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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LB230031: Obergericht des Kantons Zürich

Die Cour des poursuites et faillites des Kantonsgerichts behandelt einen Rechtsstreit zwischen D.________ und Q.________. D.________ fordert von Q.________ Zahlungen in Höhe von insgesamt 40'687,40 CHF aufgrund einer privaten Schuldanerkennung. Q.________ hat jedoch Widerspruch eingelegt. Der Richter entscheidet schliesslich, dass Q.________ 13'009 CHF plus Zinsen zahlen muss. Der Gerichtskostensatz wird auf 360 CHF festgelegt und Q.________ muss auch die Kosten des Verfahrens tragen. Der Richter ist männlich.

Urteilsdetails des Kantongerichts LB230031

Kanton:ZH
Fallnummer:LB230031
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LB230031 vom 16.01.2024 (ZH)
Datum:16.01.2024
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : ällig; Berufung; Schlussrechnung; Parteien; Vorinstanz; Fälligkeit; A-Norm; SIA-Norm; Frist; Werklohn; Forderung; Beklagten; Werklohnforderung; Recht; Ziffer; Regel; Auslegung; Prüfung; Bestimmungen; Bauleitung; Unternehmer; Säumnis; Urteil; Geschäfts; Entscheid; Berufungsklägerin; Berufungsbeklagte; Uster; Betrag
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 308 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 317 ZPO ;Art. 372 OR ;Art. 57 ZPO ;Art. 82 OR ;Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:129 III 535; 129 III 748; 133 II 249; 138 III 374; 140 III 391; 142 III 413; 142 III 671; 148 III 57;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts LB230031

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

    Geschäfts-Nr.: LB230031-O/U

    Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichterin lic. iur.

    1. Strähl sowie Gerichtsschreiber Dr. M. Tanner

Urteil vom 16. Januar 2024

in Sachen

  1. AG Bauunternehmung, Klägerin und Berufungsklägerin

    vertreten durch Dr. iur. X.

    gegen

  2. ,

    Beklagte und Berufungsbeklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

    betreffend Forderung

    Berufung gegen ein Urteil des Zivilgerichtes des Bezirksgerichtes Uster vom 27. Juli 2023; Proz. CG210015

    Rechtsbegehren:

    (act. 2)

    1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 202'887.80 zu bezahlen, zzgl. Zins zu 5% seit dem 21. August 2019.

    1. Es sei in der Betreibung Nr. ... beim Betreibungsamt Uster für den Betrag von CHF 202'887.80, zzgl. Zins zu 5% seit dem

      21. August 2019 die definitive Rechtsöffnung zu Gewähren.

    2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zzgl. Mehrwertsteuer zulasten der Beklagten.

Urteil des Bezirksgerichtes:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf Fr. 12'865.

  3. Die Gerichtskosten werden der Klägerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

  4. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung von Fr. 27'571.20 zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung.

  6. Berufung.

BerufungsAnträge:

der Klägerin und Berufungsbeklagte (act. 46 S. 2):

  1. Das angefochtene Urteil des Bezirksgerichts Uster vom 27. Juli 2023 (Geschäfts Nr. CG210015-I/Si/U01/cl/am) sei vollumfänglich aufzuheben und es sei:

    1. die Berufungsbeklagte zu verpflichten, der Berufungsklägerin den Betrag von CHF 202'887.80 zu bezahlen, zzgl. Zins zu 5 % seit dem 21. August 2019;

    2. in der Betreibung Nr. ... beim Betreibungsamt Uster für den Betrag von CHF 202'887.80, zzgl. Zins zu 5 % seit dem 21. August 2019 die definitive Rechtsöffnung zu Gewähren.

  2. Eventualiter sei das angefochtene Urteil des Bezirksgerichts Uster vom

    27. Juli 2023 (Geschäfts Nr. CG210015-I/Si/U01/cl/am) vollumfänglich aufzuheben und es sei die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

  3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zzgl. Mehrwertsteuer für das vorinstanzliche Verfahren sowie das Berufungsverfahren zulasten der Berufungsbeklagten.

der Beklagten und Berufungsbeklagten (act. 55 S. 2):

  1. Die Berufung vom 14. September 2023 sei vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird, und es sei das angefochtene Urteil des Bezirksgerichts Uster, Zivilgericht, vom 27. Juli 2023 (Geschäfts-Nr. CG210015) zu bestätigen.

  2. Unter gerichtlicher und aussergerichtlicher Kosten- und Entschädigungsfolge (inkl. MWST) zu Lasten der Berufungsklägerin.

Erwägungen:

I.
  1. B.

    (Beklagte und Berufungsbeklagte, nachfolgend Beklagte) schloss

    als Bauherrin mit der Rechtsvorgängerin der A. AG Bauunternehmung als Baumeisterin (Klägerin und Berufungsklägerin, nachfolgend Klägerin) in den Jahren 2016 und 2017 drei WerkvertRüge über den Bau eines Doppeleinfamilienhauses mit Unterniveaugarage (Werkvertrag Nr. 2110, Projekt Nr. 1314, act. 5/3) und eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage (WerkvertRüge Nr. 2110 und 2111, Projekte Nr. 1313, act. 5/1-2) an der C. [Strasse] ...+... in D. ab. Die Parteien vereinbarten in den WerkvertRügen umfangreiche Allgemeine Geschäftsbe- dingungen (AGB) sowie die (subsidiäre) Anwendung verschiedener Bedingungen des Schweizerischen Ingenieurs- und Architektenverbands (SIA). Die Baumeisterarbeiten der Klägerin wurden mit Ausnahme der Umgebungsmauern am 5.

    März 2019 von der Bauleitung in Anwesenheit der Beklagten abgenommen (act. 46 S. 4; act. 5/8 und 5/9, act. 55 S. 3 Rz 6).

  2. Am 29. Mai 2019 sandte die Klägerin der Beklagten die Schlussrechnung zu (act. 5/30). Da sowohl der Bescheid als auch die Zahlung ausblieb, reichte die Klägerin am 28. Juni 2021 beim Bezirksgericht Uster Klage gegen die Beklagte ein und forderte die Bezahlung des (Rest-)Werklohns von CHF 202'887.80 (act. 2). Nach Eingang der Klageantwort (act. 19) fand am 13. September 2022 vor Vorinstanz eine Instruktionsverhandlung mit VergleichsGesprächen statt, welche erfolglos verliefen (Prot. Vi S. 8). Daraufhin ergingen die schriftliche Replik und Duplik sowie die Stellungnahme zur Duplik (act. 30, 34 und 38). Nachdem die Parteien auf die Durchführung der Hauptverhandlung verzichtet hatten, fällte die Vorinstanz am 27. Juli 2023 das Urteil, mit welcher die Klage unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin abgewiesen wurde (act. 42 = act. 48/1 = act. 49 [Aktenexemplar]).

  3. Dagegen erhob die Klägerin am 14. September 2023 (Poststempel) Berufung beim Obergericht. Sie beantragt im Wesentlichen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Beklagte sei zu verpflichten, die eingeklagte Forderung zu bezahlen. Eventualiter sei die Streitsache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen (act. 46 S. 2; vgl. im Einzelnen die vorstehenden Berufungsbegehren). Die Kammer zog die Akten der Vorinstanz bei (act. 1-44) und verlangte von der Klägerin einen Kostenvorschuss (act. 50). Nach Eingang des Kostenvorschusses wurde der Beklagten Frist für die Berufungsantwort angesetzt, welche sie rechtzeitig am 6. Dezember 2023 erstattete (act. 55). Weiterungen sind nicht vorzunehmen, da sich die Sache als spruchreif erweist. Der Klägerin ist mit diesem Entscheid ein Doppel der Berufungsantwort zuzustellen.

II.

1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist die Berufung zulässig (Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO). Die Klägerin reichte die mit Anträgen sowie einer Begründung versehene Berufungsschrift innert 30-t?giger Rechtsmittelfrist bei der zuständigen Rechtsmittelinstanz ein (act. 43 und 46, Art. 311 ZPO). Der Streitwert im Beru-

fungsverfahren übersteigt die erforderliche Streitwertgrenze von CHF 10'000 (Art. 308 Abs. 2 ZPO); der Kostenvorschuss wurde rechtzeitig bezahlt (act. 52). Da die Klägerin mit ihrer Klage vor Vorinstanz unterlag, ist sie beschwert und zur Beschwerde legitimiert. Dem Eintreten auf die Berufung steht insoweit nichts entgegen.

2.

    1. Mit der Berufung können sowohl die unrichtige Rechtsanwendung als auch die unrichtige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO); zu Letzterer zählt auch die unrichtige Anwendung des pflichtgemüssen Ermessens. Die Berufung erhebende Partei trifft eine Begründungslast. Sie hat substantiiert vorzutragen, aus welchen Gründen der angefochtene Entscheid unrichtig ist und wie er geändert werden muss (BGer 4A_418/2017 vom 8. Januar 2018

      E. 2.3 und 5A_111/2016 vom 6. September 2016 E. 5.3). Blosse Verweise auf die Vorakten Wiederholungen des bereits vor der ersten Instanz Vorgetragenen genügen den gesetzlichen Anforderungen an eine hinreichende Begründung ebenso wenig wie allgemeine Kritik am angefochtenen Entscheid bzw. an den erstinstanzlichen Erwägungen (BSK ZPO-SP?HLER, 3. A., Art. 312 N 15; ZK ZPO- REETZ/THEILER, 3. A., Art. 311 N 36 f.; BGE 138 III 374 ff. E. 4 = Pra 102 [2013]

      Nr. 4).

    2. Die Berufungsinstanz pröft sämtliche hinreichend substantiierten Mängel in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei und uneingeschränkt (BGE 138 III 374 ff.

E. 4.3.1 = Pra 102 [2013] Nr. 4). Sie ist dabei weder an die Argumente der Parteien noch an die Begründung des vorinstanzlichen Entscheids gebunden, sondern wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO; vgl. BGE 133 II 249

E. 1.4.1). Die volle Kognition der Berufungsinstanz bedeutet allerdings nicht, dass diese alle sich stellenden Fragen zu untersuchen hat, wenn die Berufung erhebende Partei diese vor der Berufungsinstanz nicht (mehr) vorträgt. Vielmehr hat sich die Berufungsinstanz abgesehen von offensichtlichen Mängeln auf die Beurteilung der in der schriftlichen BerufungsBegründung erhobenen Beanstan- dungen zu beschränken (vgl. BGE 142 III 413 ff. E. 2.2.4; BGer 4A_629/2017 vom 17. Juli 2018 E. 4.1.4; 4A_418/2017 vom 8. Januar 2018 E. 2.3). Neue Tatsachen

und Beweismittel werden im Berufungsverfahren nur unter den Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 2 ZPO beRücksichtigt.

3.

    1. Vor Vorinstanz machte die Klägerin Ausführungen zu den von ihr ausgefährten Arbeiten, zu den Schlussausmassen sowie zur Zusammensetzung der Werklohnforderung (act. 2. S. 4 ff.). Die Werke seien von der Beklagten abgenommen worden und die Schlusswerklohnforderung sei fällig geworden (act. 2 S. 26 ff.). Die Klägerin habe die vertraglichen Leistungen Mängelfrei erbracht und insbesondere die Betonoberfl?che der Umgebungsmauern vertragskonform errichtet (act. 2 S. 31 ff.). Bezüglich der Fälligkeit der Restforderung führte sie aus, die Beklagte habe es trotz wiederholten Aufforderungen versäumt, die Schlussrechnung innert dreier Monate zu prüfen. Die restliche Werklohnforderung sei gemäss Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 auch ohne Bescheid nach Ablauf eines weiteren Monats fällig geworden (act. 30 S. 23 ff.). Die Parteien hätten mit den Ziffern 13.1 und 24.6 AGB die Anwendung von Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 nicht ausgeschlossen. Eine andere Auslegung verstosse insbesondere gegen die Ungewöhnlichkeitsregel (act. 30 S. 26 ff.).

    2. Die Beklagte bestritt erstinstanzlich die Schlussausmasse und die Schlussrechnung. Die Klägerin habe diverse Arbeiten verrechnet, die vertraglich nicht vereinbart gewesen seien und für welche sie keine schriftliche Offerte vorgelegt habe, gewisse Regiearbeiten falsch verrechnet und die Schlussrechnung aufgrund des theoretischen statt des tatsächlichen Ausmasses erstellt. Es Beständen immer noch verschiedene Mängel, die nicht ausgebessert worden seien (act. 19

      S. 8 ff.). Im Weitern erhob die Beklagte die Einrede mangelnder Fälligkeit der Forderung (act. 19 S. 21 ff.) und nahm diverse Abzüge an der Schlussrechnung wegen mangelhafter VertragsErfüllung vor (act. 19 S. 23 ff.).

    3. Unbestritten blieb vor Vorinstanz im Grundsatz, dass die Klägerin die Bauten erstellte und der Beklagten die Schlussrechnungen für das Doppeleinfamilienhaus mit Tiefgarage (act. 5/29 und 5/32), für die 2. Etappe (act. 5/10) und für das Mehrfamilienhaus (BKP 211 act. 5/26) zustellte (act. 46 E. 4.1.1 und 4.1.3). Zudem wurde anerkannt, dass die Beklagte von der gesamten geforderten Werklohnfor-

      derung von CHF 1'768'587.80 bisher Teilzahlungen von insgesamt CHF 1'565'700 geleistet hat (act. 46 S. 7 E. 4.1.4, act. 2 S. 22 Rz. 68 f., act. 30 S. 23 Rz. 113). Die Vorinstanz schätzte im Weitern die Einrede, die Forderung sei nicht fällig geworden, und führte im Wesentlichen aus, die Parteien hätten in den Ziffern 13.1 und 24.6 AGB die Anwendung von Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 ausgeschlossen, welcher vorsehe, dass der Unternehmer bei Säumnis der Bauleitung, die Schlussrechnung zu prüfen, eine Nachfrist von einem Monat ansetzen könne, mit deren Ablauf die Forderung auch ohne Bescheid der Bauleitung fällig werde. Gemäss Ziffer 13.1 Satz 3 sowie Ziffer 24.6 AGB werde die Schlusszahlung d.h. die letzten 10 % des Werklohnes erst bei Vorliegen des Garantiescheines und der beidseitigen schriftlichen Anerkennung resp. der beidseits unterzeichneten Schlussabrechnung fällig. Es sei unbestritten, dass keine von bei- den Parteien unterzeichnete Schlussabrechnung vorliege. Anders als bei Sum- nis des Unternehmers betreffend korrigierte Schlussabrechnung in Ziffer 12.2 AGB hätten die Parteien bei Säumnis der Bauleitung, die Schlussrechnung innert dreier Monate zu prüfen, keine Säumnisfolgen vereinbart. Das Fehlen der Sum- nisregelung sei als qualifiziertes Schweigen der Parteien zu deuten. Die Parteien hätten somit abschliessend vereinbart, die Fälligkeit der restlichen Werklohnforderung trete erst mit der beidseitig unterschriebenen Schlussrechnung ein. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt (act. 49 S. 9 ff. E. 4.4 ff.).

    4. Die Klägerin rägt in der Berufung zusammengefasst, die Auffassung der Vorinstanz sei rechtlich haltlos. Die Parteien hätten mit Ziffer 13.1 AGB bloss die Dauer der Pröffrist für die Schlussrechnung auf in der Regel drei Monate verlängert, jedoch nicht die Möglichkeit der Nachfristansetzung gemäss Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 ausgeschlossen. Die Vorinstanz habe die Regeln der subjektiven und objektivierten Auslegung falsch angewendet und zu Unrecht einen übereinstimmenden tatsächlichen Parteiwillen, Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 wegzube- dingen, angenommen. Es liege bezüglich der Säumnisfolgen auch kein qualifiziertes Schweigen der Parteien vor. Das Verhalten der Klägerin nach Vertragsschluss zeige, dass sie von der Möglichkeit der Nachfristansetzung ausgegangen sei, habe sie doch diverse Male der Beklagten Frist und schliesslich eine Nachfrist zur Prüfung der Schlussrechnung angesetzt. Das Ergebnis der Vorinstanz sei unver-

      n?nftig, weil die Bauherrin mit der Verweigerung der Unterzeichnung die Durchsetzbarkeit der Forderung verhindern könne (act. 46 S. 7 ff. E. 25 ff.).

    5. Die Beklagte stimmt in der Berufungsantwort der Vorinstanz zu, die restliche Werklohnforderung sei nicht fällig geworden. Die Klägerin habe ihr zur Prüfung der Schlussrechnung entgegen der vertraglichen Abmachung nur eine einmonatige Pröffrist angesetzt und ihr danach nie eine Nachfrist eingeräumt (act. 55 S. 4 Rz 8 f.). Die Klägerin habe den vereinbarten Abrechnungsmodus nicht eingehalten und weder die Schlussrechnung selber unterzeichnet noch die Beklagte zur Unterzeichnung aufgefordert (act. 55 S. 7 Rz 16). Die Forderung werde gemäss Auslegungsergebnis der Vorinstanz nicht auf ewig nicht fällig. Die Vorinstanz habe in ihren Erwägungen 4.4.2.1.5. erläutert, wie die Klägerin vorgehen Müsste (act. 55 S. 5 Rz 11). Demzufolge könne sie, sobald sie selber ihre Mitwirkungspflichten erfüllt, die Schlussrechnung unterzeichnet und die Garantie geleistet habe, bei ungerechtfertigter Verweigerung der Mitwirkung durch die Beklagte deren WillensErklärung einklagen (act. 55 S. 12 Rz 29). Im Weitern hält die Beklagte das Auslegungsergebnis der Vorinstanz für zutreffend (act. 55 S. 9 ff. Rz 20 ff.).

Auf weitere Ausführungen der Parteien, ist soweit notwendig, nachfolgend einzugehen.

  1. Umstritten ist, ob die restliche Werklohnforderung gemäss Schlussrechnungen der Klägerin fällig wurde. Dabei stellt sich die Frage, ob die Parteien die Fälligkeit bei Säumnis der Beklagten, die Schlussrechnung zu prüfen, in den AGB abweichend von Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 regelten. Die Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, ab welchem der Gläubiger die Leistung fordern kann und der Schuldner erFällen muss (BGE 129 III 535 E. 3.2.1). Vor Eintritt der Fälligkeit kann der Gläubiger seine Forderung nicht durchsetzen; er kann die Leistung erst nach Eintritt der Fälligkeit durch Erhebung der Klage einfordern (BK OR- W ILDHABER/DEDE, Art. 130 N 8; ZK OR-BERTI, Art. 130 N 12).

    1. Mit der Fälligkeit der Werklohnforderung befassen sich nachfolgende, in den drei WerkvertRügen gleichlautende AGB-Ziffern (act. 5/1-3):

      13.1 Zwischenrechnungen werden in der Regel innert 30 Tagen gepröft und zur Anweisung weitergeleitet. Endabrechnungen werden in der Regel innert drei Monaten nach Einreichung der letzten Rechnung gepröft. Die Schlusszahlung wird mit der beidseitigen schriftlichen Anerkennung fällig, sowie nach Vorliegen des Garantiescheines. Der vereinbarte Rabatt und Skonto bleibt dabei gültig.

      24.6 Die Schlusszahlung wird erst fällig, wenn der Garantieschein und die unterzeichnete Schlussabrechnung vorliegen.

    2. Bei Uneinigkeit über den Vertragsinhalt sind die WillensErklärungen der Parteien auszulegen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind in der Regel nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen. Entschei- dend ist sowohl bezüglich der vertraglichen Klauseln als auch der AGB in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien (subjektive Auslegung) und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips (objektivierte Auslegung, BGE 142 III 671 E. 3.3; BGE 140 III 391 E. 2.3). Zwischen der subjektiven und der objektivierten Auslegung besteht dann kein Unterschied, wenn sie sich allein auf den Erklärungstext stätzt (vgl. BGer 4A_659/2020 vom 6. August 2021 E. 5.3.2).

      Die Vorinstanz kam zum Schluss, es liege ein übereinstimmender tatsächlicher Wille der Parteien vor, die Anwendung von Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 auszuschliessen. Sie begründete dies damit, dass die Parteien die Fälligkeit der Schlusszahlung (und nicht etwa die Anerkennung der Schlusszahlung dergleichen) spezifisch in den allgemeinen Bedingungen geregelt hätten. Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren nicht, dass keine Partei bezüglich des Eintritts der Fälligkeit des Schlusswerklohnes eine vom Vertragstext der AGB abweichen- de Willensäusserung behauptet hat (vgl. act. 46 Rz 36 ff.). Subjektive und objektivierte Auslegung fallen daher zusammen und der Text der genannten Ziffern der AGB ist nach dem Vertrauensprinzip auszulegen.

    3. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind. Auch wenn der Wortlaut auf den ersten Blick klar erscheint, darf es nicht bei einer rei- nen Wortauslegung sein Bewenden haben. Vielmehr sind die Erklärungen der

      Parteien so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Gericht hat insbesondere den vom erklärenden verfolgten Regelungszweck zu beachten. Für die Auslegung einer von der einen Vertragspartei aufgesetzten Vertragsbestimmung ist entscheidend, welches Regelungsziel die andere Vertragspartei darin als redliche Geschäftspartnerin vernünftigerweise erkennen durfte. Dabei ist für den Regelfall anzunehmen, dass der Erklärungsempfänger davon ausgehen durfte, der erklärende strebe eine vernünftige, sachgerechte Regelung an (BGE 148 III 57 E. 2.2.1 m.w.H.). Mehrdeutige Wendungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind im Zweifel zu Lasten jener Partei auszulegen, die sie verfasst hat (sog. Unklarheitsregel; BGE 148 III 57 E. 2.2.2). Bei der objektivierten Auslegung von WillensErklärungen handelt es sich um eine Rechtsfrage.

    4. Die Beklagte wendet in der Berufungsantwort zunächst ein, die Parteien hätten gemäss Ziffer 1.1 AGB die (subsidiäre) Anwendung der SIA-Norm 118 nur für die Offerte, die Arbeitsübertragung und die Ausführungen der Arbeiten vereinbart, weshalb die Bestimmungen zur Schlussrechnung und Fälligkeit des Werklohnes, namentlich Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 betreffend Nachfristansetzung, generell nicht (subsidiür) anwendbar seien; es sei bezüglich der Fälligkeit ausschliesslich auf Art. 82 OR abzustellen (u.a. act. 55 S. 10 Rz 23 und S. 12 Rz 28). Soweit ersichtlich erhebt die Beklagte diesen Einwand erstmals in der Berufungsantwort. Vor Vorinstanz trug sie noch uneingeschränkt vor, für die Werklohnforderung seien die AGB der WerkvertRüge zu beachten, welche der SIA-Norm 118 vorgingen (act. 19 S. 4 Rz 5, act. 34 S. 4 Rz 9). Zudem nahm sie im Zusammenhang mit der Fälligkeit der eingeklagten Forderung auf die entsprechenden Artikel der SIA- Norm Bezug (u.a. act. 19 S. 22 Rz 47; act. 34 S. 25 Rz 95). Da die objektivierte Auslegung eine rechtliche Frage betrifft, ist auf ihren Einwand einzugehen.

      Die Parteien haben drei umfangreiche WerkvertRüge im Sinne von

      Art. 363 ff. OR über die überbauung eines Areals mit einem Doppeleinfamilienhaus, einem Mehrfamilienhaus sowie Unterniveaugaragen mit einer Netto- Auftragssumme von insgesamt CHF 1'890'000 vereinbart (act. 5/1-3). Bei der SIA-Norm 118 handelt es sich um ein sehr ausführliches Regelwerk des privaten

      Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins, welches detaillierte Bestimmungen zum Abschluss, Inhalt und zur Abwicklung von VertRügen über Bauarbeiten, einschliesslich zur Schlussabrechnung und Fälligkeit der Schlusszahlung, enthält (Art. 153 ff. SIA-Norm 118). Seine Artikel werden in WerkvertRügen über Grössere Bauten, wie den vorliegenden, regelmässig als den Vertragsbestimmungen nachrangige Regeln vereinbart. Die Beklagte legt nicht dar, aus welchen überlegungen die Parteien nur einen Teil der Bestimmungen der SIA-Norm 118 hätten subsidiür anwendbar erklären und insbesondere diejenigen über die Schlussrechnung hätten ausschliessen wollen. Ein solcher Wille lässt sich auch aus der Formulierung in Ziffer 1.1a AGB nicht herleiten, wird die SIA-Norm 118, Ausgabe 2013, doch uneingeschränkt als massgeblich erklärt, ohne Hinweis, es sei nur die Anwendung eines Teils der Norm gemeint. Die Begründung der Beklagten, die Bestimmungen seien ausgeschlossen, weil für die Fälligkeit in den AGB spezifische Klauseln vereinbart worden seien, leuchtet schon deshalb nicht ein, weil die AGB ebenso zahlreiche Bestimmungen zur Offerte, zur Vergebung von Arbeiten und zur Bauausführung enthalten und die entsprechenden Bestimmungen der SIA-Norm 118 gemäss Beklagte gleichwohl subsidiür anwendbar bleiben sollen. Die AGB-Bestimmungen zur Fälligkeit des Werklohnes weisen überdies Lücken auf, was auch die Vorinstanz und die Beklagte festgestellt und als qualifiziertes Schweigen gewertet haben. Demnach durfte und musste die Beklagte nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die SIA-Norm 118 nicht nur partiell auf die Offerte, die Arbeitsübertragung und die Ausführungen der Arbeiten subsidiür anwendbar ist, sondern auch gesamthaft und damit auch auf die Schlussrechnung und die Fälligkeit des Werklohnes.

      .

    5. Der Wortlaut der Ziffern 13.1 und 24.6 AGB scheint auf den ersten Blick klar. Danach wird die Schlusszahlung mit der beidseitigen schriftlichen Anerken- nung der Schlussrechnung bzw. der Unterzeichnung und nach Vorliegen des Garantiescheines fällig. Bei genauer Betrachtung erweist sich die Formulierung indes als weniger eindeutig, weil die Fälligkeit der Werklohnforderung mit deren Anerkennung verknüpft wird, ohne die ungleichen Rechtswirkungen auseinanderzuhalten. Die Fälligkeit einer Forderung ermöglicht der Klägerin, ihre Forderung geltend

      zu machen und bei Ausbleiben des Werklohens durch Betreibung auf gerichtlichem Wege einzufordern. Der Eintritt der Fälligkeit sagt indes nichts darüber aus, ob die Forderung materiell-rechtlich ausgewiesen ist und die Klägerin in ei- nem gerichtlichen Verfahren obsiegen würde. Mit der Anerkennung der Schlussrechnung wird gerade der materielle Bestand der Forderung bestätigt. Es ist äusserst zweifelhaft, ob den Parteien bei Vertragsunterzeichnung die juristische Unterscheidung der beiden Begriffe und ihre unterschiedlichen Tragweiten bewusst waren. Verständlich ist, dass die Beklagte ihre Unterschrift nicht leisten Möchte, solange sie annimmt, damit die Werklohnforderung gemäss Schlussrechnung zu anerkennen. Angesichts der unglücklichen und unklaren Formulierung ist auf den mit der Regelung verfolgten Zweck abzustellen.

      Würde die Fälligkeit der Werklohnforderung mit der beidseitigen Unterzeich- nung der Schlussrechnung eintreten, hinge, worauf die Klägerin zur Recht hinweist, der Eintritt der Fälligkeit vom Willen der Beklagten ab, die Forderung zu anerkennen. Sie hätte es in den Händen, ob die Klägerin ihre Forderung gegen sie eintreiben kann. Eine solche Regelung erwiese sich aus Sicht redlicher Geschöftspartner als unvernünftig und unfair, weil sie die Position der Bauherrschaft einseitig zu Lasten des Unternehmers bevorteilte (vgl. im Ergebnis BGer 4A_377/2021 vom 29. Juni 2022 E. 7.1.3 f.). Auch widerspräche sie dem Wesen des synallagmatischen Werkvertrags, welcher auf beidseitig einforderbaren wechselseitigen Hauptvertragsleistungen basiert. Nach Treu und Glauben ist davon auszugehen, die Parteien wollten eine ausgewogene Regelung treffen, nach welcher die Werklohnforderung ohne materielle Anerkennung durch die Beklagte fällig werden kann. Eine sinnvolle und praxisbewährte Lösung bieten die von den Parteien subsidiür vereinbarten Art. 154 f. SIA-Norm 118. Gemäss Art. 154 Abs. 2 SIA-Norm pröft die Bauleitung die Schlussrechnung innert Monatsfrist und gibt dem Unternehmer unverzüglich über das Ergebnis Bescheid, wobei die Parteien bei umfangreichen Arbeiten die Pröffrist bis zu drei Monaten vertraglich verlängern können. Bei Säumnis der Bauleitung wird auf Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 (Nachfristansetzung) verwiesen. Nur wenn sich bei der Prüfung keine Differenzen ergeben, gilt die Schlussrechnung mit dem Pröfbescheid der Bauleitung als beidseitig anerkannt (Art. 154 Abs. 3 SIA-Norm 118). Nach Art. 155 Abs. 1 SI-

      A-Norm 118 wird die Forderung des Unternehmers mit dem Pröfbescheid fällig. läuft bei Säumnis auch die Nachfrist von einem Monat ergebnislos ab, wird die Abrechnungsforderung des Unternehmers ohne Prüfungsbescheid der Bauleitung im Zeitpunkt des Fristablaufs fällig (Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118). Diese Bestimmungen ermöglichen es dem Unternehmer, die Fälligkeit der Abrechnungsfor- derung trotz Säumnis der Bauleitung bei der Prüfung der Schlussrechnung und unabhängig einer Anerkennung herbeizuführen, zumal die blosse Mitteilung des Prüfungsbescheids die Fälligkeit ausläst. Auf den Inhalt des Prüfungsbescheids kommt es nicht an, ebenso wenig darauf, ob die Abrechnungsforderung des Unternehmers nach Massgabe von Art. 154 Abs. 3 als beidseitig anerkannt gilt nicht (SCHUMACHER/MONN, Kommentar zur SIA-Norm 118, 2. A., Zürich 2017, Art. 155 N 5.1; Art. 154 N 25.1 ff. und 29). Diese Bestimmungen wahren somit die berechtigten Interessen beider Parteien. Insbesondere kann die Beklagte trotz Fälligkeit der Forderung unvermindert ihre Einwände gegen die Forderung bzw. die Schlussrechnung in einem gerichtlichen Verfahren erheben. Im Lichte dieser Bestimmungen ist auch Ziffer 13.1 AGB zu verstehen, mit welchem Art. 154 Abs. 2 SIA-Norm 118 konkretisiert und die Pröffrist auf drei Monate verlängert wurde. Schliesslich kam die Vorinstanz bezüglich der Fälligkeit der ersten 90% des Werklohnes ebenfalls zum Schluss, Art. 154 f. SIA-Norm 118 seien anwendbar (act. 49 S. 18 E. 4.5; vgl. nachfolgend E. 6.1).

    6. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Parteien als redliche Geschäftspartner für die Fälligkeit der Schlusswerklohnforderung keine Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 ausschliessende davon abweichende Regelung vereinbart haben. Zu keinem anderen Ergebnis führt Ziffer 12.2 AGB, der einen an- deren Sachverhalt regelt. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin könne nach eigener Unterzeichnung der Schlussrechnung, gestützt auf Art. 82 OR diejenige der Beklagten verlangen, verfängt nicht und verkennt den Anwendungsbereich dieser Norm (vgl. nachfolgend E. 5.4).

5.

    1. Die Vorinstanz hielt im Weitern fest, solange die Klägerin ihren vertraglich vereinbarten Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, könne sie gestützt

      auf Art. 82 OR die Beklagte nicht zur Erfüllung des Vertrages anhalten. Die Klägerin habe weder behauptet noch bewiesen, selber die Schlussabrechnung samt Mängelliste der Fertigstellungsarbeiten unterzeichnet und der Beklagten zur Gegenzeichnung unterbreitet zu haben (act. 49 S. 13 E. 4.4.2.1.5).

    2. Die Klägerin wirft der Vorinstanz diesbezüglich überspitzten Formalismus, Willkür und falsche Sachverhaltsfeststellung vor. Die Vorinstanz habe nicht be- Rücksichtigt, dass das Schreiben vom 29. Mai 2019, mit welchem der Beklagten die Schlussrechnung zugestellt und die Mängelbehebung angezeigt worden seien, von zwei zeichnungsberechtigten Vertretern der Klägerin unterschrieben sei. Damit sei sie ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen; dieses Vorgehen entspreche der Praxis (act. 46 S. 12 f. Rz 50).

    3. Die Beklagte schliesst sich der Auffassung der Vorinstanz an (act. 55 S. 15 f. Rz 40 ff.).

    4. Art. 82 OR ist nur bei vollkommen zweiseitigen VertRügen anwendbar, bei welchen zwei Pflichten zueinander im Austauschverhältnis stehen. Die Anwen- dung ist auf die Hauptleistungspflichten sowie auf bedeutende Nebenpflichten, ohne welche die Hauptleistung praktisch wertlos ist, beschränkt. Die Hauptpflichten beim Werkvertrag bestehen in der Herstellung und Ablieferung des Werkes einerseits und der Vergütungszahlung anderseits (BSK OR I-S CHROETER, 7. A., Art. 82 N 25 f., BK OR-WEBER, Art. 82 N 79;

GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht, Band I, N 101 f. und Band II, N 2214). Die Unterzeichnung der Schlussrechnung durch den Unternehmer ist reine Formsache bzw. im Rahmen des vollkommenen zweiseitigen Werkvertrags eine vertragliche Obliegenheit, welche nicht als Vertragspflicht gestützt auf Art. 82 OR eingefordert werden kann. Der Klägerin, welche die umfassenden Bauten offenkundig erstellt hat, kann daher Art. 82 OR bei der Einforderung des Werklohnes nicht mit der Begründung entgegengehalten werden, sie habe ihre Schlussrechnung nicht unterzeichnet bzw. ihre Unterschrift nicht angeboten. Mit der Zustellung der von ihr ausgefertigten Schlussrechnung brachte die Klägerin im übrigen unmissVerständlich zum Ausdruck, damit einverstanden zu sein. Da die Schlussrechnung als Anhang mit dem von der Klägerin

unterzeichneten Schreiben vom 29. Mai 2016 verschickt wurde, erschiene es überspitzt formalistisch, den Eintritt der Fälligkeit an der Unterzeichnung der Schlussrechnung scheitern zu lassen.

6.

    1. Die Vorinstanz erwog, die Parteien seien sich einig, die Ziffern 13.1 und 24.6 AGB seien nur für die letzten 10 % des Werklohnes vereinbart worden. Bezüglich des darüberhinausgehenden eingeklagten Betrags von CHF 26'029 bleibe mangels spezifischer Vereinbarung Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 anwendbar. Die Klägerin habe es jedoch unterlassen, eine Nachfrist zur Prüfung der Schlussrechnung anzusetzen. Die Fristansetzungen vom 29. Mai 2019, vom 27. Juli 2019 sowie vom 14. August 2019 seien vor Ablauf der dreimonatigen Pröffrist ergangen und daher unbeachtlich. Mangels Nachfristansetzung sei auch die Restforderung von CHF 26'029 nicht fällig geworden (act. 49 S. 18 f. E. 4.5).

    2. Die Klägerin wendet ein, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, die Klägerin habe bezüglich des genannten Betrags keine Nachfrist im Sinne von Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 angesetzt. Der Korrespondenz zwischen den Parteien sei zu entnehmen, dass sie die Beklagte diverse Male erfolglos gemahnt und Nachfristen angesetzt habe. Die Ansetzung einer Nachfrist wäre ausserdem nicht erforderlich gewesen, weil sich diese aufgrund des Verhaltens der Beklagten zum vornherein als unnütz erwiesen hätte (act. 46 S. 18 ff. Rz 65 ff.).

    3. Die Beklagte folgt den Ausführungen der Vorinstanz. Der nicht bezahlte Teil der Werklohnforderung liege zudem unter 10%, weshalb es keiner besondere Prüfung bedürfe (act. 55 S. 16 f. Rz 44 ff.).

    4. Die Vorinstanz stellte bei der Berechnung auf die Angaben der Klägerin ab, welche rechnerisch den Betrag von CHF 26'029 ergeben (act. 49 E. 4.5.1 und act. 46 S. 6 f. Rz 22 f.). Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Ob die Beklagte diesen Betrag letzten Endes schuldet, hängt von der materiellen Beurteilung der Forderungsklage ab.

Vorweg ist zu bemerken, dass sich die Nachfristansetzung gemäss Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 auf den Pröfbescheid bezieht; dieser (und nicht die Unter-

zeichnung der Schlussrechnung durch die Beklagte) soll nachgeholt werden. Weiter ist vor Augen zu halten, dass der Werklohn, sofern Art. 154 Abs. 2 und Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 nicht zur Anwendung gelangen (wie es im übrigen die Beklagte postuliert), mit der Ablieferung (Abnahme) der zu erstellenden Bauten fällig wird (Art. 372 OR). Dabei ist es unerheblich, ob das Werk mit Mängeln behaftet ist nicht. Auch das Einrederecht nach Art. 82 OR verhindert die Fälligkeit im übrigen nicht (BGE 129 III 748 E. 7.2; PETER GAUCH, Der Werkvertrag,

  1. A., N 2381, BSK OR I-SCHROETER, 7. A., Art. 75 N 10 f. und BSK OR IZINDEL/SCHOTT, 7. A., Art. 372 N 5 und 13). hätten die Parteien die Anwendung der SIA-Norm 118 nicht vereinbart, wäre die eingeklagte Werklohnforderung der Klägerin bereits mit der übergabe der Bauten im März 2019 fällig geworden. Art. 154 f. SIA-Norm schieben den gesetzlichen Fälligkeitstermin insoweit hinaus, als die Bauherrschaft vor Eintritt der Fälligkeit Gelegenheit zur Prüfung der Schlussrechnung erhalten soll. Die Bestimmungen bezwecken jedoch nicht, den Eintritt der Fälligkeit zu erschweren und zwingend von der Ansetzung einer Nachfrist durch den Unternehmer abhängig zu machen. Mit der Nachfrist soll diesem vielmehr ermöglicht werden, seine Werklohnforderung trotz Säumnis der Bauleitung innert weniger Monate nach übergabe des Werkes fällig werden zu lassen und eintreiben zu können (vgl. SCHUMACHER/MONN, a.a.O., Art. 154 N 17 und Art. 155 N 13). Die Möglichkeit der Nachfristansetzung ändert nichts daran, dass die Fälligkeit der Werklohnforderung in jedem Fall mit dem Pröfbescheid eintritt, und zwar unabhängig davon, ob eine Nachfrist (bereits) angesetzt wurde (SCHU- MACHER/MONN, a.a.O., Art. 155 N 5.1 und 12).

    Beim Pröfbescheid handelt es sich um eine formlose Erklärung, mit welcher die Bauleitung dem Unternehmer ihre Ansicht über die Richtigkeit der Schlussrechnung bekannt gibt, allenfalls unter Mitteilung von Differenzen (S CHUMA- CHER/MONN, a.a.O., Art. 154 N 18). Der Pröfbescheid kann formlos, d.h. ausdRücklich stillschweigend erfolgen. Ob die Werklohnforderung fällig ist, stellt eine Rechtsfrage dar, welche vom Gericht anhand der Parteidarstellungen spätestens im Zeitpunkt des Endentscheids zu beantworten ist. Die Vorinstanz hat nicht gepröft, ob die Beklagte der Klägerin den Pröfbescheid bis zum Endentscheid stillschweigend ausDrücklich mitgeteilt hat. Die Ausführungen der Beklagten in

    den Rechtsschriften im vorinstanzlichen Verfahren, in welchen sie sich detailliert mit der Schlussrechnung auseinandersetzte und sich damit ausDrücklich nicht einverstanden erklärte (u.a. act. 19 S. 10 ff.), stellen ohne Weiteres einen Bescheid über das Ergebnis der Prüfung im Sinne von Art. 154 Abs. 2 SIA Norm 118 dar. Die von der Klägerin erstinstanzlich geäusserte gegenteilige Auffassung, das jahrelange Stillschweigen der Beklagten bedeute eine konkludente Genehmigung der Schlussrechnung (u.a. act. 2 Rz 108), überzeugt dagegen nicht. Gemäss Rechtsprechung und herrschender Lehre kann aus dem ungenutzten Ablauf der Prüfungsfrist und einer entsprechenden Nachfrist nicht auf eine Anerkennung der Forderung geschlossen werden (OGer ZH LB130065 vom 4. Juli 2014 E. C/2.2; HGer ZH HG170017 vom 12. April 2019 E. 3.6.2). Unter diesen Umständen ist der (negative) Pröfbescheid mittlerweile erfolgt und die Fälligkeit der Werklohnfor- derung insoweit zu bejahen. Wann der Pröfbescheid genau erging und die Fälligkeit eintrat bzw. ob die Nachfrist korrekt eingeräumt wurde, braucht unter diesen Umständen nicht näher gepröft zu werden.

  2. Die Berufung ist aus diesen Gründen gutzuheissen und das angefochtene Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben. Da die Vorinstanz bisher einzig über die Fälligkeit der eingeklagten Werklohnforderung aufgrund der nicht unterzeichneten Schlussabrechnung entschieden hat, ist die Sache gestützt auf Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO sowie im Sinne des Eventualbegehrens zur Fortsetzung des Verfahrens und weiteren Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

8.

    1. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit mit einem Streitwert im Berufungsverfahren von CHF 202'887.80 (act. 50). gestützt auf ?? 4 und 12 GebV OG sowie in Anbetracht, dass im Wesentlichen einzig die Frage der Fälligkeit zu beurteilen war, ist die Gerichtsgebühr auf CHF 8'000 festzusetzen und ausgangsgemäss der Beklagten aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Gerichtsgebühr ist vom geleisteten Vorschuss in der Höhe von CHF 14'000 zu beziehen. Der überschuss ist der Klägerin vorbehältlich eines Allfälligen Verrech- nungsrechts zurückzuerstatten. Die Beklagte ist zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 8'000 zu ersetzen.

    2. Zudem ist die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine angemessene Parteientschädigung für das Berufungsverfahren zu leisten. gestützt auf ?? 2, 4 und 13 AnwGebV ist die Parteientschädigung auf CHF 4'500 (inkl. Mehrwertsteuer) festzusetzen.

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Bezirksgerichts Uster vom 27. Juli 2023 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortführung des Verfahrens und neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf CHF 8'000 festgesetzt und der Berufungsbeklagten auferlegt.

    Für die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens wird der von der Berufungsklägerin geleistete Vorschuss von CHF 14'000 herangezogen; der überschuss wird der Berufungsklägerin zurückerstattet, unter Vorbehalt eines Allfälligen Verrechnungsanspruchs. Die Berufungsbeklagte wird verpflichtet, der Berufungsklägerin CHF 8'000 zu ersetzen.

  3. Die Berufungsbeklagte wird verpflichtet, der Berufungsklägerin für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von CHF 4'500 (inkl. Mehrwertsteuer) zu zahlen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsklägerin unter Beilage eines Doppels von act. 55, sowie an das Bezirksgericht Uster, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder

Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt CHF 202'887.80.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:

Dr. M. Tanner versandt am:

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