Zusammenfassung des Urteils LF120045: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um die Testamentseröffnung und die Anordnung eines Sicherungsinventars im Nachlass von F. Das Einzelgericht des Bezirksgerichtes Bülach hatte bereits ein Testament eröffnet, in dem die Ehefrau als Vorerbin und die Kinder als Nacherben eingesetzt wurden. Die Ehefrau erhob Berufung gegen die Anordnung des Inventars, da sie auf ihre Vorerbschaft verzichten wollte. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied zugunsten der Ehefrau und hob die Anordnung des Inventars auf. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 1'000.- wurden der Ehefrau auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF120045 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 09.08.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Testamentseröffnung / Anordnung Sicherungsinventar |
Schlagwörter : | Berufung; Berufungsklägerin; Erblasser; Kinder; Erblassers; Anordnung; Erben; Urteil; Inventar; Erbschaft; Berufungsbeklagte; Bezirksgerichtes; Bülach; Einzelgericht; Testament; Entscheid; Quote; Dispositiv; Abtretung; Bundesgericht; Obergericht; Oberrichter; Ehefrau; Pflichtteil; Erbteil; Willensvollstreckerin; Urteils; Vertreter; Inventaraufnahme; Vorerbschaft |
Rechtsnorm: | Art. 13 OR ;Art. 490 ZGB ;Art. 492 ZGB ;Art. 635 ZGB ;Art. 98 BGG ; |
Referenz BGE: | 101 II 222; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF120045-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur.
P. Diggelmann und Oberrichter lic. iur. P. Hodel sowie Gerichtsschreiber lic. iur. M. Isler.
Urteil vom 9. August 2012
in Sachen
,
Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
gegen 1. B. ,
C. ,
D. ,
E. ,
Berufungsbeklagte,
betreffend
im Nachlass von F. , geboren tt. mm. 1924, von G. , gestorben tt. mm.
2012, wohnhaft gewesen in H.
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Bülach vom 22. Juni 2012 (EL120049)
Erwägungen:
Am tt. mm. 2012 verstarb F. mit letztem Wohnsitz in H. _. Laut Feststellung des Einzelgerichtes in Erbschaftssachen des Bezirksgerichtes Bülach hinterliess er als gesetzliche Erben seine Ehefrau A. (Berufungsklägerin) und vier Kinder aus einer früheren Verbindung (Berufungsbeklagte). Das vom Einzelgericht eröffnete Testament vom 7. November 1993 enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
Meine Kinder setze ich zu Gunsten meiner Ehefrau auf den Pflichtteil, jedoch mit der Massgabe, dass jedes Kind mindestens Fr. 50'000.- ( ) erhalten soll. Gewährte Vorempfänge sind damit zu verrechnen.
Der an meine Frau zugewiesene Erbteil ist, soweit er ihren Pflichtteil übersteigt, nach ihrem Ableben meinen Nachkommen als Nacherben auszuliefern.
Mit (Testamentseröffnungs-) Urteil vom 22. Juni 2012 beauftragte das Einzelgericht des Bezirksgerichtes Bülach das Notariat H. , zuhanden der Vorerbin und der Nacherben ein Inventar über den Nachlass zu erstellen (DispositivZiffer 1).
Mit Eingabe an das Obergericht vom 13. Juli 2012 erhob die Ehefrau des Erblassers (und Willensvollstreckerin) gegen diesen Entscheid rechtzeitig Berufung mit den Anträgen (act. 15):
Es sei davon Vormerk zu nehmen, dass die Klägerin (gemeint Berufungsklägerin) auf die ihr gemäss Testament zustehende disponible Quote von 3/8 am Nachlass zugunsten der Nacherben des Erblassers definitiv verzichtet.
Es sei Dispositiv Ziff. 1 des Urteils [Anordnung des Inventars] ersatzlos zu streichen.
Zur Begründung der Berufung macht der Vertreter der Berufungsklägerin geltend, dass diese definitiv auf die disponible Quote verzichte und sich mit dem Pflichtteil begnüge. Damit erübrige sich die Anordnung eines Nachlassinventars. Die vier
Kinder des Erblassers seien mit der Berufung, die mit ihnen abgesprochen worden sei, einverstanden.
Als Beilagen reicht der Vertreter der Berufungsklägerin die nachstehend wiedergegebenen, vom 10. Juli 2012 datierten Urkunden ein:
eine von der Berufungsklägerin persönlich unterzeichnete Erklärung (act. 17/6):
F.
F.
A.
F.
X.
eine von den Kindern des Erblassers (Berufungsbeklagte) unterzeichnete Erklärung (act. 17/8):
F.
F.
, tt
, tt
, tt
, tt
X.
Die Unterschriften auf dem Schreiben entsprechen den Unterschriften, mit welchen die Kinder des Erblassers der Post den Empfang des angefochtenen Entscheides bestätigt haben (act. 12).
Die erstinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Berufungsantworten wurden nicht eingeholt.
Gemäss Art. 490 Abs. 1 ZGB hat die zuständige Behörde in allen Fällen der Nacherbeneinsetzung die Aufnahme eines Inventars anzuordnen. Die Vorschrift ist nach der herrschenden Lehre in dem Sinn absolut zwingend, als weder eine entsprechende Anordnung des Erblassers noch das Einverständnis von Vorund Nacherben diese Inventaraufnahme auszuschliessen vermag (BSK ZGB IIBessenich, 4. Aufl., Art. 490 N 1; Weimar, Berner Kommentar, Art. 490 ZGB N 3). Die vorinstanzliche Anordnung vom 22. Juni 2012 ist somit grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sie war im Zeitpunkt ihres Erlasses geboten.
Die Berufungsklägerin macht mit der Berufung neu geltend, dass sie zugunsten der Kinder des Erblassers auf die ihr als Vorerbschaft zugewendete Quote der Erbschaft verzichte. Sie erachtet deshalb die Anordnung des Sicherungsinventars als obsolet.
Die Abtretung eines Erbteils an einen Miterben ist zulässig. Sie erfordert den Austausch gegenseitiger übereinstimmender Willensäusserungen, wobei das Gesetz Schriftlichkeit verlangt (Art. 635 Abs. 1 ZGB). Da mit einem Erbteil nicht nur Aktiven, sondern auch Passiven übergehen, kann nach Art. 13 OR auch die Unterschrift des übernehmenden Erben erforderlich sein (BGE 101 II 222 Erw. 6c
S. 231). Die Abtretung kann sich auf den Bruchteil einer Nachlassquote beschränken (PraxKomm Erbrecht-Mabillard, Art. 635 ZGB N 3 ff.).
In der mit der Berufungsschrift eingereichten Erklärung vom 10. Juli 2012 verzichtet die Berufungsklägerin zugunsten der Kinder des Erblassers auf die ihr als Vorerbschaft zugewendete Quote der Erbschaft und tritt damit sinngemäss den betreffenden Teil ihrer Erbquote an die Kinder des Erblassers ab (act. 17/6). In ihrer dem Vertreter der Berufungsklägerin übergebenen, vom 10. Juli 2012 datierten Erklärung haben die Kinder des Erblassers der Abtretung sinngemäss zugestimmt (act. 17/8).
Mit der Abtretung der der Berufungsklägerin als Vorerbschaft zugewendeten Erbquote an die Kinder des Erblassers ist die Grundlage für die Anordnung der Inventaraufnahme entfallen.
Zu erwähnen bleibt, dass der Erblasser nicht die Kinder, sondern die Nachkommen als Nacherben eingesetzt hat. Dies ist allerdings unerheblich. Falls der Erblasser mit den Nachkommen auch die Kindeskinder meinte, ist davon auszugehen, dass er diese nur als Ersatznacherben einsetzte für den Fall, dass die Kinder nicht zur Erbschaft kommen würden (Art. 492 Abs. 2 ZGB).
Die Berufung ist somit gutzuheissen und die vorinstanzliche Anordnung der Inventaraufnahme (Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Urteils) aufzuheben.
Die von der Berufungsklägerin nicht beanstandete erstinstanzliche Kostenregelung ist zu bestätigen. Auch die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens sind auf Rechnung des Nachlasses von der Willensvollstreckerin (Berufungsklägerin) zu beziehen.
Es wird erkannt:
In Gutheissung der Berufung wird Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Urteils des Bezirksgerichtes Bülach vom 22. Juni 2012 aufgehoben.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'000.festgesetzt und auf Rechnung des Nachlasses von der Willensvollstreckerin (= Berufungsklägerin) bezogen.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsbeklagten je unter Beilage einer Kopie der Berufungsschrift act. 15 und der Eingabe der Berufungsklägerin act. 19, sowie an die Vorinstanz und das Notariat H. , je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert übersteigt
Fr. 30'000.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. M. Isler versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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