescheinigung in Aussicht stellen müssen.
Vorab macht die Berufungsklägerin geltend, nicht nur eingesetzte, sondern auch gesetzliche Erben hätten Anspruch auf Ausstellung einer Erbbescheinigung und sie sei als pflichtteilsgeschützte Erbin eine gesetzliche Erbin (vgl. act. 19 Rz. II./1 f.).
Richtig ist, dass entgegen dem unklaren Gesetzeswortlaut grundsätzlich nicht nur eingesetzte, sondern auch gesetzliche Erben Anspruch auf Ausstellung einer Erbenbescheinigung haben (vgl. EMMEL, in: Praxiskommentar Erbrecht,
Art. 559 N 6) und die Berufungsklägerin als Tochter des Erblassers eine gesetzliche Erbin ist (vgl. Art. 457 ZGB), wovon auch die Vorinstanz ausging (vgl. act. 18
E. I./2.). Doch übersieht die Berufungsklägerin, dass der Erblasser sie gemäss klarem Wortlaut in der öffentlichen letztwilligen Verfügung als Erbin ausgeschlossen und die Berufungsbeklagte als Alleinerbin eingesetzt hat. Dadurch schloss der Erblasser die Berufungsklägerin als gesetzliche, pflichtteilsgeschützte Erbin (vgl. Art. 457 i.V.m. Art. 471 Ziff. 1 ZGB) sowohl explizit als auch implizit von der Erbfolge aus.
Um einen allfälligen Anspruch auf Erbenstellung durchzusetzen und diese Rechtslage noch umzugestalten, müsste ein vollständig übergangener Pflichtteilserbe grundsätzlich ein zu seinen Gunsten lautendes Herabsetzungs-
(vgl. BSK ZGB II-STAEHELIN, a.a.O., Art. 483 N 1 i.V.m. Art. 470 N 4) und/oder
Ungültigkeitsurteil erwirken (vgl. Art. 519 f. ZGB). Die Berufungsklägerin stellt sich demgegenüber sinngemäss auf den Standpunkt, ihr komme die Erbenstellung bereits jetzt bzw. nicht erst mit Durchsetzung des Anspruchs mittels Herabsetzungsund/oder Ungültigkeitsklage zu; dies müsse auch deshalb so sein, damit sie mit den sich aus der Erbenstellung ergebenden, uneingeschränkten (Einsichts-)Rechten die allenfalls übergangene vermögensrechtliche Seite berechnen und sich diese mittels einer Herabsetzungsund/oder Ungültigkeitsklage erstreiten könne, ohne dabei von den im Testament bevorzugten Erben und dem Willensvollstrecker abhängig zu sein (vgl. etwa act. 19 Rz. II./4.7 und 4.9). Ob die Berufungsklägerin in Anbetracht der gemäss der eröffneten, öffentlichen letztwilligen Verfügung des Erblassers als Vermächtnis bezeichneten und ihr zugedachten Vermögenswerte in der Höhe ihres gesetzlichen Pflichtteils als vollständig übergangene Pflichtteilserbin gilt und ein zu ihren Gunsten lautendes Herabsetzungsund/oder Ungültigkeitsurteil erwirken könnte, kann offen gelassen werden, zumal dies nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Selbst wenn dem so wäre bestünde kein Anlass, von der konstanten und jahrzehntelangen bundesgerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, wonach ein vollständig übergangener Pflichtteilserbe seine Erbenstellung erst mit einem zu seinen Gunsten lautenden Herabsetzungs- (vgl. BGE 138 III 354 ff., E. 5 = Pra 101 [2012] Nr. 130; 139 V 1 ff., E. 4.2
f.) Ungültigkeitsurteil erlangt (vgl. die Klarstellung in BGE 143 III 369 ff., Regeste in Verbindung mit E. 2.1 mit zahlreichen Hinweisen; OGer ZH LF180085 vom 7. Dezember 2018, E. 4.4.3 m.w.H.). In dem von der Berufungsklägerin zitierten Urteil des Bundesgerichtes 5A_610/2013 vom 1. November 2013 wollte das Bundesgericht seine Praxis denn auch wie die Berufungsklägerin selber erkannte (vgl. act. 19 Rz. II./4.6) - nicht ändern und auch nicht auf eine frühere Rechtsprechung zurückkommen (so ausdrücklich BGE 143 III 369 ff., E. 2.2).
Abgesehen davon gibt das Pflichtteilsrecht nur dann einen mittels der Herabsetzungsklage durchsetzbaren Anspruch auf Erbenstellung, wenn der Pflichtteilserbe seinen Pflichtteil nicht bereits dem Werte nach in Form einer Zuwendung unter Lebenden durch ein Vermächtnis erhalten hat (vgl. Art. 522 Abs. 1 ZGB), zumal in diesem Fall eine Pflichtteilsverletzung eigentlich gar nicht vorliegt bzw. dem Pflichteilserben die Aktivlegitimation für die Herabsetzungsklage fehlt (vgl. BSK ZGB II-STAEHELIN, 5. Aufl. 2015, Art. 470 N 4 und NERTZ, in: Praxis-
kommentar Erbrecht, Art. 470 N 21 je mit zahlreichen Hinweisen; HRUBESCHMILLAUER, in: Praxiskommentar Erbrecht, Vorbem. zu Art. 522 ff. N 7).
Zur Begründung ihrer Erbenstellung bringt die Berufungsklägerin mit Verweis auf FORNI/PIATTI (vgl. BSK ZGB II-FORNI/PIATTI, a.a.O., Art. 522 N 4) weiter vor, wenn (bzw. nur weil) der Pflichtteil aus einem Vermächtnis bestehe, verliere der Pflichtteilserbe seine Erbenstellung nicht (vgl. act. 19 Rz. II./4.4). Zugleich moniert sie, der Erblasser könne und dürfe einen pflichtteilsgeschützten Erben nicht zu einem blossen Vermächtnisnehmer degradieren (vgl. a.a.O. Rz. II./4.7.2).
Sofern die Berufungsklägerin mit ersterem Vorbringen geltend machen will, ihr Pflichtteil bestehe aus einem Vermächtnis und dadurch verliere sie ihre Erbenstellung nicht, lässt sie dabei erneut ausser Acht, dass der Erblasser ihr nicht nur ihren Pflichtteil in der Form eines Vermächtnisses zugedacht, sondern sie auch als Erbin von der Erbfolge ausgeschlossen hat (vgl. oben E. 4.4.1).
Die zweite Beanstandung der Berufungsklägerin geht von vornherein am vorinstanzlichen Urteil vorbei, zumal sie gemäss vorläufiger Auslegung von der Vorinstanz nicht als Vermächtnisnehmerin qualifiziert wurde.
Die Berufungsklägerin führt des Weiteren aus, im Urteil BGer 5A_610/2013 vom 1. November 2013 sei festgehalten worden, es entspreche einer langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes, dass pflichtteilsgeschützte Erben auch dann als Erben gelten würden, wenn der Erblasser sie von der Erbfolge ausgeschlossen habe, ohne dass ein Grund für eine Enterbung vorliege (vgl. act. 19 Rz. II./4.6).
Dass sie im Sinne von Art. 477 ZGB ohne Grundangabe enterbt worden sei (vgl. dazu BK ZGB-WEIMAR, Bern 2009, Art. 477 N 2), behauptet die Berufungsklägerin in tatsächlicher Hinsicht nicht (vgl. act. 19 Rz. I./12, II./3 und 4.6) und auch die Vorinstanz erwog solches nicht. Im Übrigen hätte die Berufungsklägerin gemäss aktueller bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch als ohne Grundangabe enterbte Pflichtteilserbin keine Erbenstellung (vgl. BGE 139 V 1 ff., E. 4). Dasselbe würde gelten, wenn die Berufungsklägerin als pflichtteilsberechtige Erbin lediglich (implizit) übergangen bzw. ausgeschlossen worden wäre (vgl. a.a.O. mit Verweis auf BGE 138 III 354 ff., E. 5 m.w.H. = Pra 101 [2012] Nr. 130 mit Verweis auf BGE 115 II 211 ff., E. 4). Was die Berufungsklägerin zu ihren Gunsten daraus ableiten will, ist somit von vornherein nicht klar.
Sodann hält die Berufungsklägerin unter Bezugnahme auf NERTZ im Praxiskommentar Erbrecht, Art. 470 N 21, dafür, der Erblasser dürfe sich nur in den dort genannten Fällen über das Pflichtteilsrecht hinwegsetzen, aber nicht, um den Pflichtteilserben die Erbenqualität abzusprechen und ihm damit in rechtswidriger Weise seine Erbenstellung einzuschränken (vgl. act. 19 Rz. II./4.7.2). Es sei einem Pflichtteilserben immer auf Verlangen ein Erbschein auszustellen; alles andere würde diejenigen Erblasser bevorteilen, die in rechtsmissbräuchlicher Weise bzw. unter dem theoretischen Konstrukt des in der Schweizer Bevölkerung nicht bekannten virtuellen Erben versuchen, den gesetzlichen Pflichtteil und die sich daraus ergebenden vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Ansprüche zu umgehen (vgl. a.a.O., Rz. II./5).
Worin die Berufungsklägerin die Rechtswidrigkeit den Rechtsmissbrauch der entsprechenden Anordnungen in der letztwilligen Verfügung des Erblassers erblickt, legt sie nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Sie behauptet denn auch nicht, inwiefern sich der Erblasser über das Pflichtteilsrecht hinweggesetzt habe bzw. die letztwillige Verfügung ihren gesetzlichen Pflichtteil verletze; vielmehr lässt sie dies offen (vgl. act. 19 Rz. II./4.8). Es bleibt darauf hinzuweisen, dass das Konzept des virtuellen Erben es ermöglicht, und darin liegt seine zentrale Funktion in der Nachlassplanung, einen Nachkommen von der Erbenstellung und damit aus der Erbengemeinschaft auszuschliessen (vgl. JAKOB/DARDEL, Der Schutz des virtuellen Erben, AJP 2014, S. 462 ff., S. 476; CHK-WILDISEN, 3. Aufl. 2016, Art. 470 N 6).
Weiteres, für den Entscheid Massgebliches bringt die Berufungsklägerin nicht vor. Vor diesem Hintergrund kann der Berufungsklägerin in vorläufiger Auslegung der letztwilligen Verfügungen keine Erbenstellung zukommen. Die definitive Auslegung der letztwilligen Verfügungen und die damit verbundene Frage der Erbenstellung der Berufungsklägerin ist nicht Gegenstand dieses Verfahren. Demnach hat die Vorinstanz der Berufungsklägerin zu Recht keine Erbenbescheinigung in Aussicht gestellt.
Die Berufung der Berufungsklägerin ist abzuweisen, soweit in Bezug auf das Rechtsbegehren in Ziff. 1 überhaupt darauf einzutreten ist.
Kostenund Entschädigungsfolgen
Die nicht streitige Testamentseröffnung vor erster Instanz wandelt sich in zweiter Instanz in eine vermögensrechtliche streitige Angelegenheit (vgl. statt vieler OGer ZH LF170058 vom 12. Januar 2018, E. 5.1 mit Verweis auf LF140076 vom 13. Oktober 2014, E. 7; LF130039 vom 27. Juni 2013, E. 5). Ausgangsgemäss wird die Berufungsklägerin kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgehend von einem Nachlasswert per Ende 2014 von ca. Fr. 51'669'000.- (Steuerwert, vgl. act. 7), ist von einem Streitwert von Fr. 6'458'625.- (gesetzliche Erbquote - Pflichtteil) auszugehen und die Entscheidgebühr mit Blick auf die Schwierigkeit des Falles und den Aufwand des Gerichts in Anwendung von § 4, § 8 und
§ 12 GebV auf Fr. 5'000.festzusetzen und der Berufungsklägerin aufzuerlegen. Eine Kostenauflage zulasten des Nachlasses fällt ausser Betracht.
Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen: der Berufungsklägerin nicht, weil sie unterliegt, der Berufungsbeklagten nicht, weil ihr keine Umtriebe entstanden sind, die zu entschädigen wären.
Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Einzelgerichtes des Bezirksgerichtes Horgen vom 31. Mai 2019 (Geschäfts-Nr. EL190100-F/U) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 5'000.festgesetzt.
Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Berufungsklägerin auferlegt.
Parteientschädigungen werden keine zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsbeklagte unter Beilage von Doppeln der Berufungsschrift samt Beilagenverzeichnis
(act. 19), sowie an das Einzelgericht des Bezirksgerichtes Horgen, je gegen Empfangsschein, und an die Obergerichtskasse.
Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert liegt über Fr. 30'000.-.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Götschi
versandt am:
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