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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LB130022
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LB130022 vom 27.01.2014 (ZH)
Datum:27.01.2014
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Regressrecht des Versicherers, Privileg des Hausgenossen.
Schlagwörter : Klagten; Beklagten; Brand; Mieter; Schaden; Zigarette; Verhalten; Regress; Fahrlässigkeit; Verschulden; Fahrlässig; Vorinstanz; Sorgfalt; Haftung; Vermieter; Gebäudeversicherung; Schlafen; Schadens; Versicherung; Liegend; Zigaretten; Habe; Rechtlich; Prämien; Werden; Person; Versicherer; Regel; Werden
Rechtsnorm: Art. 14 VVG ; Art. 256b OR ; Art. 257b OR ; Art. 41 OR ; Art. 60 OR ; Art. 72 VVG ; Art. 8 ZGB ; Art. 97 OR ;
Referenz BGE:114 II 342;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
Art. 72 Abs. 3 VVG, Regressrecht des Versicherers, Privileg des Hausgenossen. Der Mieter ist nicht analog wie ein Hausgenosse des Vermieters zu behandeln, auch wenn er wirtschaftlich gesehen die Prämien der Versicherung über den Mietzins finanziert hat.

Die kantonale Brandversicherung wurde für den Brand in einer Mietwohnung in Anspruch genommen und will Rückgriff nehmen auf den Mieter, dessen Zigarette den Brand verursachte.

(aus den Erwägungen des Obergerichts:)

  1. Haftung aus unerlaubter Handlung

    1. Wer einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht oder Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet (Art. 41 OR).

    2. Ein Schaden der Hauseigentümerin im Umfang der eingeklagten Summe ist vom Beklagten anerkannt. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsbegründenden Verhalten des Beklagten und dem Schaden sowie die Widerrechtlichkeit der Schadenszufügung sind offensichtlich gegeben und wurden auch vom Beklagten nie in Frage gestellt. Der Beklagte weist einzig den Vorwurf, sich pflichtwidrig verhalten zu haben, zurück und bestreitet damit, als letzte Haftungsvoraussetzung, ein Verschulden. Selbst wenn ein Verschulden zu bejahen wäre, könnte sein Verhalten nur als leicht fahrlässig eingestuft werden, was im besonderen Fall der Regressklage einer Versicherung gegen einen Mieter der geschädigten Sache für eine Haftung nicht ausreiche. Ein solche Regressklage setze grobfahrlässiges Handeln voraus.

      Die Vorinstanz qualifizierte das Verhalten des Beklagten als grobfahrlässig und brauchte daher auf den Einwand des Beklagten, dass bei leichter Fahrlässigkeit ein Regressanspruch zu verneinen sei, nicht einzugehen. Der Kammer erscheint es sachgerechter, zunächst in abstrakter Weise das erforderliche Mass des Verschulden zu definieren und hernach das Verhalten des Beklagten konkret zu wür- digen.

    3. a) § 72 GebVG setzt für den Regress der Gebäudeversicherungsanstalt voraus, dass der Schaden durch einen Dritten verursacht wurde, und zwar vorsätzlich oder fahrlässig. Eine Unterscheidung für den Fall leichter oder grober Fahrlässigkeit macht das kantonale Gebäudeversicherungsgesetz nicht.

      1. Für die private Schadensversicherung legt Art. 72 Abs. 3 VVG demgegen- über ausdrücklich fest, dass diejenigen Personen nicht als Dritte zu betrachten sind, welche mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben oder für deren Handlungen er einstehen muss, vorausgesetzt, die betreffende Person habe den Schaden bloss leichtfahrlässig herbeigeführt. Art. 72 Abs. 3 VVG ist Ausdruck einer allgemeinen Regel, die als solche generell für den Regress des Schadensversicherers, auch für denjenigen der kantonalen öffentlich-rechtlichen Gebäudeversicherung, Geltung beansprucht (GLAUS/HONSELL/JAUN, a.a.O., N 6.6.126 mit Verweisen).

      2. Der Beklagte schliesst sich der von einem Teil der Lehre vertretenen Auffassung an, dass dieses sogenannte Regressprivileg auch für den Mieter der beschädigten Sache gelten soll, weil dieser mit der Bezahlung des Mietzinses auch die Prämien für die Schadensversicherung, im vorliegenden Fall für die Gebäudeversicherung, mitfinanziere und so, wirtschaftlich gesehen, als Versicherungsnehmer zu betrachten sei, der bei Eigenbeschädigung des versicherten Gegenstandes gemäss Art. 14 Abs. 4 VVG nur bei vorsätzlichem oder grobfahrlässigem Handeln den Versicherungsschutz verliere bzw. Einschränkung zu gewärtigen habe (mit Verweisen auf die Lehre, insbesondere HONSELL, ungeklärte Fragen des Regresses nach Art. 72 VVV, in Festschrift für Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, S. 569 ff.). Wenn es sich beim versicherten Objekt um eine Wohnliegenschaft handle, ändere sich an der Risikobeurteilung durch den Versicherer nämlich nichts, ob die Wohnung nun vom Eigentümer und Versicherungsnehmer selber oder von seinem Mieter bewohnt werde.

        Letzteres wurde von der Klägerin bestritten. Deren Behauptung, wonach ihre Prämien keinen Anteil für Mieterschäden enthielten, ist, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, ebenfalls bestritten, jedenfalls sinngemäss mittels Zitierens der Ausführungen von HONSELL (act. 38 S. 9: Die Versicherungsprämie hängt von der Grösse

        des Hauses, der Anzahl der Wohnungen und ähnlichen Faktoren ab. Sie wird anhand der statistischen Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Risiken kalkuliert, wobei - wie dargelegt - das Regressaufkommen bei Drittverschulden im allgemeinen nicht prämienmindernd berücksichtigt wird.). Auf diese umstrittenen Behauptungen kommt es indessen nicht an.

        Bedeutsam ist allein das Verhältnis zwischen dem Mieter und dem geschädigten Versicherungsnehmer. Darauf ist nachfolgend näher einzugehen.

      3. Zweck von Art. 72 Abs. 3 VVG ist zu verhindern, dass Personen vom Versicherer belangt werden, die vom Geschädigten selber wegen dessen enger Beziehung zu ihnen nicht in Anspruch genommen würden. Gemeint sind Ehegatte, Kinder und andere in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen. Dabei geht es nicht nur um die persönliche Beziehung sondern auch um die finanzielle Bindung,

        d.h. um die Tatsache, dass die Durchsetzung des Ersatzanspruchs das gesamte Haushaltbudget belasten und je nach dessen Finanzierung den Versicherten mehr oder minder stark treffen würde. Vom Regressprivileg betroffen sind im Weiteren Hilfspersonen, für deren Handeln der Versicherte einstehen muss (BSK VVG-GRABER, Art. 72 N 55 ff.; GLAUS/HONSELL/JAUN, a.a.O., N 6.6.127 ff.).

        Die Beziehung zwischen einem Mieter und seinem Vermieter hat nicht diese Intensität und Qualität, weder in persönlicher noch finanzieller Hinsicht. Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache sorgfältig zu gebrauchen (Art. 257f. Abs. 1 OR). Bei Verletzung dieser Pflicht, muss er dem Vermieter für den daraus erlittenen Schaden Ersatz leisten (Art. 97 Abs. 1 OR). Der Mieter kann bekanntlich zur Minderung dieses Haftungsrisikos eine Haftpflichtversicherung abschliessen. Dies ist weit verbreitet und auch vom Beklagten so gehandhabt worden (act. 15 S. 4). Die Prämien für die Gebäudeversicherung stehen nicht mit dem Gebrauch der Mietsache in Zusammenhang, weshalb sie nach zwingender gesetzlicher Vorschrift nicht mit allfälligen Nebenkosten auf den Mieter von Wohnräumen überwälzt werden können (Art. 257b Abs. 1 OR; Lachat/Béguin, Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl., Zürich 2009 N 14/1.5 mit Verweisen). Sie fallen unter die Kategorie der mit der Sache verbundenen Lasten und öffentlichen Abgaben, welche vom Vermieter zu tragen sind (Art. 256b OR). Daran hat sich die Vermieterschaft des Beklagten

        gehalten. Etwas anderes wurde vom Beklagten weder explizit noch sinngemäss vorgebracht.

        Dem Beklagten ist zuzustimmen, wenn er argumentiert, dass der Vermieter mit der Vermietung einer Sache in aller Regel einen (Netto-) Gewinn zu erzielen versucht und in seiner Erfolgsrechnung die Prämien der Gebäudeversicherung als aufwandsteigernd bzw. gewinnmindernd berücksichtigt. Insofern trifft die Aussage, dass der Mieter die Gebäudeversicherungsprämie (mit-) finanziere, durchaus zu. Dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise muss in rechtlicher Hinsicht indessen nicht entsprochen werden, was Wortlaut und Zweck von Art. 72 Abs. 3 VVG exemplarisch zeigen. Der Gesetzgeber hat das Regressprivileg auf Personen, die mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben oder für deren Handlungen er einstehen muss, beschränkt und auf eine Formulierung verzichtet, die es erlauben würde, Personen, welche auf andere Weise mit dem Versicherten wirtschaftlich verbunden sind, wie etwa der Mieter der versicherten Sache, in den Kreis der Privilegierten aufzunehmen. Soll an dieser Regelung etwas geändert werden, so hat dies auf dem Weg der Gesetzgebung zu erfolgen, nicht aber durch richterliche Rechtsfortbildung, zumal der Rückgriff des Versicherten auf den Mieter zwar durchaus diskutabel ist, aber auch aus heutiger Sicht nicht zu einem unerträglichen Ergebnis führt, sofern die Voraussetzungen einer Haftung aus Art. 41 OR erfüllt sind. Anders als im Falle seiner Hausgenossen sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb der Vermieter bei einer schuldhaften Schadenszufügung durch seinen Mieter darauf verzichten sollte, diesem gegenüber seinen Schadenersatzanspruch geltend zu machen. Nach Sinn und Zweck von Art. 72 Abs. 3 VVG muss in einer solchen Konstellation auch der Versicherer keine Zurückhaltung üben.

        Aus dem Entscheid des Bundesgerichts vom 25. Oktober 1988 (BGE 114 II 342

        = Pra 79 (1990) Nr. 168) lässt sich nichts zu Gunsten des Beklagten ableiten. Wohl hielt das Bundesgericht fest, dass die Möglichkeit eines Regresses des Kaskoversicherers gegen den vertraglich Haftenden ausgeschlossen werden müsse, wenn das Verschulden ( ) des Mieters nicht schwer sei, zumal nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen sei, dass im Mietpreis die Kaskoversicherung und die dazugehörenden Prämien bereits berücksichtigt seien (Erw. Ziff. 3). Dabei handelte es sich indessen um eine beiläufige, nicht entscheidrelevante Bemerkung. Zudem ging es im beurteilten Fall, und darin liegt der massgebliche Unterschied, um den Regress eines Versicherers auf einen ebenfalls aus Vertrag Haftenden.

        Dieselbe Auffassung wie der Beklagte, nämlich die Beschränkung des Rückgriffs des Versicherers auf Fälle von Grobfahrlässigkeit auch bei einer Haftung des Mieters aus unerlaubter Handlung im Sinne von Art. 41 OR, vertrat der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen in seinem Entscheid vom 10. Juni 2005, Z 04 5007. Dieser Entscheid erfolgte allerdings nicht auf der Basis einer gefestigten Gerichtspraxis. Sowohl das Kantonsgericht St. Gallen (Entscheid der

        III. Zivilkammer vom 25. Oktober 2004, BZ 2004.7) als auch das Obergericht des Kantons Thurgau (Entscheid vom 20. April 2004, ZBO.2003.7), welche sich ebenfalls einlässlich mit der Thematik befassten, verwarfen die Argumentation des Beklagten.

      4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Regress der Klägerin auf den Beklagten gestützt auf Art. 41 OR bei Verschulden jeder Art möglich ist und nicht auf schwere Fälle, gemeint sind grobe Fahrlässigkeit und Absicht, beschränkt ist. Für eine Privilegierung des Mieters, der den Schaden widerrechtlich und schuldhaft im Sinne von Art. 41 OR herbeigeführt hat, besteht nach geltendem Recht kein Grund.

  2. a) Die Vorinstanz beurteilte das Verhalten des Beklagten als grobfahrlässig. Es ging davon aus, dass der Beklagte zu später Stunde und teilweise auf dem Sofa liegend fern sah und dabei Zigaretten rauchte. Dadurch habe er einen gefährlichen Zustand geschaffen. Unter Hinweis auf die allgemeine Lebenserfahrung und die Verhaltensempfehlungen im Umgang mit Raucherwaren der Beratungsstelle für Brandverhütung (BfB), welche von der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen getragen wird, warf sie dem Beklagten vor, elementarste Sicherheitsvorkehren ausser Acht gelassen zu haben. Sich zu später Stunde und bei stundenlangem Fernsehen auf das Sofa zu legen und dabei zu rauchen, erhöhe das Risiko, dabei einzudösen oder gar einzuschlafen. Dass der Beklagte,

wenn auch unabsichtlich, es zugelassen habe, dass Asche auf das Sofa gelangte und nicht ausschliesslich in einen Aschenbecher, erscheine in den Worten des Bundesgerichts als schlechterdings unverständlich.

  1. Der Beklagte stellte in der Berufungsbegründung zunächst klar, dass von ihm bestritten und nicht erwiesen sei, dass der Sofabrand durch eine nicht ausgelöschte Zigarette verursacht worden und er mit brennender Zigarette eingeschlafen sei. Zur rechtlichen Würdigung der Vorinstanz machte er zusammengefasst die folgenden Ausführungen: Die Fahrlässigkeit bestehe aus einer objektiven und subjektiven Verschuldenskomponente, wobei sich der Grad der Fahrlässigkeit primär nach dem Grad des subjektiven Verschuldens beurteile. Das Verhalten des Schädigers müsse, um - durch Verletzung elementarster Vorsichtsgebote - Rechtsnachteile zu gewärtigen, Unverständnis, Kopfschütteln und Tadel auslö- sen, eine moralische Verurteilung nach sich ziehen und die Grenze des Tolerierbaren überschreiten. Es bestehe keine gesetzliche Vorschrift, die es einem Wohnungsmieter verbieten würde, abends vor dem Fernsehgerät zu rauchen. Auch die Mietverträge würden in der Regel kein solches Verbot statuieren. Allein aus dem Umstand, dass allgemein bekannt sei, dass Rauchen in einer Wohnung Brandschäden verursachen könne, und die Öffentlichkeit von Brandschutzbehör- den auf diese Gefahr aufmerksam gemacht werde, könne bei Nichtbeachtung dieser Empfehlungen nicht per se auf ein schweres Verschulden geschlossen werden. Selbst wenn in objektiver Hinsicht grobfahrlässiges Verhalten anzunehmen wäre, könnte dies dem Beklagten subjektiv nicht vorgeworfen werden. Am Ort, wo er geraucht habe, bzw. in dessen unmittelbaren Umgebung, hätten sich keine leicht entzündbaren Materialien befunden. Als er vom Sofa aufgestanden sei und das Wohnzimmer verlassen habe, hätte nichts auf einen späteren Brand hingedeutet. Ein Anlass, das Sofa speziell zu untersuchen, habe nicht bestanden. Sein Verhalten könne, wenn überhaupt, höchstens als leicht fahrlässig eingestuft werden.

  2. Die Klägerin schloss sich der Auffassung der Vorinstanz an. Sie stellte sich zusammengefasst auf den Standpunkt, dass derjenige, der liegend auf dem Sofa (oder dem Bett) rauche, grösste Sorgfalt walten zu lassen habe, dass durch die

    Glut der Zigarette nichts anbrenne. Dazu gehöre, dass das Sofa beim Verlassen auf mögliche Glimmbrandherde untersucht und nicht blind darauf vertraut werde, dass keine Glut darauf gelangt sei. Der Beklagte habe beides unterlassen und dadurch Sorgfaltspflichten ausser Acht gelassen, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage unter den gleichen Umständen zur Vermeidung eines Schadens ergriffen hätte. Anders als bei Leistungskürzungen nach UWG (recte wohl: UVG) sei im Rahmen des Haftpflichtrechts nach OR weitgehend nach objektivierten Kriterien zu bestimmen, ob grobe Fahrlässigkeit vorliege. Das Sofa sei so leicht entzündlich gewesen, dass die darauf gefallene Glut es, wenn auch zeitlich verzögert, in Vollbrand habe setzen können. Davon habe der Beklagte ausgehen müssen, weshalb für ihn keine Veranlassung bestanden habe, eine reduzierte Sorgfalt beim Rauchen walten zu lassen.

  3. Die Fahrlässigkeit ist rechtlich missbilligte Unsorgfalt. Sie setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Schädiger urteilsfähig ist. Diese Voraussetzung steht im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht zur Diskussion, so dass darauf nicht weiter einzugehen ist. Die Sorgfalt, welche es zu beachten gilt, misst sich grundsätzlich nach objektiven Kriterien. Der Mangel an Sorgfalt wird festgestellt durch den Vergleich des tatsächlichen Verhaltens des Schädigers mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der Situation des Schädigers. Jede negative Abweichung von diesem geforderten Durchschnittsverhalten gilt in der Regel als sorgfaltswidrig (REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Zürich 2008, N 810 und N 844 ff.; BK-BREHM, a.a.O.,

    Art. 41 N 170 ff. und N 179 ff.). Die Sorgfaltspflichten ergeben sich in erster Linie aus gesetzlichen Regelungen, die der Unfallverhütung und der Sicherheit dienen, sowie aus anderen allgemein anerkannten Verhaltensregeln, selbst wenn diese von einem privaten oder halböffentlichen Verband erlassen werden und keine Rechtsnormen darstellen (BSK OR I-HEIERLI/SCHNYDER, 5. Aufl., Basel 2011,

    Art. 41 N 48b). Die Heranziehung des Gefahrensatzes ist in diesen Fällen nicht erforderlich (REY, a.a.O., N 869).

    Die Fahrlässigkeit wird in der Praxis in verschiedene Stufen eingeteilt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Haftpflichtige unter Verletzung der elementarsten Vorsichtsgebote handelt und dadurch ausser Acht lässt, was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen hätte einleuchten müssen; mit anderen Worten, wenn das Verhalten des Fehlbaren schlechterdings unverständlich erscheint (BGer 4C.92/2007, E.3.2 und 5.2). Leichte Fahrlässigkeit ist eine geringfügige Verletzung der erforderlichen Sorgfalt. Das Verhalten, das dem Schädiger vorgeworfen wird, erscheint noch einigermassen verständlich; eine Sorgfaltspflichtverletzung dieser Art kann passieren (REY, a.a.O., N 863). Die mittelschwere Fahrlässigkeit ist, negativ umschrieben, weder schwer noch leicht (BK-BREHM, a.a.O., Art. 41 N 198).

  4. Der Beklagte verbrachte den fraglichen Abend im Wohnzimmer auf dem Sofa, teils sitzend, teils liegend, schaute fern und rauchte dabei Zigaretten. Gegen Mitternacht ging er zu Bett. Rund 2 ½ Stunden später brach im Wohnzimmer Feuer aus. Als Brandherd wurde das Sofa ermittelt. Soweit ist der Sachverhalt unbestritten. Der Beklagte lässt sich weiter dabei behaften, dass im Verlaufe des Abends, zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, Zigarettenglut auf das Sofa fiel und diese Glut einen Glimmbrand verursachte und später zum Brandausbruch führte. Die Vorinstanz ging insoweit vom selben Sachverhalt aus. Dass sie an anderer Stelle eine nicht ausgelöschte Zigarette erwähnte, ist nicht anders zu interpretieren, sprach sie, korrekt zitiert, doch davon, dass der Brand Durch eine nicht ausgelöschte Zigarette, respektive von einer solchen herabgefallenen Glut ( ) verursacht worden sei. Die Vorinstanz warf dem Beklagten vor, sich nicht wie ein durchschnittlich sorgfältiger Mensch in der gleichen Situation verhalten zu haben, denn dann hätte er sich entsprechend den Brandschutzrichtlinien gerade nicht mit einer brennenden Zigarette aufs Sofa gelegt und dies zu später Tageszeit und bei stundenlangem Fernsehkonsum, was wiederum gemäss allgemeiner Lebenserfahrung das Risiko besonders erhöht habe, dabei einzudösen oder gar einzuschlafen. Damit sagte die Vorinstanz nicht (ausdrücklich), dass der Beklagte tatsächlich rauchenderweise eingedöst oder eingeschlafen war. Dennoch erweckt sie mit ihren Worten den Eindruck, dass sie genau dies dem Beklagten vorwirft, zumindest aber als Möglichkeit in ihre Würdigung miteinbezog. Damit ging sie von einem Sachverhalt aus, der so nicht erwiesen ist. Der Beklagte bestritt von allem Anfang an die Passage im Polizeirapport vom 9. November

    2008, wonach er selber ausgesagt habe, dass er irgendwann eingeschlafen sei bzw. etwas gedöst habe. Der erwähnte Polizeirapport enthält allein die Wiedergabe der angeblichen Aussagen des Beklagten durch den ausgerückten Polizeibeamten. Ein vom Beklagten unterzeichnetes Einvernahmeprotokoll existiert nicht. Zum Nachweis dieses bestrittenen Sachverhaltsaspekts genügt der Polizeirapport nicht. Der rapportierende Polizeibeamte hätte jedenfalls als Zeuge einvernommen werden müssen. Ihre Beweisofferte beschränkte die Klägerin allerdings auf den genannten Polizeirapport, so dass sich weitere Beweiserhebungen erübrigen. Wenn der Brandermittler in seinem Nachtrag vom 19. Dezember 2008 zum Polizeibericht festhält, dass der Beklagte mit der brennenden Zigarette vor dem eingeschalteten Fernseher eingeschlafen sein dürfte (act. 16/2 Nachtrag S. 4), handelt es sich erklärtermassen um eine blosse Vermutung. Als gesicherte Erkenntnis kann dies im vorliegenden Prozess nicht verwertet werden. Da die Klägerin die Beweislast für die das Verschulden begründenden Sachverhaltselemente trägt (Art. 8 ZGB; BGer 4A_594/2009, E.3.2), ist im Ergebnis davon auszugehen, dass der Beklagte nicht mit brennender Zigarette eingeschlafen ist.

  5. Unter der Marginalie Pflichten Privater hält Art. 12 FFG fest, dass jedermann verpflichtet ist, alles ihm Zumutbare vorzukehren, um Brandund Explosionsschäden zu verhindern, wobei sich die Vorkehren nach der Brandund Explosionsgefahr richten. Ziff. 2 Abs. 1 und Ziff. 3.7 Abs. 4 der Brandschutzrichtlinie Brandverhütung - Sicherheit in Betrieben und auf Baustellen besagen, dass mit Feuer ( ) so umzugehen ist, dass keine Brände oder Explosionen entstehen, und insbesondere Rauchzeugreste ( ) nicht in brennbaren, geschlossenen Behältern auf nicht brennbaren Unterlagen aufzubewahren sind. Im Umgang mit Raucherwaren publiziert die Beratungsstelle für Brandverhütung weitere Empfehlungen und Warnhinweise:

    • Nur sorgfältig ausgedrückte Raucherwaren können nicht mehr weiterbrennen.

    • Asche sowie Stummel gehören in den Aschenbecher, nicht in den Kehrichtsack. Werfen Sie nur völlig ausgeglühte oder gut gewässerte Raucherwa-

      ren in den Abfall.

    • Rauchen im Bett, auf der Couch oder einem Sessel hat schon vielen Menschen das Leben gekostet. ( )

    • Denken Sie daran, dass auch Zigarettenasche noch nach vielen Stunden einen Brand entfachen kann.

(http://www.bfb-cipi.ch/Brandverhuetung/Brandgefahren.htm )

Der Beklagte befand sich am fraglichen Abend im Wohnzimmer auf dem Sofa, schaute fern und rauchte dabei Zigaretten. Dies ist weder nach allgemein gültiger Vorschrift verboten, noch war dies dem Beklagten im Besonderen (etwa mietvertraglich) untersagt. Auch wenn die Akzeptanz der Raucher seit geraumer Zeit gelitten hat und sich die Rauchgewohnheiten verändert haben - aus Rücksichtnahme auf Nichtraucher (nicht speziell zur Brandverhütung) wird vermehrt im Freien geraucht - ist das Rauchen in Wohnräumen nach wie vor verbreitet. Aus dem blossen Umstand, dass der Beklagte im Wohnzimmer auf dem Sofa rauchte (und dazu fern sah), kann ihm (noch) kein Vorwurf gemacht werden.

Nun steht aber fest, dass der Brand, welcher später ausbrach, auf Zigarettenglut zurückzuführen ist, welche auf das Sofa fiel. Vor dem Hintergrund der erwähnten Richtlinien und Empfehlungen ist offensichtlich, dass der Beklagte die von ihm zu erwartende Sorgfalt nicht walten liess, als er sich eine Zigarette gönnte, und ihm daher Unachtsamkeit vorzuwerfen ist. Ob er sitzend oder liegend rauchte, spielt dabei keine Rolle.

Dass das Sofa entzündlich war, steht fest. Zur genauen Beschaffenheit des Sofas machte die Klägerin indessen keine Angaben, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass es leicht entzündlich war. Auch zur Verfassung des Beschuldigten am fraglichen Abend fehlen nähere Ausführungen, so dass auch in dieser Hinsicht keine besonderen Erwartungen an den Beklagten gestellt werden kön- nen. Wie erwähnt ist nicht erwiesen, dass der Beklagte mit brennender Zigarette eingeschlafen war. Dass er zusätzlich Alkohol konsumierte, war nie Thema.

Wann genau der Brand ausbrach ist unklar, ebenso, zu welchem Zeitpunkt der Glimmbrand ein Ausmass erreichte, das der Beklagte beim Aufstehen ohne Weiteres hätte erkennen können. Da der Beklagte, aus Unachtsamkeit, gar nicht bemerkte, dass Glut auf das Sofa fiel, bestand für ihn auch kein Anlass, das Sofa beim Aufstehen genau zu untersuchen. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, dass eine derartige Unterlassung als schlechterdings unverständlich zu bezeichnen wäre. Von einem derartigen Verhalten wäre etwa zu sprechen, wenn bei

grosser Trockenheit (insbesondere bei behördlichem Verbot) im Wald ein (Grill-) Feuer entfacht wird, wenn in Menschenmassen Feuerwerkskörper gezündet werden, oder wenn, um näher beim Fall zu bleiben, ein brennender Zigarettenstummel nicht im Aschenbecher ausgedrückt sondern zum Verglimmen mit der brennenden Glut nach oben aufgestellt wird.

Derartige Umstände, die das Verschulden des Beklagten als schwer erscheinen liessen, liegen nicht vor. Insgesamt betrachtet ist von leichter Fahrlässigkeit auszugehen, von Grobfahrlässigkeit kann nicht gesprochen werden.

7. Fazit

Der Anspruch der geschädigten Hauseigentümerin gegenüber dem Beklagten aus Art. 41 OR ging gestützt auf § 72 Abs. 1 GebVG im Umfang der von der Klägerin erbrachten Entschädigungsleistung auf diese über. Die Klägerin machte diesen Anspruch innert der im vorliegenden Fall geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren geltend (Art. 60 Abs. 2 OR i.V.m. Art. 98 lit. a, Art. 103, 104 und 109 StGB

i.V.m. § 2 Abs. 1 des Strafund Justizvollzugsgesetzes). Sämtliche Haftungsvoraussetzungen von Art. 41 OR - Schaden, Kausalzusammenhang zwischen schä- digendem Verhalten und Schaden, Widerrechtlichkeit der Schädigung und Verschulden des Schädigers - sind erfüllt. Auch ist der Mieter, welcher, wirtschaftlich betrachtet, mit dem Mietzins die Gebäudeversicherungsprämien mitfinanziert, kein Hausgenosse des versicherten Vermieters. Das Haftungsprivileg gemäss Art. 72 Abs. 3 VVG, das im Schadensversicherungswesen allgemein Geltung beansprucht, kommt daher beim Regress des Brandversicherers gestützt auf den subrogierten Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne von Art. 41 OR nicht zur Anwendung, auch nicht analog, so dass der Schadensverursacher bei jedem Verschulden und nicht nur bei Grobfahrlässigkeit (und Vorsatz) haftet. Der Beklagte anerkannte den regressberechtigten Schaden im Umfang der eingeklagten Forderung samt Zinsen. Anlass für eine Herabsetzung der Ersatzpflicht besteht nicht und wurde auch vom Beklagten nie (eventualiter) geltend gemacht. Die Vorinstanz verpflichtete damit den Beklagten zu Recht, der Klägerin Fr. 35'000.-- nebst Zins zu 5 % seit 5. August 2009 zu bezahlen.

Obergericht, II. Zivilkammer Urteil vom 27. Januar 2014 Geschäfts-Nr.: LB130022-O/U

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