Zusammenfassung des Urteils LF140032: Obergericht des Kantons Zürich
Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Fall betreffend Testamentseröffnung im Nachlass von C. und D. entschieden. Die Vorinstanz hatte den Kanton Zürich als Erben eingesetzt, doch das Obergericht entschied, dass das F. als eingesetzter Erbe qualifiziert werden sollte. Das F. ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und somit erbfähig. Die Frage eines Rechnungsrufs und eines öffentlichen Inventars wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Gerichtskosten wurden nicht erhoben, und es wurden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF140032 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 23.05.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Testamentseröffnung |
Schlagwörter : | Kanton; Berufung; Recht; Testament; Testaments; Erben; Erbschaft; Kantons; Finanzdirektion; Inventar; Rechnungsruf; Urteil; Berufungsbeklagte; Testamentseröffnung; Winterthur; Personen; Gericht; Erbfähigkeit; Berufungsbeklagten; Verfügung; Eröffnung; Einzelgericht; Bundesgericht; Oberrichter; Erbschaftssachen; Bezirksgerichtes; Vorinstanz; Anstalt |
Rechtsnorm: | Art. 521 ZGB ;Art. 533 ZGB ;Art. 539 ZGB ;Art. 559 ZGB ;Art. 592 ZGB ;Art. 600 ZGB ;Art. 90 BGG ;Art. 98 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF140032-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur.
P. Diggelmann und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Muraro-Sigalas.
Urteil vom 23. Mai 2014
in Sachen
vertreten durch Finanzdirektion des Kantons Zürich, Generalsekretariat,
gegen
Berufungsbeklagte,
Nr. 1 vertreten durch Fürsprecher Rechtsanwalt Dr. X. ,
betreffend Testamentseröffnung
im Nachlass von C. , geboren am tt. August 1946, von Winterthur ZH und D. , gestorben am tt.mm.2013, wohnhaft gewesen in Winterthur
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes in Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Winterthur vom 20. März 2014 (EL140014)
Erwägungen:
I.
Die Erblasserin C. verstarb am tt.mm.2013 (act. 2). In ihrem Testament bedachte sie - nebst den Berufungsbeklagten Nr. 1 bis 3 - das F. als Erben (act. 1).
Mit Urteil vom 20. März 2014 erwog die Vorinstanz, das F. sei eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt und als solche dem Kanton Zürich zugehörig. Damit gelte grundsätzlich der Kanton Zürich als Erbe. Die Vorinstanz führte demzufolge den Kanton Zürich, Finanzdirektion, Walcheplatz 1, Postfach, 8090 Zürich, als eingesetzten Erben auf (act. 6 = act. 8 S. 3).
Das vorinstanzliche Urteil vom 20. März 2014 wurde dem Kanton Zürich, Finanzdirektion, am 24. März 2014 zugestellt (act. 4 und act. 9). Mit Eingabe vom
2. April 2014 erhob der Kanton Zürich, Finanzdirektion, rechtzeitig Berufung und beantragte was folgt (act. 7):
Es sei der Kanton Zürich (vertreten durch die Finanzdirektion) als eingesetzter Erbe im Nachlass von C. , geboren am tt. August 1946, gestorben am tt.mm.2013, zu streichen und dementsprechend Dispositiv Ziff. 6 in Verbindung mit Erwägungen Ziff. III. dahingehend zu ändern, dass an Stelle des Kantons Zürich das F. als eingesetzter Erbe qualifiziert wird.
4. Mit Verfügung vom 10. April 2014 wurde den Berufungsbeklagten Frist angesetzt, um die Berufung zu beantworten und sich zur Frage zu äussern, was bezüglich Inventar / Rechnungsruf gelten solle, wenn der Kanton als Erbe wegfiele (act. 10). Innert der angesetzten Frist (vgl. act. 11) äusserte sich einzig die A. , welche mitteilte, dass sie auf eine Stellungnahme zur Berufung verzichte. Sie beantrage aber selbst beim Wegfall des Kantons Zürich als Erbe die Aufnahme eines öffentlichen Inventars bei Verzicht auf einen Rechnungsruf (act. 12).
II.
Die Testamentseröffnung nach Art. 556 ff. ZGB dient der Bekanntgabe des Verfügungsinhaltes und der Einräumung einer Kontrollmöglichkeit an die anwesenden Personen, sich vom Inhalt und Zustand der Urkunde selbst ein Bild machen zu können (BSK ZGB II-Karrer/Vogt/Leu, 4. Aufl. 2011, Art. 557 N. 2). Auf der einen Seite hat das Gericht somit die Erben zu ermitteln, um diese gegebenenfalls vorzuladen, damit sie von der letztwilligen Verfügung Kenntnis nehmen und in der Folge ihre Rechte wahren können (BSK ZGB IIKarrer/Vogt/Leu, 4. Aufl. 2011, Art. 557 N. 7 f.). Die Eröffnung ist Voraussetzung für die Ausstellung der Erbbescheinigung an eingesetzte Erben. Mit der Eröffnung beginnt aber auch die absolute zehnjährige Verwirkungsfrist für die Ungültigkeitsklage (Art. 521 ZGB), die Herabsetzungsklage (Art. 533 ZGB) und die Erbschaftsklage (Art. 600 ZGB) zu laufen (BSK ZGB II-Karrer/Vogt/Leu, 4. Aufl. 2011, Art. 557 N. 22). Andererseits hat das Eröffnungsgericht eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen und im Hinblick auf die nach Art. 559 ZGB an die eingesetzten Erben auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments prima facie als Berechtigter zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter; für das materielle Recht ist sie unpräjudiziell und hat keine materiell-rechtliche Wirkung (BSK ZGB II-Karrer/Vogt/Leu, 4. Aufl. 2011, Art. 557 N. 11). Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit der letztwilligen
Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht somit nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten (anstatt vieler: ZR 77 [1978] Nr. 131, ZR 82 Nr. 66 und ZR 84 Nr. 90, je mit weiteren Hinweisen). Da im Testamentseröffnungsverfahren grundsätzlich kein materielles Recht entschieden wird und das Urteil dem ordentlichen Richter vorbehalten bleibt (BSK ZGB IIKarrer/Vogt/Leu, 4. Aufl. 2011, Vor Art. 551-559 N. 10), prüft die Kammer nach ständiger Praxis im Rechtsmittelverfahren auch lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung in diesem beschränkten Rahmen zutreffend verfahren ist (vgl. OGer ZH, LF110058 vom 14. Juli 2011 E. 2.2 und LF110047 vom 27. Juli 2011 E. 3.2 [www.gerichte-zh.ch/entscheide ]).
Die Auslegung des Wortlauts des Testaments verursacht keine Probleme. Als Erbe wurde das F. bezeichnet (act. 1). Zu prüfen bleibt, ob das F. erbfähig ist.
Die Erbfähigkeit - d.h. die Fähigkeit, Erbe Vermächtnisnehmer zu sein (Art. 539 Abs. 1 ZGB) setzt Rechtsfähigkeit voraus. Rechtsfähig sind alle (lebenden) Menschen und juristischen Personen (Christoph Wildisen, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, Art. 539 N. 1). Öffentlichrechtliche Anstalten sind nur dann juristische Personen, wenn sie selbständig sind d.h. wenn ihnen Rechtspersönlichkeit zukommt. Gemäss § 1 des Gesetzes über das F. (F'. G) besteht unter dem Namen F. eine Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in E. . Damit ist das F. (F'. ) rechtsfähig.
Das kantonale Recht kann die Erbfähigkeit von juristischen Personen des kantonalen öffentlichen Rechts beschränken besondere Regeln über die Entgegennahme bzw. Ausschlagung des Erbes bzw. von Legaten durch juristische Personen des kantonalen Rechts aufstellen (BSK ZGB II-Schwander, 4. Aufl. 2011, Art. 439 N. 2).
Der Kanton Zürich schränkt die Erbfähigkeit des F. nicht ein (vgl. F. G).
Von der Erbfähigkeit zu unterscheiden ist die Zuständigkeit für die Entgegennahme die Ausschlagung des Erbes. Diese ist für das F. in
§ 14 des Finanzreglements des F. (FinReg-F'. ) geregelt. Die Entgegennahme Ausschlagung eines Erbes ist durch die Erbfähigkeit erst bedingt. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wer nicht Erbe ist, kann auch kein Erbe entgegennehmen ausschlagen. Umgekehrt kommt es aber für die Frage der Erbenstellung nicht darauf an, ob der Erbe das ihm Zugedachte annehmen kann darf. Eine Mitarbeiterin der Einzelrichterin hielt in einer Aktennotiz fest, das F. könne keine Liegenschaften halten (unakturiertes Papier vom 14. März 2014). Das wäre, wenn es richtig wäre, vielleicht ein Grund zum Ausschlagen zum Veräussern einer angefallenen Liegenschaft, hat aber mit der Erbenstellung zunächst nichts zu tun.
Das F. ist also erbfähig. Damit ist die Berufung gutzuheissen. Als eingesetzter Erbe hat nicht der Kanton Zürich, sondern das F. zu gelten.
III.
Gemäss Art. 592 ZGB wird von Amtes wegen ein Rechnungsruf vorgenommen, wenn eine Erbschaft an das Gemeinwesen fällt. Ausserdem haftet das Gemeinwesen für die Schulden der Erbschaft nur im Umfang der Vermögenswerte, die es aus der Erbschaft erworben hat.
Der Kanton Zürich fällt als Erbe in der Testamentseröffnung weg. Da damit fraglich ist, ob gestützt auf Art. 592 ZGB ein öffentliches Inventar anzuordnen ist, wurde den Berufungsbeklagten Frist zur Stellungnahme angesetzt. Die A. beantragte beim Wegfall des Kantons Zürich als Erbe die Aufnahme eines öffentlichen Inventars bei Verzicht auf einen Rechnungsruf (act. 12).
Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen zum Entscheid, ob unter den gegebenen Umständen ein Rechnungsruf anzuordnen bzw. ein öffentliches Inventar durchzuführen ist nicht.
IV.
Umständehalber fallen die Gerichtskosten ausser Ansatz. Parteientschädigungen wurden nicht beantragt und sind nicht zuzusprechen.
Es wird erkannt:
Die Berufung wird gutgeheissen. In Erwägung Ziff. III. wird 4. Kanton Zürich, Finanzdirektion, Walcheplatz 1, Postfach, 8090 Zürich ersetzt durch 4. F. , [Adresse].
Die Sache wird zu neuem Entscheid über die Anordnung eines Rechnungsrufes / Durchführung eines öffentlichen Inventars an das Einzelgericht in Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Winterthur zurückgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien (an die Berufungsbeklagten Nr. 2-4 unter Beilage einer Kopie von act. 12) sowie - unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten an das Einzelgericht in Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Winterthur, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG im Rahmen eines Verfahrens betreffen vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Muraro-Sigalas versandt am:
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