Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LB230031 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 16.01.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Berufung; Partei; Schlussrechnung; Ligkeit; Parteien; Vorinstanz; Klagte; Fälligkeit; A-Norm; SIA-Norm; Frist; Klagten; Forderung; Beklagten; Fällig; Werklohnforderung; Recht; Vereinbart; Ziffer; Regel; Auslegung; Prüfung; Bestimmungen; Bauleitung; Unternehmer; Säumnis; Zeichnung; Urteil; Geschäfts; Entscheid |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 311 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 372 OR ; Art. 57 ZPO ; Art. 82 OR ; Art. 93 BGG ; |
Referenz BGE: | 129 III 535; 129 III 748; 133 II 249; 138 III 374; 140 III 391; 142 III 413; 142 III 671; 148 III 57; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: |
Obergericht des Kantons Zürich
Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LB230031-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Oberrichterin lic. iur.
Strähl sowie Gerichtsschreiber Dr. M. Tanner
in Sachen
AG Bauunternehmung, Klägerin und Berufungsklägerin
vertreten durch Dr. iur. X.
gegen
,
Beklagte und Berufungsbeklagte
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Forderung
(act. 2)
1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 202'887.80 zu bezahlen, zzgl. Zins zu 5% seit dem 21. Au- gust 2019.
Es sei in der Betreibung Nr. … beim Betreibungsamt Uster für den Betrag von CHF 202'887.80, zzgl. Zins zu 5% seit dem
21. August 2019 die definitive Rechtsöffnung zu gewähren.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zzgl. Mehrwertsteuer zu- lasten der Beklagten.
der Klägerin und Berufungsbeklagte (act. 46 S. 2):
Das angefochtene Urteil des Bezirksgerichts Uster vom 27. Juli 2023 (Geschäfts Nr. CG210015-I/Si/U01/cl/am) sei vollumfänglich aufzuhe- ben und es sei:
die Berufungsbeklagte zu verpflichten, der Berufungsklägerin den Betrag von CHF 202'887.80 zu bezahlen, zzgl. Zins zu 5 % seit dem 21. August 2019;
in der Betreibung Nr. … beim Betreibungsamt Uster für den Betrag von CHF 202'887.80, zzgl. Zins zu 5 % seit dem 21. August 2019 die definitive Rechtsöffnung zu gewähren.
Eventualiter sei das angefochtene Urteil des Bezirksgerichts Uster vom
27. Juli 2023 (Geschäfts Nr. CG210015-I/Si/U01/cl/am) vollumfänglich aufzuheben und es sei die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vor- instanz zurückzuweisen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zzgl. Mehrwertsteuer für das vorinstanzliche Verfahren sowie das Berufungsverfahren zulasten der Berufungsbeklagten.
der Beklagten und Berufungsbeklagten (act. 55 S. 2):
Die Berufung vom 14. September 2023 sei vollumfänglich abzuweisen, so- weit darauf eingetreten wird, und es sei das angefochtene Urteil des Be- zirksgerichts Uster, Zivilgericht, vom 27. Juli 2023 (Geschäfts-Nr. CG210015) zu bestätigen.
Unter gerichtlicher und aussergerichtlicher Kosten- und Entschädigungsfolge (inkl. MWST) zu Lasten der Berufungsklägerin.
Erwägungen:
(Beklagte und Berufungsbeklagte, nachfolgend Beklagte) schloss
als Bauherrin mit der Rechtsvorgängerin der A. AG Bauunternehmung als Baumeisterin (Klägerin und Berufungsklägerin, nachfolgend Klägerin) in den Jah- ren 2016 und 2017 drei Werkverträge über den Bau eines Doppeleinfamilienhau- ses mit Unterniveaugarage (Werkvertrag Nr. 2110, Projekt Nr. 1314, act. 5/3) und eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage (Werkverträge Nr. 2110 und 2111, Pro- jekte Nr. 1313, act. 5/1-2) an der C. [Strasse] …+… in D. ab. Die Par- teien vereinbarten in den Werkverträgen umfangreiche Allgemeine Geschäftsbe- dingungen (AGB) sowie die (subsidiäre) Anwendung verschiedener Bedingungen des Schweizerischen Ingenieurs- und Architektenverbands (SIA). Die Baumeis- terarbeiten der Klägerin wurden - mit Ausnahme der Umgebungsmauern - am 5.
März 2019 von der Bauleitung in Anwesenheit der Beklagten abgenommen (act. 46 S. 4; act. 5/8 und 5/9, act. 55 S. 3 Rz 6).
fungsverfahren übersteigt die erforderliche Streitwertgrenze von CHF 10'000.– (Art. 308 Abs. 2 ZPO); der Kostenvorschuss wurde rechtzeitig bezahlt (act. 52). Da die Klägerin mit ihrer Klage vor Vorinstanz unterlag, ist sie beschwert und zur Beschwerde legitimiert. Dem Eintreten auf die Berufung steht insoweit nichts ent- gegen.
E. 2.3 und 5A_111/2016 vom 6. September 2016 E. 5.3). Blosse Verweise auf die Vorakten oder Wiederholungen des bereits vor der ersten Instanz Vorgetragenen genügen den gesetzlichen Anforderungen an eine hinreichende Begründung ebenso wenig wie allgemeine Kritik am angefochtenen Entscheid bzw. an den erstinstanzlichen Erwägungen (BSK ZPO-SPÜHLER, 3. A., Art. 312 N 15; ZK ZPO- REETZ/THEILER, 3. A., Art. 311 N 36 f.; BGE 138 III 374 ff. E. 4 = Pra 102 [2013]
Nr. 4).
E. 4.3.1 = Pra 102 [2013] Nr. 4). Sie ist dabei weder an die Argumente der Partei- en noch an die Begründung des vorinstanzlichen Entscheids gebunden, sondern wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO; vgl. BGE 133 II 249
E. 1.4.1). Die volle Kognition der Berufungsinstanz bedeutet allerdings nicht, dass diese alle sich stellenden Fragen zu untersuchen hat, wenn die Berufung erhe- bende Partei diese vor der Berufungsinstanz nicht (mehr) vorträgt. Vielmehr hat sich die Berufungsinstanz – abgesehen von offensichtlichen Mängeln – auf die Beurteilung der in der schriftlichen Berufungsbegründung erhobenen Beanstan- dungen zu beschränken (vgl. BGE 142 III 413 ff. E. 2.2.4; BGer 4A_629/2017 vom 17. Juli 2018 E. 4.1.4; 4A_418/2017 vom 8. Januar 2018 E. 2.3). Neue Tatsachen
und Beweismittel werden im Berufungsverfahren nur unter den Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 2 ZPO berücksichtigt.
S. 8 ff.). Im Weitern erhob die Beklagte die Einrede mangelnder Fälligkeit der Forderung (act. 19 S. 21 ff.) und nahm diverse Abzüge an der Schlussrechnung wegen mangelhafter Vertragserfüllung vor (act. 19 S. 23 ff.).
derung von CHF 1'768'587.80 bisher Teilzahlungen von insgesamt CHF 1'565'700.– geleistet hat (act. 46 S. 7 E. 4.1.4, act. 2 S. 22 Rz. 68 f., act. 30 S. 23 Rz. 113). Die Vorinstanz schützte im Weitern die Einrede, die Forderung sei nicht fällig geworden, und führte im Wesentlichen aus, die Parteien hätten in den Zif- fern 13.1 und 24.6 AGB die Anwendung von Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 aus- geschlossen, welcher vorsehe, dass der Unternehmer bei Säumnis der Baulei- tung, die Schlussrechnung zu prüfen, eine Nachfrist von einem Monat ansetzen könne, mit deren Ablauf die Forderung auch ohne Bescheid der Bauleitung fällig werde. Gemäss Ziffer 13.1 Satz 3 sowie Ziffer 24.6 AGB werde die Schlusszah- lung – d.h. die letzten 10 % des Werklohnes – erst bei Vorliegen des Garantie- scheines und der beidseitigen schriftlichen Anerkennung resp. der beidseits un- terzeichneten Schlussabrechnung fällig. Es sei unbestritten, dass keine von bei- den Parteien unterzeichnete Schlussabrechnung vorliege. Anders als bei Säum- nis des Unternehmers betreffend korrigierte Schlussabrechnung in Ziffer 12.2 AGB hätten die Parteien bei Säumnis der Bauleitung, die Schlussrechnung innert dreier Monate zu prüfen, keine Säumnisfolgen vereinbart. Das Fehlen der Säum- nisregelung sei als qualifiziertes Schweigen der Parteien zu deuten. Die Parteien hätten somit abschliessend vereinbart, die Fälligkeit der restlichen Werklohnforde- rung trete erst mit der beidseitig unterschriebenen Schlussrechnung ein. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt (act. 49 S. 9 ff. E. 4.4 ff.).
nünftig, weil die Bauherrin mit der Verweigerung der Unterzeichnung die Durch- setzbarkeit der Forderung verhindern könne (act. 46 S. 7 ff. E. 25 ff.).
Auf weitere Ausführungen der Parteien, ist soweit notwendig, nachfolgend einzugehen.
13.1 Zwischenrechnungen werden in der Regel innert 30 Tagen geprüft und zur Anwei- sung weitergeleitet. Endabrechnungen werden in der Regel innert drei Monaten nach Einreichung der letzten Rechnung geprüft. Die Schlusszahlung wird mit der beidseitigen schriftlichen Anerkennung fällig, sowie nach Vorliegen des Garantie- scheines. Der vereinbarte Rabatt und Skonto bleibt dabei gültig.
24.6 Die Schlusszahlung wird erst fällig, wenn der Garantieschein und die unterzeichne- te Schlussabrechnung vorliegen.
Parteien so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Gericht hat insbesondere den vom Erklärenden verfolgten Regelungszweck zu beachten. Für die Auslegung einer von der einen Vertragspartei aufgesetzten Vertragsbe- stimmung ist entscheidend, welches Regelungsziel die andere Vertragspartei da- rin als redliche Geschäftspartnerin vernünftigerweise erkennen durfte. Dabei ist für den Regelfall anzunehmen, dass der Erklärungsempfänger davon ausgehen durfte, der Erklärende strebe eine vernünftige, sachgerechte Regelung an (BGE 148 III 57 E. 2.2.1 m.w.H.). Mehrdeutige Wendungen in allgemeinen Geschäfts- bedingungen sind im Zweifel zu Lasten jener Partei auszulegen, die sie verfasst hat (sog. Unklarheitsregel; BGE 148 III 57 E. 2.2.2). Bei der objektivierten Ausle- gung von Willenserklärungen handelt es sich um eine Rechtsfrage.
Die Parteien haben drei umfangreiche Werkverträge im Sinne von
Art. 363 ff. OR über die Überbauung eines Areals mit einem Doppeleinfamilien- haus, einem Mehrfamilienhaus sowie Unterniveaugaragen mit einer Netto- Auftragssumme von insgesamt CHF 1'890'000.– vereinbart (act. 5/1-3). Bei der SIA-Norm 118 handelt es sich um ein sehr ausführliches Regelwerk des privaten
Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins, welches detaillierte Bestim- mungen zum Abschluss, Inhalt und zur Abwicklung von Verträgen über Bauarbei- ten, einschliesslich zur Schlussabrechnung und Fälligkeit der Schlusszahlung, enthält (Art. 153 ff. SIA-Norm 118). Seine Artikel werden in Werkverträgen über grössere Bauten, wie den vorliegenden, regelmässig als den Vertragsbestimmun- gen nachrangige Regeln vereinbart. Die Beklagte legt nicht dar, aus welchen Überlegungen die Parteien nur einen Teil der Bestimmungen der SIA-Norm 118 hätten subsidiär anwendbar erklären und insbesondere diejenigen über die Schlussrechnung hätten ausschliessen wollen. Ein solcher Wille lässt sich auch aus der Formulierung in Ziffer 1.1a AGB nicht herleiten, wird die SIA-Norm 118, Ausgabe 2013, doch uneingeschränkt als massgeblich erklärt, ohne Hinweis, es sei nur die Anwendung eines Teils der Norm gemeint. Die Begründung der Be- klagten, die Bestimmungen seien ausgeschlossen, weil für die Fälligkeit in den AGB spezifische Klauseln vereinbart worden seien, leuchtet schon deshalb nicht ein, weil die AGB ebenso zahlreiche Bestimmungen zur Offerte, zur Vergebung von Arbeiten und zur Bauausführung enthalten und die entsprechenden Bestim- mungen der SIA-Norm 118 gemäss Beklagte gleichwohl subsidiär anwendbar bleiben sollen. Die AGB-Bestimmungen zur Fälligkeit des Werklohnes weisen überdies Lücken auf, was auch die Vorinstanz und die Beklagte festgestellt und als qualifiziertes Schweigen gewertet haben. Demnach durfte und musste die Be- klagte nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass die SIA-Norm 118 nicht nur partiell auf die Offerte, die Arbeitsübertragung und die Ausführungen der Arbeiten subsidiär anwendbar ist, sondern auch gesamthaft und damit auch auf die Schlussrechnung und die Fälligkeit des Werklohnes.
zu machen und bei Ausbleiben des Werklohens durch Betreibung oder auf ge- richtlichem Wege einzufordern. Der Eintritt der Fälligkeit sagt indes nichts darüber aus, ob die Forderung materiell-rechtlich ausgewiesen ist und die Klägerin in ei- nem gerichtlichen Verfahren obsiegen würde. Mit der Anerkennung der Schluss- rechnung wird gerade der materielle Bestand der Forderung bestätigt. Es ist äus- serst zweifelhaft, ob den Parteien bei Vertragsunterzeichnung die juristische Un- terscheidung der beiden Begriffe und ihre unterschiedlichen Tragweiten bewusst waren. Verständlich ist, dass die Beklagte ihre Unterschrift nicht leisten möchte, solange sie annimmt, damit die Werklohnforderung gemäss Schlussrechnung zu anerkennen. Angesichts der unglücklichen und unklaren Formulierung ist auf den mit der Regelung verfolgten Zweck abzustellen.
A-Norm 118 wird die Forderung des Unternehmers mit dem Prüfbescheid fällig. Läuft bei Säumnis auch die Nachfrist von einem Monat ergebnislos ab, wird die Abrechnungsforderung des Unternehmers ohne Prüfungsbescheid der Bauleitung im Zeitpunkt des Fristablaufs fällig (Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118). Diese Best- immungen ermöglichen es dem Unternehmer, die Fälligkeit der Abrechnungsfor- derung trotz Säumnis der Bauleitung bei der Prüfung der Schlussrechnung und unabhängig einer Anerkennung herbeizuführen, zumal die blosse Mitteilung des Prüfungsbescheids die Fälligkeit auslöst. Auf den Inhalt des Prüfungsbescheids kommt es nicht an, ebenso wenig darauf, ob die Abrechnungsforderung des Un- ternehmers nach Massgabe von Art. 154 Abs. 3 als beidseitig anerkannt gilt oder nicht (SCHUMACHER/MONN, Kommentar zur SIA-Norm 118, 2. A., Zürich 2017, Art. 155 N 5.1; Art. 154 N 25.1 ff. und 29). Diese Bestimmungen wahren somit die berechtigten Interessen beider Parteien. Insbesondere kann die Beklagte trotz Fälligkeit der Forderung unvermindert ihre Einwände gegen die Forderung bzw. die Schlussrechnung in einem gerichtlichen Verfahren erheben. Im Lichte dieser Bestimmungen ist auch Ziffer 13.1 AGB zu verstehen, mit welchem Art. 154 Abs. 2 SIA-Norm 118 konkretisiert und die Prüffrist auf drei Monate verlängert wurde. Schliesslich kam die Vorinstanz bezüglich der Fälligkeit der ersten 90% des Werklohnes ebenfalls zum Schluss, Art. 154 f. SIA-Norm 118 seien anwend- bar (act. 49 S. 18 E. 4.5; vgl. nachfolgend E. 6.1).
auf Art. 82 OR die Beklagte nicht zur Erfüllung des Vertrages anhalten. Die Kläge- rin habe weder behauptet noch bewiesen, selber die Schlussabrechnung samt Mängelliste der Fertigstellungsarbeiten unterzeichnet und der Beklagten zur Ge- genzeichnung unterbreitet zu haben (act. 49 S. 13 E. 4.4.2.1.5).
Die Beklagte schliesst sich der Auffassung der Vorinstanz an (act. 55 S. 15 f. Rz 40 ff.).
Art. 82 OR ist nur bei vollkommen zweiseitigen Verträgen anwendbar, bei welchen zwei Pflichten zueinander im Austauschverhältnis stehen. Die Anwen- dung ist auf die Hauptleistungspflichten sowie auf bedeutende Nebenpflichten, ohne welche die Hauptleistung praktisch wertlos ist, beschränkt. Die Hauptpflich- ten beim Werkvertrag bestehen in der Herstellung und Ablieferung des Werkes einerseits und der Vergütungszahlung anderseits (BSK OR I-SCHROETER, 7. A., Art. 82 N 25 f., BK OR-WEBER, Art. 82 N 79;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht, Band I, N 101 f. und Band II, N 2214). Die Unterzeichnung der Schlussrechnung durch den Unternehmer ist reine Formsache bzw. im Rahmen des vollkommenen zweiseitigen Werkvertrags eine vertragliche Obliegenheit, welche nicht als Ver- tragspflicht gestützt auf Art. 82 OR eingefordert werden kann. Der Klägerin, wel- che die umfassenden Bauten offenkundig erstellt hat, kann daher Art. 82 OR bei der Einforderung des Werklohnes nicht mit der Begründung entgegengehalten werden, sie habe ihre Schlussrechnung nicht unterzeichnet bzw. ihre Unterschrift nicht angeboten. Mit der Zustellung der von ihr ausgefertigten Schlussrechnung brachte die Klägerin im Übrigen unmissverständlich zum Ausdruck, damit einver- standen zu sein. Da die Schlussrechnung als Anhang mit dem von der Klägerin
unterzeichneten Schreiben vom 29. Mai 2016 verschickt wurde, erschiene es überspitzt formalistisch, den Eintritt der Fälligkeit an der Unterzeichnung der Schlussrechnung scheitern zu lassen.
zeichnung der Schlussrechnung durch die Beklagte) soll nachgeholt werden. Wei- ter ist vor Augen zu halten, dass der Werklohn, sofern Art. 154 Abs. 2 und Art. 155 Abs. 2 SIA-Norm 118 nicht zur Anwendung gelangen (wie es im Übrigen die Beklagte postuliert), mit der Ablieferung (Abnahme) der zu erstellenden Bau- ten fällig wird (Art. 372 OR). Dabei ist es unerheblich, ob das Werk mit Mängeln behaftet ist oder nicht. Auch das Einrederecht nach Art. 82 OR verhindert die Fäl- ligkeit im Übrigen nicht (BGE 129 III 748 E. 7.2; PETER GAUCH, Der Werkvertrag,
A., N 2381, BSK OR I-SCHROETER, 7. A., Art. 75 N 10 f. und BSK OR IZINDEL/SCHOTT, 7. A., Art. 372 N 5 und 13). Hätten die Parteien die Anwendung der SIA-Norm 118 nicht vereinbart, wäre die eingeklagte Werklohnforderung der Klägerin bereits mit der Übergabe der Bauten im März 2019 fällig geworden. Art. 154 f. SIA-Norm schieben den gesetzlichen Fälligkeitstermin insoweit hinaus, als die Bauherrschaft vor Eintritt der Fälligkeit Gelegenheit zur Prüfung der Schlussrechnung erhalten soll. Die Bestimmungen bezwecken jedoch nicht, den Eintritt der Fälligkeit zu erschweren und zwingend von der Ansetzung einer Nach- frist durch den Unternehmer abhängig zu machen. Mit der Nachfrist soll diesem vielmehr ermöglicht werden, seine Werklohnforderung trotz Säumnis der Baulei- tung innert weniger Monate nach Übergabe des Werkes fällig werden zu lassen und eintreiben zu können (vgl. SCHUMACHER/MONN, a.a.O., Art. 154 N 17 und Art. 155 N 13). Die Möglichkeit der Nachfristansetzung ändert nichts daran, dass die Fälligkeit der Werklohnforderung in jedem Fall mit dem Prüfbescheid eintritt, und zwar unabhängig davon, ob eine Nachfrist (bereits) angesetzt wurde (SCHU- MACHER/MONN, a.a.O., Art. 155 N 5.1 und 12).
Beim Prüfbescheid handelt es sich um eine formlose Erklärung, mit welcher die Bauleitung dem Unternehmer ihre Ansicht über die Richtigkeit der Schluss- rechnung bekannt gibt, allenfalls unter Mitteilung von Differenzen (SCHUMA- CHER/MONN, a.a.O., Art. 154 N 18). Der Prüfbescheid kann formlos, d.h. ausdrück- lich oder stillschweigend erfolgen. Ob die Werklohnforderung fällig ist, stellt eine Rechtsfrage dar, welche vom Gericht anhand der Parteidarstellungen spätestens im Zeitpunkt des Endentscheids zu beantworten ist. Die Vorinstanz hat nicht ge- prüft, ob die Beklagte der Klägerin den Prüfbescheid bis zum Endentscheid still- schweigend oder ausdrücklich mitgeteilt hat. Die Ausführungen der Beklagten in
den Rechtsschriften im vorinstanzlichen Verfahren, in welchen sie sich detailliert mit der Schlussrechnung auseinandersetzte und sich damit ausdrücklich nicht einverstanden erklärte (u.a. act. 19 S. 10 ff.), stellen ohne Weiteres einen Bescheid über das Ergebnis der Prüfung im Sinne von Art. 154 Abs. 2 SIA Norm 118 dar. Die von der Klägerin erstinstanzlich geäusserte gegenteilige Auffassung, das jahrelange Stillschweigen der Beklagten bedeute eine konkludente Genehmigung der Schlussrechnung (u.a. act. 2 Rz 108), überzeugt dagegen nicht. Gemäss Rechtsprechung und herrschender Lehre kann aus dem ungenutzten Ablauf der Prüfungsfrist und einer entsprechenden Nachfrist nicht auf eine Anerkennung der Forderung geschlossen werden (OGer ZH LB130065 vom 4. Juli 2014 E. C/2.2; HGer ZH HG170017 vom 12. April 2019 E. 3.6.2). Unter diesen Umständen ist der (negative) Prüfbescheid mittlerweile erfolgt und die Fälligkeit der Werklohnfor- derung insoweit zu bejahen. Wann der Prüfbescheid genau erging und die Fällig- keit eintrat bzw. ob die Nachfrist korrekt eingeräumt wurde, braucht unter diesen Umständen nicht näher geprüft zu werden.
Für die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens wird der von der Berufungsklägerin geleistete Vorschuss von CHF 14'000.– herangezogen; der Überschuss wird der Berufungsklägerin zurückerstattet, unter Vorbehalt eines allfälligen Verrechnungsanspruchs. Die Berufungsbeklagte wird ver- pflichtet, der Berufungsklägerin CHF 8'000.– zu ersetzen.
Nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge- richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt CHF 202'887.80.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer Der Gerichtsschreiber:
Dr. M. Tanner versandt am:
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