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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LD190001
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LD190001 vom 17.07.2019 (ZH)
Datum:17.07.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verwandtenunterstützungspflicht
Schlagwörter : Klagten; Berufung; Beklagten; Vorinstanz; Leistung; Kinder; Unterhalt; Notlage; Tochter; Partei; Gericht; Parteien; Verfahren; Anschlussberufung; Vater; Verwandten; Verwandtenunterstützung; Unterstützung; Recht; Eltern; Kindsväter; Urteil; Klage; Vorschuss; Fragepflicht; Studium; Frist; Bezahlen; Erstinstanzliche; Leistungen
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 243 ZPO ; Art. 247 ZPO ; Art. 285 ZGB ; Art. 287 ZGB ; Art. 293 ZGB ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 328 ZGB ; Art. 329 ZGB ; Art. 56 ZPO ; Art. 90 BGG ; Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:133 III 507; 137 III 617; 138 III 374; 139 III 368; 141 III 569; 142 I 93; 142 III 413;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LD190001-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende,

Oberrichterin Dr. S. Janssen und Oberrichter lic. iur. A. Huizinga sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. N.A. Gerber

Urteil vom 17. Juli 2019

in Sachen

A. ,

Beklagter, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Stadtgemeinde Zürich (Sozialbehörde),

Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin vertreten durch lic. iur. Y.

betreffend Verwandtenunterstützungspflicht

Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichts im ordentlichen Verfahren am Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, vom 8. Januar 2019 (FP180047-L)

Erwägungen:

    1. Sowohl die Tochter des Beklagten, Berufungsklägers und Anschlussberufungsbeklagten (fortan Beklagter) B. (geb. am tt. Januar 1986) als auch deren drei Kinder, C. (geb. am tt.mm.2012), D. (geb. am tt.mm.2016) und E. (geb. am tt.mm.2017) werden von den Sozialen Diensten der Stadt Zürich unterstützt.

    2. Die Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin (fortan Klägerin) stellte vor Vorinstanz mit Eingabe vom 1. März 2018 und unter Beilage der Klagebewilligung des Friedensrichteramtes Kreise + der Stadt Zürich vom

      1. November 2017 (Urk. 1) das folgende Rechtsbegehren (Urk. 2 S. 2):

        Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin die für seine Tochter B. , geb. tt.01.1986 und für seine Enkelkinder C. , geb. tt.mm.2012, D. , geb. tt.mm.2016 und E. , geb. tt.mm.2017 vom 28.09.2016 bis 27.09.2017 entstandenen ungedeckten Unterstützungsauslagen im Umfange von Fr. 25'903.25 vollumfänglich zu ersetzen, zahlbar an die Sozialen Dienste der Stadt Zürich;

        alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten des Beklagten.

    3. Für den Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens kann auf das angefochtene Urteil verwiesen werden (Urk. 26 E. I = Urk. 31 E. I). Mit Urteil vom 8. Januar 2019 entschied die Vorinstanz das Folgende (Urk. 26):

      1. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den Betrag von Fr. 17'695.65 zu bezahlen.

      Im Mehrumfang wird die Klage abgewiesen.

        1. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'600.- festgesetzt.

        2. Die Gerichtskosten werden der Klägerin zu einem Drittel und dem Beklagten zu zwei Drittel auferlegt.

        3. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'500.- zu bezahlen.

        4. (Schriftliche Mitteilung.)

        5. (Rechtsmittelbelehrung.)

    4. Hiergegen erhob der Beklagte mit Eingabe vom 13. Februar 2019 innert Frist Berufung und stellte folgende Anträge (Urk. 30 S. 2):

      Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 8. Januar 2019 (FP180047) sei aufzuheben, soweit es eine Leistungspflicht des Beklagten und Berufungsklägers bejaht, und die Klage sei abzuweisen;

      eventualiter sei das Verfahren zur umfassenden Neubeurteilung der Unterhaltspflicht der Kindsväter von C. , D. und E. bzw. zur Beurteilung der Möglichkeit einer Alimentenbevorschussung sowie der Heranziehung der Eltern der Kindsväter von C. ,

      D. und E. zur Verwandtenunterstützung an die Vorinstanz zurückzuweisen;

      unter Kostenund Entschädigungsfolgen zuzüglich 7.7% MWST zulasten der Beklagten.

    5. Mit Verfügung vom 14. Februar 2019 wurde dem Beklagten Frist angesetzt, um einen Vorschuss für die Gerichtskosten von Fr. 2'800.- zu bezahlen (Urk. 35). Dieser ging rechtzeitig bei der Obergerichtskasse ein (Urk. 36). Am 4. März 2019 wurde der Klägerin Frist anberaumt, um die Berufung zu beantworten (Urk. 37). Mit der Berufungsantwort vom 3. April 2019 verlangte die Klägerin die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils, soweit es ihrem Rechtsbegehren entsprochen habe, und erhob zugleich Anschlussberufung mit dem folgenden Antrag (Urk. 38 S. 2):

      Das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 08. Januar 2019 (FP180047) sei aufzuheben, soweit es eine Leistungspflicht des Beklagten und Berufungsklägers verneint.

    6. Mit Verfügung vom 5. April 2019 wurde der Klägerin Frist zur Leistung eines Vorschusses von Fr. 1'500.- für die Kosten des Anschlussberufungsverfahrens und dem Beklagten Frist zur Beantwortung der Anschlussberufung angesetzt (Urk. 40). Sowohl der Vorschuss der Klägerin als auch die Anschlussberufungsantwort des Beklagten vom 27. Mai 2019 gingen innert Frist ein (vgl. Urk. 41-42). Letztere wurde der Klägerin mit Verfügung vom 29. Mai 2019 (Urk. 52) zur Kenntnisnahme zugestellt. Weitere Eingaben erfolgten nicht.

    1. Mit der Berufung können unrichtige Rechtsanwendung und unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsinstanz verfügt über eine vollständige Überprüfungsbefugnis der Streitsache,

      mithin über unbeschränkte Kognition bezüglich Tatund Rechtsfragen, einschliesslich der Frage richtiger Ermessensausübung (Angemessenheitsprüfung; BGer 5A_184/2013 vom 26. April 2013, E. 3.1). In der schriftlichen Berufungsbegründung (Art. 311 Abs. 1 ZPO) ist hinreichend genau aufzuzeigen, inwiefern der erstinstanzliche Entscheid in den angefochtenen Punkten als fehlerhaft zu betrachten ist bzw. an einem der genannten Fehler leidet (BGE 142 I 93 E. 8.2; BGE 138 III 374 E. 4.3.1). Die Berufungsinstanz hat sich - abgesehen von offensichtlichen Mängeln - grundsätzlich auf die Beurteilung der Beanstandungen zu beschränken, die in der Berufungsschrift in rechtsgenügender Weise erhoben werden (vgl. BGE 142 III 413 E. 2.2.4). Aufgrund der umfassenden Überprüfungsbefugnis ist die Berufungsinstanz allerdings nicht an die mit den Rügen vorgebrachte Argumentation oder an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden, sondern kann die Rügen auch mit abweichenden Erwägungen gutheissen oder abweisen (ZK ZPO-Reetz/Theiler, Art. 310 N 6).

    2. Die Klägerin hat den Betrag von Fr. 25'903.25 eingeklagt. Demnach kam vor Vorinstanz das vereinfachte Verfahren i.S.v. Art. 243 Abs. 1 ZPO zur Anwendung (vgl. BSK ZGB-Koller, Art. 328/329 N 32; BGE 139 III 368). Gemäss Art. 247

Abs. 1 ZPO hat das Gericht durch entsprechende Fragen darauf hinzuwirken, dass die Parteien ungenügende Angaben zum Sachverhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen. Art. 247 Abs. 1 ZPO verstärkt damit die Fragepflicht gemäss Art. 56 ZPO, da sie diese nicht nur unter bestimmten Voraussetzungen - unklare, widersprüchliche, unbestimmte oder offensichtlich unvollständige Vorbringen einer Partei - sondern immer eingreifen lässt, wenn die behaupteten Tatsachen und Beweismittel ungenügend sind (ZK ZPO-Hauck, Art. 247 N 6). Forderungsklagen bis Fr. 30'000.- unterliegen der durch die verstärkte richterliche Fragepflicht ergänzten Verhandlungsmaxime. Hingegen sind auch der verstärkten Fragepflicht Grenzen gesetzt. Im Ausgangspunkt gilt noch immer die Verhandlungsmaxime und es ist primär Sache der Parteien, den Prozessstoff zu sammeln. So besteht etwa trotz verstärkter richterlicher Fragepflicht kein Anlass, unbestrittene oder gar explizit zugestandene Tatsachenbehauptungen zu hinterfragen. Wird eine bestimmte Tatsache von den Parteien nicht zumindest angedeutet, muss nicht nachgefragt werden (ZK ZPO-Hauck, Art. 247 N 15 m.w.H.). Sodann

ist bei anwaltlich vertretenen Parteien die Fragepflicht nach Art. 247 Abs. 1 ZPO stark gemildert. So darf das Gericht grundsätzlich auf die Sachkunde des Rechtsvertreters vertrauen und sich darauf verlassen, dass der Prozessstoff sowohl behauptungsals auch beweismässig vollständig vorliegt (ZK ZPO-Hauck, Art. 247 N 17; BK ZPO-Kilias, Art. 247 N 17; BGer 4A_57/2014 vom 8. Mai 2014, E. 1.3.2

m.w.H.; BGE 141 III 569 E. 2.3.1). Da das Bundesgericht davon ausgeht, dass die verstärkte Fragepflicht gemäss Art. 247 Abs. 1 ZPO von den konkreten Umstän- den namentlich der Schwierigkeit des Falls, den Kenntnissen der Parteien und ihrer allfälligen anwaltlichen Vertretung abhänge und die Fragepflicht vor allem nicht vertretene Parteien ohne juristische Kenntnisse betreffe (BGer 4A_57/2014 vom 8. Mai 2014; E. 1.3.2; BGer 4D_57/2013 vom 2. Dezember 2013, E. 3.2), ist auch von einer stark eingeschränkten Fragepflicht auszugehen, wenn eine Partei, wie vorliegend die Klägerin, von einer juristisch ausgebildeten Person vertreten wird.

      1. Die Vorinstanz kam zum Ergebnis, die Voraussetzungen der Verwandtenunterstützung gemäss Art. 328 f. ZGB seien vorliegend erfüllt: Die Tochter

        1. und die Grosskinder befänden sich in einer Notlage und der Beklagte lebe in günstigen Verhältnissen. Es seien keine Umstände ersichtlich, welche die Heranziehung des Beklagten als unbillig erschienen liessen. In Bezug auf die Tochter entfalle jedoch der Unterstützungsanspruch gestützt auf Art. 329 Abs. 1bis ZGB betreffend die dem Jahr 2017 zuzuordnenden Leistungen. Entsprechend seien die ab 1. Januar 2017 (Datum des Inkrafttretens der betreffenden Bestimmung) an die Tochter B. ausgerichteten Leistungen vom Beklagten nicht zu

          übernehmen, da dessen Unterstützungspflicht diesbezüglich zufolge Kinderbetreuung durch die Tochter entfalle. Im Ergebnis müssten vom Beklagten somit die an die Grosskinder und die an die Tochter B. ausgerichteten Leistungen bezahlt werden, letztere jedoch nur in reduziertem Umfang, womit insgesamt eine Unterstützungsverpflichtung in der Höhe von Fr. 17'695.65 resultiere. Im Mehrumfang sei die Klage abzuweisen (Urk. 26 E. III.9.).

      2. In Bezug auf die Notlage erwog die Vorinstanz, es sei unbestritten, dass weder die Tochter B. noch die Grosskinder ein Erwerbseinkommen erzielten und auch über keine relevanten Vermögenswerte verfügten. Sie befänden

sich somit grundsätzlich in einer Notlage. Fraglich bleibe, ob die Notlage aufgrund der - gemäss Art. 328 Abs. 1 ZGB der Verwandtenunterstützungspflicht vorgehenden - Unterhaltspflicht der Kindsväter oder aufgrund staatlicher Geldleistungen entfalle. Mit dem Vater von C. bestehe ein Unterhaltsvertrag, gestützt auf welchen dieser im fraglichen Zeitraum monatliche Unterhaltsbeiträge von

Fr. 600.- geleistet habe bzw. hätte leisten müssen. Weitere Unterstützungsbeiträ- ge könnten von ihm aufgrund seiner finanziellen Situation nicht erhältlich gemacht werden. In Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Vaters von D. und E. seien die notwendigen behördlichen Abklärungen getroffen worden und diese hät- ten ergeben, dass von ihm zurzeit keine Unterstützungsleistungen erhältlich zu machen seien. Die Tatsache, dass der betreffende Kindsvater an der ETH studiere, könne nicht dazu führen, dass der Tochter bzw. den Grosskindern ein hypothetisches Einkommen, welches der Vater ohne Studium verdienen würde, angerechnet werde. Dies müsse selbst dann gelten, wenn dem Vater selbst - bei der Beurteilung seiner finanziellen Situation, namentlich im Rahmen eines ihn direkt betreffenden familienrechtlichen Verfahrens - ein hypothetisches Einkommen anzurechnen wäre. Für die Beurteilung der Notlage der Tochter bzw. der Grosskinder sei einzig massgebend, ob diese ihren betreibungsrechtlichen Notbedarf decken könnten. Im Übrigen gehe es ohnehin nicht an, den bislang über keine Berufsausbildung verfügenden Vater dazu zu zwingen, sein Studium aufzugeben, um einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. Gemäss Art. 285 Abs. 1 ZGB habe der Unterhaltsbeitrag der Lebensstellung und der Leistungsfähigkeit der Eltern zu entsprechen. Es könne ferner nicht davon ausgegangen werden, dass der Vater im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung, welcher er nach Dafürhalten des Beklagten neben seinem Studium nachgehen müsste, ein hinreichend hohes Erwerbseinkommen erzielen könnte, um die vorliegende Notlage abzuwenden. Aus ähnlichen Gründen ändere auch die potentielle IV-Tauglichkeit der Tochter nichts an der vorliegenden Notlage: Die Tatsache, dass die Tochter zurzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, bedeute nicht, dass sie zwingend Anspruch auf IVLeistungen habe. Zudem behaupte der Beklagte selbst, die Einschränkung der Erwerbstätigkeit sei auf den Erziehungsaufwand der Tochter in Bezug auf die Grosskinder zurückzuführen. Im Übrigen widerspräche es dem Sinn der Verwandtenunterstützungspflicht, wenn die Berechtigten jedes Mal vor Geltendmachung des betreffenden Unterstützungsanspruchs ein IV-Verfahren durchlaufen müssten, nur um dann dem Gericht einen negativen Bescheid vorlegen zu können. Eine Bevorschussung der Alimente sei sodann ebenfalls nicht möglich (Urk. 26

E. III.4.3.2. f.).

      1. Der Beklagte moniert, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie davon ausgehe, dass die Väter der Kinder von B. nicht zu Unterhalt verpflichtet und deren Leistungen nicht bevorschusst werden könnten und dass eine Notlage von B. bestehe. Die Klägerin habe vor Vorinstanz ausgeführt, die Väter der Kinder von B. könnten wegen ihres Studiums nicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen herangezogen werden und eine Alimentenbevorschussung sei nicht möglich. Die Vorinstanz habe diese Ausführungen ungeprüft übernommen und sei deshalb zum Schluss gekommen, eine Notlage von B. sei gegeben. Er habe die Ausführungen der Klägerin bestritten und mehrfach erklärt, wenn ein Mann zur Zeugung eines Kindes in der Lage sei, so könne er im Rahmen seiner Möglichkeiten auch zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet werden, zumal die Ansprüche aus der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren (minderjährigen oder in Ausbildung befindlichen) Kindern und der Kindseltern untereinander in Bezug auf die gemeinsamen Kinder der Verwandtenunterstützung vorgingen. Er widerspreche der Haltung der Vorinstanz, wonach es ohnehin nicht anginge, den bislang über keine Berufsausbildung verfügenden Vater dazu zu zwingen, sein Studium aufzugeben, um einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. Vielmehr sei mit Verweis auf BSK, N 9 zu Art. 329 ZGB (und die dort zitierte Gerichtspraxis) analog festzuhalten, dass beim (an sich erwerbsfähigen) Studenten

        i.A. eine Notlage zu verneinen sei, da die Ausbildung nicht zu den existenzerhaltenden Bedürfnissen gehört. Dass die Kindsväter generell nicht erwerbsfähig wären, behaupte die Klägerin nicht, und es fände sich in den Akten auch kein Hinweis darauf. Abgesehen davon entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass regelmässig Studierende als Werkstudenten gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen und ein Studium absolvieren könnten; dies erst recht, wenn sie bereits eine Familie gegründet hätten. Spezifiziert habe die Klägerin jedenfalls nicht, weshalb ausgerechnet in diesem Fall die Kindsväter nicht (bzw.

        nicht wenigstens teilweise) dazu in der Lage sein sollten, ihren väterlichen Unterhaltspflichten gegenüber den mit B. gezeugten Kindern nachzukommen. Weder die Vorinstanz noch die Klägerin erklärten, welche Regeln des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 293 Abs. 2 ZGB es ausschlössen, dass vorliegend keine Alimentenbevorschussung zugunsten der Kinder von B. erfolgen könne. Mit Verweis auf BSK, N 11 zu Art. 329 ZGB sei daher festzuhalten, dass die Vorinstanz willkürlich davon ausgegangen sei, es bestehe keine Möglichkeit der Unterstützung durch die Väter der Kinder von B. und entsprechende Alimentenvorschüsse könnten nicht geleistet werden (Urk. 30 S. 5 f.).

      2. Die Klägerin setzt dem in ihrer Berufungsantwort entgegen, es falle auf, dass der Beklagte nichts Neues vorbringe. Ihre Beweise würden vom Beklagten, im Gegensatz zur Vorinstanz, weiterhin vorsätzlich verleugnet. Sie habe genü- gend bewiesen, dass die Väter der Kinder von B. im eingeklagten Zeitraum Beiträge geleistet hätten, sofern es ihnen möglich gewesen sei. Die einschlägigen und umfangreichen Beweise lägen bei den Verfahrensakten. Die pauschalen Behauptungen des Beklagten stünden daher in krassem Gegensatz zu ihren substantiierten Vorbringen. Auf den vom Beklagten verkannten Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeit, Unterhaltsbeiträgen und Alimentenbevorschussung, welche sich gegenseitig bedingen würden, sei bereits in der Replik ausführlich eingegangen worden, weshalb sich eine Wiederholung erübrige. Die Vorinstanz sei daher weder willkürlich noch unter Verletzung von Bundesrecht davon ausgegangen, die Leistungsfähigkeit der Kindsväter sei genügend geprüft worden

(Urk. 38 S. 9 f.).

      1. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend festhielt (Urk. 26 E. III.4.3.1), obliegt die Beweislast dafür, dass eine Notlage vorliegt, die einen Anspruch aus

        Art. 328/329 ZGB begründet, dem Ansprecher. Der Umstand, dass der Ansprecher vom Gemeinwesen unterstützt wird, begründet keine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Not i.S.v. Art. 328 f. ZGB. Demgemäss ist auch das klagende Gemeinwesen beweisbelastet (BSK ZGB-Koller, Art. 328/329 N 13; Koller, Die Verwandtenunterstützung im schweizerischen Recht oder: Der verlorene Sohn im Spannungsfeld zwischen Fiskalinteresse und Parteiinteresse, in: Fam

        Pra 2007, S. 769 ff., 785; BGE 133 III 507 E. 5.2). Gemäss Art. 328 Abs. 2 ZGB

        geht überdies die Unterhaltspflicht der Eltern (Art. 276 ff. ZGB) und des Ehegatten (Art. 125 ff., 159, 163 ff. ZGB) bzw. des eingetragenen Partners (Art. 12, 13 PartG) der Verwandtenunterstützungspflicht vor. Soweit die unterhaltspflichtigen Eltern, Ehegatten oder eingetragenen Partner effektiv in der Lage sind, die Bedürfnisse des Berechtigten zu befriedigen, besteht keine Notlage und daher keine Unterstützungspflicht der (übrigen) Verwandten (BSK ZGB-Koller, Art. 328/329

        N 11; KUKO ZGB-Büchler, Art. 328 N 4).

        Die Klägerin führte vor Vorinstanz in Bezug auf die Notlage von B. und ihren Kindern einzig aus, aufgrund der Elternschaft mit dem Vater von C. bestehe ein Unterhaltsvertrag vom 15. April 2016. Die Alimente und Kinderzulagen gingen regelmässig ein. Aufgrund ihrer Elternschaft mit dem Vater von D. habe B. zusammen mit dem Kindsvater die Fachstelle Elternschaft und Unterhalt aufgesucht. Die dortigen Abklärungen hätten ergeben, dass der Vater von D. für Unterhaltsbeiträge nicht in Frage komme. Der Vater studiere an der ETH Zürich . Es sei bekannt, dass bei einem ETH Masterstudium vor Abschluss der Stundenplan so eng sei, dass daneben keine Erwerbsarbeit verlangt werden könne (Urk. 2 S. 4; Urk. 17 S. 2 und 5). Dies, obschon der Beklagte bereits in der Klageantwort und auch in der Stellungnahme vom 17. August 2018 die Notlage von B. und die Leistungsunfähigkeit der Kindsväter unter Hinweis darauf, dass auch Eltern mit Kindern ein Studium zu absolvieren vermöchten und halt als Werkstudenten ihr Leben verdienen müssten, bestritt (Urk. 10 S. 2 f. und 8;

        Urk. 22 S. 1). Die behauptungsund beweisbelastete Klägerin hat insofern die Leistungsunfähigkeit der Väter von C. und D. und damit auch die Bedürftigkeit von B. und ihren Kindern nicht substantiiert behauptet, geschweige denn belegt. Sie unterliess es, detaillierte Ausführungen zum Alter, zum Ausbildungsstand, zur exakten zeitlichen Beanspruchung durch das Studium, zur Einkommensund Vermögenssituation sowie zu den Lebenshaltungskosten der Kindsväter im vorliegend relevanten Zeitraum vom 28. September 2016 bis

        27. September 2017 zu machen. Für keines der Kinder wurde überdies ein behördlich genehmigter Unterhaltsvertrag beziehungsweise ein gerichtlicher Entscheid betreffend Kinderunterhalt i.S.v. Art. 287 ZGB, sondern lediglich ein -

        bloss die Behauptung der Klägerin, wonach der Vater von D. leistungsunfä- hig sei, wiederholendes - Schreiben der Sozialen Dienste der Stadt Zürich, Fachstelle Elternschaft und Unterhalt (Urk. 19/3) und ein einzig vom Kindsvater von

        1. und von B. unterzeichneter Unterhaltsvertrag (Urk. 19/1) ins Recht gelegt. Auch offerierte die Klägerin keinerlei Unterlagen zu den damaligen Einkommensund Vermögensverhältnissen der Kindsväter wie beispielsweise Steuererklärungen, Bankauszüge, Lohnausweise etc.

        Angesichts dessen, dass hinsichtlich der Notlage der Tochter B. und ihrer Kinder gar keine hinreichenden Tatsachenbehauptungen der Klägerin vorliegen, kann auch die von der Klägerin in diesem Zusammenhang offerierte Zeugenbefragung von F. , Fachstelle und Unterhalt, unterbleiben (Urk. 17 S. 2). Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch die Abnahme von Beweismitteln das Behauptungsfundament überhaupt erst zu schaffen. Ein Beweisverfahren ist nur dann durchzuführen, wenn substantiierte Behauptungen vorliegen, welche zu beweisen sind, und ist nicht dazu da, solche zu ersetzen (vgl. BK ZPOBrönnimann, Art. 152 N 28 ff.; OGer ZH NP180024 vom 06.11.2018, E. 4c; OGer ZH LA180026 vom 22.05.2019, E. IV.A.2.2).

      2. Unzutreffend ist im Übrigen die vorinstanzliche Argumentation, es widerspräche dem Sinn der Verwandtenunterstützungspflicht, wenn die Berechtigten jedes Mal vor Geltendmachung des betreffenden Unterstützungsanspruchs ein IV-Verfahren durchlaufen müssten, nur um dann dem Gericht einen negativen Bescheid vorlegen zu können, weshalb auch die potentielle IV-Tauglichkeit der Tochter B. nichts an der vorliegenden Notlage ändern würde (Urk. 26

        E. III.4.3.4). Zum relevanten Einkommen des Ansprechers zählen nämlich auch Leistungen Dritter, die der Verwandtenunterstützung vorgehen. Dabei ist nicht massgebend, ob solche Leistungen vom Ansprecher verlangt werden; keine Notlage liegt vor, wenn ihm beispielsweise gegenüber einem Sozialversicherungsträ- ger grundsätzlich Leistungsansprüche zustehen und diese erhältlich wären (BSK ZGB-Koller, Art. 328/329 N 10; Koller, a.a.O., S. 784; Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 5. Aufl., N 29.09; BGE 133 III 507 E. 5.1). Wie auch der Beklagte in seiner Duplik zu Recht vorbrachte (Prot. I. S. 6; vgl. auch Urk. 22 S. 2) erhellt

        nicht, weshalb von B. bislang keine Invalidenrente beantragt wurde, zumal die Klägerin selbst vor Vorinstanz dartat, die Erwerbslosigkeit von B. sei nicht auf die Kinderbetreuung, sondern auf ihre gesundheitlichen Probleme zurückzuführen (Urk. 17 S. 8). Angesichts dessen, dass die vorliegende Klage betreffend Unterstützungsleistungen den Zeitraum vom 28. September 2016 bis

        27. September 2017 betrifft, B. aber gemäss den Angaben der Klägerin bereits seit August 2015 vollumfänglich von den Sozialen Diensten der Stadt Zürich unterstützt wird, wäre zwischenzeitlich eine Abklärung des Anspruchs von

        B. auf eine Invalidenrente durch die IV-Behörden durchaus realistisch gewesen.

      3. In Anbetracht dessen, dass nach dem Gesagten eine Notlage von B. und ihren Kindern nicht zu bejahen ist, erübrigen sich weitere Ausführungen zu den übrigen Voraussetzungen der Verwandtenunterstützung nach Art. 328 Abs. 1 ZGB (insb. Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, fehlende Unbilligkeit i.S.v.

        Art. 329 Abs. 2 ZGB). Die Berufung ist gutzuheissen und die Klage abzuweisen.

      4. Vor diesem Hintergrund ist auch die Anschlussberufung der Klägerin, womit sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils verlangt, soweit es eine Leistungspflicht des Beklagten für die Tochter B. für den Zeitraum ab 1. Januar 2017 bis 27. September 2017 verneint (Urk. 38 S. 2), abzuweisen. Ohnehin stellt sich die Frage, ob auf die Anschlussberufung der Klägerin überhaupt einzutreten wäre, zumal es die Klägerin unterlassen hat, diese zu beziffern, sowohl im Antrag selber wie auch in der Anschlussberufungsbegründung (Urk. 38 S. 4 ff.; vgl. BGE 137 III 617, E. 4.2. f.; OGer LA120028 vom 15.03.2013, E. 2.1; OGer NP130020

vom 02.09.2013, E. 2).

    1. Die Prozesskosten, bestehend aus den Gerichtskosten und der Parteientschädigung (Art. 95 Abs. 1 ZPO), sind nach dem Ausgang des Verfahrens zu verteilen (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Entsprechend sind die Gerichtskosten beider Instanzen der Klägerin aufzuerlegen, und sie ist zu verpflichten, dem Beklagten für beide Instanzen eine Parteientschädigung zu bezahlen.

    2. Ausgehend von einem Streitwert von Fr. 25'903.25 erweisen sich die von der Vorinstanz festgelegten Gerichtskosten (Urk. 26 E. IV.1) als angemessen und sind zu bestätigen. Diejenigen für das Berufungsverfahren sind in Anwendung von

      § 4 i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG angesichts des identischen Streitwertes ebenfalls auf Fr. 3'600.- festzusetzen und soweit möglich aus dem von der Klägerin geleisteten Vorschuss zu beziehen. Im Mehrbetrag sind sie aus dem Vorschuss des Beklagten zu beziehen. Die Klägerin ist zu verpflichten, dem Beklagten den Betrag von Fr. 2'100.- zu ersetzen.

    3. Die von der Vorinstanz festgelegte Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren (Urk. 26 E. IV.1) ist ebenfalls zu bestätigen, und es ist die Klägerin entsprechend zu verpflichten, dem Beklagten Fr. 4'500.- zuzüglich 7.7% Mehrwertsteuer (vgl. Urk. 10 S. 2), mithin Fr. 4'846.50, zu bezahlen. Für das Berufungsverfahren ist die Parteientschädigung ausgehend vom obenerwähnten Streitwert in Anwendung von § 4 i.V.m. § 13 Abs. 1 und 2 AnwGebV auf

Fr. 3'000.- festzusetzen. Die Klägerin ist demnach zu verpflichten, dem Beklagten diese Entschädigung zu bezahlen, wiederum zuzüglich der vom Beklagten verlangten Mehrwertsteuer (vgl. Urk. 30 S. 2).

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird gutgeheissen und die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Anschlussberufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

  3. Die erstinstanzliche Entscheidgebühr (Dispositiv-Ziffer 2) wird bestätigt.

  4. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'600.- festgesetzt.

  5. Die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren werden der Klägerin auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden soweit möglich aus dem Vorschuss der Klägerin und im darüberhinausgehenden Betrag aus dem Vorschuss des Beklagten bezogen. Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten den von ihm geleisteten

    Vorschuss für das Berufungsverfahren im Betrag von Fr. 2'100.- zu ersetzen.

  6. Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 4'846.50 und für das Berufungsverfahren eine solche von Fr. 3'231.- zu bezahlen.

  7. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  8. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

    Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

    Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 25'903.25.

    Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

    Zürich, 17. Juli 2019

    Obergericht des Kantons Zürich

    1. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

Dr. D. Scherrer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. N.A. Gerber

versandt am: sf

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