E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LB170010
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LB170010 vom 06.06.2017 (ZH)
Datum:06.06.2017
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 5A_521/2017
Leitsatz/Stichwort:Aufhebung von Beschlüssen
Schlagwörter : Beklagten; Wohnung; Berufung; Vorinstanz; Stockwerke; Reglement; Recht; Wohnungen; Pflege; Bewohner; Zweck; Stockwerkeigentümer; Umnutzung; Kunden; Mietvertrag; Wohnen; Wohnnutzung; Beschlüsse; Parteien; Zweckbestimmung; Beschluss; Urteil; Aufhebung; Merversammlung; Verfahren; Schloss; Reglements; Betreuung; Büro; Berufungsklägerin
Rechtsnorm: Art. 101 ZPO ; Art. 382 ZGB ; Art. 648 ZGB ; Art. 712a ZGB ; Art. 712m ZGB ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:131 III 459;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LB170010-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter

lic. iur. et phil. D. Glur und Ersatzrichterin lic. iur. R. Bantli Keller sowie Gerichtsschreiber lic. iur. R. Barblan

Beschluss und Urteil vom 6. Juni 2017

in Sachen

  1. ,

    Klägerin und Berufungsklägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

    gegen

    Stockwerkeigentümergemeinschaft B. ...,

    Beklagte und Berufungsbeklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.

    betreffend Aufhebung von Beschlüssen

    Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Meilen vom 11. Januar 2017; Proz. CG150009

    Rechtsbegehren:

    (act. 2)

    1. Es seien die folgenden Beschlüsse der a.o. Stockwerkeigentü- merversammlung vom 2. September 2014 aufzuheben, soweit sie nicht gegenstandslos geworden sind:

      1. Ziffer 4 betreffend Umnutzung der Wohnungen C. im Haus B. ... sowie betreffend Aufforderung zur unverzüglichen Auflösung des Mietvertrages mit der D. GmbH;

      2. Ziffer 5 betreffend Mandatserteilung an den Ausschuss und die Verwaltung zur Ergreifung von rechtlichen Schritten gegen die Umnutzung der Wohnungen C. ;

      3. Ziffer 6 betreffend die Ergänzung des Budgets 2014 mit einem Kredit für die Aufwendungen im Zusammenhang mit Ziffer 4 und 5.

    2. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zuzüglich Kosten des Schlichtungsverfahrens von Fr. 525.00 und gesetzliche Mehrwertsteuer) zulasten der Beklagten.

Präzisiertes Rechtsbegehren:

(act. 42)

  1. Die Rechtsbegehren 1.b und 1.c um Aufhebung der Beschlüsse der a.o.

    Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. September 2014 (Ziff. 5 und 6) betreffend Mandatserteilung an den Ausschuss und die Verwaltung zur Ergreifung von rechtlichen Schritten gegen die Umnutzung der Wohnungen C. sowie betreffend die Ergänzung des Budgets 2014 werden als gegenstandslos abgeschrieben.

  2. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, zusammen mit dem nachfolgenden Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Das Rechtsbegehren 1.a um Aufhebung der Beschlüsse der a.o. Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. September 2014 (Ziff. 4) betreffend Umnutzung der Wohnungen C. im Haus B. ... sowie betreffend Aufforderung zur unverzüglichen Auflösung des Mietvertrages mit der D. GmbH wird abgewiesen.

  2. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    CHF 11'700.- ; die weiteren Kosten betragen: CHF 525.- Schlichtungskosten;

    CHF 12'225.- Gerichtskosten total

  3. Die Gerichtkosten werden der Klägerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von CHF 7'300.- verrechnet.

  4. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung von insgesamt CHF 17'280.- (8 % Mehrwertsteuer darin enthalten) zu bezahlen.

  5. (Mitteilungen)

  6. (Rechtsmittel)

    Berufungsanträge:

    der Klägerin und Berufungsklägerin (act. 59):

    1. Das angefochtene Urteil sei aufzuheben.

    2. Es sei der Beschluss Ziffer 4 der a.o. Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. September 2014 betreffend Umnutzung der Wohnungen C. im Haus B. ... sowie betreffend Aufforderung zur unverzüglichen Auflösung des Mietvertrages mit der D. GmbH aufzuheben.

    3. Es seien die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens (einschliesslich Kosten des Schlichtungsverfahrens) der Beklagten aufzuerlegen. Diese sei ferner zur Leistung einer Prozessentschädigung an die Klägerin (zuzüglich gesetzliche Mehrwertsteuer) zu verpflichten.

    4. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zuzüglich gesetzliche Mehrwertsteuer) zulasten der Beklagten.

der Beklagten und Berufungsbeklagten (act. 68):

Es sei die Berufung vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann;

unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu Lasten der Klägerin und Berufungsklägerin.

Erwägungen:

I.
  1. Beklagte und Berufungsbeklagte (fortan Beklagte) ist die Stockwerkeigentümergemeinschaft B. ... in Meilen, die am 30. August 1993 errichtet wurde (vgl. act. 4/2). Die Klägerin und Berufungsklägerin (fortan Klägerin) ist Eigentümerin der (miteinander verbundenen) Stockwerkeinheiten 2 und 4 in der Liegenschaft B. ... mit einer Wertquote von 44/1000 bzw. 45/1000.

    Mit Mietvertrag vom 13. Mai 2014 vermietete die Klägerin ihre Wohneinheiten ab dem 1. Oktober 2014 für fünf Jahre an die D. GmbH zur Nutzung für altersgerechtes, begleitetes Wohnen (act. 9/1; Prot. VI S. 9). An der Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. September 2014 beschloss die Beklagte mit

    23 Stimmen gegen eine Stimme bei einer Enthaltung, dass die Wohnungen der Klägerin nicht umgenutzt werden dürften, und forderte die Klägerin bzw. ihren Ehemann mit 23 Stimmen gegen zwei Stimmen auf, den Mietvertrag mit der

    1. GmbH aufzulösen. Ferner wurde die Verwaltung der Beklagten bzw. der Ausschuss ermächtigt, entsprechende rechtliche Schritte zu ergreifen, und das Budget wurde um diesen Posten ergänzt (act. 4/3).

  2. Mit Einreichung der Klagebewilligung vom 7. Januar 2015 (act. 1) und der Klageschrift vom 5. Februar 2015 (act. 2) verlangte die Klägerin bei der Vorinstanz die Aufhebung der erwähnten Beschlüsse der Beklagten. Mit Eingabe vom 23. Juni 2015 beantwortete die Beklagte die Klage (act. 18). Am 24. September 2015 wurde eine Instruktionsverhandlung durchgeführt. Das Verfahren wurde daraufhin mehrmals für aussergerichtliche Vergleichsgespräche sistiert, letztmals bis zum 31. Mai 2016. Da die Vergleichsbemühungen nicht erfolgreich waren, wurde das Verfahren wieder aufgenommen und eine schriftliche Replik (act. 42) und Duplik (act. 46) eingeholt. Nachdem beide Parteien auf mündliche Parteivorträge verzichtet hatten, fällte die Vorinstanz am 11. Januar 2017 das Urteil und wies die Klage ab (act. 56 = act. 61).

  3. Mit Eingabe vom 14. Februar 2017 (act. 59) erhob die Klägerin rechtzeitig Berufung gegen den vorinstanzlichen Entscheid, der ihr am 17. Januar 2017 zugestellt worden war (act. 57). Den mit Verfügung vom 22. Februar 2017 (act. 62) auferlegten Vorschuss für die Kosten des Berufungsverfahrens leistete sie vor Ansetzung einer Nachfrist gemäss Art. 101 Abs. 3 ZPO (vgl. act. 66 S. 2). Die Beklagte beantwortete die Berufung mit Schriftsatz vom 29. März 2017 (act. 68). Dazu liess sich die Klägerin mit Eingabe vom 10. April 2017 (act. 71) unaufgefordert vernehmen. Diese Eingabe wurde der Beklagten am 12. April 2017 zugestellt (act. 73). Das Verfahren ist spruchreif.

  4. Mit Bezug auf die Rechtsbegehren 1.b und 1.c um Aufhebung der Beschlüs- se der ausserordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. September 2014 (Ziff. 5 und 6) betreffend Mandatserteilung an den Ausschuss und die Verwaltung zur Ergreifung von rechtlichen Schritten gegen die Umnutzung der Wohnungen C. sowie betreffend die Ergänzung des Budgets 2014 schrieb die Vorinstanz das Verfahren als gegenstandslos ab, weil das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nach den Beschlüssen der Beklagten vom 27. Januar 2015 (act. 4/9) nachträglich weggefallen war (act. 61 S. 17 E. 12 und S. 18 f. Beschluss Disp.- Ziff. 1). Insoweit wurde der vorinstanzliche Entscheid nicht angefochten und ist er mithin rechtskräftig geworden, was vorab festzustellen ist.

II.
  1. Mit Mietvertrag vom 13. Mai 2014 vermietete die Klägerin zwei intern zu einer 8 ½-Zimmerwohnung verbundene Wohneinheiten in der Überbauung der Beklagten ab dem 1. Oktober 2014 an die D. GmbH zur Nutzung für altersgerechtes, begleitetes Wohnen (act. 9/1).

    Beschlussfassung über Umnutzung der Wohnungen C. im Haus B.

    ... hiess ein Traktandum der Stockwerkeigentümerversammlung vom 2. September 2014. Die Mehrheit vertrat die Meinung, dass die vorgesehene Nutzung durch die D. GmbH als gewinnorientierter, kommerzieller Betrieb mit Kundenkontakt gegen das Reglement der Beklagten verstosse, und lehnte eine solche Umnutzung ab. E. , der Ehemann der Klägerin, wurde aufgefordert, den Mietvertrag mit der D. GmbH unverzüglich aufzulösen (act. 4/3 S. 1 und 4).

  2. Da die ursprünglich im Reglement der Beklagten enthaltene Schiedsklausel anlässlich der gleichen Versammlung gestrichen worden war, was unangefochten blieb (vgl. act. 2 S. 3 Ziff. 4; act. 4/3 S. 2 Ziff. 3), gelangte die Klägerin gestützt auf Art. 75 i.V.m. Art. 712m Abs. 2 ZGB an die Vorinstanz und verlangte die Aufhebung jener Beschlüsse.

    In verfahrensmässiger Hinsicht wendete die Klägerin beiläufig ein, die Auflösung des Mietvertrags sei gar nicht traktandiert gewesen, weshalb darüber nicht hätte Beschluss gefasst werden dürfen (act. 2 S. 8 Ziff. 15). Dazu erwog die Vorinstanz, dies treffe zwar zu, aber, nachdem dieser Mangel an der Versammlung nicht gerügt worden sei, habe die Klägerin ihr Klagerecht mit Bezug darauf verwirkt

    (act. 61 S. 7 E. 2), was zu Recht nicht beanstandet wurde.

    In inhaltlicher Hinsicht machte die Klägerin geltend, die beabsichtigte Nutzung ihrer Wohneinheiten verstosse nicht gegen die reglementarische Zweckbestimmung und stelle daher keine Umnutzung dar, für welche die Zustimmung der Beklagten erforderlich wäre. Daraus schloss sie, der angefochtene Beschluss, der diese Nutzung verbiete, stelle eine nachträgliche Zweckänderung dar, die ihr gestützt auf Ziff. 6 Abs. 3 und Ziff. 36 lit. a des Reglements (act. 4/1 S. 7 und S. 18; vgl.

    auch Art. 648 Abs. 2 ZGB) nicht gegen ihren Willen aufgezwungen werden könne, sondern einstimmig beschlossen werden müsste (act. 2 S. 5 ff.).

    Wie das Protokoll der ausserordentlichen Versammlung vom 2. September 2014 zeigt, geht die Beklagte von einem diametral anderen Verständnis aus: Ihrer Meinung nach widerspricht die von der Klägerin beabsichtigte Nutzung der reglementarischen Zweckbestimmung. Ihre Mitglieder seien nicht verpflichtet, einer anderweitigen Nutzung der Stockwerkeigentumseinheiten und somit einer Änderung des Reglements zuzustimmen. Folglich hätten sie die Zustimmung zur Umnutzung der Wohnungen rechtsgültig verweigert. Die Aufhebung des Mietvertrags mit der D. GmbH sei die logische Konsequenz aus der fehlenden Einwilligung der Gemeinschaft für die geplante Nutzungsänderung (act. 4/3 S. 4; act. 18 S. 13 lit. g; act. 68 S. 6 Ziff. 15 f.).

  3. Ziffer 8 des Reglements der Beklagten trägt den Titel Zweckbestimmung und lautet wie folgt (act. 4/1 S. 8):

    Die Stockwerke dürfen nur zu den im Begründungsakt und in diesem Reglement umschriebenen Zwecken verwendet werden.

    Die Wohnungen sind ausschliesslich zu Wohnzwecken bestimmt.

    Die Einrichtung eines stillen Bürobetriebes ohne Kundenverkehr ist gestattet, wobei die Bestimmungen der Bauund Zonenordnung vorbehalten bleiben.

    In keinem Fall sind Tätigkeiten gestattet, welche z.B. übelriechende Gerüche oder starken Lärm etc. verursachen.

  4. Der materiellen Behandlung der Streitsache schickte die Vorinstanz voraus, dass bei der Anfechtung vor Gericht nicht die Angemessenheit und Zweckmäs- sigkeit der Beschlüsse der Stockwerkeigentümergemeinschaft zu überprüfen sind (act. 61 S. 8 m.H. auf BGE 131 III 459 R. 5.1), was von der Beklagten im Berufungsverfahren in Erinnerung gerufen wird (act. 68 S. 7 Ziff. 17).

    In der Sache ist die Vorinstanz der Auffassung der Beklagten gefolgt. Beim Angebot der D. GmbH handle es sich um eine gewinnorientierte Nutzung der Wohnung zur Betreuung und Pflege betagter Personen. Ein solcher kommerzieller Dienstleitungsbetrieb sei gemäss Ziff. 8 des Reglements ausgeschlossen. Eine

    stille Büronutzung ohne Kundenverkehr, welche das Reglement als einzige Ausnahme gestatte, mache die Klägerin nicht geltend. Ein grosser Kundenbzw. Personenverkehr werde zwar bestritten. Die Rundum-Betreuung der Bewohner der Pflegewohnung bedinge aber zwangsläufig ein gewisses Verkehrsaufkommen. Die Vorinstanz prüfte sodann von Amtes wegen, ob ein Rechtsmissbrauch vorliege, was sie verneinte. Die gesamtgesellschaftlichen Argumente der unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter (UBA), deren Stellungnahme im baurechtlichen Bewilligungsverfahren die Klägerin eingereicht hatte (act. 4/6), seien aus politischer Sicht zwar bedenkenswert, hätten bei der vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung aber kein Gewicht (act. 61 S. 11 ff.).

  5. Die Klägerin wirft der Vorinstanz vor, dass sie nicht auf die Sicht der Bewohner abstelle, welche dort wohnten, ohne Immissionen zu verursachen, die nicht auch bei einer Nutzung der Stockwerkeigentumseinheit als Wohnung aufträten, sondern, dass sie ausschliesslich auf die D. GmbH fokussiere, welche als Mieterin in den Räumlichkeiten einen kommerziellen Dienstleistungsbetrieb führe, was irrelevant sei, da es nicht auf eine (betriebs-)wirtschaftliche, sondern auf die objektive Beurteilung der Nutzung der Wohnung ankomme, bei der die Sicht der Bewohner im Zentrum stehen müsse und nicht komplett ausgeblendet werden dürfe (act. 59 S. 5).

    Für die betagten Bewohner gehe es zunächst einmal darum, ein Zuhause zu haben. In Übereinstimmung damit steht für die Klägerin das Vertragselement des Wohnens gegenüber der Pflege im Vordergrund. Sämtliche das Wohnen charakterisierenden Aspekte seien erfüllt, insbesondere der Lebensmittelpunkt. Mit Blick darauf, dass der Einzug in eine Pflegewohnung regelmässig die letzte Veränderung der Wohnsituation und die letzte Verschiebung des Lebensmittelpunkts darstelle, könnte der beabsichtigte Verbleib dauernder kaum sein, führt die Klägerin an (act. 59 S. 6 Ziff. 6 und S. 7 Ziff. 11).

    Wenn das Reglement festhalte, dass die Wohnungen für Wohnzwecke bestimmt seien, sei entscheidend, ob in den Wohnungen gewohnt werde, nicht hingegen, ob die Klägerin ihre Einheit selber an die Bewohner vermiete oder ob ein Dritter dies tue; ebenso wenig komme es darauf an, ob sie oder ein Dritter damit einen

    Gewinn zu erzielen versuche und ob dafür allenfalls öffentlich-rechtlich Bewilligungen erforderlich seien. Auf die Nutzung der Wohnungen und auch die davon ausgehenden Immissionen oder den dadurch ausgelösten Verkehr hätten diese Modalitäten keinerlei Einfluss (act. 59 S. 7).

    Ob die Mieter einer Wohnung pflegebedürftig würden (und dann Pflegeverträge mit Dritten abschliessen könnten, wie dies jeder Bewohner der Liegenschaft jederzeit tun könnte) oder ob eine GmbH als Mieterin pflegebedürftige Bewohner aufnehme, sei eine organisatorische Unterscheidung, welcher für die Qualifikation der Nutzung der Räumlichkeiten keine entscheidende Bedeutung zukomme, und zwar unabhängig davon, ob die Betreuung durch Familienmitglieder oder durch Fachpersonen erfolge (act. 59 S. 6 f.).

  6. Die Vorinstanz legte das Reglement der Beklagten nach dem Vertrauensprinzip aus (act. 61 S. 10 E. 3). Die Klägerin bezieht sich nicht auf einen abweichenden tatsächlichen Parteiwillen und bezeichnet die Frage, ob die vorliegend strittige Pflegewohnung mit der Zweckbestimmung des Reglements der Beklagten vereinbar ist, als Rechtsfrage (act. 59 S. 4 f. Ziff. 2). Trotz des auch auf diesem Gebiet grundsätzlich geltenden Vorrangs des übereinstimmenden wirklichen Parteiwillens (vgl. BSK ZGB II-Bösch, Art. 712g N 12a), ist das Vertrauensprinzip daher für die Auslegung massgeblich.

    Die alleineigentümerähnliche Stellung des Stockwerkeigentümers, auf welche sich die Klägerin beruft (act. 42 S. 10 Ziff. 21), steht einer Beschränkung der Eigentümerbefugnisse durch eine Vereinbarung der Mitglieder nicht entgegen

    (BK ZGB-Meier-Hayoz, Art. 712a N 39). Der Zweck, der nur einstimmig festgelegt werden kann (Art. 648 Abs. 2 ZGB), gibt die zulässigen Nutzungen vor. Die Zweckbestimmung kann positiv oder negativ ausfallen (ZK-Wermelinger,

    Art. 712a ZGB N 181). Das Reglement der Beklagten umschreibt den Zweck positiv (act. 4/3 S. 8 Ziff. 8):

    Die Wohnungen sind ausschliesslich für Wohnzwecke bestimmt.

    Diese vermeintlich klare Umschreibung lässt offen, was nicht darunter fällt und im Sinne eines Umkehrschlusses unzulässig sein soll: Eine gewerbliche Nutzung,

    wie die Beklagte und die Vorinstanz annehmen, oder jede andere Nutzung als eine Wohnnutzung, also beispielsweise ein (privater oder gewerblicher) Gebrauch als Büro, Atelier, Behandlungsraum oder Fitnessstudio.

    Diese Frage stellt sich, weil sich die vorgesehene gewerbliche Nutzung dadurch auszeichnet, dass das Wohnen ein Element (zur Gewichtung dieses Elements später) dieser Nutzung darstellt, so dass der Verweis auf den Wortlaut nicht selbsterklärend ist, wie der Standpunkt der Klägerin zeigt, die sich darauf beruft, dass in den fraglichen Räumen gewohnt werde (act. 42 S. 6 f. Ziff. 12).

    In der juristischen Literatur wird der Begriff der Wohnnutzung oft als Gegensatz zur gewerblichen Nutzung verwendet, so etwa im Mietrecht, wo für die Miete von Wohnund Geschäftsräumen Sonderregeln gelten. Die Literatur zum Recht der Stockwerkeigentümergemeinschaft hebt im Zusammenhang mit Nutzungsbeschränkungen den gewerblichen und beruflichen Gebrauch hervor, was darauf hindeutet, dass dieses Feld ein häufiger Anwendungsbereich von solchen Einschränkungen ist (BK-Meier-Hayoz, Art. 712a ZGB N 45).

    In Anlehnung an eine solche Terminologie betont die Beklagte, dass es sich beim Vertrag zwischen der Klägerin und der D. GmbH um eine Geschäftsraummiete handle (act. 46 S. 8 Ziff. 9). Dieses Verständnis setzt jedoch ein Hintergrundwissen voraus, das bei der Klägerin als Nichtjuristin, die überdies an der Formulierung des Reglements nicht beteiligt war (etwas anderes wird von der Beklagten nicht geltend gemacht und geht aus den Akten nicht hervor), nicht vorausgesetzt werden kann und ihr daher nach dem Vertrauensprinzip nicht entgegen gehalten werden kann (vgl. BSK ZGB II-Bösch, Art. 712g N 12a m.H. auf BGer vom 24.05.2012, 5A_865/2011 E. 3.2).

    Die Annahme der Vorinstanz, eine kommerzielle Nutzung sei mit der Ausnahme von stillen Bürobetrieben ohne Kundenverkehr ausgeschlossen (act. 61 S. 11

    1. 5), greift daher zu kurz. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch steht die Zweckbestimmung der Beklagten (ausschliesslich für Wohnzwecke bestimmt) einer gewerblichen Wohnnutzung als Sonderfall einer Wohnnutzung nicht entgegen. Würde die Klägerin ihre Wohnung an eine natürliche oder juristische Person

    vermieten, die diese Wohnung im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit an Angehörige einer besonderen Bevölkerungsgruppe (z.B. Expats oder Senioren) untervermietet, wäre das grundsätzlich zulässig.

  7. Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und der D. GmbH hält zum Thema Gebrauchszweck fest (act. 9/1 S. 2 Ziff. 7):

    Das Mietobjekt darf nur als Wohnung benutzt werden.

    Die Trägerschaft nützt diese Wohnung für altersgerechtes, begleitetes Wohnen.

    Es ist unbestritten, dass neben dem Wohnen auch die Pflege Teil dieses Angebots ist. Über das Verhältnis dieser beiden Elemente gehen die Ansichten der Parteien jedoch auseinander. Während die Klägerin die Wohnnutzung als Hauptsache und die Pflege als Nebenleistung darstellt (act. 59 S. 7 Ziff. 11), sieht die Beklagte das Element der Pflege gegenüber dem Wohnen im Vordergrund und bestreitet, dass die Bewohner diese Wohnform primär um des Wohnens willen wählten, sondern macht geltend, sie nähmen in erster Linie Pflegedienstleistungen in Anspruch (act. 68 S. 3 Ziff. 7 und S. 4 f. Ziff. 10).

    Aus einer Aufstellung der zusätzlichen Betreuungstaxe, die für besondere pflegerische Dienstleistungen zusätzlich zur Grundtaxe verrechnet werden, schloss die Vorinstanz, dass dieses Dienstleistungspaket, d.h. die Pflege, und nicht die Wohnmöglichkeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht im Vordergrund stehe (act. 61

    S. 14; vgl. dazu die Beklagte in act. 68 S. 5 Ziff. 12), was die Klägerin jedoch gestützt auf die selben Zahlen und unter Verweis auf das Verhältnis zwischen Grundtaxe und (zusätzlicher) Betreuungstaxe in Abrede stellt (act. 71 S. 3 Ziff. 4).

    Verträge wie sie zwischen der D. GmbH und den einzelnen Bewohnern bestehen, werden in der Praxis uneinheitlich als Heimoder Heimaufnahme-, Pensions-, Beherbergungsund Betreuungsvertrag (vgl. auch Art. 382 ZGB) bezeichnet und stellen in der Regel gemischte Innominatverträge dar, deren Hauptelemente auftragsrechtlicher und mietvertraglicher Natur sind, wobei nach der Lehre das auftragsrechtliche Element überwiegt (Breitschmid / Steck / Wittwer, Der Heimvertrag, FamPra.ch 2009 867 ff., S. 868 und S. 885 m.w.H.; vgl. act. 46 S. 12 Ziff. 6

    und act. 68 S. 7 Ziff. 19).

    Das widerspricht dem Standpunkt der Klägerin, wonach es sich beim Gebrauch ihrer Wohneinheiten durch die D. GmbH um eine zulässige Wohnnutzung handle, und zeigt auf, dass die Vermietung an die D. GmbH das Reglement der Beklagten auch dann verletzt, wenn nicht auf ihren kommerziellen Charakter, sondern auf die Art der Nutzung abgestellt wird. Die Gewichtung der Vertragselemente, welche zwischen den Parteien umstritten ist, ist dabei nicht entscheidend. Selbst wenn man das mietvertragliche Element stärker berücksichtigt, als es die Lehre tut, liegt keine reine Wohnnutzung, sondern eine gemischte Nutzung vor, was gegen die reglementarische Vorgabe einer ausschliesslichen Wohnnutzung verstösst.

    Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Gebrauch der Wohneinheiten der Klägerin für altersgerechtes, begleitetes Wohnen durch die D. GmbH keine Wohnnutzung im Sinne des Reglements der Beklagten ist und daher eine Umnutzung darstellt, die nur mit der Einwilligung der übrigen Mitglieder der Beklagten zulässig wäre.

  8. Im Sinne einer Ausnahme lässt das Reglement der Beklagten die Einrichtung eines stillen Bürobetriebs ohne Kundenverkehr zu (act. 4/3 S. 8 Ziff. 8). Wie die Vorinstanz erwähnt, zielt diese Bestimmung auf einen selbständig erwerbenden Bewohner, der zwar seine Hauptarbeitsstätte am Ort der Stockwerkeigentü- mergemeinschaft hat, seine Kunden aber an einem externen Ort empfängt (oder die Kunden besucht), oder auf einen Bewohner, der regelmässig im Sinne eines Home-Office an seinem Wohnort arbeitet (act. 61 S. 15 E. 9). Die von der Klägerin vorgesehene Nutzung entspricht nicht diesem Bild, und die Klägerin beruft sich denn auch nicht auf diese Bestimmung, wie die Vorinstanz festhält (act. 61 S. 15

    E. 9). Doch das schliesst die analoge Zulassung von weiteren Ausnahmen nicht aus.

    Auch andere Bewohner empfangen Besucher oder werden pflegebedürftig und lassen sich von Angehörigen oder Fachpersonen pflegen, ohne dass sich das auf die von einer Wohnung ausgehenden Immissionen oder den dadurch ausgelösten Verkehr grundlegend auswirkt (act. 59 S. 7 Ziff. 10). Die Rundum-Betreuung der Bewohner der Pflegewohnung einschliesslich der regelmässigen Belieferung mit

    Verpflegung, Medikamenten, frischer Wäsche bringt jedoch unvermeidlich ein gewisses Verkehrsaufkommen mit sich (act. 61 S. 15 f. E. 9). Dass es sich dabei nicht um Kundenverkehr handelt (act. 71 S. 3 Ziff. 6), ist zwar richtig. Wegen der eingeschränkten Mobilität der Zielgruppe zirkulieren bei diesem Geschäftsmodell nicht die Kunden, sondern die Dienstleister (Pfleger, die im Schichtbetrieb arbeiten und sich ablösen, sowie Lieferanten).

    An der Anwesenheit von zusätzlichen, teils unbekannten Personen im Haus, was die Beklagte mit ihrer Zweckbestimmung (neben unangenehmen Gerüchen und Lärm) vermeiden wollte, ändert sich dadurch nichts. Die Beklagte beschreibt in diesem Zusammenhang einen regelmässigen Personenverkehr, der Immissionen und Beeinträchtigungen der Privatsphäre der Stockwerkeigentümer mit sich bringe (act. 68 S. 6 Ziff. 13; vgl. auch act. 46 S. 6 Ziff. 4). Die damit verbundenen Immissionen sind zwar grundsätzlich nicht anderer Art als bei einer zulässigen Wohnnutzung, aber ihr Ausmass ist (mit Blick auf die zimmerweise Belegung und den Gesundheitszustand der Zielgruppe dieses Angebots) grösser.

    Wie die Beklagte zu Recht anmerkt, ist der Betrieb der D. GmbH nicht mit einem stillen Büro gleichzusetzen (act. 46 S. 12 Ziff. 5). Es besteht kein Anlass zur Annahme, die Beklagte hätte eine solche Nutzung in Analogie zum Ausnahmetatbestand einer Büronutzung ohne Kundenverkehr zulassen wollen. Der Umstand, dass die von der Klägerin beabsichtigte Nutzung aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive sinnvoll und unterstützungswürdig erscheint, hindert die Beklagte nicht daran, diese in ihren Räumen zu untersagen, wie bereits die Vorinstanz bemerkte (act. 61 S. 17).

  9. Der Schluss der Vorinstanz, dass keine nach der Zweckbestimmung der Beklagten zulässige Nutzung vorliegt, ist zutreffend. Die angefochtenen Beschlüsse der Beklagten verstossen demnach nicht gegen das Gesetz oder das Reglement der Beklagten. Die Berufung ist daher abzuweisen, und das Urteil der Vorinstanz, mit dem die Klage abgewiesen wurde, ist zu bestätigen.

III.

Ausgangsgemäss wird die Klägerin für das Berufungsverfahrens kostenund entschädigungspflichtig. Die Entscheidgebühr und die Parteientschädigung, welche sich aufgrund des Streitwerts ergeben, sind rund um die Hälfte bzw. zwei Drittel zu ermässigen (§ 4 Abs. 1 und 2 GebV OG bzw. § 4 Abs. 1 und 2 sowie § 13

Abs. 2 AnwGebV).

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Bezirksgerichts Meilen vom

    11. Januar 2017 (Abschreibung des Verfahrens bezüglich Rechtsbegehren

    1.b und 1.c) in Rechtskraft erwachsen ist.

  2. Schriftliche Mitteilung mit nachstehendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:

  1. Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Bezirksgerichts Meilen vom

    11. Januar 2017 wird bestätigt.

  2. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 9'000.- festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Klägerin und Berufungsklägerin auferlegt und mit ihrem Kostenvorschuss verrechnet.

  4. Die Klägerin und Berufungsklägerin wird verpflichtet, der Beklagten und Berufungsbeklagten für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 7'560.- (8% MWSt. eingeschlossen) zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an das Bezirksgericht Meilen je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 333'200.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Der Vorsitzende:

lic. iur. P. Diggelmann

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. R. Barblan

versandt am:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.
www.swissactiv.ch
Menschen zusammenbringen, die gemeinsame Interessen teilen
Die Freude an Bewegung, Natur und gutem Essen fördern
Neue Leute treffen und Unternehmungen machen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz