Zusammenfassung des Urteils LC170033: Obergericht des Kantons Zürich
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragte eine Ergänzung des Scheidungsurteils, da beide Parteien Vorsorgeguthaben in der Schweiz erworben hatten. In der Einigungsverhandlung einigten sich die Parteien darauf, dass der Beklagte die Hälfte der Differenz der Vorsorgeguthaben auf ein Konto der Klägerin übertragen sollte. Die Klägerin erhob Berufung gegen das Urteil, da sie zusätzliche Beträge forderte. Das Gericht stellte fest, dass die Genehmigung der Vereinbarung über die berufliche Vorsorge verfrüht war und wies den Fall zur erneuten Prüfung an das Einzelgericht zurück.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LC170033 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 18.12.2017 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Ergänzung des Scheidungsurteils |
Schlagwörter : | Berufung; Urteil; Parteien; Einzelgericht; Vorsorge; Gericht; Guthaben; Beklagten; Entscheid; Bezirksgericht; Vereinbarung; Genehmigung; Winterthur; Aufzinsung; Schweiz; Vorsorgeguthaben; Urteils; Berufungsbeklagte; Akten; Berufungsklägerin; Freizügigkeitskonto; Vorsorgeeinrichtung; Freizügigkeitskonten; Freizügigkeitsstiftung; Vorinstanz; Zeitpunkt; Bundesgericht; Obergericht |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ;Art. 280 ZPO ;Art. 281 ZPO ;Art. 308 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 57 ZPO ;Art. 93 BGG ; |
Referenz BGE: | 133 II 249; 138 III 375; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LC170033-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin
lic. iur. M. Stammbach und Oberrichter Dr. P. Higi sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Götschi
Urteil vom 18. Dezember 2017
in Sachen
,
Klägerin und Berufungsklägerin vertreten durch Advokatin X.
gegen
,
Beklagter und Berufungsbeklagter
betreffend Ergänzung des Scheidungsurteils
Erwägungen:
- 1.1 Die Parteien heirateten am tt. März 1983 in C. . Mit Beschluss vom
26. Oktober 2016 schied das Amtsgericht Lörrach, Familiengericht, die Ehe. Das Amtsgericht stellte dabei fest, beide Parteien hätten bei Vorsorgeträgern in der Schweiz Versorgungsanrechte erworben, die nicht ausgleichsreif seien, weil die Vorsorgeträger nicht der deutschen Gesetzgebung unterlägen. A. (fortan: die Klägerin) ersuchte daher mit Eingabe vom 6. März 2017 beim Bezirksgericht Winterthur, Einzelgericht o.V., um Ergänzung des Scheidungsurteils vom 26. Oktober 2016.
1.2 Am 12. Juli 2017 fand die Einigungsverhandlung statt, in der B. (fortan: der Beklagte) dem Gericht ein Zustellungsdomi zil in der Schweiz bezeichnete (vgl. Vi-Prot. S. 7). Weiter einigten sich die Parteien in der Verhandlung unter Mitwirkung des Gerichtes darauf, dass der Beklagte die Hälfte der Differenz der Vorsorgeguthaben der Parteien im Umfang von Fr. 224'000.-auf ein Freizügigkeitskonto der Klägerin zu übertragen habe.
Ebenfalls am 12. Juli 2017 fällte das Einzelgericht sein Urteil, mit dem es
den Beschluss des Amtsgerichts Lörrach, Familiengericht, vom 26. Oktober 2016 hinsichtlich des Vorsorgeausgleichs ergänzte und zudem die für den Vollzug erforderlichen Anweisungen an die Vorsorgeeinrichtung des Beklagten erliess. Das Urteil wurde den Parteien zunächst unbegründet (vgl. act. 21) zugestellt. Die Er- öffnung des begründeten Urteils (act. 33 [= act. 27 = act. 32/3]) erfolgte Ende August bzw. anfangs September 2017.
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2017 (act. 30 - 32) liess die Klägerin rechtzeitig Berufung gegen das Urteil vom 12. Juli 2017 erheben, und zwar mit folgenden Anträgen (vgl. act. 30 S. 2):
Es sei in Gutheissung der Berufung das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 12. Juli 2017 insoweit aufzuheben, als der Berufungsbeklagte verpflichtet wird, im Rahmen der hälftigen Teilung der während der Ehe erworbenen Austrittsleistung zusätzlich zu den bereits in Ziff. 1 des Urteilsdispositivs zugesprochenen Anteilen von CHF 197'003.25 und CHF 27'000 weitere CHF 147'500 von seinen Freizügigkeitskonten bei der D.___ Freizügigkeitsstiftung 2. Säule, Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 auf das Freizü-
gigkeitskonto (Nr. 5) der Berufungsklägerin bei der Freizügigkeitsstiftung der E.___ AG, [Adresse], zu übertragen.
Die D.___ Freizügigkeitsstiftung 2. Säule, [Adresse], sei in Ergänzung von Ziff. 2 des Urteilsdispositivs an-zuweisen, neben den Beträgen von CHF 197'003.25 und CHF 27'000
weitere CHF 147'500, insgesamt CHF 371'503.25 von den zuvor genannten vier Freizügigkeitskonten des Berufungsbeklagten auf das Freizügigkeitskonto (Nr. 5) der Berufungsklägerin bei der Freizügigkeitsstiftung der E.___ AG, [Adresse]l, zu übertragen.
Es sei weiter in Gutheissung der Berufung das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 12. Juli 2017, Ziff. 4., 5. und 6. des Urteilsdispositivs, aufzuheben.
Es seien die gesamten Prozesskosten (Gerichtskosten und Parteientschädigung) dem Berufungsbeklagten aufzuerlegen.
Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten des Berufungsbeklagten.
Nach dem Eingang der Berufung wurden die vorinstanzlichen Akten von Amtes wegen beigezogen. Mit Verfügung vom 5. Oktober 2017 wurde der Klägerin Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses angesetzt (act. 34). Nachdem
der Vorschuss geleistet worden war, wurde dem Beklagten mit Verfügung vom
19. Oktober 2017 Frist angesetzt, um die Berufung zu beantworten (vgl. act. 37). Die Zustellung der Verfügung vom 19. Oktober 2017 erfolgte am 28. Oktober 2017 an dem vom Beklagten bezeichneten Zustelldomizil (vgl. act. 38). Der Beklagte reichte keine Berufungsantwort ein.
Fr. 27'000.-ab den Freizügigkeitskonten des Beklagten auf ihr Freizügigkeitskonto Nr. 5 bei der E. AG in die Übertragung von weiteren Fr. 147'500.-ab den Freizügigkeitskonten des Beklagten auf ihr Freizügigkeitskonto.
Mit der Berufung kann die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz sowie eine unrichtige Rechtsanwendung der Vorinstanz geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO), zu der auch die unrichtige Anwendung des pflichtgemässen Ermessens gehört, weshalb das Gesetz dies nicht eigens erwähnt. Gemäss Art. 311 Abs. 1 ZPO sind die entsprechenden Beanstandungen von der Berufung führenden Partei in der Berufungsschrift einzeln vorzutragen und zu begründen (Begründungslast; vgl. dazu BGE 138 III 375 OGer ZH, Urteil LB110049 vom 5. März 2012, E. 1.1 und E. 1.2, je mit Verweisen). Wird von der Berufung führenden Partei eine genügende Beanstandung vorgebracht, so wendet die Berufungsinstanz das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO) und prüft sämtliche Mängel frei und uneingeschränkt sie ist weder an die Argumente der Parteien noch an die Begründung des vorinstanzlichen Entscheides gebunden (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1 m.w.H. sowie ZR 110/2011 Nr. 80). Bei der Begründung ihrer Entscheidung darf sie sich auf die wesentlichen Überlegungen konzentrieren, von welchen sie sich hat leiten lassen.
act. 5/4), sich indessen über die Aufzinsung nicht aussprechen.
3.2.2 Die Klägerin macht mit der Berufung vor allem geltend, die Feststellung des Einzelgerichts, der Beklagte habe im Zeitpunkt der Eheschliessung bereits über ein Vorsorgeguthaben von Fr. 101'794.-verfügt, sei falsch. Zwar sei der entsprechende Wert in einem Kontoauszug der D. für den Zeitraum Juli 2010 bis Oktober 2016 aufgeführt. Dabei müsse es sich indessen offensichtlich um einen
Fehler handeln. Der Beklagte habe dem Einzelgericht selbst dargetan, vor der Heirat im März 1983 in der Schweiz lediglich Ferienjobs ausgeübt zu haben. Damit habe er vorehelich, zu Zeiten, als es auch noch kein Obligatorium der beruflichen Vorsorge gegeben habe, schlechterdings kein Vorsorgeguthaben von über Fr. 100'000.-erwerben können. Die Parteien hätten das dem Gericht mitgeteilt. Dieses sei darüber hinweggegangen, obwohl eine einfache Plausibilisierung gezeigt hätte, dass der entsprechende Kontoauszug fehlerhaft sein müsse (vgl. act. 30 S. 4 f.). Die Vereinbarung, die das Gericht den Parteien vorgeschlagen habe, hätte jedenfalls nicht genehmigt werden dürfen (vgl. a.a.O., S. 5: Die Genehmigung war verfrüht).
Gemäss Art. 280 Abs. 1 ZPO darf das Gericht eine Vereinbarung über die berufliche Vorsorge nur dann genehmigen, wenn neben anderem eine Bestätigung der beteiligten Einrichtungen über die Durchführbarkeit der getroffenen Regelung und die Höhe der Guthaben vorliegt. Die Berechnung dieser Guthaben sowie die Aufzinsung der im Zeitpunkt des Eheschlusses vorhandenen Guthaben auf den Zeitpunkt der Teilung erfolgt durch die Vorsorgeeinrichtung (vgl. etwa MOSIMANN, in: Dike-Komm-ZPO, 2. A., Zürich 2016, Art. 280 N 9, STAUFFER, in: Kommentar
zur Schweizerischen ZPO, 3. A., Zürich 2016, Art. 280 N 20 - 23). Fehlt es daran,
ist eine Genehmigung nicht möglich und es ist dann entweder eine neue Einigung zu finden (vgl. etwa BÄHLER, in: BSK ZPO, 3. A., Basel 2017, Art. 280 N 3) aber gemäss Art. 281 ZPO zu verfahren.
Eine Durchführungsbestätigung der beteiligten Vorsorgeeinrichtungen lag am 12. Juli 2017 nicht vor. Wie es sich mit dem Guthaben von Fr. 101'794.-verhält, das der Beklagte gemäss act. 19/1 vor der Ehe bereits erworben haben soll, lässt sich aufgrund von act. 19/1 zudem nicht klar feststellen, weil es sich bei dieser Urkunde um einen Auszug für die Periode vom 14. Juli 2010 bis zum 26. Oktober 2016 handelt, der als erste Buchung am 14. Juli 2010 einen Übertrag von der Pensionskasse der E. AG im Wert von Fr. 168'316.-ausweist. Ob und wann die Vorsorgeeinrichtung des Beklagten eine Aufzinsung des Guthabens, das vom Beklagten vor der Ehe erworben worden sein soll, vorgenommen hat, ist
schliesslich aufgrund der gesamten Akten, die dem Einzelgericht am 12. Juli 2017
vorlagen, nicht ersichtlich (vgl. insbes. act. 1, act. 5/1 - 6, act. 12, act. 17 - 20
und Vi-Prot. S. 4 - 7). Die vom Einzelgericht im Urteil erwähnte Aufzinsung der Fr. 101'794.-auf einen vorehelichen Betrag von rund Fr. 295'347.-- (act. 33
S. 4) vermag sich auf nichts abzustützen, was irgendwie Eingang in die einzelrichterlichen Akten gefunden hätte (die entsprechende Erwägung im angefochtenen Urteil ist daher nicht nachvollziehbar). Es fehlte somit am 12. Juli 2017 an den Voraussetzungen für eine Genehmigung der Vereinbarung, und die Rüge der Klägerin, diese Genehmigung sei verfrüht, also zu unrecht erfolgt, ist berechtigt. Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, ohne dass auf die in der Berufung im Übrigen vorgebrachten Beanstandungen bzw. Behauptungen noch näher einzugehen wäre.
Auch heute fehlt es an den Grundlagen, welche eine Genehmigung der Vereinbarung erlaubten, wie sie die Parteien am 12. Juli 2017 geschlossen haben. Es ist daher wie vorhin angemerkt, grundsätzlich nach Art. 281 ZPO zu verfahren.
Die dabei massgeblichen Tatsachen wurden indessen noch nicht verlässlich festgestellt, sondern sind erst noch zu ermitteln. Insbesondere ist zu prüfen bzw. weiter abzuklären, ob der in act. 19/1 als vorehelich erworbenes Guthaben aufgeführte Wert tatsächlich vorehelich erworbenes Guthaben bezeichnet. Zweifel daran bestehen (vgl. auch act. 30 S. 6 und dazu act. 32/4 und 32/5), was der Beklagte selbst schon in der Verhandlung vom 12. Juli 2017 angemerkt hat; für die Parteien waren diese Angaben in act. 19/1 denn auch unerklärlich geblieben (vgl. ViProt. S. 6 f.). Soweit im Ergebnis der weiteren Abklärungen dann tatsächlich ein vorehelich erworbenes Guthaben besteht, ist dessen Aufzinsung durch die zuständige Einrichtung vorzunehmen. Erst danach lässt sich die Klage beurteilen. In diesem Sinne ist die Sache gestützt auf Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO an das Einzelgericht zurückzuweisen. Den Parteien ist es im Übrigen unbenommen, gestützt auf verlässlichere als den derzeit vorliegenden Grundlagen eine erneute Vereinbarung zu treffen und dem Einzelgericht zur Genehmigung vorzulegen.
Das Urteil vom 12. Juli 2017 ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die gerichtliche Genehmigung der Vereinbarung der Parteien nicht erfüllt waren; die Grundlagen, auf denen die Teilung der Austrittsleitungen vorzunehmen ist, müssen erst noch geklärt werden. Das rechtfertigt es, die Verteilung der Prozesskosten des Berufungsverfahrens nicht schon heute vorzunehmen, sondern dem
neuen Entscheid des Einzelgericht zu überlassen (Art. 104 Abs. 4 ZPO). Festzusetzen ist lediglich die Entscheidgebühr gestützt auf § 4 Abs. 1 - 2 i.V.m. § 12 Abs. 1 - 2 GebV OG; zu berücksichtigen ist dabei, dass der Zeitaufwand und die Schwierigkeit des Falles gering waren. Weiter ist zuhanden des Einzelgericht vorzumerken, dass die Klägerin für die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens einen Vorschuss geleistet hat.
Es wird erkannt:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur, Einzelgericht o.V. vom 12. Juli 2017 wird aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'500.-festgesetzt.
Die Regelung der Prozesskosten des vorliegenden Berufungsverfahrens wird dem neuen Entscheid des Bezirksgerichtes vorbehalten.
Es wird vorgemerkt, dass die Klägerin und Berufungsklägerin einen Kostenvorschuss von Fr. 3'000.-geleistet hat.
Schriftliche Mitteilung je gegen Empfangsschein an die Parteien, die Obergerichtskasse sowie - unter Beilage der Akten an das Bezirksgericht Winterthur, Einzelgericht o.V.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt
Fr. 147'500.--.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Götschi versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.