Zusammenfassung des Urteils LB140039: Obergericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um eine rechtliche Auseinandersetzung bezüglich der Rechtsöffnung zwischen einem Gesuchsteller und einem Gesuchsgegner vor dem Obergericht des Kantons Zürich. Der Gesuchsteller hatte Rechtsöffnung für einen ausstehenden Restbetrag beantragt, basierend auf einer Schuldanerkennung, die von einem Rechtsanwalt unterzeichnet wurde. Die Vorinstanz wies das Rechtsöffnungsgesuch ab, da der Gesuchsteller nicht mehr im guten Glauben war, dass eine Kollektivgesellschaft zwischen den Parteien bestand. Das Obergericht entschied, dass die Beschwerde des Gesuchstellers unbegründet ist und wies die provisorische Rechtsöffnung ab. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Gesuchsteller auferlegt, und er wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung verpflichtet.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LB140039 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 14.11.2014 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Unfall; Gutachten; Beruf; Berufung; Gutachter; Beschwerden; Gericht; Patient; Patientin; Verfahren; Beurteilung; Bezirksgericht; Verjährung; Recht; Beklagten; Bericht; Urteil; Widerklage; Nacken; Unterlagen; Beweis; Untersuchung; Schleuderverletzung; Schmerz; Forderung; Fragen; Kopfschmerzen; Verfahrens; überwiegend |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 123 ZPO ;Art. 138 OR ;Art. 183 ZPO ;Art. 2 ZGB ;Art. 317 ZPO ;Art. 404 ZPO ;Art. 52 ZPO ;Art. 63 OR ;Art. 90 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 III 374; |
Kommentar: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LB140039-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann und Ersatzrichter lic. iur. H. Meister sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Kröger.
in Sachen
,
Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
Beklagte, Widerklägerin und Berufungsbeklagte vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
betreffend Forderung
Berufung gegen ein Urteil der 8. Abteilung des Bezirksgerichtes Zürich vom 28. März 2014; Proz. CG020207
Klage:
Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von
CHF 689'026.00 zu bezahlen, zuzüglich 5% Zins auf CHF 575'214.00 ab dem 4.08.02.
Die Klägerin behält sich vor, die Forderung aufgrund von § 61 Abs. 2 ZPO im Verlauf des Verfahrens neu zu beziffern, soweit sich für Teile davon aufgrund von allfälligen Gutachten die Notwendigkeit ergibt.
Unter Kosten und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.
Widerklage:
Es sei die Klägerin und Widerbeklagte zu verpflichten, der Beklagten und Widerklägerin den Betrag von CHF 66'500.-zu bezahlen, zuzüglich Zins von 5 % seit 8. Juni 2000,
unter ausdrücklichem Vorbehalt des Nachklagerechts,
sowie unter Kostenund Entschädigungsfolge zulasten der Klägerin und Widerbeklagten.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird in Gutheissung der Widerklage verpflichtet, der Beklagten Fr. 66'500.-zuzüglich Zins zu 5 % seit 8. Juli 2000 zu bezahlen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf:
Fr. 24'530.--; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 31'500.-- Gutachten/Expertisen etc.;
Fr. 20'500.-- unentgeltlicher Rechtsbeistand. Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.
Die Kosten werden der Klägerin auferlegt, zufolge der ihr gewährten unentgeltlichen Prozessführung aber einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die in § 92 ZPO/ZH umschriebene Nachzahlungspflicht für die Gerichtskosten und die Aufwendungen der Rechtsvertretung bleibt vorbehalten.
Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Prozessentschädigung von Fr. 40'000.-zu bezahlen.
6./7. Mitteilungen / Rechtsmittel
der Klägerin (act. 315):
Es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Haftpflicht der Beklagten für die Periode vom 4. 8. 90 bis 13. 11. 2008, eventualiter für
die Periode bis zum 22. 10. 2001 zu bejahen.
Es sei das Beweisverfahren für die Frage der Schadenshöhe für die Periode vom 4. 8. 90 bis 13. 11. 2008, eventuell bis zum 22. 10. 2001, durchzuführen.
Eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 689'026.00 zu bezahlen, zuzüglich 5% Zins auf
CHF 575'214.00 ab dem 4. 08. 02
Es sei die Klägerin zur nachträglichen Bezifferung einer allfälligen Forderung gestützt auf § 61 Abs. 2 ZPO/ZH für die Periode vom 05. 08. 2002 bis 13. 11. 2008 nach Vorliegen des Beweisergebnisses zum Prozentsatz der Arbeitsunfähigkeit von 20% welcher anteilsmässig auf den Unfall vom 4. 8. 90 entfällt, zuzulassen.
Es sei die Widerklage vollumfänglich abzuweisen.
Es seien die Kostenund Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens aufgrund des Resultates des Berufungsverfahrens neu zu verlegen.
unter Kostenund Entschädigungsfolgen zuzüglich 8% MWSt zulasten der Berufungsbeklagten.
der Beklagten (act. 322):
Es sei die Berufung vollumfänglich abzuweisen und das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich zu bestätigen,
unter Kosten-, und Entschädigungsfolgen (zuzüglich 8% MWSt) zulasten der Klägerin, Widerbeklagten und Berufungsklägerin.
Am 4. August 1990 ereignete sich ein Verkehrsunfall. Ein bei der Beklagten für die gesetzliche Haftpflicht versicherter Autocar fuhr auf einen Personenwagen auf, in welchem die Klägerin sass. Diese macht geltend, sie habe bei dem Unfall eine bleibende körperliche Schädigung erlitten.
Die Beurteilung der Sache wird unter anderem dadurch erschwert, dass die Klägerin nach dem Unfall mit dem Autocar zu verschiedenen Malen Opfer von körperlicher Beeinträchtigung wurde: Im Februar 1998 wurde sie überfallen, wobei ihr der Täter unvermittelt ins Gesicht schlug, sodass sie bewusstlos zu Boden fiel. Im April 1998 verhedderte sie sich beim Aussteigen aus dem Auto als Folge eines Schwindelanfalles in den Sicherheitsgurt, fiel auf die Strasse und brach sich das Sprunggelenk. Im September 1992 stolperte sie und verstauchte sich dabei den Fuss. Im November 2005 wurde sie ein weiteres Mal überfallen und dabei mit Gewalt zu Boden gedrückt.
Das Bezirksgericht führte ein Beweisverfahren durch und liess ein interdisziplinäres Gutachten erstellen namentlich zu den Fragen, unter welchen Beeinträchtigungen und körperlichen Beschwerden die Klägerin leidet und wie weit (überwiegend) diese auf den Unfall vom 4. August 1990 zurückzuführen sind (Prot. I S. 11 ff.). Das Gutachten wurde am 13. November 2008 abgeliefert
(act. 169) und am 30. September 2010 auf Verlangen des Gerichtes ergänzt (act. 241). Im Wesentlichen gestützt auf diese Beurteilungen wies das Bezirksge-
richt die Hauptklage mit Urteil vom 28. März 2014 ab. Die Widerklage auf Rückerstattung bereits erbrachter Versicherungsleistungen wurde gutgeheissen
(act. 318).
Die Klägerin führte am 15. Mai 2014 fristgerecht Berufung, mit dem Antrag auf Gutheissung der Hauptund Abweisung der Widerklage.
Die Akten wurden beigezogen. Im Hinblick auf die der Klägerin in erster Instanz gewährte unentgeltliche Prozessführung wurde schon vor dem Entscheid
über das auch in zweiter Instanz gestellte entsprechende Gesuch von einem Kostenvorschuss abgesehen.
Die Beklagte erstattete die auf den Punkt der Widerklage beschränkte Berufungsantwort am 21. August 2014; sie hält daran fest, dass die Verjährung nicht eingetreten sei (act. 322). Der Schriftsatz wurde der Klägerin zugestellt (act. 324).
Die Klägerin beschränkt sich in der Berufung darauf, Schadenersatz für die Zeit bis zum 13. November 2008 zu fordern und macht ab dem letzteren Datum keine Ansprüche mehr geltend. Sie unterzieht sich in diesem Punkt ausdrücklich (act. 315 S. 7) den Feststellungen des Gutachters, wonach sie bei den Untersuchungen für das Gutachten keine ausreichende compliance (Bereitschaft zur Mitwirkung) zeigte und die Ergebnisse der zahlreichen Tests die Vermutung nahe legen, dass die Explorandin unter ihrem tatsächlichen Leistungsniveau gearbeitet hat, wodurch eine valide Interpretation der Ergebnisse in Frage gestellt sei (act. 169, S. 41 und 45).
Hingegen macht die Klägerin geltend, die Fragestellung des Bezirksgerichts bei der Würdigung der gutachterlichen Feststellungen sei unrichtig jedenfalls unpräzis gewesen. Sie unterscheidet dafür verschiedene zu untersuchende Perioden und wirft dem Bezirksgericht vor, diese nicht gesondert geprüft zu haben. Im Besonderen argumentiert sie mit den zahlreichen Untersuchungen, welche seit dem Unfall vom 4. August 1990 durchgeführt worden sind und die sie als aussagekräftiger bewertet als das gerichtliche Gutachten (act. 315 S. 6 ff.).
Dass die Klägerin verschiedene Unfälle erlitt, war und ist bekannt. Dass sich aus dem langen Zeitraum seit dem hier interessierenden Unfall und der Mehrzahl der potentiell schädigenden Ereignisse eine besondere Schwierigkeit der Beurteilung ergibt, ist klar. Die Gutachter haben aber insbesondere alle vorhandenen medizinischen Befunde mit berücksichtigt und im Einzelnen dargestellt (vgl. act. 169 S. 9 - 36), und sie haben die beiden von der Klägerin geschilderten Überfälle ausdrücklich in ihre Überlegungen mit einbezogen. Insbesondere referieren und bewerten sie zwischen dem Unfall vom 4. August 1990 und dem Überfall vom Februar 1998 insgesamt fünfundzwanzig ärztliche Berichte und andere
einschlägige Unterlagen (act. 169 S. 9 - 20). Es ist richtig, dass sie bei der Beantwortung der ihnen gestellten Fragen nicht ausdrücklich erklären, diese Unterlagen genügten nicht zum Beweis einer vom Unfall im August 1990 verursachten Schädigung der Klägerin wenigstens bis zum Februar 1998. Ihre Beurteilung erfasst aber offenkundig auch diesen Aspekt:
In der Würdigung früherer Akten (inkl. Gutachten) greifen die Gutachter als besonders wichtig insbesondere heraus: die arbeitsvertragliche Kündigung der Klägerin vom 28. Juni 1990, den Bericht Dr. C. vom 12. Oktober 1993, den vertrauensärztlichen Bericht Dr. D. vom 3. Mai 1994, das neurologische Gutachten vom 6. Mai 1995 Dr. E. , eine Untersuchung Dr. F. vom
12. April 1995 sowie einen Bericht Dres. G. vom 25. Juni 1997. Bei der Kündigung stellen sie fest, dass sie mit gesundheitlichen Gründen motiviert ist, dass sich dazu in den Akten keine näheren Hinweise finden, und (für die zu beurteilenden Fragen besonders von Bedeutung) dass die Explorandin im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung dazu keine Angaben machen kann. Das Röntgenbild vom 4. August 1990 zeigt nach Beurteilung der Gutachter eine degenerative Veränderung (Arthrose) auf der Höhe der Halswirbel C5/C6, und eine weitere degenerative Veränderung an der Brustwirbelsäule; beides sei aus radiologischer Sicht ein Vorzustand. Dem Bericht des Neurologen Dr. C. vom Oktober 1993 (also gut drei Jahre nach dem Unfall) entnehmen die Gutachter, dass die Klägerin die typischen Folgen einer Schleuderverletzung der Halswirbelsäule beschrieb: anhaltende Nackenschmerzen, Kopfschmerzen, Schmerzen zum Teil im Bereich des ganzen Rücken mit Ausstrahlen in die Beine. Die Gutachter verweisen darauf, dass der Hausarzt in den Jahren zuvor (nur) Nackenund Kopfschmerzen beschrieb und nehmen als Indiz dafür, dass diese Schmerzen damals nicht im Vordergrund standen. Dr. D. diagnostizierte am 3. Mai 1994 ein therapieresistentes Schmerzsyndrom nach Schleuderverletzung der Halswirbelsäule, ein neurasthenisches Syndrom und eine Heliobacter-positive B-AntrumGastritis. Er zeigte sich erstaunt darüber, dass beim ein Jahr nach dem Unfall erfolgten Eintritt der Explorandin in den Dienst des Stadtspitals Triemli keine Untersuchung und damit aus versicherungstechnischer Sicht kein Vorbehalt wegen der (nach Angaben der Patientin) bereits bestehenden Folgen des Unfalls von 1990
gemacht wurde. Das Gutachten referiert Dr. D. s Beurteilung, dass die von der Explorandin bei ihm (im Mai 1994) geschildeten Beschwerden offenbar im September 1991 nur zum Teil vorlagen, und dass es ihr beim Stellenantritt nicht so gravierend schlecht ging, da sie sonst die Stelle nicht hätte antreten können. Dem neurologischen Gutachten Dr. E. vom 6. Mai 1995 ist zu entnehmen, dass die Explorandin über Magenschmerzen, Schlaflosigkeit, Kopf-/ Nackenschmerzen, Schwindelerscheinungen, Schulterschmerzen, Blutarmut und Depression klagte. Die gerichtlichen Gutachter erkennen einen Widerspruch in der damaligen Angabe, die Patientin sei nie krank gewesen mit der Begründung anlässlich der bereits erwähnten Kündigung der Arbeitsstelle. Schon jener neurologische Untersuchungsbefund habe aggravatorische Störungen erkannt, und Dr. E. sei der Auffassung gewesen, die ihm angegebenen Beschwerden liessen sich keinesfalls in diesem Ausmass mit dem Unfall vom 4. August 1990 erklären, sondern es stünden maximal 20% dieser Beschwerden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem natürlichen Kausalzusammenhang mit jenem Unfall. Die Gerichtsgutachter verweisen ergänzend darauf, dass die später beklagte Sensibilitätsstörung seinerzeit gegenüber Dr. E. nicht angegeben wurde, womit sie mit dem Unfallereignis von 1990 nicht vereinbar sei. Ferner entnehmen sie dem Bericht Dr. E. , dass der Strichgang damals weder mit offenen noch mit geschlossenen Augen gelang, während er in der aktuellen Begutachtung möglich war (Vorliegen von Pseudo-Lasègue [Anm.: ein Dehnungs-Schmerz], bei Ablenkung jedoch negativ, bewusst verlangsamt wirkenden Gang). Ein Röntgenbild vom 12. April 1995 zeigte nach Beurteilung der Gutachter eine geringgradig skoliotische (=seitlich verkrümmte) Fehlhaltung mit minimalen degenerativen Ver- änderungen. Die Gutachter entnehmen dem Bericht Dres. G. vom 25. Juni 1997 das typische Bild einer Aggravation mit theatralischen Gehstörungen bei ansonsten normalem detailliertem Neurostatus; die Ärzte empfahlen eine psychiatrische Therapie (zu allem act. 169 S. 51 - 54).
In den Schlussfolgerungen sind die gerichtlichen Gutachter sehr vorsichtig. Sie bejahen die Fragen nach den Schmerzen, unter welchen die Klägerin leide, aber mit dem bedeutungsvollen Zusatz, dieses Beschwerdebild gibt die Explorandin an, und diese Beschwerden liessen sich nicht objektivieren (act. 169
S. 65 f. unter Verweis auf S. 38 f., Hervorhebung beigefügt). Die Fragen, ob sich gewisse Einschränkungen feststellen liessen, beantworten die Gutachter negativ (Gesichtsfeldstörung) damit, dass die Frage wegen der Aggravationsvermutung und der damit einhergehenden Unzuverlässigkeit der Testergebnisse nicht beantwortet werden könne (act. 169 S. 66 f.). Die Einschränkungen, nach denen gefragt wurde, seien ferner keine typischen Folgen der Unfälle im einzelnen als auch in der Summe und könnten auch andere Ursachen haben. Ein chronisches zerviko-zephales Syndrom (Nackenund Kopfschmerzen) lasse sich nicht objektivieren. Da es frühere Beobachter feststellten, erachten es die Gutachter als wahrscheinlicher, dass es vorliege, als dass es nicht vorliege. Auf jeden Fall bestehe es nicht in dem Umfang, wie es die Klägerin aggravatorisch darstelle. Die Gutachter verweisen dabei auf ihre sehr differenzierte Darstellung im Abschnitt 6.3 Unfallkausalität ihres Gutachtens (act. 169 S. 58). Sie beschreiben die typische Simulantin, welche beim Arzt sehr krank wirkt und bei verdeckter Observation ein normales Leben führt. So erlebten sie die Klägerin nicht, und daher sei für sie das Verdikt Simulation nicht statthaft (die insbesondere im neuro-psychologischen Teil des Gutachtens [act. 170] beschriebenen Verhaltensweisen der Klägerin würden aus der Sicht des Laien allerdings ohne weiteres als Simulation betrachtet). Anderseits könnten sie nicht übersehen, dass die Klägerin in den ersten Jahren nach dem heute interessierenden Unfall zum Teil unglaubhafte Angaben machte, auch wenn das Unfallereignis an sich geeignet gewesen war, die von der Klägerin heute beklagten Beeinträchtigungen zu bewirken. Sie befänden sich daher im Dilemma, dass sie eine gutachterliche Bemessung abgeben sollten, die im Grunde nur arbiträr (willkürlich) sein könne. Sie erachteten Kopfund Nackenschmerzen bei der Klägerin alles in allem als überwiegend wahrscheinlich, auch in Würdigung der relativ erheblichen Aufprallgeschwindigkeit beim Unfall vom August 1990 und der langen Zeit, während die Klägerin konsequent darüber klagte. Natürlich hätten aber auch die späteren Überfälle Anteil am Syndrom. Eine anteilsmässige Ausscheidung der Kausalität sei aber nicht möglich, und die medizinischen Gutachter könnten den Juristen nur eine pragmatische Lösung empfehlen. Hinsichtlich der weiteren Beschwerden (Magenschmerzen, Zittern, Bewegungsprobleme der rechten Körperhälfte, Schwindel, Gedächtnis-/Konzentrationsstörungen) und der psychiatrischen Diagnose sehen die Gutachter gar keinen Zusammenhang zum Unfallereignis (act. 169 S. 58 ff.).
Die vom Gericht veranlasste Ergänzung des Gutachtens äusserte sich zu den Fragen der Simulation / Aggravation. Der Experte erläuterte die Schwierigkeit, dass es auch objektiv nicht zu erhärtende Beschwerden wie etwa Kopfschmerzen zweifellos gibt; es würde niemand auf die Idee kommen, möglicherweise vorkommende Kopfschmerzen a priori zu verneinen. Zudem seien gewisse Aggravationen darum durchaus nicht selten, weil der Patient dem Untersuchenden ja in kurzer Zeit seine Beschwerden erläutern und plausibel machen wolle und müsse. Im Fall der Klägerin lasse sich seiner Auffassung nach der Vorwurf der Simulation nicht beweisen, doch erachte er es immerhin als wahrscheinlicher, dass die Klägerin tatsächlich simuliere, als dass sie nicht simuliere. Weiter führt er an, die Annahme, dass der Unfall vom August 1990 zu Kopfund Nackenschmerzen geführt habe, leite er massgeblich aus den Schilderungen der Patientin ab (act. 241).
Die Klägerin trägt die Beweislast sowohl für die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sie an den geltend gemachten Beschwerden leidet als auch dafür, dass diese Beschwerden auf das Unfallereignis zurück zu führen sind. Der Entscheid darüber liegt beim Gericht, auch wenn dieses die medizinischen Grundlagen selber nicht erstellen kann und daher sowohl nach altem (§ 171 ZPO/ZH) als nach neuem Prozessrecht (Art. 183 ZPO) Fachpersonen beizuziehen hat. Das Gutachten muss aber wiederum vom Gericht gewürdigt werden (§ 148 und § 181 ZPO/ZH, Art.157 und 186 ZPO). Das hat das Bezirksgericht hier getan, und das Obergericht pflichtet ihm im Ergebnis bei. Die Gutachter haben wie dargestellt sehr sorgfältig und einlässlich namentlich die Unterlagen über die Zeit zwischen dem streitigen Unfall und dem Überfall vom Februar 1998 analysiert, gewürdigt und gewichtet. Ihre Antworten auf die gestellten Fragen sind entgegen der Auffassung der Klägerin so zu verstehen, dass allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen in dieser Zeit mit ärztlichen und naturwissenschaftlichen Methoden nicht auf den Unfall vom August 1990 zurückgeführt werden können. Das Gutachten ist
vollständig, klar und, so weit das den heute Entscheidenden als Laien zu beurteilen möglich ist, in seinen tatsächlichen Feststellungen überzeugend.
Die Klägerin argumentiert dem gegenüber in der Berufung mit verschiedenen Unterlagen aus dem Prozess, welche ihrer Meinung nach den ihr obliegenden Beweis erbringen: ein Bericht der Klinik für neurologische Rehabilitation vom 10. März 1994 diagnostiziert ein therapieresistentes Schmerzsyndrom bei Status nach Auffahrunfall am 4. August 1990 mit Schleuderverletzung der Halswirbelsäule (act. 3/26). Eine vertrauensärztliche Beurteilung für das Stadtspital Triemli durch Dr. D. , Spezialarzt für innere Medizin, nennt die nämliche Diagnose und führt bei der eingehenderen Beurteilung aus: Frau A. erlitt am
8. 1990 eine schwere Schleuderverletzung der HWS durch einen von hinten auffahrenden Reisecar (act. 3/50). Im Gutachten H. zu Handen der IVStelle des Kantons Zürich vom 23. Oktober 2000 beruft sich die Klägerin auf S. 14 Ziff. 3.1 Abs. 3 (act. 315 S. 11 oben), wo unter dem Titel Hauptdiagnosen an dritter Stelle ausgeführt wird: Diffuses chronisches Schmerzsyndrom, vorwiegend cervicocephal und brachial sowie lumbo-femoral mit multiplen vegetativen Begleitbeschwerden (act. 20/22). Am 22. Oktober 2001 erstattete Dr. I. ein Gutachten. In der Berufung zitiert die Klägerin daraus die Diagnose: Status nach HWS-Schleudertrauma vom 4.8.1990 mit Commotio Cerebri und konsekutiv Chronischem Zerviko-Zephalem Syndrom mit Verdacht auf Aggravation durch chronischen Analgetika Abusus - Deutlichen kognitiven Minderleistungen in fast allen Funktionsbereichen - Verdacht auf depressive Fehlentwicklung - Vegetative Störungen (Oberbauch und Magenschmerzen, Nervosität) - Verdacht auf funktionelle Beschwerden, und dass er die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in jenem Zeitpunkt (also 22. Oktober 2001) mit 100 % bezifferte (act. 3/13). Endlich zitiert die Klägerin das biomedizinische Gutachten von Prof. Dr. J. vom 9. August 2001, welches ausführt, bei einer Kollision wie der am 4. August 1990 erfolgten sei eine erhebliche HWS-Traumatisierung sicher nicht obligat. Hingegen könne aus biomechanischer Sicht eine erhebliche Traumatisierung mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit eintreten. Vielmehr entspreche es eher günstigen Umständen, wenn keine sichtbaren Verletzungen entstanden (act. 3/15).
Zu Recht hat das Bezirksgericht nicht allein auf diese Unterlagen abgestellt und nicht angenommen, der Beweis der Klägerin sei damit erbracht. Die Klägerin zitiert in der Beschwerde (act. 315 S. 8 ff.) die Unterlagen zwar zutreffend, aber nicht vollständig, lässt einen wesentlichen Punkt ausser Acht und setzt sich nicht mit anderen Beurteilungen auseinander:
Der Bericht der Klinik geht ohne nähere Begründung davon aus, Die Patientin erlitt am 04.08.1990 eine Schleuderverletzung der HWS durch einen von hinten auffahrenden Reisebus (act. 3/26 S. 1). Dr. D. stützt sich ausdrücklich auf die Angaben der Klägerin und referiert diese wie folgt :Am 4.8.1990 schwerer Autounfall im Sihlquai in Zürich mit Schleuderverletzung der Halswirbelsäule (act. 3/50 S. 1 und 2). Das H. -Gutachten referiert die Darstellung des Unfallereignisses, wie die Klägerin selber sie schildert (act. 20/22 S. 3, S. 9 letzter Absatz, S. 10 1. Absatz, S. 15 Ziff. 3.1 passim, und Ziff. 3.2 [in der Berufung offenbar irrtümlich als Ziff. 3.3 angegeben] zweiter Absatz). Das H. - Gutachten wurde zudem für die IV-Stelle des Kantons Zürich erstellt, es ging also in erster Linie um die aktuelle Feststellung einer Invalidität, und nicht um deren Ursache. Zudem hielten die Gutachter dort mit aussergewöhnlich deutlichen Worten abschliessend fest, Die Arbeitsund Krankheitsprognose sind insgesamt miserabel, weil die Explorandin daran interessiert ist, die Krankenrolle einzunehmen (act. 20/22 S. 18 als Folge der Feststellung auf S. 12 ff.); es drängt sich die Frage auf, ob dieses Interesse der Patientin allenfalls schon bestand, als sie das erste Mal und in der Folge ihre Beschwerden schilderte. Neben dem biomechanischen Gutachten J. , auf das sich die Klägerin stützt, gibt es ein Gutachten K. /L. aus sowohl technischer als auch medizinischer Sicht, welches zum Schluss kommt, eine biomechanische Belastung der HWS mit einer Distorsion derselben durch den Unfall sei (nur) vorstellbar, wogegen sich die mehrere Jahre nach dem Unfall noch geklagten Beschwerden aus orthopädischer Sicht nicht erklären lassen (act. 20/9). Dr. I. - der im vorliegenden Verfahren das Team der Gutachter leitete war schon in seinem Gutachten von 2001 sehr vorsichtig. Er schilderte etwa, dass die Patientin unbeobachtet gerade und ohne Probleme ging, während sie sich unter Beobachtung sehr unsicher bis schwankend bewegte (act. 3/13 S. 20). In der Beantwortung der Fragen sagte er, der Unfall von 1990 müsse als für die beschriebenen Beschwerden überwiegend unfallkausal angesehen werden. Das relativierte er aber mit dem Nachsatz, dass der medizinische Gutachter darauf abstellen müsse, was ihm die Patientin mitteile. Es sei sehr schwierig, Unwahrheiten herauszufiltern, und das werde noch schwieriger, wenn zu tatsächlichen Beschwerden eine funktionelle Komponente hinzu komme (act. 3/13 S. 25). Die Frage, ob es unfallfremde Ursachen für die (allenfalls bestehenden) Beschwerden gebe, konnte der Gutachter nicht abschliessend beantworten (act. 3/13 S. 29).
Die Klägerin zitiert in der Berufung pauschal und ohne nähere Erläuterungen eine lange Reihe weiterer Unterlagen (act. 315 S. 13). Prozessual wäre das vorweg überall dort unzulässig, wo es neue Unterlagen wären: es ist nicht dargetan und ergibt sich nicht aus den Akten, dass das Nachbringen solcher Dokumente ausnahmsweise (Art. 317 Abs. 1 ZPO) zulässig wäre. Allerdings konnte das Gericht bei genauem Studium des Dossiers feststellen, dass es entgegen der Bezeichnung Beilage xy (act. 315 S. 13) bei solchen Dokumenten gar nicht um Beilagen zur Berufung geht, sondern um Beilagen zur seinerzeitigen Beweiseingabe (also act. 74/xy). Wäre der Fehler in der Bezeichnung nicht (per Zufall) entdeckt worden, blieben diese Dokumente unberücksichtigt. Nun aber sind sie nach Treu und Glauben (Art. 52 ZPO) mit in die Beurteilung einzubeziehen, auch wenn die pauschale und Giesskannenartige Nennung dieser Unterlagen kaum die Genauigkeit der Rüge erreicht, welche das Bundesgericht für die kantonale Berufung verlangt (BGE 138 III 374, E. 4.3.1). So weit überhaupt das Bestehen der geschilderten Beschwerden und die Kausalität des Unfallereignisses vom August 1990 Thema ist, fehlt durchwegs eine kritische Auseinandersetzung mit den Angaben der Patientin. In der Reihenfolge der Angabe in der Berufung: act. 3/22 bescheinigt ohne weitere Erläuterungen Arbeitsunfähigkeit. Gleich act. 3/23. Gleich
act. 74/24. Act. 3/12 gibt nicht an, wie der Befund (Verspannungen u. Schmerz im Bereich der HWS ) erhoben wurde. Act. 3/25 sagt nicht, wie die Aussage Status nach Schleuderverletzung der HWS zustande kam. Act. 3/26 wurde bereits vorstehend besprochen. Act. 3/27 setzt die Schleuderverletzung ohne Weiteres voraus. In act. 3/29 bestätigt zwar der behandelnde und also zur Loyalität gegenüber der Patientin verpflichtete Arzt, das ihm geschilderte Beschwerdebild sei für die Schleuderverletzung der Halswirbelsäule typisch, hinterfragt aber die Angaben der Patientin nicht (was von ihm zwar nicht verlangt werden durfte, seine Aussage aber doch relativiert). Act. 3/50 wurde schon besprochen.
Act. 3/67 setzt wieder das (jetzt heftige) Beschleunigungstrauma voraus.
Act. 20/7 referiert ohne objektive Anteile die Angaben der Patientin (Unmittelbar nach dem Unfall Auftreten von starken Nackenu Kopfschmerzen) und stellt apriorisch fest Status nach Schleudertrauma . Zum Letzten gleich act. 74/4 und act. 74/5. Act. 74/6 setzt ohne Erläuterung voraus, es gebe seit 1990 einen Gesundheitsschaden. Act. 74/7 gibt keine Erläuterung für die Angabe Status nach Schleudertrauma der HWS. Der Bericht act. 3/26 hat die Rehabilitation und nicht die Genese zum Gegenstand und übernimmt einleitend ohne Weiteres die Angaben der Patientin. Act. 20/22 ist das bereits besprochene H. - Gutachten. Act. 74/8 erläutert wiederum nicht, wie das Schleudertrauma der HWS mit stumpfer Traumatisierung der LWS erhoben wurde. Act. 28/3 befasst sich mit dem neuropsychologischen Befund und gibt eine Verhaltensanalyse, Syndrom nach Whiplash injury ist offenkundig keine eigene Feststellung.
Act. 3/13 wurde bereits besprochen. Act. 74/9 setzt das Schleudertrauma voraus. Act. 74/10 ist der Bericht über eine röntgendiagnostische Untersuchung der Klägerin ohne Stellungnahme zur Ursache, der für den Laien nicht aussagekräftig ist (kleine mediolateral links gelegene DH L3 / 4 und sehr kleine mediale DH 4 /
Eine Wurzelkompression der Wurzel 4 links im Niveau 3 /4 ist möglich, bei 4 / 5 eher unwahrscheinlich. Für die rechtsseitige Symptomatik ergibt diese Untersuchung keine Ursache). Aus act. 74/39, angeblich ein Auszug aus einer Krankengeschichte, ergibt sich allenfalls, was die Patientin angab, aber keine Verifizierung dieser Angaben. - Damit wird in allen Berichten (unter anderem elf Mal vom behandelnden Arzt) das gleichsam axiomatisch vorausgesetzt, was im Prozess unter anderem gerade streitig ist: ob der Unfall vom 4. August 1990 für die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden ursächlich war - und das gilt.
In dieser Situation hat das Bezirksgericht richtig angenommen, als nicht selber fachkundige Instanz bedürfe es eines umfassenden gerichtlichen Gutachtens, welches die entscheidende Frage neu aufarbeitet. Das ist erfolgt, und die Gutachter haben sich wie bereits dargestellt dieser Aufgabe unterzogen. Sie haben die
divergierenden Beurteilungen dargestellt und gewürdigt und sind dabei nicht zu der von der Klägerin erwünschten Folgerung gekommen. Das kann aber nicht heissen, dass nun wiederum auf die einzelnen früheren Beurteilungen zurück gegriffen werden und sich das nicht fachkundige Gericht (wenn auch dieses Mal das Obergericht) eine abschliessende Meinung bilden müsste auch nur dürfte. Die von der Klägerin in der Berufung angeführten Äusserungen anderer Fachleute sind aber auch nicht geeignet, das gerichtliche Gutachten in Frage zu stellen. Eine Ergänzung des Gutachtens war und ist nicht nötig, vielmehr ist es dem heutigen Urteil zugrunde zu legen.
Etwas anderes ist die Aussage des gerichtlichen Gutachtens, dass Kopfund Nackenschmerzen durch den streitigen Unfall plausibel zu erklären wären und auch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erklären seien. Hier verlassen die Gutachter das Feld der Objektivität und ihre Aufgabe als gerichtliche Experten, indem sie (für Ärzte sehr wohl verständlich) darauf hinweisen, es würde doch niemand auf die Idee kommen, möglicherweise vorkommende Kopfschmerzen a priori zu verneinen. In der Tat verfehlte ein behandelnder Arzt seinen Beruf, wenn er seinen Patienten zu verstehen gäbe, im Grunde glaube er ihnen nur, was er objektiv messen könne - das im Gutachten genannte Beispiel mit den Kopfschmerzen leuchtet durchaus ein. Im Zivilprozess und auch für den gerichtlichen Experten besteht aber gerade diese Situation, und das Prinzip der Beweislast besagt nichts anderes, als dass unterliegt, wer das Fundament seiner Ansprüche nicht ausreichend beweisen kann. Ob das Gericht zur erforderlichen Überzeugung gelangt (hier: es sei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben), muss es zwar aufgrund der Grundlage der Expertise, aber doch selber entscheiden. Die Gutachter haben im Detail dargestellt, dass es ausser den eigenen Angaben der Patientin keine objektivierbaren Befunde für die behaupteten Kopfund Nackenschmerzen gibt und gab. Gegenteils weisen sie schon für die Zeit zwischen dem Unfall und dem folgenden Überfall verschiedene Unstimmigkeiten und Widersprüche nach. Aggravation finden sie zwar an sich nicht besonders auffällig, doch beschreiben sie sie im Fall der Klägerin als besonders bemerkenswert (was die Klägerin in der Berufung nun anerkennt) und auch schon bei früheren als ihren eigenen Untersuchungen aufgetreten. Sie wollen sich nicht dahin gehend festlegen,
dass die Klägerin simuliere, erachten das aber als wahrscheinlicher als das Gegenteil. Sie legen freimütig offen, dass es ihnen als Ärzte widerstrebt, unobjektivierbaren Beschwerden eines Patienten grundsätzlich kritisch zu begegnen. Einen grossen Teil der behaupteten Beschwerden schliessen die Gutachter rundweg aus. In dieser Situation kann das Obergericht so wenig wie das Bezirksgericht die Überzeugung gewinnen, dass die Klägerin überhaupt an den geltend gemachten Beschwerden und auch nur an einem Teil davon (namentlich den Kopfund Nackenschmerzen) leidet, und dass solche Schmerzen, bestünden sie denn, auf den Unfall vom August 1990 zurück zu führen wären. Es kommt hinzu, dass die Gutachter es wie gesehen als unmöglich bezeichneten, eine Ausscheidung der Ursachen nach Quoten vorzunehmen selbst wenn das Quantitativ eines Schadens und dessen Mit-Verursachung durch den streitigen Unfall feststünde (was nicht der Fall ist), könnte mangels einer auch nur geschätzten TeilKausalität das Mass der Haftung der Beklagten nicht bestimmt werden.
Das führt zur Abweisung der Hauptklage.
Die Klägerin ficht daneben die Gutheissung der Widerklage an. Das Bezirksgericht ging davon aus, die Beklagte habe Zahlungen an die Klägerin im Umfang von Fr. 66'500.-- unter dem Vorbehalt geleistet, dass eine Leistungspflicht überhaupt bestehe. Da das nun nicht der Fall sei, sei die Klägerin durch das Empfangene ungerechtfertigt bereichert. Den Einwand der Verjährung verwirft das Bezirksgericht, weil in der fraglichen Zeit der Referent ein Schreiben an die Parteien richtete, welches die Erledigung des Verfahrens in Aussicht stellte (act. 318 S. 18 ff.).
Dem widerspricht die Klägerin. Die Rückforderung sei schon bei Einreichen der Widerklage verjährt gewesen, weil die Beklagte ja schon damals geltend gemacht habe, die Klägerin simuliere die Beschwerden. Zudem sei zwischen dem
20. Januar 2012 und dem 27. Januar 2014 keine Prozesshandlung erfolgt und daher die Verjährung auch während des Verfahrens eingetreten (act. 315 S. 20 f.). Die Beklagte stellt dem gegenüber, dass die Klägerin die Simulation ja immer bestritt, daher sei der Einwand der Verjährung noch vor dem Prozess nicht haltbar. Nach dem neuen Art. 138 Abs. 1 OR könne eine Forderung im Prozess nicht
mehr verjähren, es gälte zudem die zweijährige Frist, welche nicht nur durch die Zustellung der Verfügung vom 20. Januar 2012 am 28. Januar 2012, sondern auch durch die Anfrage vom 30. Mai 2013 nach der Beendigung des Prozesses unterbrochen worden sei (act. 322).
Wäre die Forderung der Beklagten bereits verjährt gewesen, als sie mit Widerklage geltend gemacht wurde (das macht die Klägerin geltend), käme es auf die vom Bezirksgericht diskutierte Bedeutung der einzelnen Prozesshandlungen nicht an. Der Einwand der Klägerin ist aber unberechtigt. Die Zahlungen der Beklagten erfolgten vorläufig, im Hinblick auf eine erst noch festzulegende GesamtVerpflichtung aus dem Unfall. Nach Treu und Glauben war damit eine Rückforderung vorbehalten, falls ein Anspruch der Klägerin die Höhe der vorläufigen Zahlungen nicht erreichen sollte gar nicht bestünde - und die Klägerin beruft sich richtigerweise nicht auf Art. 63 Abs. 1 OR, welcher die Rückforderung einer bewusst bezahlten Nicht-Schuld ausschliesst. Das bedeutet aber auch, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen kann, durch die Zahlungen sei sie von Anfang an ohne Rechtsgrund bereichert worden. Nach dem Entgegennehmen einer vorläufigen Zahlung dann noch vor Klärung des Streites die Einrede der Verjährung zu erheben, wäre manifest treuwidrig (Art. 2 Abs. 2 ZGB) und ist es auch heute.
Eine andere Frage ist es, ob die Forderung während des Verfahrens verjährte. Hier stellt sich das intertemporale Problem der Anwendung zweier Fassungen des massgeblichen Art. 138 OR: nach der alten Fassung wurde die Verjährung einer gerichtlich geltend gemachten Forderung unterbrochen mit jeder gerichtlichen Handlung der Parteien und mit jeder Verfügung Entscheidung des Richters. Sie konnte damit auch in einem laufenden Verfahren eintreten. Seit dem 1. Januar 2011 lautet die Bestimmung: Wird die Verjährung durch Klage
unterbrochen, so beginnt [sie] von Neuem zu laufen, wenn der Rechtsstreit vor der befassten Instanz abgelaufen ist (Bundesgesetz vom 19. Dezember 2008, Anhang 1, Abschnitt II/5). Die Verjährung tritt also auch dann nicht ein, wenn in einem laufenden Verfahren zwischen der einen Handlung einer Partei des Gericht bis zur nächsten mehr als die massgebende Frist verstreicht.
Die Klägerin machte ihre Forderung mit der Klageantwort vom 2. Dezember 2002 geltend (act. 19), die neue Fassung von Art. 138 OR trat wie gesehen am
1. Januar 2011 in Kraft, die Parteien diskutieren als verjährungsunterbrechend Vorgänge im Januar 2012, im Mai 2013 und am 28. März 2014 (= das angefochtene Urteil).
Das Bundesgesetz vom 19. Dezember 2008 enthält Übergangsbestimmungen nur in seinem Haupt-Teil, dem Erlass einer neuen, schweizerischen Zivilprozessordnung, und darunter kommt für die hier interessierende Frage einzig
Art. 404 ZPO in Betracht: ein beim Inkrafttreten des Gesetzes hängiges Verfahren wird von der betreffenden Instanz noch nach dem bisherigen kantonalen Recht zu Ende geführt. Das lässt sich weder von der systematischen Stellung (in der ZPO) noch vom Wortlaut her (gilt das bisherige Verfahrensrecht) auf den Anhang und die dort geregelten Änderungen anderer Gesetze beziehen. Es ist daher auf das allgemeine Übergangsrecht abzustellen (vgl. BSK ZGB II-Vischer 4. Aufl. 2011, Art. 1 SchlT N. 2). Dieses statuiert den Grundsatz der Nicht-Rückwirkung und bestimmt demgemäss, dass die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetreten sind, ( ) auch nachher gemäss den Bestimmungen ( ) beurteilt [werden], die zur Zeit des Eintritts dieser Tatsachen gegolten haben, und Die nach diesem Zeitpunkte eingetretenen Tatsachen dagegen werden, soweit das Gesetz eine Ausnahme nicht vorgesehen hat, nach dem neuen Recht beurteilt (Art. 1 Abs. 1 und 33 SchlT ZGB). Das bedeutet, dass eine während eines laufenden Verfahrens vor dem 1. Januar 2011 eingetretene Verjährung von der neuen Fassung des Art. 138 OR unberührt bleibt, auch wenn am Stichtag das Verfahren noch hängig war. Umgekehrt kann die Verjährung nach dem 1. Januar 2011 nicht mehr eintreten, so lange das Verfahren in einer mit dem Streit befassten Instanz nicht abgeschlossen ist. So verhält es sich hier. Ob es auf die einoder die zweijährige Frist ankommt (worüber sich die Parteien nicht einig sind), und ob zwischen dem 20. Januar 2012 und dem Erlass des angefochtenen Urteils andere Handlungen die Verjährung hätten unterbrechen kön- nen, ist demnach nicht zu entscheiden.
Die Einrede der Verjährung ist unbegründet und die Berufung darum auch in diesem Punkt abzuweisen.
4. Die Klägerin wird für das Berufungsverfahren kostenpflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO); als Folge der bewilligten unentgeltlichen Prozessführung sind die Kosten allerdings mindestens einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Die Prozessentschädigung ist ungeachtet der unentgeltlichen Prozessführung geschuldet. Da die Berufungsantwort auf die Frage der Widerklage eingeschränkt wurde, ist deren Streitwert von Fr. 66'500.-als Basis zu nehmen.
Die Berufung wird abgewiesen, und das angefochtene Urteil wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 12'000.-festgesetzt.
Die Gerichtskosten für das zweitinstanzliche Verfahren werden der Klägerin auferlegt. Sie werden mit Rücksicht auf die unentgeltliche Prozessführung einstweilen auf die Gerichtskasse genommen, unter dem Vorbehalt der Nachforderung im Sinne von Art. 123 ZPO.
Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-zuzüglich 8 % Mehrwertsteuer zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein, und an die Obergerichtskasse,
Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen)
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt rund Fr. 689'000.--.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Vorsitzende:
lic. iur. A. Katzenstein
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. S. Kröger
versandt am:
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