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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LB210039: Obergericht des Kantons Zürich

Das Kantonsgericht hat im zweiten Rechtsgang über eine Brandstiftung entschieden. Der Beschuldigte wurde freigesprochen und ist nicht zu bestrafen. Er muss jedoch dem Amt für Justizvollzug einen Betrag von Fr. 3‘000.00 bezahlen. Die Verfahrenskosten werden dem Beschuldigten auferlegt, aber zu 50 % erlassen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden teilweise dem Beschuldigten auferlegt und im Rest vom Staat getragen. Der amtliche Verteidiger wird entschädigt. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts LB210039

Kanton:ZH
Fallnummer:LB210039
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LB210039 vom 01.06.2022 (ZH)
Datum:01.06.2022
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_299/2022
Leitsatz/Stichwort:Forderung (örtliche Zuständigkeit)
Schlagwörter : Gericht; Gerichtsstand; Berufung; Beklagten; Anwalt; Geschäft; Recht; Geschäftssitz; Parteien; Kollektivgesellschaft; Bezirksgericht; Klage; Gerichtsstands; Verfahren; Rechtsanwälte; Vorinstanz; Mandat; Gerichtsstandsklausel; Berufungskläger; Anwaltskanzlei; Kanton; Kantons; Verfahrens; Vollmacht; Klausel; Anwaltsbüro; -strasse
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 146 ZPO ;Art. 92 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts LB210039

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LB210039-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach und Oberrichterin lic. iur.

R. Bantli Keller sowie Gerichtsschreiber lic. iur. D. Siegwart

Urteil vom 1. Juni 2022

in Sachen

  1. Kläger und Berufungskläger

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,

    gegen

  2. ,

    Beklagter und Berufungsbeklagter

    vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. Y1. ,

    vertreten durch Rechtsanwältin M.A. HSG in Law and Economics Y2. ,

    betreffend Forderung (örtliche Zuständigkeit)

    Berufung gegen einen Beschluss der 4. Abteilung des Bezirksgerichtes Zürich vom 15. Juli 2021; Proz. CG200084

    Rechtsbegehren:

    1. Der Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger CHF 3'700'000.-zu bezahlen, zuzüglich Zins zu 5 % seit 5. März 1996 auf

    CHF 1'624'291.10 sowie 5 % auf CHF 489'153.35 seit 11. Januar

    2005 und 5 % seit 1. September 2004 auf CHF 1'586'555.55.

    1. Es sei der Rechtsvorschlag des Beklagten in der vom Kläger gegen ihn angehobenen Betreibung, Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Küsnacht-Zollikon-Zumikon Nr. ... vom 28. April 2020 zu beseitigen.

    2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beklagten.

Beschluss des Bezirksgerichtes:

  1. Auf die Klage wird nicht eingetreten.

  2. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 15'000.– festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten werden dem Kläger auferlegt und mit dem geleisteten Vorschuss verrechnet. Der Überschuss wird dem Kläger zurückerstattet. Das Verrechnungsrecht des Staates bleibt vorbehalten.

  4. Der Kläger wird verpflichtet, dem Beklagten eine Parteientschädigung von Fr. 41'931.20 zu bezahlen.

  5. Mitteilungssatz.

  6. Rechtsmittelbelehrung.

Berufungsanträge:

des Klägers und Berufungsklägers (act. 39):

Dispositiv-Ziff. 1 bis 4 des angefochtenen Beschlusses seien aufzuheben, und es sei auf die Klage einzutreten,

unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer, zulasten des Beklagten und Berufungsbeklagten.

des Beklagten und Berufungsbegeklagten (act. 49):

1. Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen und der Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 15. Juli 2021 (CG200084-L/U) vollumfänglich zu bestätigen.

2. Unter Kosten und Entschädigungsfolgen (inkl. Mehrwertsteuer) zu Lasten des Klägers und Berufungsklägers.

Erwägungen:

I.

  1. Am tt. mm. 1995 starb der Vater des Klägers und Berufungsklägers (fortan Kläger). Die Halbschwester des Klägers hob am 6. Juni 1996 einen Erbteilungsprozess gegen den Kläger an. Das Gerichtsverfahren führte zu mehreren Urteilen des Bezirksgerichts Zürich, des Obergerichts des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) und des Bundesgerichts. Vom 28. Juni 2000 bis zum Urteil des Bundesgerichts vom 11. Januar 2005 wurde der Kläger im Erbteilungsprozess vom Beklagten und Berufungsbeklagten (fortan Beklagter) anwaltlich vertreten (vgl. act. 4/1). Als Folge des Prozesses hatte der Kläger seiner Halbschwester mehrere Millionen Franken zu bezahlen. Der Kläger führt den für ihn ungünstigen Prozessausgang auf die angeblich falsche Prozesstaktik des Beklagten und dessen angebliche Fehler bei der Prozessführung zurück. Namentlich geht es um die Nichtherausgabe zu edierender Unterlagen trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Gerichte. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Schadenersatz in der Höhe von Fr. 3.7 Mio. wegen pflichtwidriger Prozessführung des Beklagten geltend.

  2. Mit Einreichung von Klageschrift und Klagebewilligung machte der Kläger die Klage am 16. Dezember 2020 bei der Vorinstanz anhängig (act. 1 und act. 3). Nach Einholung eines Kostenvorschusses wurde dem Beklagten Frist zur Klageantwort angesetzt, in welcher der Beklagte u.a. die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Zürich erhob (act. 20 S. 4). Mit Verfügung vom

1. April 2021 ordnete die Vorinstanz einen zweiten Schriftenwechsel an und setzte dem Kläger Frist zur Replik an (act. 22). Mit Eingabe vom 24. April 2021 ersuchte der Beklagte zwecks Vereinfachung des Verfahrens darum, das Verfahren einstweilen auf die Frage der Prozessvoraussetzungen, namentlich die Frage der örtlichen Zuständigkeit, zu beschränken (act. 24 S. 1 ff.). Die Vorinstanz wies den

Antrag des Beklagten ab mit der Begründung, der Beklagte habe erstmals in sei- ner umfassenden Klageantwort die Unzuständigkeitseinrede erhoben und eine Verfahrensbeschränkung beantragt. Wäre ihm wirklich an einer Vereinfachung des Verfahrens gelegen, so hätte er die Verfahrensbeschränkung bereits früher beantragen können. Derzeit könnte ein Nichteintretensentscheid naturgemäss nicht ergehen, der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör würde verletzt (act. 25 S. 2). Im Folgenden reichte der Kläger mit Eingabe vom 14. Juni 2021 ei- ne umfassende Replikschrift ein (act. 31).

Mit Beschluss vom 15. Juli 2021 trat das Bezirksgericht auf die Klage nicht ein, weil es örtlich nicht zuständig sei (act. 33 = act. 41 = act. 40/1 [nachfolgend als act. 41 zitiert], Dispositiv oben wiedergegeben).

3. Am 26. August 2021 (Datum Poststempel) erhob der Kläger rechtzeitig (act. 39 i.V.m. act. 34; Art. 145 Abs. 1 lit. b, Art. 146 Abs. 1 ZPO) Berufung mit

den oben wiedergegebenen Anträgen. Die vorinstanzlichen Akten (act. 1-37) wur- den beigezogen. Nachdem der Kläger den ihm auferlegten Vorschuss fristgerecht geleistet hatte (act. 43, act. 45), wurde dem Beklagten mit Verfügung vom 2. Februar 2022 Frist zur Berufungsantwort gesetzt (act. 47). Die Berufungsantwort wur- de fristgerecht erstattet und ist dem Kläger mit dem heutigen Entscheid zuzustellen (act. 49). Das Verfahren erweist sich als spruchreif. Auf die Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren ist soweit für die Entscheidfindung erforderlich nachfolgend einzugehen.

II.

  1. Die beklagte Partei hat im vorinstanzlichen Verfahren die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben. Am 28. Juni 2000 erteilte der Kläger den Rechtsanwälten bzw. Fürsprechern C. , D. , E. und F. die Vollmacht zur Führung des Prozesses gegen seine Halbschwester, G. , betreffend den Nachlass seines Vaters (E. I./1.). Für die Erledigung von Streitigkeiten aus diesem Auftragsverhältnis wurden die ordentlichen Gerichte des Kantons Zürich als zuständig anerkannt. Zu beurteilen ist die Tragweite der folgenden Vertragsklausel (act. 4/1):

    Für die Erledigung von Streitigkeiten aus diesem Auftragsverhältnis werden die ordentlichen Gerichte des Kantons Zürich als zuständig anerkannt. Ausschliesslicher Gerichtsstand ist der Geschäftssitz der Bevollmächtigten. Das schweizerische Recht ist anwendbar.

  2. Das Bezirksgericht begründete den Nichteintretensentscheid wegen fehlen- der örtlicher Zuständigkeit zusammengefasst damit, es sei kein übereinstimmen- der Wille der Parteien behauptet worden, wonach unabhängig von einer allfälligen späteren Sitzverlegung der Geschäftssitz im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Gerichtsstand gelten solle. Neben der allgemeinen Lebenserfahrung spreche vorliegend bereits der Wortlaut der Klausel, welche den Geschäftssitz der Bevollmächtigten erwähne, ohne diesen näher zu bezeichnen, für einen dynamischen Verweis. Andernfalls hätten die Parteien als Gerichtsstand auch einfach die Stadt Zürich bezeichnen können. Entgegen dem Kläger dürfte sich der Regelungszweck auch nicht darin erschöpft haben, Voraussehbarkeit in Bezug auf den Gerichtsstand zu schaffen, ansonsten die Parteien irgendeinen Gerichtsstand hätten vereinbaren können (act. 41 S. 8). Vielmehr sei evident, dass der Gerichtsstand zu Gunsten des Beklagten und im Hinblick auf dessen Geschäftssitz (wenn mit den Bevollmächtigten denn der Beklagte gemeint gewesen sei) vereinbart wor- den sei. Man könne argumentieren, dass die Parteien das Mandatsverhältnis nach der Aufgabe des Zürcher Geschäftssitzes gar nicht mehr fortgeführt hätten. Dies könne aber nicht entscheidend sein. Massgebend sei, wie die Parteien den

    Prozessvertrag im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hätten verstehen dürfen und müssen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Parteien für den Fall, dass der Geschäftssitz verlegt werden würde, am alten Standort als Gerichtsstand hätten festhalten wollen, obschon keine Partei mehr eine Beziehung dazu gehabt habe (act. 41 S. 8 f.).

  3. Der Kläger argumentiert zusammengefasst, er habe darauf vertrauen dürfen, dass auch dann keine anderen Gerichte zuständig sein sollten, wenn der Beklagte seinen Geschäftssitz verlegen aufgeben sollte (act. 39 Rz 16 ff.,

Rz 21). Das müsse umso mehr gelten, als die Parteien die ordentlichen Gerichte des Kantons Zürich als zuständig erklärt und einen ausschliesslichen Gerichtsstand vereinbart hätten. Der Kläger stützt sich somit auf den Geschäftssitz des Anwaltsbüros C. Rechtsanwälte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, was auch die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Zürich für die Beurteilung der vorliegenden Klage begründe. Weiter hält der Kläger fest, er habe das Mandat zur Führung des Prozesses gegen seine Halbschwester im Nachlass von A. sel. an den Beklagten als Einzelunternehmer erteilt, weshalb sein Mandat vom Beklagten als Einzelmandat geführt worden sei. Die in der Vollmacht vom 28. Juni 2000 (act. 4/1) ebenfalls aufgeführten Rechtsanwälte bzw. Fürsprecher (D. , E. , F. ) wie auch die in den späteren Rechtsschriften aufgeführten Rechtsanwälte (I. , H. ) seien Angestellte des Beklagten gewesen (act. 39 Rz 15, act. 31 S. 4, S. 9).

Der Beklagte macht demgegenüber zusammengefasst geltend, der Kläger habe den Auftrag sowie die Vollmacht und damit auch die Gerichtsstandvereinbarung vom 28. Juni 2000 mit der (nicht im Handelsregister eingetragenen) Kollektivgesellschaft Anwaltsbüro C. Rechtsanwälte mit damaligen Sitz in Zürich (von 1994 bis Mai 2005) abgeschlossen, und nicht mit dem Beklagten persönlich, was sich schon aus deren Wortlaut (Geschäftssitz der Bevollmächtigten) ergebe (act. 49 S. 4, act. 20 S. 4 f.). Die angerufene Gerichsstandsklausel sei für ihn persönlich gar nicht bindend (act. 49 Rz 11, Rz 23). Er habe seinen Wohnsitz in J. und sei als Einzelperson an die mit der Kollektivgesellschaft Anwaltsbüro

C. Rechtsanwälte abgeschlossene Vereinbarung des Gerichtsstands nicht

gebunden. Das Geschäft des Anwaltsbüros C. Rechtsanwälte und insbesondere auch die Mandatsbeziehung mit dem Kläger sei per 1. Mai 2005 im Nachgang des Entzugs seines Anwaltspatentes an das Büro H. & I. Rechtsanwälte an der K. -strasse ..., … L. , übertragen worden (act. 49 Rz 30, Rz 32). Er, der Beklagte, sei seit Jahren nicht mehr als Anwalt tätig und die Unterstellung, dass er für Ansprüche gegen ihn persönlich an die vor mehr als 20 Jahren abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung seines ehemaligen Anwaltsbüros gebunden sein solle, gehe fehl (act. 49 Rz 37 ff., Rz 47, act. 20 S. 4 ff.).

    1. Der Beklagte wendet in grundsätzlicher Weise ein, die Gerichtsstandsklausel müsse er sich nicht persönlich entgegenhalten lassen. Gemäss seiner Auffassung ist die streitgegenständliche Gerichtsstandsklausel für die damalige Kollektivgesellschaft abgeschlossen worden (act. 49 Rz 11) und später auf das Büro H. & I. Rechtsanwälte übergegangen (act. 49 Rz 11, Rz 22, Rz 32). Das Erbteilungsmandat sei zwar im Januar 2005 beendet worden (act. 41 S. 2, act. 4/23), die über das Erbteilungsmandat hinausgehende Geschäftsbeziehung der beteiligten Personen sei aber weitergeführt worden (act. 49 Rz 32).

      Die Vorinstanz lässt im Ergebnis offen, ob es sich beim Anwaltsbüro C. Rechtsanwälte um die Einzelfirma des Beklagten eine Kollektivgesellschaft gehandelt habe (act. 41 S. 5; vgl. Briefkopf in act. 4/6). Ob mit dem Beklagten die Anwaltskanzlei C. die Rechtsform einer Kollektivgesellschaft hatte, braucht im Rahmen der heutigen Prüfung der Prozessvoraussetzung der örtlichen Zuständigkeit in der Tat nicht beurteilt zu werden. Ob die Belangbarkeitsvoraussetzungen für den Beklagten gegeben sind, ist eine andere Frage. Es ist heute nicht zu entscheiden, ob der Beklagte persönlich belangt werden kann. Es ist (nur) zu entscheiden, ob das Bezirksgericht Zürich örtlich zuständig ist für die Beurteilung der Klage.

    2. Es blieb unbestritten, dass dem Beklagten mit Plenumsbeschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. September 2004 das Anwaltspatent entzogen worden war und als Folge davon der Beklagte seine Anwaltspraxis per 1. Mai 2005 aufgegeben hatte. Auf dieses Datum hin gründeten die (je nach Darstellung)

      bis dahin vom Beklagten angestellten bzw. mit diesem in einer Kollektivgesellschaft verbundenen H. und I. in L. die Kollektivgesellschaft Büro H. & I. Rechtsanwälte, welche sich in einer ersten Phase offenbar C. H. nannte, weil der Beklagte als Jurist ohne Anwaltspatent ebenfalls daran beteiligt war. Später fungierte der Beklagte für das Büro in L. als juristischer Mitarbeiter ohne Anwaltspatent (vgl. act. 41 S. 5, act. 32/5).

      Bei der Annahme, es handle sich bei der Anwaltskanzlei um eine Kollektivgesellschaft mit dem Beklagten als Gesellschafter, durfte der Kläger davon ausgehen, dass der Beklagte für die Kollektivgesellschaft hatte handeln können, die Gerichtsstandsklausel demzufolge für die Kollektivgesellschaft gilt und er, der Kläger, die Kollektivgesellschaft gestützt auf die Gerichtsstandklausel einklagen kann. Der Beklagte als Gesellschafter muss sich die Gerichtstandsvereinbarung entgegenhalten lassen, auch dann, wenn er, wie hier, persönlich belangt wird; bei einer subsidiären persönlichen Haftung der Gesellschafter ist ein einheitliches Forum gewährleistet. Bei der Annahme, es liege eine Einzelvollmacht vor, ergibt sich oh- ne Weiteres, dass sich der Beklagte die Gerichtstandsvereinbarung entgegenhalten lassen muss. Die Unterschrift des Beklagten fehlt zwar auf der vom Kläger unterzeichneten Vollmachtsurkunde, doch der Beklagte hat dem Kläger das eigene Vollmachtsformular mit der darin vorgeschlagenen Klausel zur Unterschrift vorgelegt. Dies genügt für eine Einigung der Parteien über eine Gerichtsstandsvereinbarung (BGer 4A_140/2012 vom 25. April 2012, E. 5.2.).

    3. Die Klausel sieht den ausschliesslichen Gerichtsstand am Geschäftssitz der Bevollmächtigten vor. Kernfrage ist, ob die Klausel dynamisch auf den jeweiligen Geschäftssitz bzw. Wohnort verweist statisch das Bezirksgericht Zürich als Gerichtsstand bestimmt.

      Der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien hinsichtlich der Tragweite der Gerichtsstandsklausel (E. II./1.) lässt sich nicht feststellen. Soweit der Kläger in der Berufung geltend macht, der Beklagte habe vor Vorinstanz nicht bestritten,

      dass er, der Kläger, darauf vertrauen durfte, dass auch dann keine anderen Gerichte zuständig sein sollten, wenn der Beklagte seinen Geschäftssitz verlassen aufgeben würde (act. 39 Rz 14 f.), ist auf die Bestreitung in der Klageantwort hinzuweisen. Der Beklagte bestritt eine tatsächliche Willensübereinstimmung hinsichtlich der Behauptung, dass der Gerichtsstand am Geschäftssitz selbst dann gelten würde, wenn dieser Geschäftssitz verlegt aufgehoben werden sollte (act. 49 Rz 14, 27, 50, act. 20 Rz 3 ff., 172). Die Gerichtsstandsklausel ist nach dem Vertrauensprinzip auszulegen.

    4. Damals, bei Abschluss des Mandatsvertrages im Juni 2000, war die Klausel so zu verstehen, dass alle Streitigkeiten aus dem Auftragsverhältnis vor ein und dasselbe Gericht gebracht werden sollten, und zwar vor das Bezirksgericht Zürich. Die Büroräumlichkeiten des Anwaltsbüros C. befanden sich unbestrittenermassen an der M. -strasse ... in Zürich. Vertragliche Schadenersatzansprüche, wie sie ein Haftpflichtprozess zum Gegenstand hat, sind Streitigkeiten aus dem Auftragsverhältnis zwischen den Parteien und demnach erfasst von der Gerichtsstandsklausel.

      Das Erbteilungsmandat war unbestrittenermassen mit Urteil des Bundesgerichtes vom 11. Januar 2005 abgeschlossen (act. 41 S. 2, act. 4/23). Die Sitzverlegung der (angeblichen) Kollektivgesellschaft mit dem Beklagten als Gesellschafter nach L. erfolgte nach Beendigung des Mandats, für welches die streitgegenständliche Vollmacht (act. 4/1) erteilt worden war. Sind die Bevollmächtigten als Kollektivgesellschaft zu verstehen (und bei Annahme einer über das Erbteilungsmandat hinausgehenden Geschäftsbeziehung), so wäre bei einem dynamischen Verweis auf das jeweils örtlich zuständige Gericht am Geschäftssitz die Klage am für L. zuständigen Bezirksgericht anhängig zu machen. Ein solcher dynamischer Verweis ist indes aus nachfolgenden Gründen nicht sachgerecht. Aus der Tatsache, dass im Vertragstext nicht explizit das Bezirksgericht Zürich vorgesehen war, lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht ableiten, die Parteien hätten sich (vertrauenstheroretisch) auf einen dynamischen Verweis geeinigt.

    5. Sinn und Zweck der Gerichtsstandsklausel war in erster Linie, den Anwälten zu ermöglichen, die Honorarforderungen an ihrem Geschäftssitz einzuklagen. Die Anwälte sollten nicht auf den ordentlichen Gerichtsstand am (jeweiligen) Wohnsitz des Schuldners (des Mandanten) verwiesen sein; dass ein Mandant umzieht, liegt im Bereich des Vorhersehbaren. Der Anwalt kann sich bei der Wohnsitzverlegung seines Klienten auf die abgeschlossene und für ihn günstige Gerichtsstandsklausel berufen, es bleibt beim gültigen Verzicht des Mandanten auf das Wohnsitzgericht, und der Anwalt kann seinen Mandanten am für seinen Geschäftssitz zuständigen Gericht einklagen. Umgekehrt ist es vergleichsweise viel weniger wahrscheinlich, dass eine Anwaltskanzlei in neue Räumlichkeiten ausserhalb des bislang zuständigen Gerichtsbezirks umzieht. Bezeichnenderweise sind die Parteien von Vornherein davon ausgegangen, dass die Anwaltskanzlei nicht aus dem Kanton Zürich wegziehen wird; es sind die Gerichte des Kantons Zürich für die Beurteilung der sich aus dem Auftragsverhältnis ergebenden Streitigkeiten vorgesehen.

      Der Kläger (Mandant) hat auf das Wohnsitzgericht verzichtet. Andererseits soll die Sitzverlegung auf beklagtischer Seite zuständigkeitsbestimmend sein. Wurde mit der Klausel das Wohnsitzgericht des Mandanten zugunsten des Gerichtsstandes der Anwaltskanzlei wegbedungen, so musste der Kläger insbesondere nach Beendigung des Mandats nach Treu und Glauben nicht erkennen, dass darüber hinaus als Gerichtsstand auch ein verlegter Sitz der Anwaltskanzlei bestimmt ist. Der Kläger (Mandant) musste nicht damit rechnen, dass eine als Kollektivgesellschaft konzipierte Anwaltskanzlei den Sitz wechselt, in einen anderen Gerichtsbezirk wegzieht und dieser Umzug zuständigkeitsbestimmend ist für die Beurteilung ei- ner Streitsache, die ihren Grund in einem vor der Sitzverlegung abgeschlossenen Mandat hat.

      In der Version der Einzelvollmacht hat der Beklagte nicht als Anwalt die Kanzlei verlegt. Im Zeitpunkt der Sitzverlegung war das Mandat abgeschlossen, für welches die Vollmacht erteilt wurde, und der Beklagte war im Zeitpunkt der Verlegung des Geschäftsortes nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen. Die Gerichtsstandsklausel widerspiegelt die Ausrichtung des Mandatsverhältnisses auf den

      Ort der Anwaltskanzlei, welchen es aber für den Beklagten ab Mai 2005 nicht mehr gab. Fraglich ist nun, ob der Klausel angesichts des fehlenden Geschäftssitzes im Sinne der Anwaltsvollmacht noch eine Bedeutung zukommt. Es ist indes nicht einzusehen, dass der Beklagte an seinem gesetzlichen Gerichtsstand, das heisst an seinem Wohnsitz belangt werden sollte, den die Parteien mit der Klausel gerade ausgeschlossen hatten. Vielmehr durfte der Kläger nach Treu und Glauben beim Fehlen eines aktuellen Geschäftssitzes auf den letzten Geschäftssitz des als Anwalt selbständig erwerbstätigen Beklagten in Zürich abstellen.

    6. Zusammenfassend ist sowohl bei der Annahme, es handle sich beim Anwaltsbüro C. um eine Kollektivgesellschaft wie auch bei der Annahme, es handle sich bei der besagten Anwaltskanzlei um ein Einzelunternehmen, die Gerichtsstandsklausel so auszulegen, dass insgesamt die Umstände für die Zustän- digkeit Zürich sprechen. Damit ist die Berufung gutzuheissen, der Nichteintretensentscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur Durchführung des Verfahrens zurückzuweisen.

Bei diesem Ausgang ist auf die vom Kläger geltend gemachten Bezüge des Beklagten zur Liegenschaft bzw. dem Domizil M. -strasse ... Zürich nicht vertieft einzugehen (act. 39 Rz 13). Der Beklagte ist noch Gesamteigentümer der Liegenschaft an der M. -strasse ... (act. 40/2). Diese Eigentumsverhältnisse begründen aber keinen Geschäftssitz im Sinne der Vollmachtsurkunde.

Der Beklagte ist sodann einzelzeichnungsberechtigter Präsident des Verwaltungsrates der N. AG Zürich. Das Unternehmen hatte seinen Sitz bis 11. Juni 2021 an der genannten M. -strasse ... und seither an der O. -strasse in Zürich (act. 40/3, act. 39 Rz 13). Der Beklagte ist zudem Präsident des Verwaltungsrates mit Kollektivunterschrift zu zweien der N. AG. Die N. AG hatte ihren Sitz bis 11. Februar 2021, demnach über das Datum der Anhängigmachung des Prozesses hinaus, an der M. -strasse ... in Zürich. Seither ist das Unternehmen an der Privatadresse des Beklagten an der P. -strasse ... in

J. domiziliert (act. 40/4). Es wurde nicht behauptet, dass der Beklagte in diesen Unternehmen als Arbeitsnehmer mit der Funktion des Verwaltungsrates

bzw. Verwaltungsratspräsidenten betraut wurde und er als Arbeitsnehmer (mit Weisungsbefolgungspflichten) an der jeweiligen Betriebsstätte seine Tätigkeit für das Unternehmen verrichtet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Beklagte seine Verwaltungstätigkeit für die soeben genannten Unternehmen gestützt auf ein organschaftliches Rechtsverhältnis ausübt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern eine auf diese Weise ausgeübte Verwaltungsratstätigkeit einen Geschäftssitz begründet.

III.

  1. Ausgangsgemäss wird der Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Ausgehend vom genannten Streitwert von Fr. 3.7 Mio. ist die Entscheidgebühr für das zweitinstanzliche Verfahren in Anwendung von § 2 Abs. 1 lit. c und d, § 4 Abs. 2, § 9 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 und Abs. 2 GebV OG auf Fr. 4'000.-festzusetzen. Die Kosten werden aus dem vom Kläger geleisteten Kostenvorschuss bezogen. Der Beklagte hat dem Kläger den Betrag zu ersetzen. Im Mehrbetrag ist der Kostenvorschuss dem Kläger unter Vorbehalt eines allfälligen Verrechnungsrechts der Gerichtskasse zurückzuerstatten.

    Der Beklagte hat dem Kläger für das vorliegende Berufungsverfahren zudem eine gestützt auf § 2 Abs. 1 lit. d und e, § 4 Abs. 2, § 10 lit. a und § 13 Abs. 1 Anw- GebV festzusetzende Parteientschädigung von Fr. 3'500.-zuzüglich 7.7 % Mehrwertsteuer, insgesamt Fr. 3'769.50, gerundet Fr. 3'770.--, zu bezahlen.

  2. Geht der Fall zur Durchführung des Verfahrens an die Vorinstanz zurück, ist das Kosten- und Entschädigungsdispositiv (Dispositiv-Ziffern 2-4) aufzuheben und es ist der Vorinstanz vorbehalten, im Zusammenhang mit dem Endentscheid neu über die Kosten- und Entschädigungsfolgen für ihre Instanz zu entscheiden.

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird gutgeheissen, der Nichteintretensentscheid aufgehoben und die Sache zur Durchführung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 4'000.-festgesetzt und dem Berufungsbeklagten auferlegt.

  3. Für die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens wird der vom Berufungskläger geleistete Vorschuss von Fr. 15'000.-herangezogen; der Überschuss wird dem Berufungskläger zurückerstattet, unter Vorbehalt eines allfälligen Verrechnungsanspruchs der Gerichtskasse. Der Berufungsbeklagte wird verpflichtet, dem Berufungskläger Fr. 4'000.-zu ersetzen.

  4. Der Berufungsbeklagte wird verpflichtet, dem Berufungskläger für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'770.-- (inkl. 7.7 MwSt) zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Berufungskläger unter Beilage eines Doppels der Berufungsantwort, act. 49, sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-

richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 92 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 3.7 Mio.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Oberrichterin:

lic. iur. R. Bantli Keller

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. D. Siegwart

versandt am:

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