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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LC220007: Obergericht des Kantons Zürich

Die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln hat ein Strafverfahren gegen einen Rechtsanwalt wegen Urkundenfälschung eingestellt. Der Beschuldigte fordert eine Entschädigung und Genugtuung, die Staatsanwaltschaft lehnt dies ab. Es wird diskutiert, ob der Beschuldigte einen Verdienstausfall geltend machen kann und ob er eine Genugtuung für persönliche Verletzungen erhält. Letztendlich wird die Beschwerde des Beschuldigten abgewiesen, er muss die Kosten tragen.

Urteilsdetails des Kantongerichts LC220007

Kanton:ZH
Fallnummer:LC220007
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LC220007 vom 28.06.2022 (ZH)
Datum:28.06.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils
Schlagwörter : Berufung; Unterhalt; Recht; Scheidung; Unterhalts; Verfahren; Amtsgericht; Abänderung; Partei; Parteien; Berufungsklägerin; Kinder; Scheidungsurteil; Kindes; Eheschutz; Ergänzung; Entscheid; Berufungsbeklagte; Emmendingen; Amtsgerichts; Kindesunterhalt; Bezirksgericht; Gericht; Regelung; LugÜ; Deutschland; Seligenstadt; Scheidungsurteils
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 117 ZPO ;Art. 123 ZPO ;Art. 125 ZGB ;Art. 129 ZGB ;Art. 173 ZGB ;Art. 175 ZGB ;Art. 176 ZGB ;Art. 179 ZGB ;Art. 27 IPRG ;Art. 271 ZPO ;Art. 276 ZPO ;Art. 283 ZPO ;Art. 296 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 321 ZPO ;Art. 57 ZPO ;Art. 79 IPRG ;Art. 92 BGG ;Art. 95 ZPO ;
Referenz BGE:128 III 411; 138 III 374; 144 III 175; 144 III 298; 144 III 349; 144 III 377; 146 III 284;
Kommentar:
-, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2019

Entscheid des Kantongerichts LC220007

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LC220007-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichter Dr. M. Sarbach und Oberrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiberin MLaw C. Funck

Beschluss und Urteil vom 28. Juni 2022

in Sachen

1. A. , ,

2. ...

Beklagte und Berufungsklägerin

1 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

  1. ,

    Kläger und Berufungsbeklagter

    vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Y.

    betreffend Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils

    Berufung gegen eine Verfügung und ein Teil-Urteil des Einzelgerichtes (5. Abteilung) des Bezirksgerichtes Zürich vom 11. Januar 2022;

    Proz. FP180213

    Rechtsbegehren des Klägers und Berufungsbeklagten:

    (act. 101 S. 2, 4 und 5 sinngemäss)

    1. In Ergänzung zum Scheidungsurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 sei festzuhalten, dass seitens des Klägers mangels Leistungsfähigkeit gegenüber C. keine Unterhaltsverpflichtung besteht.

    2. Im Ergänzung zum Scheidungsurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 sei festzuhalten, dass seitens der Beklagten 1 mangels Leistungsfähigkeit gegenüber D. keine Unterhaltsverpflichtung besteht.

    3. In Ergänzung zum Scheidungsurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 sei festzuhalten, dass keine nachehelichen Unterhaltsbeiträge geschuldet sind.

    4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzügl. MWST) zu Lasten der Beklagten 1.

    5. Es sei die Teil-Vereinbarung der Parteien vom 23. August 2019 über die Ergänzung des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Seligenstadt betreffend die Regelung der Kinderbelange für C. zu genehmigen.

Rechtsbegehren der Beklagten 1 und Berufungsklägerin:

(act. 109 S. 2f. und act. 123 S. 4 sinngemäss)

  1. Das Urteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 sei in der Hauptsache (Scheidungspunkt) anzuerkennen.

  2. In Ergänzung zum Scheidungsurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 sei der Kläger zu verpflichten, an den Unterhalt von C. die folgenden monatlichen Beträge zu bezahlen:

    • CHF 2'780.00 (wovon CHF 1'100.00 als Betreuungsunterhalt) ab Rechtskraft des Ergänzungsurteils bis und mit Juli 2021;

    • CHF 2'735.00 (wovon CHF 880.00 als Betreuungsunterhalt) ab August 2021 bis und mit August 2024;

    • CHF 2'060.00 (ohne Betreuungsunterhalt) ab September 2024 bis zum Abschluss einer angemessenen Ausbildung des Sohnes, auch über die Volljährigkeit von C. hinaus.

      Die Kinderunterhaltsbeiträge seien jeweils im Voraus auf den Ersten eines jeden Monats zahlbar an die Beklagte .

      Ausserordentliche Kinderkosten (mehr als CHF 200.00 pro Ausgabeposition, z.B. Zahnarztkosten, ungedeckte Gesundheitskosten, Kosten für schulische Förderungsmassnahmen) seien von den Parteien je zur Hälfte zu übernehmen. Die Kinderunterhaltsbeiträge seien gerichtsüblich zu indexieren.

  3. In Ergänzung zum Scheidungsurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 sei der Kläger zu verpflichten, der Beklagten nacheheliche Unterhaltsbeiträge wie folgt zu bezahlen:

    • CHF 1'998.00 ab Rechtskraft des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 bis und mit Juli 2021;

    • CHF 1'790.00 ab August 2021 bis und mit August 2024;

    • CHF 1'840.00 ab September 2024 bis zum Eintritt des Klägers in das ordentliche Altersrücktrittsalter.

      Die Unterhaltsbeiträge seien jeweils im Voraus auf den Ersten ei- nes jeden Monats zahlbar (zuzügl. 5% Verzugszinsen ab jeweiligem Fälligkeitsdatum).

      Eventualiter sei die Unterdeckung des gebührenden Unterhalts der Beklagten festzuhalten und betragsmässig im Ergänzungsurteil festzuhalten (Art. 129 ZGB).

  4. In Ergänzung zum Scheidungsurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 sei festzuhalten, dass mangels Leistungsfähigkeit der Beklagten 1 keine Unterhaltsverpflichtung gegenüber D. besteht.

  5. Es sei die Teil-Vereinbarung der Parteien vom 23. August 2019 über die Ergänzung des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Seligenstadt betreffend die Regelung der Kinderbelange für C. zu genehmigen.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich 7.7 MwSt) zu Lasten des Klägers.

Verfügung und Teil-Urteil des Einzelgerichtes:

Es wird verfügt:

  1. Auf das Begehren bezüglich Regelung der Kinderbelange bezüglich

    D. , geb. tt.mm.2006 (Elterliche Sorge, Obhut, Besuchsrecht und Beistandschaft) wird mangels Zuständigkeit nicht eingetreten.

  2. Auf das Begehren bezüglich Regelung des Unterhalts für C. , geb. am tt.mm.2008, durch den Kläger wird gestützt auf Art. 27 LugÜ nicht eingetreten.

  3. Das Begehren betreffend Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen an D. durch die Beklagte 1 wird gemäss Art. 28 Abs.1 LugÜ bis zum rechtskräftigen Entscheid des Amtsgerichts Emmendingen (Aktenzeichen 1 F 200/18) sistiert.

  4. Das Begehren betreffend Festsetzung von nachehelichen Unterhaltsbeiträgen für die Beklagte 1 wird gemäss Art. 28 Abs. 1 LugÜ bis zum rechtskräftigen Entscheid des Amtsgerichts Emmendingen (Aktenzeichen 1 F 200/18) sistiert.

  5. Schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Es wird vorgemerkt, dass der Kläger und die Beklagte 1 mit Urteil vom

    8. März 2018 geschieden wurden. Damit wird das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 anerkannt.

  2. Der Sohn C. , geb. tt.mm.2008, wird in Ergänzung des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 unter der gemeinsamen elterlichen Sorge der Parteien belassen.

  3. Die Obhut für den Sohn C. , geb. tt.mm.2008, wird in Ergänzung des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 der Mutter zugeteilt.

  4. Die Teil-Vereinbarung vom 23. August 2019 über die Ergänzung des Schei- dungsurteils des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 wird bezüglich C. , geb. tt.mm.2008, genehmigt. Bezüglich D. , geb. tt.mm.2006, wird die Teil-Vereinbarung mangels Zuständigkeit nicht genehmigt. Im Übrigen wird von der Teil-Vereinbarung Vormerk genommen. Sie lautet wie folgt:

    […]

  5. (Regelung Beistandschaft)

  6. (Vorbehalt Regelung Kosten- und Entschädigungsfolgen)

  7. (Mitteilungen)

8.-9. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

der Beklagten 1 und Berufungsklägerin (act. 2 S. 2):

1. Es sei Disp.-Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Einzelgericht am Bezirksgericht Zürich, 5. Abteilung, im Rahmen des Ergänzungsverfahrens des ausländischen Scheidungsurteils (Geschäfts-Nr. FP180213-L) zur Regelung des Kindesunterhalts für C. , geb. tt.mm.2008, zuständig sei.

2. Es sei die Sistierung betreffend die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für D. und von nachehelichem Unterhalt für die Beklagte 1 gemäss Disp-Ziff. 3 und 4 der angefochtenen Verfügung aufzuheben.

Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Klägers und Berufungsbeklagten.

des Klägers und Berufungsbeklagten (act. 8):

1. Es sei die Berufung gegen Dispositiv Ziff. 2 der Verfügung des BG Zürich vom 11. Januar 2022 betr. Zuständigkeit zur Regelung des Kindesunterhalts für C. abzuweisen.

2. Es sei auf die Beschwerde gegen Dispositiv Ziff. 3 und 4 der Verfügung des BG Zürich vom 11. Januar 2022 betr. Verfahrenssistierung nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen.

3. […]

4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzügl. MWST) zu Lasten der Berufungsklägerin.

Erwägungen:

I.

  1. Die Beklagte und Berufungsklägerin (fortan: Berufungsklägerin) und der Kläger und Berufungsbeklagte (fortan: Berufungsbeklagter) waren verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder, D. (geb. tt.mm.2006) und C. (geb. tt.mm.2008). Sie sind deutsche Staatsangehörige und lebten früher zusammen in der Schweiz. Heute haben der Berufungsbeklagte und D. Wohnsitz in Deutschland.

  2. Mit Eheschutzurteil des Bezirksgerichts Zürich vom 17. November 2015 wurde das Getrenntleben der Parteien festgehalten, die Obhut für die Kinder der Berufungsklägerin zugeteilt und eine Vereinbarung der Parteien in Bezug auf die weiteren Kinderbelange genehmigt sowie im Übrigen vorgemerkt (act. 4/3/1; Proz. Nr. EE140336-L). Mit Eingabe vom 24. März 2016 stellte die Berufungsklägerin beim Bezirksgericht Zürich ein Abänderungsgesuch (vgl. act. 4/3/2 S. 2; Proz.

    Nr. EE160093-L). Nach durchgeführtem Verfahren erliess das Bezirksgericht Zürich am 9. Juni 2017 zwei Entscheide, einen betreffend Abänderung des Eheschutzentscheids vom 17. November 2015 (act. 4/3/4; Proz. Nr. EE160093-L) und einen betreffend vorsorgliche Massnahmen im ausländischen Scheidungsprozess (act. 4/3/5; Proz. Nr. EE170125-L), da der – inzwischen nach Deutschland gezogene – Berufungsbeklagte am 1. September 2016 beim Amtsgericht Seligenstadt (Deutschland) die Scheidungsklage anhängig gemacht hatte (vgl. act. 3/2 S. 3).

  3. Mit Urteil des Amtsgerichts Seligenstadt vom 8. März 2018 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Abgesehen vom Versorgungsausgleich wurden keine Nebenfolgen der Scheidung geregelt (act. 3/6).

  4. Bereits am 6. April 2017 hatte der Berufungsbeklagte beim Amtsgericht Seligenstadt eine Klage auf Abänderung der im schweizerischen Eheschutzverfahren festgesetzten Unterhaltsbeiträge für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Schei- dungsklage anhängig gemacht (vgl. act. 4/3/3 S. 3; act. 4/102/1 S. 4; beigezogene Akten Proz. Nr. EE160093, act. 39). Für das Verfahren ist – aufgrund eines er- neuten Umzugs des Berufungsbeklagten – heute das Amtsgericht Emmendingen (Deutschland) zuständig (vgl. act. 4/102/1).

  5. Mit Eingabe vom 27. November 2018 erhob der Berufungsbeklagte beim Bezirksgericht Zürich Klage auf Ergänzung des ausländischen Scheidungsurteils, mit Anträgen betreffend elterliche Sorge und Obhut, Beistandschaft, Kindesunterhalt sowie nachehelichen Unterhalt (act. 4/1 S. 2 f.). Gleichzeitig beantragte er die Anordnung vorsorglicher Massnahmen (act. 4/1 S. 3 f.). Am 1. März 2019 wurde eine Verhandlung betreffend vorsorgliche Massnahmen durchgeführt (Prot. Vi

S. 3 ff.; act. 4/24; act. 4/26), anlässlich welcher die Parteien eine Vereinbarung für die Dauer des Verfahrens schlossen (act. 4/28). Mit Verfügung vom 18. März 2019 wurde die Vereinbarung hinsichtlich der Besuchsrechtsregelung sowie der Besuchsbeistandschaft genehmigt. Gleichzeitig wurde den Parteien je die unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung bewilligt sowie das Massnahmeverfahren hinsichtlich der Unterhaltsregelung bis zu einem rechtskräftigen Entscheid des Amtsgerichts Emmendingen sistiert (act. 4/30). Es folgten die Einigungsverhandlung vom 24. Mai 2019 (Prot. Vi S. 31 ff.), die Kinderanhörung vom

18. Juni 2019 (act. 4/40) und die Fortsetzung der Einigungsverhandlung vom

23. August 2019 (Prot. Vi S. 35 ff.), an der die Parteien eine Teilvereinbarung über die Ergänzung des Scheidungsurteils vom 8. März 2018 betreffend Zuteilung der elterlichen Sorge, Obhutszuteilung, Ausgestaltung des Besuchsrechts sowie Beistandschaft schlossen (act. 4/44). Mit Eingabe vom 7. November 2019 stellte der Berufungsbeklagte erneut ein Begehren um Erlass vorsorglicher Massnahmen (act. 4/51). Er beantragte die Umteilung der Obhut für D. an sich, die Regelung des Besuchsrechts der Berufungsklägerin, die Festlegung von Kin- derunterhaltsbeiträgen sowie die Aufhebung von Ehegattenunterhaltsbeiträgen (act. 4/51). Nachdem D. am 11. November 2019 zum Berufungsbeklagten gereist war (vgl. act. 4/54 ff.) und die Berufungsklägerin mit Eingabe vom 19. November 2019 einen Antrag auf Vollstreckung des Eheschutzentscheids (Wiederherstellung der geltenden Obhutsordnung) gestellt hatte (act. 4/58), wurden am

20. November 2019 eine Kinderanhörung von D. (act. 4/63) sowie eine Vergleichsverhandlung (Prot. Vi S. 42 ff.) durchgeführt. Mit Verfügung vom gleichen Tag wurde unter anderem dem Berufungsbeklagten in Abänderung der Teilvereinbarung vom 23. August 2019 einstweilen mit sofortiger Wirkung die Obhut über D. übertragen (act. 4/65). Am 31. Januar 2020 fand eine Verhandlung betreffend vorsorgliche Massnahmen statt, an der die Parteien für die Dauer des Verfahrens eine Vereinbarung hinsichtlich Obhut und Kontaktrecht für und zu

  1. , Beistandschaft sowie Unterhalt schlossen (act. 4/82). Weiter vereinbarten die Parteien unter anderem, dass allfällige Unterhaltsverpflichtungen weiterhin bis zu einem rechtskräftigen Entscheid des Amtsgerichts Emmendingen im dort anhängigen Verfahren sistiert blieben. Mit Verfügung vom 6. Februar 2020 wurde diese Vereinbarung genehmigt bzw. vorgemerkt (act. 4/83). Nachdem die Berufungsklägerin mit Eingabe vom 2. Oktober 2020 um Ansetzung einer Frist zur Erstattung der Klagebegründung ersucht hatte (vgl. act. 4/96; act. 4/97), folgten im Wesentlichen eine Klagebegründung des Berufungsbeklagten vom 1. Februar 2021 (act. 4/101), eine Klageantwort der Berufungsklägerin vom 25. Mai 2021 (act. 4/109) sowie Stellungnahmen der Parteien zur Frage der Zuständigkeit vom

    8. Oktober 2021 (act. 4/120; Berufungsbeklagter) bzw. vom 1. November 2021 (act. 4/123; Berufungsklägerin). Am 11. Januar 2022 ergingen die Verfügung und das Teil-Urteil des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Zürich (Vorinstanz), wie sie eingangs wiedergegeben wurden (act. 4/124 = act. 3/1 = act. 5 [Aktenexemplar]).

    6. Mit Eingabe vom 21. Februar 2022 erhob die Berufungsklägerin Berufung gegen Dispositiv-Ziffer 2 der Verfügung (Nichteintreten bezüglich Regelung des Unterhalts für C. ) sowie die Dispositiv-Ziffern 3 und 4 der Verfügung (Sistierung des Verfahrens bezüglich Unterhalt für D. und nachehelichen Unterhalt; act. 2 S. 2). Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 4/1-124). Mit Verfügung vom 23. März 2022 wurde dem Berufungsbeklagten Frist angesetzt, um die Berufung zu beantworten (act. 6). Die Berufungsantwort wurde am

    28. April 2022 erstattet (act. 8). Sie wurde der Berufungsklägerin am 11. Mai 2022 zugestellt (act. 10 f.). Mit Eingabe vom 23. Mai 2022 nahm die Berufungsklägerin Stellung zur Berufungsantwort (act. 12). Die Stellungnahme wurde dem Berufungsbeklagten am 25. Mai 2022 zugestellt (act. 15; act. 16/2), der sich daraufhin nicht mehr vernehmen liess. Das Verfahren ist spruchreif.

    II.

    1. Die Berufungsklägerin ist durch die angefochtene Verfügung der Vorinstanz vom 11. Januar 2022 beschwert. Soweit Dispositiv-Ziffer 2 (Nichteintreten) angefochten wird, handelt sich um einen berufungsfähigen Entscheid (Art. 308 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 ZPO) und wurde die Berufung form- und fristgerecht erhoben (Art. 311 Abs. 1 ZPO; vgl. act. 4/125/2). Dem Eintreten auf die Berufung steht insoweit nichts entgegen. Soweit sich die Berufungsklägerin gegen die Dispositiv- Ziffern 3 und 4 der Verfügung (betreffend Sistierung des Verfahrens) wendet, hätte sie – wie ihr bewusst ist (vgl. act. 2 Rz. 2) – innert einer Frist von zehn Tagen bis zum 31. Januar 2022 Beschwerde erheben müssen (Art. 126 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 und Art. 321 Abs. 2 ZPO; act. act. 4/125/2). Daran ändert nichts, dass sich nach Ansicht der Berufungsklägerin die innere Begründung für die Aufhebung der angeordneten Verfahrenssistierung vorliegend erst aus einem positiven Berufungsentscheid hinsichtlich der Eintretensfrage ergebe (vgl. act. 2 Rz. 2). Die Eingabe ist verspätet erfolgt und auf die Berufung ist insoweit nicht einzutreten.

    2. Mit Berufung kann eine unrichtige Rechtsanwendung und eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsinstanz verfügt über unbeschränkte Kognition bezüglich Tat- und Rechtsfragen, einschliesslich der Frage richtiger Ermessensausübung. Abgesehen von offensichtlichen Mängeln hat sich das Berufungsgericht allerdings grundsätzlich auf die Beurteilung der in der Berufung und Berufungsantwort gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen Beanstandungen zu beschränken. Die Parteien haben mittels klarer Verweisungen auf die Ausführungen vor der Vorinstanz zu zeigen, wo sie die massgebenden Behauptungen, Erklärungen, Bestreitungen und Einreden erhoben haben. Sie haben die von ihnen kritisierten Erwägungen des angefochtenen Entscheids wie auch die Aktenstücke, auf die sie ihre Kritik stützen, genau zu bezeichnen (BGE 138 III 374 E. 4.3.1; BGer 4A_580/2015 vom 11.04.2016

  2. 2.2). In rechtlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht bei dieser Prüfung jedoch weder an die Erwägungen der ersten Instanz noch an die mit den Rügen vorge-

tragenen Argumente der Parteien gebunden, sondern sie wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Das Berufungsgericht kann die Rügen der Parteien auch mit abweichenden Erwägungen gutheissen abweisen (BGer 2C_124/2013 vom 25.11.2013 E. 2.2.2). In Kinderbelangen hat die Berufungsinstanz darüber hinaus – im Rahmen der Beanstandungen – wie im erstinstanzlichen Verfahren den Sachverhalt von Amtes wegen zu erforschen (Art. 296 Abs. 1 ZPO); es gilt die strenge Untersuchungsmaxime. Sie kann daher auch im Rechtsmittelverfahren von sich aus Untersuchungen anstellen (BGE 144 III 377

E. 7.1.4 und 138 III 625) und selbst ohne formelle Anträge entscheiden (BGE 128 III 411 E. 3.1). Der Nachforschungsgrundsatz führt dazu, dass Noven in Abweichung von Art. 317 Abs. 1 ZPO im Berufungsverfahren unbeschränkt bis zum Beginn der Urteilsberatung zuzulassen sind (BGer 5A_800/2019 vom 9. Februar 2021 E. 2.2 und BGE 144 III 349 E. 4.2.1; OG ZH LY160050 vom 18. April 2017 E. II.3.2).

III.

1. Die Vorinstanz ist im bei ihr hängigen Verfahren betreffend Ergänzung des ausländischen Scheidungsurteils auf das Begehren bezüglich Regelung des Unterhalts für C. gestützt auf Art. 27 LugÜ nicht eingetreten. Den Entscheid begründet sie zusammengefasst wie folgt:

Es liege ein internationaler Sachverhalt vor, auf den hinsichtlich der Zuständigkeit für Unterhaltsfragen das Lugano-Übereinkommen anwendbar sei. Die internatio- nale Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte ergebe sich aus Art. 2 bzw.

Art. 5 Ziff. 2 lit. a und c LugÜ; die örtliche Zuständigkeit folge aus Art. 79 Abs. 1 IPRG. Das Bezirksgericht Zürich sei damit international örtlich zuständig (vgl.

act. 5 S. 15). Gleichzeitig sei in Deutschland beim Amtsgericht Emmendingen (ursprünglich beim Amtsgericht Seligenstadt) ein Verfahren hängig, in welchem der Berufungsbeklagte die Abänderung des Eheschutzurteils des Bezirksgerichts Zürich vom 17. November 2015 (in Verbindung mit dem Urteil vom 9. Juni 2017; vgl. vorne E. I.2) bezüglich Ehegatten- und Kinderunterhaltsbeiträge beantragt habe. Der Berufungsbeklagte verlange dort die Änderung des Ehegattenunterhalts für den Zeitraum vom 16. November 2016 (Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags) bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs, die Änderung des Kinderunterhalts für D. für den Zeitraum vom 16. November 2016 bis

31. Dezember 2019 sowie die Änderung des Kinderunterhalts für C. für die Zeit ab 16. November 2016 (act. 5 S. 14 f. m.H.a. act. 4/102/1). Das Amtsgericht Emmendingen habe sich mit Zwischenbeschluss vom 12. August 2020 i.S.v.

§ 280 Abs. 2 dZPO i.V.m. § 113 FamFG für die Regelung der dort anhängigen Themenbereiche international zuständig erklärt (act. 5 S. 15 m.H.a. act. 4/102/1). Demzufolge seien zwei Verfahren betreffend Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen in verschiedenen Staaten pendent und stelle sich die Frage, ob die Zuständigkeit des Amtsgerichts Emmendingen auch für künftige Kinderunterhaltsbeiträge für

C. zu gelten habe und ob zwischen den beiden Verfahren ein Kompetenzkonflikt im Sinne von Art. 27 LugÜ vorliege (act. 5 S. 15 f.). Das Verfahren in Deutschland sei – gemäss der vertragsautonom auszulegenden Bestimmung von Art. 30 LugÜ – früher rechtshängig geworden als das schweizerische Verfahren. Das Amtsgericht Emmendingen gelte damit als das zuerst angerufene Gericht gemäss Art. 27 Abs. 1 LugÜ (act. 5 S. 17). Zudem stehe dessen internationale Zuständigkeit im Sinne von Art. 27 Abs. 2 LugÜ fest (act. 5 S. 18). Zentral und streitig sei die Frage, ob es sich bei den hängigen Klagen um Klagen über denselben Anspruch im Sinne von Art. 27 Abs. 1 LugÜ handle. Massgebend für die Beantwortung der Frage sei der Kern der beiden Rechtsstreitigkeiten (sog. Kernpunkttheorie). Vorliegend gehe es bezüglich C. sowohl im deutschen Verfahren als auch im hiesigen Verfahren um die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen, d.h. Beiträgen, die für C. zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erforderlich seien. Diese veränderten sich sowohl im schweizerischen als auch im deutschen Recht grundsätzlich nicht deshalb, weil die Eltern geschieden seien nicht. Vielmehr hänge ihre Bemessung in beiden Rechtsordnungen vom Alter des Kindes sowie der Lebensstellung und der Leistungsfähigkeit der Beteiligten ab. Grundsätzlich werde der Unterhaltsbeitrag in Deutschland nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet. Zudem existiere auch im deutschen Rechtssystem lediglich ein Komplex von Bestimmungen bezüglich Regelung des Kindesunterhalts (§§ 1601 ff. BGB). Des Weiteren sei ausgewiesen, dass die Zusprechung von Unterhaltsbeiträgen für C. ab 16. November 2016 auf unbestimmte

Zeit, also nicht befristet, verlangt worden sei. Es dürfe damit nicht davon ausgegangen werden, dass einmal festgelegte Kinderunterhaltsbeiträge aufgrund eines Scheidungsurteils dahinfallen würden. Dies werde auch durch die Angaben der Rechtsvertreterin des Berufungsbeklagten in Deutschland bestätigt, halte sie doch fest, dass Kinderunterhaltsbeiträge in Deutschland nur einmal festgelegt und dann auch über die Scheidung hinaus gelten würden (act. 5 S. 19 m.H.a. act. 4/121/2). Selbst wenn es sich bei dieser Information um eine Angabe einer involvierten Person der einen Partei handle, bestünden auch nach Konsultation der deutschen Quellen (www.bmj.de/DE/Themen/FamilieUndPartnerschaft/Unterhaltsrecht/Unterhaltsr ec ht_node.html) keine Anhaltspunkte, an diesen Ausführungen zu zweifeln. Die vom Rechtsvertreter der Berufungsklägerin dargetane Ansicht, im deutschen Verfahren würde im Rahmen vorsorglicher Massnahmen verhandelt, deren Geltung ipso iure mit Rechtskraft des Scheidungsbzw. Ergänzungsurteils enden würden und damit sinngemäss nicht denselben Gegenstand beträfen wie im Scheidungsergänzungsverfahren, sei wohl bezüglich schweizerischer Rechtslage untermauert worden, nicht aber hinsichtlich deutscher Rechtsauffassung. Das Amtsgericht Emmendingen habe denn auch selber ausgeführt, dass es um ein Hauptsachenverfahren gehe (act. 5 S. 19 m.H.a. act. 4/102/1). Soweit der Rechtsvertreter der Berufungsklägerin darauf hinweise, dass in der Schweiz vor nicht allzu langer Zeit eine neue Berechnungsmethode des Kinderunterhalts, insbesondere eines Betreuungsunterhalts, eingeführt worden sei, was bei den noch geltenden Kinderunterhaltsbeiträgen noch nicht berücksichtigt worden sei, sei mit Blick auf das Alter von C. anzumerken, dass der Betreuungsunterhalt nicht mehr von grosser Bedeutung sein dürfte. Zudem hätte dies das deutsche Gericht, sofern es nach schweizerischem Recht (wie im Scheidungsverfahren) urteilen müsste, ebenfalls zu berücksichtigen. Zusammenfassend erscheine es so, dass es sich bei den Kinderunterhaltsansprüchen von C. gestützt auf die Kernpunkttheorie sowohl im deutschen wie auch schweizerischen Verfahren um denselben Anspruch im Sinne von Art. 27 LugÜ handle (act. 5 S. 19 f.). Im Sinne von Art. 27 Abs. 2 LugÜ sei damit das Bezirksgericht Zürich für die Festlegung von Kinderunterhaltsbeiträgen für C. unzuständig und es sei diesbezüglich auf die hierorts hängige Klage nicht einzutreten (act. 5 S. 20).

2. Die Berufungsklägerin stellt nicht in Abrede, dass das deutsche Verfahren betreffend Abänderung der Eheschutzurteile des Bezirksgerichts Zürich vom

17. November 2015 bzw. vom 9. Juni 2017 früher rechtshängig war als das Verfahren der Vorinstanz betreffend Ergänzung des Scheidungsurteils (act. 2 Rz. 8). Sie hält aber dafür, dass es sich um kein identisches Hauptsachenverfahren bzw. Unterhaltsfestsetzungsverfahren vor deutschen Gerichten handle. Prozessgegenstand des aktuell hängigen Unterhaltsverfahrens vor Amtsgericht Emmendingen seien vorsorgliche Massnahmen, die einzig und allein die Abänderung der Eheschutzurteile und der darin festgelegten vorsorglichen Unterhaltsbeiträge zum Ziel hätten. Es handle sich um ein vorsorgliches Massnahmen-/Abänderungsverfahren und nicht um ein ordentliches Unterhaltsfestsetzungsverfahren (act. 2 Rz. 7). Falsch sei zunächst die Feststellung der Vorinstanz, bei beiden Gerichten würden sog. Hauptsachenverfahren geführt. Die vom Amtsgericht Emmendingen in dessen Zwischenbeschluss vom 12. August 2020 benutzte Begrifflichkeit des „gegenständlichen Hauptsachenverfahrens wolle vorliegend den Verfahrensgegenstand des deutschen Abänderungsverfahrens nicht von vorsorglichen Massnahmen (bzw. nur bis zur Rechtskraft des Ergänzungsurteils wirksamen Trennungs- Unterhaltsregelungen) abgrenzen bzw. entsprechenden vorläufigen Rechtsschutz ausschliessen. Vielmehr werde die Begrifflichkeit des Hauptsachenverfahrens in Abgrenzung zum im deutschen Verfahren stattgefundenen Vorverfahren betreffend den klägerischen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe benutzt (act. 2 Rz. 9). Vom Verfahrensgegenstand her gehe es nicht um ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren, sondern lediglich um ein Abänderungsverfahren betreffend die schweizerischen Eheschutzentscheide, deren Rechtswirksamkeit naturgemäss bzw. ipso iure mit der Rechtskraft des Hauptsachenentscheids (vorliegend: Urteil betreffend Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils) ende (act. 2 Rz. 10 m.H.a. schweizerische Literatur und Rechtsprechung). Der ursprüngliche Festsetzungsentscheid (Eheschutzentscheide des Bezirksgerichts Zürich) determiniere die Wirksamkeit und Geltungsdauer der darin festgelegten (temporären) Unterhaltsbeiträge und damit auch die Wirkkraft eines (deutschen)

Abänderungsentscheids. Die Entscheidkompetenz des deutschen Abänderungsgerichts bzw. des Amtsgerichts Emmendingen sei (in Abweichung zur originären Festsetzung des Kindesunterhalts im ordentlichen Scheidungsergänzungsverfahren mit Untersuchungsmaxime durch das Bezirksgericht Zürich) auf die Gutheissung Abweisung des Abänderungsantrags betreffend die fraglichen Eheschutzurteile beschränkt. Bei Abweisung des Abänderungsantrages durch das Amtsgericht Emmendingen würde der Eheschutzentscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 9. Juni 2017 (EE160093) bzw. würden die darin festgesetzten temporären Kinderunterhaltsbeiträge unverändert bestehen bleiben und mithin auch nach allgemeinen Regeln mit Rechtskraft des Scheidungsergänzungsurteils untergehen (act. 2 Rz. 10). Jedenfalls vermöge das deutsche Abänderungsverfahren ein Hauptsachenverfahren, wie es die originäre Festsetzung des Kindesunterhalts im Rahmen des vor Bezirksgericht Zürich anhängigen Scheidungsergänzungsverfahrens (ordentliches Verfahren mit Offizialmaxime) darstelle, in keiner Weise zu substituieren, weshalb das deutsche Abänderungsverfahren keine Rechtshängigkeitssperre im Sinne von Art. 27 IPRG bzw. [k]ein Nichteintreten des zuständigen ordentlichen Gerichts zu begründen vermöge (act. 2 Rz. 11).

3. Der Berufungsbeklagte erachtet den Entscheid der Vorinstanz für zutreffend. Er habe in Deutschland die Abänderung der eheschutzrichterlich festgelegten Unterhaltsbeiträge (für die Kinder und die Berufungsklägerin) beantragt, entgegen der Behauptung der Berufungsklägerin allerdings nicht im Rahmen von vorsorglichen Massnahmen bzw. – gemäss deutscher Terminologie – einstweiligen Anordnungen. Es handle sich um Hauptsachenanträge betreffend Kindesunterhalt. Das Abänderungsverfahren in Deutschland stehe in keinem Bezug zum Schei- dungsverfahren in Deutschland (in dem die Parteien gar keine Anträge zum Kin- desunterhalt gestellt hätten) zu einem anderen Verfahren, sondern es handle sich um ein selbstständiges Unterhaltsverfahren und nicht um ein Massnahmeverfahren (act. 8 Rz. 7). Dies ergebe sich auch aus dem Zwischenbeschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 12. August 2020 betreffend Zuständigkeit (act. 8 Rz. 7, 10). In Deutschland werde mit Bezug auf Kindesunterhalt nicht danach unterschieden, ob Eltern schon geschieden seien nicht (act. 8 Rz. 10). Eine zeitliche Befristung des Kindesunterhalts folge auch nicht daraus, dass im deutschen Abänderungsverfahren ein Eheschutzurteil abgeändert werde. In Deutschland werde der Kindesunterhalt nur einmal geregelt. Auch wenn der Kindesunterhalt in einem Zeitpunkt geregelt werde, in dem die Eltern erst im Trennungsstadi- um seien und es später zu einer Scheidung komme, werde der Kindesunterhalt später in der Scheidung nicht neu geregelt. Es handle sich vorliegend um ein Unterhaltsfestsetzungsverfahren, woran sich auch nichts ändere, dass es um die Abänderung einer Unterhaltsregelung gehe. Unerheblich sei auch die von der Berufungsklägerin aufgeworfene Frage, was gelten würde, wenn das deutsche Gericht die Abänderungsklage abweisen würde. Entscheidend sei für die vorliegend zu klärende Zuständigkeitsfrage, dass es sich um im Kernpunkt identische Klagen in Deutschland und der Schweiz handle, wobei das Verfahren in Deutschland zuerst hängig gemacht worden sei (act. 8 Rz. 11).

IV.

1.

    1. Werden bei Gerichten verschiedener durch das Lugano-Übereinkommen gebundener Staaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht (Art. 27 Abs. 1 LugÜ). Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig (Art. 27 Abs. 2 LugÜ).

    2. Die Vorinstanz und die Parteien gehen übereinstimmend und zu Recht davon aus, dass auf die vorliegend im Streit stehende Unterhaltssache das Lugano- Übereinkommen anwendbar ist, die Zuständigkeit des Amtsgerichts Emmendingen (Deutschland) feststeht, dieses Gericht zuerst angerufen wurde und die Identität der Parteien zu bejahen ist. Streitig ist die Frage, ob es sich bei den vor Amtsgericht Emmendingen einerseits und vor Bezirksgericht Zürich anderseits anhängig gemachten Klagen um Klagen wegen desselben Anspruchs im Sinne von Art. 27 LugÜ handelt.

    3. Wie die Vorinstanz korrekt ausgeführt hat (vgl. act. 5 S. 16), ist Art. 27 LugÜ vertragsautonom auszulegen und beurteilt sich die Frage der Identität der Ansprüche am Zweck von Art. 27 LugÜ, der darin liegt, einander widersprechende Entscheide verschiedener Gerichte zu vermeiden. Verhindert werden sollen insbesondere Konflikte im Vollstreckungsstadium, die schwer lösbar sind (DASSER, in: Dasser/Oberhammer [Hg.], Lugano-Übereinkommen, 3. A. Bern 2021, Art. 27 LugÜ N 1, 13). Ausgehend von diesem Zweck ist nach der massgeblichen, von der Vorinstanz dargestellten sog. Kernpunkttheorie entscheidend, ob der Kern der beiden Rechtsstreitigkeiten der gleiche ist, d.h. ob sie denselben Gegenstand und dieselbe Grundlage haben (EuGH, 14.10.2004, C_39/02, Maersk Olie & Gas A/S, Nr. 34 ff., DASSER, a.a.O., Art. 27 N 13; BSK LugÜ-MABILLARD, Art. 27 N 29; s.a.

      BGE 144 III 175 E. 5.1.1). Denselben Gegenstand haben Klagen, die den gleichen Zweck verfolgen (EuGH, 6.12.1994, C-406/92, The Tatry, Nr. 39 ff.). Damit ist primär der ökonomische Zweck gemeint (BSK LugÜ-MABILLARD, Art. 27 N 32). Zur Grundlage gehören sowohl der Sachverhalt als auch die rechtliche Regelung, die der Klage zugrunde liegen (DASSER, a.a.O., Art. 27 N 14 f.; BSK LugÜ- MABILLARD, Art. 27 N 31). Im Weiteren ist zu beachten, dass die Rechtshängigkeitssperre von Art. 27 LugÜ nach herrschender Lehre nur im Verhältnis zwischen zwei Hauptsachenverfahren vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten wirkt, nicht aber bei Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen bzw. einstweiligen Rechtsschutz (DASSER, a.a.O., Art. 27 N 19, 24).

    4. Soweit für das Verständnis erforderlich, sind im Folgenden die Grundzüge des deutschen und des schweizerischen Unterhaltsrechts aufzuzeigen und ist insbesondere auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten einzugehen (E. 2 und 3). Alsdann ist zu beurteilen, ob die hängigen Rechtsstreitigkeiten in Deutschland und in der Schweiz denselben Gegenstand betreffen und sich auf dieselbe Grundlage abstützen (E. 4).

2.

    1. Im deutschen Recht wird hinsichtlich des Unterhalts für den Ehegatten zwischen Familienunterhalt, Trennungsunterhalt und Geschiedenenunterhalt unterschieden. Beim Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) handelt es sich um den

      Unterhalt bei bestehender häuslicher Gemeinschaft, beim Trennungsunterhalt

      (§ 1361 BGB) um den Unterhalt nach Trennung der Eheleute bis zur rechtskräftigen Scheidung und beim nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB) um den Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung (KLEFFMANN/KLEFFMANN, in: Kleffmann/ Soyka [Hg.], Praxishandbuch Unterhaltsrecht, 4. A. Hürth 2020, Kap. 4 Rz. 2). Zwischen diesen Unterhaltsarten bzw. -phasen besteht keine Identität, da es sich materiellrechtlich um verschiedene Ansprüche handelt (MAURER, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München 8. A. 2019, § 1569 N 24 [im Folgenden: MüKoBGB-Verfasser]). Dies hat namentlich zur Folge, dass der nach einer Trennung gerichtlich festgesetzte Trennungsunterhalt nur bis zur Scheidung gilt und für den Zeitraum nach der Scheidung durch nachehelichen Unterhalt ersetzt wird. Dabei müssen die Ansprüche für die einzelnen Zeiträume jeweils neu geltend gemacht und tituliert werden (KLEFFMANN/KLEFFMANN, a.a.O., Kap. 4

      Rz. 11 f., 48 f.; MüKoBGB-WEBER-MONECKE, § 1361 N 81; BRUDERMÜLLER, in:

      Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. A. München 2015, § 238 FamFG N 30). Ein Trennungsunterhaltstitel nach § 1361 Abs. 1 BGB wird im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung unwirksam und kann nicht mehr vollstreckt werden (KLEFF- MANN/KLEFFMANN, a.a.O., Kap. 4 Rz. 12; ROSSMANN, in: Kleffmann/Soyka [Hg.], a.a.O., Kap. 11 Rz. 187; POPPEN, in: Büte/Poppen/Menn [Hg.], Unterhaltsrecht,

      3. A. München 2015, § 1361 N 7).

    2. Anders als beim Ehegattenunterhalt wird beim Unterhaltsanspruch der Kin- der nicht zwischen einer Phase vor und einer Phase nach der Scheidung unterschieden. Er ergibt sich einheitlich aus § 1601 ff. BGB (vgl. ROSSMANN, a.a.O., Kap. 3 Rz. 18; KLEFFMANN/KLEFFMANN, a.a.O., Kap. 4 Rz. 10). Damit wird der während der Trennung der Eltern festgesetzte Kindesunterhaltstitel im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung nicht unwirksam. Der Kindesunterhalt ist denn auch im deutschen Familienrecht (BGB Buch 4) nicht innerhalb des Eherechts (Abschnitt 1, §§ 1297-1588) geregelt, sondern im darauf folgenden Abschnitt 2 über die Verwandtschaft (§§ 1589 ff.).

    3. Sowohl der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Eheleute wie auch der Kindesunterhalt sind verbundfähig, d.h. sie können im sog. Scheidungsverbundverfahren nach § 137 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) verfahrensmässig mit der Scheidungssache verbunden werden. Im Regelfall wird Kindesunterhalt allerdings ausserhalb des Scheidungsverbunds beantragt (ROSSMANN, a.a.O., Kap. 11 Rz. 185).

    4. Ein Unterhaltstitel kann im Abänderungsverfahren nach § 248 FamFG bei einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse abgeändert werden. Die abzuändernde Entscheidung ist unter Wahrung ihrer Grundlage an die veränderten Verhältnisse anzupassen (§ 248 Abs. 4 FamFG; BÜTE, in: Büte/Poppen/Menn [Hg.], a.a.O., § 238 FamFG N 28). Der Unterhaltstitel ist damit nur insoweit abzuändern, als dies geboten ist; im Übrigen ist von ei- ner Bindung an den abzuändernden Entscheid auszugehen (ROSSMANN, a.a.O., Kap. 11 Rz. 251). Das Vorverfahren (das zum abzuändernden Unterhaltstitel führte) und das Abänderungsverfahren haben grundsätzlich den gleichen Streitgegenstand. Keine Identität besteht zwischen Trennungs- und nachehelichem Unterhalt (vorne E. IV.2.1), so dass ein Titel über Trennungsunterhalt nicht in einen Titel auf nachehelichen Unterhalt abgeändert werden kann (BÜTE, a.a.O., § 238 FamFG

N 3; BRUDERMÜLLER, a.a.O. § 28 FamFG N 30; MüKoBGB-WEBER-MONECKE,

§ 1361 N 81). Die Bestimmung von § 238 FamFG ist auch auf ausländische Entscheidungen anwendbar, sofern der Titel im Inland anzuerkennen ist und das Recht des ausländischen Entscheidungsstaats eine Anpassung kennt (BÜTE, a.a.O., § 238 N 4 m.H.).

3. Das schweizerische Unterhaltsrecht ist in mancher Hinsicht ähnlich geregelt. Es bestehen aber auch entscheidende Unterschiede. Wie das deutsche Recht unterscheidet das schweizerische Recht verschiedene Unterhaltsphasen, für die teilweise unterschiedliche Massstäbe gelten, nämlich den Unterhalt während des ehelichen Zusammenlebens (vgl. Art. 173 ZGB), während des Getrenntlebens nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (vgl. Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) sowie nach rechtskräftiger Scheidung (vgl. Art. 125 ZGB). Heben die Ehegatten den gemeinsamen Haushalt auf (Art. 175 ZGB), so regelt das Eheschutzgericht

auf Begehren eines Ehegatten das Getrenntleben mit Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft (Art. 176 ZGB; Art. 271 Bst. a ZPO). Das Gericht hat dabei unter anderem die Unterhaltsbeiträge an die Kinder und den Unterhaltsbeitrag an den Ehegatten festzulegen (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB), wobei das summarische Verfahren anwendbar ist (Art. 271 ZPO). Ändern sich während des Getrenntlebens die Verhältnisse, können die Eheschutzmassnahmen in einem Ab- änderungsverfahren angepasst werden (Art. 179 Abs. 1 ZGB). Nehmen die Ehegatten das eheliche Zusammenleben wieder auf, fallen die Eheschutzmassnahmen dahin (Art. 179 Abs. 2 ZGB). Wird demgegenüber die Scheidung anhängig gemacht, bleiben die Eheschutzmassnahmen während des Scheidungsverfahrens bestehen, solange sie nicht durch vorsorgliche Massnahmen gemäss Art. 276 ZPO abgeändert letztlich durch das Scheidungsurteil ersetzt werden. Der Eheschutzentscheid entfaltet mit anderen Worten mangels Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens so lange Wirkung, als er nicht in einem Abänderungsverfahren bzw. durch vorsorgliche Massnahmen im Rahmen des Schei- dungsverfahrens angepasst durch das rechtskräftige Scheidungsurteil abgelöst wird. Was diese Ablösung durch das Scheidungsurteil betrifft, lässt sich Folgendes festhalten: Die Eheschutzmassnahmen sind in dem Sinn resolutiv be- dingt, als der im Eheschutzentscheid festgesetzte Unterhalt dahinfällt und durch die Unterhaltsregelung im Scheidungsurteil ersetzt wird, sobald Letztere rechtskräftig wird (vgl. BGE 146 III 284 E. 2.2 m.H.). Daraus folgt, dass der Eheschutztitel mit Rechtskraft der Scheidung grundsätzlich unwirksam wird und nicht mehr vollstreckt werden kann (s. dazu SIX, Eheschutz, 2. A. Bern 2014, Rz. 5.06). An- ders als in Deutschland gilt dies nicht nur mit Bezug auf den Unterhaltsanspruch des Ehegatten, sondern auch hinsichtlich der im Eheschutzentscheid festgesetzten Kindesunterhaltsbeiträge. Im Scheidungsurteil werden diese ebenfalls neu (originär) festgesetzt. Nach dem Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils befindet das Scheidungsgericht im Entscheid über die Ehescheidung auch

über deren Folgen (Art. 283 Abs. 1 ZPO; s. immerhin die Differenzierungen in BGE 144 III 298). Zu diesen zwingend zu regelnden Folgen gehört die Regelung des Kindesunterhalts für die Zeit nach der Scheidung der Eltern.

4.

    1. Vor diesem Hintergrund stellt sich in erster Linie die Frage, was Gegenstand des Abänderungsverfahrens vor dem Amtsgericht Emmendingen ist und konkret, ob der zu erlassende Entscheid den Unterhaltsanspruch für C. auch für die Zeit nach der Scheidung (bzw. nach Regelung der Scheidungsnebenfolgen) Wirkung entfaltet.

    2. Ausgangspunkt bildet der Eheschutzentscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 17. November 2015 (act. 4/3/1). Das Gericht genehmigte eine Vereinbarung der Parteien, nach der sich u.a. der Berufungsbeklagte verpflichtete, der Berufungsklägerin monatliche Beiträge an die Kinderkosten in der Höhe von

Fr. 1'500.– je Kind (zuzüglich Kinderzulagen) zu bezahlen (act. 4/3/1 S. 4 Dispositiv-Ziffer 3/3a). Mit Urteil vom 9. Juni 2017 betreffend Abänderung des Eheschutzentscheids vom 17. November 2015 genehmigte das Bezirksgericht Zürich eine Abänderungsvereinbarung der Parteien, nach der die Kinderunterhaltsbeiträge für den Zeitraum März 2016 bis Mitte April 2016 mangels Leistungsfähigkeit des Berufungsbeklagten nicht geschuldet sind, der Berufungsbeklagte ab Mitte April 2016 aber wiederum verpflichtet ist, der Berufungsklägerin monatliche Beiträge an die Kinderkosten in der Höhe von Fr. 1'500.– je Kind (zuzüglich Kinderzulagen) zu bezahlen (act.4/3/4 S. 11). In die Vereinbarung aufgenommen wurde darüber hinaus eine Klausel, wonach die Abänderung der Unterhaltsbeiträge durch einen allfälligen Abänderungsentscheid des Amtsgerichts Seligenstadt, Deutschland, anlässlich des Scheidungsverfahrens der Parteien ab Mitte November 2016 vorbehalten bleibe (act. 4/3/4 S. 12).

      1. Der Berufungsbeklagte machte vor dem Amtsgericht Seligenstadt ein – heute vom Amtsgericht Emmendingen geführtes – Verfahren betreffend Abänderung der im Eheschutzverfahren vor dem Bezirksgericht Zürich festgesetzten Unterhaltsbeiträge anhängig (vorne E. I.3). Mit Bezug auf die Kindesunterhaltsbeiträge für C. beantragte er die Abänderung für die Zeit ab 16. November 2016 (Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags; act. 4/102/1 S. 2).

      2. Beim Abänderungsverfahren vor dem Amtsgericht Emmendingen handelt es sich um ein Verfahren im Sinne von § 238 FamFG (vorne E. IV.2.4), also – wie die Vorinstanz gestützt auf den Zwischenbeschluss des Amtsgerichts Emmendingen vom 12. August 2020 (act. 4/102/1 S. 2) zu Recht annimmt (act. 5 S. 20) – um ein Hauptsachenverfahren und entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin (act. 2 Rz. 7 f.) nicht um ein Verfahren betreffend vorsorgliche Massnahmen bzw. einstweilige Anordnungen. Für das schweizerische Verfahrensrecht weist die Berufungsklägerin zwar richtig darauf hin, dass die Abänderung von Eheschutzmassnahmen während hängigem Scheidungsverfahren im Rahmen vorsorglicher Massnahmen zu erfolgen hätte (Art. 276 ZPO; vorne E. IV.3). Das Amtsgericht Emmendingen hat allerdings sein eigenes Verfahrensrecht anzuwenden. Es führt ein Abänderungsverfahren nach § 238 FamFG (und kein Verfahren betreffend einstweilige Anordnungen während des Scheidungsverfahrens gemäss §§ 49 ff. FamFG; vgl. dazu MüKoBGB-WEBER, § 1564 N 75). Wie sich zeigen wird, braucht diese Frage allerdings nicht vertieft zu werden, da sich auch bei Vorliegen eines Hauptsachenverfahrens die Wirkung des Abänderungsentscheids auf die Zeit bis zur Ablösung durch das Scheidungsurteil bzw. das Urteil betreffend Ergänzung des Scheidungsurteils beschränkt.

      3. Während sich die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Abänderbarkeit in jedem Fall nach § 238 FamFG richten, beurteilt sich der Massstab der Anpassung nach Art und Höhe nach dem materiellen Recht (BÜTE, a.a.O. § 238

        N 4). Dieses ergibt sich im Verhältnis zur Schweiz nach h.M. aus dem Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2. Oktober 1973 (HUntÜ; MüKoBGB-LANGEHEINE, Vor § 1601 N 51). Gemäss der Regelanknüpfung von Art. 4 HUntÜ ist das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht massgebend. Da C. bei seiner Mutter in der Schweiz wohnt, wäre danach für den ihn betreffenden Unterhalt Schweizer Recht anwendbar. Allerdings sieht Art. 15 HUntÜ vor, dass jeder Vertragsstaat gemäss Art. 24 einen Vorbehalt machen kann, wonach seine Behörden innerstaatliches Recht anwenden werden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Staatsangehörige dieses Staates sind und der Verpflichtete dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Deutschland hat bei der Ratifizierung des HUntÜ den Vorbehalt erklärt (Bekanntmachung vom 26. März 1987, BGBl 1987 II 225). Entsprechend ist deutsches Recht anzuwenden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Deutsche sind und der Verpflichtete

        seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Da es sich vorliegend bei den Beteiligten um deutsche Staatsangehörige handelt und der Berufungsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, ist deutsches Recht massgebend.

        Auszugehen ist damit davon, dass das Amtsgericht Emmendingen für die Anpassung nicht nur deutsches Verfahrensrecht, sondern auch deutsches materielles Recht anzuwenden hat.

      4. Die Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen in Unterhaltssachen ist wie erwähnt in § 238 FamFG geregelt (vorne E. IV.2.4). Danach können Entscheidungen, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthalten, auf Antrag abgeändert werden, wenn Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse ergibt (§ 238 Abs. 1 FamFG). Gemeint sind in erster Linie die wirtschaftlichen Verhältnisse (Bedarf, Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit), die sich wesentlich und nachhaltig anders entwickelt haben, als vom Gericht prognostiziert (ROSSMANN, a.a.O., Kap. 11 Rz. 207 f., 218, 227). Das Abänderungsverfahren soll eine Anpassung des bestehenden Unterhaltsentscheids an diese veränderten Umstände ermöglichen. Dabei sind allerdings nach § 238 Abs. 4 FamFG die Grundlagen der früheren Entscheidung zu wahren. Eine Korrektur des Entscheids ist nur insoweit zulässig, als dies zur Anpassung des Titels geboten ist. Im Übrigen ist das Abänderungsgericht an den abzuändernden Entscheid gebunden (ROSSMANN, a.a.O., Kap. 11 Rz. 251). Eine Bindung besteht auch mit Bezug auf den Gegenstand des Vorverfahrens, das zum abzuändernden Entscheid führte. Handelte es sich bei diesem Vorverfahren um ein Verfahren betreffend Trennungsunterhalt, kann der Titel nicht in einen Titel auf nachehelichen Unterhalt abgeändert werden (zum Ganzen vorne E. IV.2.4). Entsprechendes muss vorliegend gelten: Ein schweizerischer Eheschutztitel, der auch mit Bezug auf den darin geregelten Kindesunterhalt nur bis zum rechtskräftigen Scheidungsurteil (bzw. – wie vorliegend – bis zum Urteil über die Schei- dungsnebenfolgen) wirksam ist (vorne E. IV.3), kann durch das Abänderungsgericht – hier das Amtsgericht Emmendingen – zwar bei erheblicher und dauerhafter Änderung der Verhältnisse angepasst, nicht aber in einen unbeschränkt gelten-

den Kindesunterhaltstitel gemäss § 1601 ff. BGB umgewandelt werden. Weist das Amtsgericht den Antrag auf Abänderung ab, bleibt die eheschutzrichterliche Regelung gemäss den Entscheiden des Bezirksgerichts Zürich ohnehin bestehen. In beiden Fällen gilt die Regelung nur so lange, bis sie durch das rechtskräftige Scheidungsbzw. Ergänzungsurteil ersetzt wird.

  1. Festzuhalten ist nach dem Ausgeführten Folgendes: Sowohl im deutschen Abänderungsverfahren vor Amtsgericht Emmendingen als auch im schweizerischen Verfahren betreffend Ergänzung des deutschen Scheidungsurteils vor der Vorinstanz geht es (auch) um Kindesunterhalt für C. . Allerdings beschränkt sich die Wirkung eines allfälligen Abänderungsentscheids des Amtsgerichts Emmendingen auf den Zeitraum bis zur Rechtskraft des Ergänzungsurteils. Weist das Amtsgericht Emmendingen die Klage auf Abänderung ab, gilt ohnehin die Regelung gemäss Eheschutzentscheid vom 17. November 2015 des Bezirksgerichts Zürich (bzw. gemäss Abänderungsentscheid vom 9. Juni 2017) weiter. Auf der anderen Seite hat das Verfahren vor der Vorinstanz betreffend Ergänzung des ausländischen Scheidungsurteils unter anderem den Kindesunterhalt für C. für den Zeitraum ab Rechtskraft des Ergänzungsurteils zum Gegenstand. Werden durch die Verfahren mithin unterschiedliche Unterhaltsphasen geregelt, verfolgen sie weder den gleichen ökonomischen Zweck noch beruhen sie auf demselben Sachverhalt und denselben rechtlichen Regelungen (Eheschutzmassnahmen für die Regelung des Unterhalts während des ehelichen bzw. elterlichen Getrenntlebens einerseits und Unterhalt nach der Scheidung als Scheidungsnebenfolge an- derseits). Sie haben nicht den gleichen Gegenstand und die gleiche Grundlage. Eine Identität der Ansprüche im Sinne von Art. 27 LugÜ liegt nicht vor.

  2. In teilweiser Gutheissung der Berufung ist Dispositiv-Ziffer 2 der Verfügung des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Zürich vom 11. Januar 2022 aufzuheben. Auf das Begehren bezüglich Regelung des Unterhalts für C. , geb. am tt.mm.2008, ist einzutreten.

V.

1.

    1. Beide Parteien ersuchen für das Berufungsverfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege, inklusive unentgeltliche Rechtsverbeiständung (act. 2 S. 2; act. 8 S. 2).

    2. Nach Art. 117 ZPO hat eine Partei Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn die erforderlichen Mittel zur Begleichung der Prozesskosten neben dem notwendigen Lebensunterhalt für sich und die Familie nicht aufgebracht werden können (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst die gerichtliche Bestellung eines Rechtsbeistands, wenn dies zur Wahrung der Rechte einer Partei notwendig ist (Art. 118 Ziff. 1 lit. c ZPO).

    3. Aufgrund der finanziellen Verhältnisse der Parteien (vgl. act. 2 Rz. 14 f.; act. 8 Rz. 17 f.; act. 12 S. 5) ist die Mittellosigkeit im Sinne von Art. 117 lit. a ZPO

      zu bejahen. Sowohl der Standpunkt der Berufungsklägerin als auch jener des Berufungsklägers erschienen nicht von Anfang an aussichtslos im Sinne von

      Art. 117 lit. b ZPO. Mit Blick auf die Komplexität der sich im vorliegenden Verfahren stellenden Rechtsfragen sind sodann beide Parteien auf eine Rechtsverbeiständung angewiesen.

    4. Die Gesuche der Parteien um unentgeltliche Prozessführung und Rechtsverbeiständung für das Berufungsverfahren sind zu bewilligen.

2.

    1. Die Prozesskosten, bestehend aus Gerichtskosten und Parteientschädigung (Art. 95 Abs. 1 ZPO), sind nach den Grundsätzen der Art. 106 ff. ZPO zu verteilen. Im Regelfall werden die Prozesskosten gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO der unterliegenden Partei auferlegt, wobei bei Nichteintreten und Klagerückzug die klagende Partei und bei Anerkennung der Klage die beklagte Partei als unterliegend gilt. Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden die Prozesskosten nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 2 ZPO). In gewissen Konstellatio- nen kann das Gericht von dieser Verteilungsregel abweichen und die Prozesskosten nach Ermessen verteilen, zum Beispiel wenn eine Partei in guten Treuen zur

      Prozessführung veranlasst war (Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO), in familienrechtlichen Verfahren (Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO) wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Verteilung nach dem Ausgang des Verfahrens als unbillig erscheinen lassen (Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO). Die Ausnahmeregelung von Art. 107 lit. c ZPO, und damit ein Abweichen vom Verteilungsgrundsatz nach Obsiegen und Unterliegen, bietet sich insbesondere an in familienrechtlichen Verfahren, welche sich zur Hauptsache um Kinderbelange, etwa elterliche Sorge, Besuchsrecht Kindesschutzmassnahmen drehen. Auch die Kammer macht in solchen Fällen regelmässig Gebrauch von der Ausnahmebestimmung und verlegt die Prozesskosten unabhängig vom Verfahrensausgang. Soweit Gerichtskosten erhoben werden, werden sie den Parteien je zur Hälfte auferlegt; dies jedenfalls dann, wenn davon ausgegangen werden kann, die Eltern hätten je subjektiv im Kindesinteresse gehandelt. Die Zusprechung von Parteientschädigungen entfällt, da diese gegenseitig verrechnet bzw. wettgeschlagen werden.

    2. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Parteien – die beide teilweise obsiegen und unterliegen (E. II.1 und IV.6) – je subjektiv im Kindesinteresse gehandelt und ein Ergebnis angestrebt haben, mit dem widersprechende Entscheide und Konflikte bei der Vollstreckung des Kindesunterhalts vermieden werden (vgl. vorne E. IV.1.3). Es rechtfertigt sich, entsprechend die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen und keine Parteientschädigungen zuzusprechen. Aufgrund der bewilligten unentgeltlichen Rechtspflege sind die Gerichtskosten einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Parteien sind zur Nachzahlung verpflichtet, sobald sie dazu in der Lage sind (Art. 123 ZPO).

Es wird beschlossen:

  1. Der Berufungsklägerin wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt.

  2. Der Berufungsklägerin wird Rechtsanwalt lic. iur. X. als unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.

  3. Dem Berufungsbeklagten wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt.

  4. Dem Berufungsbeklagten wird Rechtsanwältin lic. iur. Y. als unentgeltliche Rechtsbeiständin bestellt.

  5. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:

  1. In teilweiser Gutheissung der Berufung der Berufungsklägerin wird Dispositiv-Ziffer 2 der Verfügung des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Zürich vom

    11. Januar 2022 aufgehoben und durch folgende Fassung ersetzt:

    2. Auf das Begehren bezüglich Regelung des Unterhalts für C. , geb. am tt.mm.2008, wird eingetreten.

    Im Übrigen wird auf die Berufung nicht eingetreten.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'000.– festgesetzt.

  3. Die Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt, jedoch zufolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung einstweilen auf die Staatskasse genommen. Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten.

  4. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder

Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 BGG.

Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

MLaw C. Funck

versandt am:

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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