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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LB120018
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LB120018 vom 19.03.2012 (ZH)
Datum:19.03.2012
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Recht; Vergleich; Berufung; Partei; Gericht; Vergleichs; Klägers; Rechtsvertreter; Beschluss; Parteien; Vertreter; Verfahren; Berufungsverfahren; Wille; Rungen; Beklagten; Willen; Bezirksgericht; Verfügung; Verstanden; Verhalten; Aufgr; Vergleiches; Beschwerde; Protokoll; Vergleichsvertrag; Verhandlung; Abschluss; Entscheid
Rechtsnorm: Art. 1 OR ; Art. 117 ZGB ; Art. 117 ZPO ; Art. 119 ZPO ; Art. 147 ZPO ; Art. 239 ZPO ; Art. 241 ZPO ; Art. 308 ZPO ; Art. 312 ZPO ; Art. 32 OR ; Art. 34 OR ; Art. 38 OR ; Art. 68 ZPO ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LB120018-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichter Dr. P. Higi und Ersatzrichterin Prof. Dr. Jent-Sørensen sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. F. Gohl Zschokke.

Beschluss und Urteil vom 19. März 2012

in Sachen

  1. ,

    Kläger und Berufungskläger

    gegen

  2. ,

Beklagte und Berufungsbeklagte

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

betreffend Forderung

Berufung gegen einen Beschluss der II. Abteilung des Bezirksgerichtes Bülach vom 6. Dezember 2011; Proz. CG110021

Rechtsbegehren:

1. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger den Betrag von

Fr. 14'375.95 nebst Zins zu 5% seit 10. Juni 2010 sowie den Betrag von Fr. 21'500.- nebst Zins zu 5% seit 21. Juni 2010 zu bezahlen. Nachforderungsrecht, richterliches Ermessen und Ergebnisse des Beweisverfahrens ausdrücklich vorbehalten.

2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.

(act. 37 S. 2)

Beschluss des Bezirksgerichtes Bülach vom 6. Dezember 2011:
  1. Das Verfahren wird als durch Vergleich erledigt abgeschrieben.

  2. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'000.- festgesetzt.

    Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

  3. Die Kosten von Fr. 3'000.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt und mit dem von der klagenden Partei geleisteten Vorschuss in der Höhe von Fr. 4'300.- verrechnet. Der Vorschuss wird im die Gerichtskosten übersteigenden Betrag von Fr. 1'300.- der klagenden Partei zurückerstattet (sofern keine weiteren offenen Forderungen der Gerichtskasse bestehen). Die beklagte Partei hat der klagenden Partei den geleisteten Kostenvorschuss im Umfang von Fr. 1'500.- zu ersetzen.

  4. Der gegenseitige Verzicht der Parteien auf eine Prozessentschädigung wird vorgemerkt.

5./6. Mitteilung / Rechtsmittel

(act. 37 S. 3 - 4)

Anträge des Klägers und Berufungsklägers (vgl. act. 36 S. 2):

  1. Die Verfügung vom 25. Januar 2012, sowie der Beschluss vom 6. Dezember 2011 seien ausgenommen die Regelung der Kosten rückgängig zu machen.

  2. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger den Betrag von Fr. 200'000 plus 5% Zinsen im Sinne des Ausgleiches aller güterrechtlichen Ansprüche des Vergleichs vom 17. Februar 2010 und Fr. 67'000 im Sinne der Bereinigung der Liegenschaftsabrechnung (wie auch die Beklagte einverstanden ist) zu bezahlen.

  3. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger Betrag Fr. 60'000 im Zusammenhang mit dem Grundstück im C._ , auf der Insel D. , Region

    , zu bezahlen.

  4. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.

  5. Es sei mir die unentgeltliche Rechtpflege nach Art. 117 ZGB zu gewähren.

  6. Mein damaliger Anwalt Y. sollte als Zeuge befragt werden.

  7. Das Geld sei auf jeden Fall auf mein Bankkonto bei der Bank, IBAN CH einzuzahlen.

Erwägungen:

1. Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Die Scheidung war mit Urteil vom

17. Februar 2010 ausgesprochen worden.

    1. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2011 (vgl. act. 2 f.) liess der Kläger durch seinen damaligen Rechtsvertreter, Dr. iur. Z. , beim Bezirksgericht Bülach eine Klage gegen seine von ihm geschiedene Ehefrau einreichen. Klagegegenstand waren vom Kläger geltend gemachte Forderungen gegenüber der Beklagten aus Liegenschaftenabrechnung usw. in Vollzug des Scheidungsurteils (vgl. act. 2 S. 3 ff.). Die Vollmacht des Klägers an seinen Rechtsvertreter bildet als act. 3/1 Teil des Schriftsatzes, mit dem die Klage eingereicht wurde.

      Am 2. Dezember 2011 fand eine Instruktionsverhandlung statt, zu welcher der Rechtsvertreter des Klägers in Begleitung des Klägers erschien. Im Rahmen der Instruktionsverhandlung gab das Gericht den Parteien seine Einschätzung der Rechtslage bekannt. Nach einer Pause fanden Vergleichsgespräche statt, welche der Kläger verliess, und zwar mit der Erklärung, er könne der Verhandlung aufgrund psychischer Probleme nicht weiter beiwohnen (Vi-Prot. S. 5). Die Verhandlung wurde danach mit dem klägerischen Rechtsvertreter allein fortgeführt. Dabei kam es zum Abschluss eines Vergleiches.

      Mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 wurde das Verfahren aufgrund des Vergleiches abgeschrieben. Die Entscheid wurde den Parteien ohne Begründung im Dispositiv gemäss Art. 239 ZPO eröffnet.

    2. Mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 verlangte der Kläger beim Bezirksgericht die Revision des Beschlusses vom 6. Dezember 2011 (act. 23). Am 23. Dezember 2011 widerrief der Kläger sodann die von ihm Rechtsanwalt Dr. Z. erteilte Vollmacht (act. 25). Das Bezirksgericht stellte den Parteien in der Folge einerseits den Beschluss vom 6. Dezember 2011 in begründeter Ausfertigung zu und eröffnete anderseits ein Verfahren betreffend Revision unter der Geschäftsnummer BR110003. In dessen Rahmen erkannte es dem Revisionsgesuch mit Verfügung vom 25. Januar 2012 einstweilen aufschiebende Wirkung zu, wies ein Gesuch des Klägers um unentgeltliche Rechtspflege ab und setzte dem Kläger Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses an (vgl. act. 34).

Der begründete Beschluss vom 6. Dezember 2011 wurde dem Kläger anfangs Februar 2012 zugestellt bzw. eröffnet, die Verfügung vom 25. Januar 2012 am 31. Januar 2012. Als Rechmittel wurde in der Verfügung vom 25. Januar 2012 korrekt die Beschwerde bezeichnet.

  1. Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2012 (act. 36-39/4) erhob der Kläger Berufung sowohl gegen die Verfügung vom 25. Januar 2012 als auch gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bülach vom 6. Dezember 2011. Dabei bezeichnete er

    lic. iur. et lic. phil. W. , zugelassen durch , als seinen Vertreter (siehe act. 36 S. 1). Zugleich reichte er eine Verfügung des Präsidenten der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Januar 2012 ein (vgl. act. 38), welche es Dr. iur. V. erlaubt, unter seiner Verantwortung

    W. zur Führung von Zivilprozessen zu substituieren (a.a.O., S. 2).

  2. Mit Beschluss vom 23. Februar 2012 nahm die Kammer die Berufung in Bezug auf die Verfügung vom 25. Januar 2012 als Beschwerde entgegen. Sie trennte sodann die Rechtsmittelverfahren und wies die Beschwerde gegen die Verfügung

    vom 25. Januar 2012 dem Verfahren mit Geschäfts-Nr. RU120008 zu, die Berufung gegen den Beschluss vom 6. Dezember 2011 dem vorliegenden Verfahren mit der Geschäftsnummer LB120018 (vgl. act. 44 S. 3, Dispositiv-Ziffer 2).

    1. Überdies wurde lic. iur. et lic. phil. W. im Beschluss vom

      23. Februar 2012 aufgefordert, innert einer Frist von 10 Tagen der Kammer eine Originalvollmacht des Klägers an Dr. V. einzureichen, dem der Präsident der Verwaltungskommission des Obergerichtes des Kantons Zürich mit Verfügung vom 17. Januar 2012 die Bewilligung erteilt hatte (vgl. act. 38), unter seiner Verantwortung zur Führung von Zivilund Strafprozessen lic. iur. et lic. phil. W. zu substituieren. Für den Säumnisfall wurde gestützt auf

      Art. 147 Abs. 2 ZPO der Entscheid aufgrund der am 23. Februar 2012 vorliegenden Akten in Aussicht gestellt (act. 44 S. 3, Dispositiv-Ziffer 3).

      Bis heute ging keine Vollmacht des Klägers an Dr. V. ein, welche sich auf die Vertretung im vorliegenden Berufungsverfahren bezieht. Lediglich im Verfahren RU120008 reichte Dr. V. eine Vollmacht ein, zusammen mit einem Schreiben vom 27. Februar 2012, in dem er mitteilte, es habe ihn der Kläger, Revisionskläger und Beschwerdeführer mit der Wahrung seiner Interessen im Prozess (Geschäftsnummer RU120008) beauftragt (vgl. act. 46 [beigezogene Akten des Verfahrens RU120008], dort act. 13 S. 2).

    2. Der Kläger hat lic. iur. et lic. phil. W. als seinen Vertreter im Berufungsverfahren bezeichnet, unter Verweis auf die Verfügung des Präsidenten der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Januar 2012. Dargelegt ist von ihm damit, dass die Vertretung durch lic. iur. et lic. phil. W. in Ausübung dessen beruflicher Tätigkeit unter der Verantwortung von Rechtsanwalt Dr. V. erfolgt, mithin berufsmässig. Gemäss Art. 68 Abs. 2 ZPO sind zur berufsmässigen Vertretung einer Partei in Berufungsverfahren allerdings nur Anwältinnen und Anwälte zugelassen, die berechtigt sind, nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 Parteien vor schweizerischen Gerichten zu vertreten. Das trifft auf lic. iur. et lic. phil. W. , der lediglich unter der Verantwortung von Rechtsanwalt Dr. V. zur Vertretung befugt ist (und lediglich im Verfahren

      RU120008 von diesem substituiert wurde), für das Berufungsverfahren nicht zu. Er ist daher als Vertreter des Klägers im Berufungsverfahren nicht zuzulassen.

  3. Der Kläger hat für das Berufungsverfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Gemäss Art. 117 ZPO ist einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen, wenn ihr die Mittel fehlen, um das Rechtsmittelverfahren zu finanzieren (vgl. Art. 119 Abs. 5 ZPO i.V.m. Art. 117 lit. a ZPO) und zudem ihr Rechtsbegehren im Rechtsmittelverfahren nicht aussichtslos erscheint (vgl. Art. 119 Abs. 5 ZPO i.V.m. Art. 117 lit. b ZPO). Fehlt es nur schon an einer dieser zwei Voraussetzungen, ist das Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen.

    Wie nachstehend zu zeigen sein wird, erweist sich die Berufung des Klägers nicht nur als unbegründet i.S. des Art. 312 Abs. 1 ZPO, sondern auch als aussichtslos im Sinne von Art. 117 lit. b ZPO. Das Gesuch des Klägers um Bewilligung der unentgeltliche Rechtspflege ist demzufolge ohne Weiterungen abzuweisen.

  4. Der Kläger führt Berufung gegen den Beschluss vom 6. Dezember 2011, mit dem das Bezirksgericht das Verfahren aufgrund eines Vergleiches der Parteien vom 2. Dezember 2011 abschrieb, eines Verfahrens, das der Kläger mit seiner Klage gemäss dem einleitend aufgeführten Rechtsbegehren angehoben hatte (vgl. vorn Ziff. 1.1). Dabei verlangt er vorab die Aufhebung des Beschlusses (vgl. Antrag Ziff. 1 in act. 36 S. 2).

    Im Wesentlichen macht der Kläger mit seiner auf Deutsch verfassten, verständlichen und von ihm selbst unterzeichneten Berufungsschrift geltend (vgl. act 36 S. 3), es sei während des vorinstanzlichen Verfahrens und insbeson-

    dere am 2. Dezember 2011 kein Übersetzer anwesend gewesen, über den er sich hätte verständlich machen können. Er habe daher weder das Gericht noch seinen damaligen Anwalt verstehen können. Er habe daher auch seinen Willen betreffend den Vergleich nicht mündlich zum Ausdruck bringen können. Mit konkludentem Verhalten, nämlich durch das Verlassen des Gerichtssaales, habe er aber seinen Willen des Nichteinverstandenseins mit diesem Vergleich zum Ausdruck gebracht. Er habe sich vom Gerichtspräsidenten verabschiedet, damit dieser den

    Entscheid treffe. Es sei sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden und der Vergleich unwirksam.

    1. Eine Partei kann bei dem Gericht, welches als letzte Instanz in der Sache entschieden und das Verfahren aufgrund eines Vergleiches abgeschrieben hat, die Revision des rechtskräftigen Entscheides verlangen, wenn damit die Unwirksamkeit des Vergleiches geltend gemacht wird (vgl. Art. 328 Abs. 1 lit c ZPO). Die Revision dient dabei der Anfechtung bestimmter Dispositionsakte einer Partei

      (vgl. ZR 110 Nr. 34, dort S. 94, mit Verweisen auf die Botschaft des Bundesrates zur ZPO und Literatur).

      Nach Praxis der Kammer ist gegen Beschlüsse, mit denen ein erstinstanzliches Verfahren infolge Vergleichs abgeschrieben wird, die Berufung dann und soweit zulässig, wie das Streitwerterfordernis des Art. 308 Abs. 2 ZPO erfüllt ist und andere Mängel als solche des Dispositionsaktes einer Partei gerügt werden. Das ist etwa dann der Fall, wenn strittig ist, ob die Parteierklärung überhaupt tatsächlich oder formell gültig abgegeben wurde, ob der für eine Partei handelnde Vertreter bevollmächtig war usw. (vgl. a.a.O.).

      Das Streitwerterfordernis gemäss Art. 308 Abs. 2 ZPO ist bereits insoweit gegeben, als der Kläger mit seinem Rechtsbegehren beim Bezirksgericht die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von fast Fr. 36'000.- verlangt hat. Die Rügen des Klägers beschlagen sodann auch Fragen des formell korrekten Zustandekommens des Vergleiches vom 2. Dezember 2011 und dessen Wirksamkeit unter diesen Gesichtspunkten. Insoweit kann auf die Berufung eingetreten werden.

      Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Vergleich vom

      2. Dezember 2011 gemäss Art. 241 Abs. 2 ZPO materiell in Rechtskraft erwachsen ist. Soweit der Kläger mit seiner Berufung den Dispositionsakt (Vergleichsvertragsschluss) als solchen anfechten wollte, namentlich Erklärungsoder Willensmängel der am Vergleichsvertragsschluss Beteiligten geltend machen wollte, ist er damit im Berufungsverfahren nicht zu hören, sondern auf das bereits von ihm anhängig gemachte Revisionsverfahren zu verweisen.

    2. Der Kläger war im Zeitpunkt des Vergleichsvertragsabschlusses anwaltlich vertreten. Gemäss der Vollmachtsurkunde, welche das Vertretungsverhältnis dokumentiert, hat der Kläger seinen Rechtsvertreter in Sachen Liegenschaftenabrechnung und Vollzug des Scheidungsurteils auch zum Abschluss eines Vergleichs im bezirksgerichtlichen Verfahren ermächtigt (vgl. act. 3/1). Das Vertretungsverhältnis und die damit einhergehenden Ermächtigungen des Rechtsvertreters widerrief der Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 (act. 25). Der Sache nach macht er indessen geltend, er habe sich konkludent bereits am 2. Dezember 2011 gegen einen Vergleich ausgesprochen.

      Mit diesem Einwand bringt der Kläger implizit ebenso vor, er habe am 2. Dezember 2011 seinem Vertreter die Ermächtigung zum Abschluss eines Vergleichs entzogen, also dessen Bevollmächtigung für die Verhandlung vom 2. Dezember 2011 inhaltlich auf eine Vertretung ohne das Recht zu einem Vergleichsabschluss beschränkt. Denn wer sich eines Vertreter bedient, der in seinem Namen rechtsgeschäftlich zu handeln ermächtigt ist, muss sich die Erklärungen und Handlungen des Vertreters anrechnen lassen, soweit diese im Rahmen der dem Vertreter erteilten Ermächtigung und/oder der gutgläubigen Dritten gegenüber kundgegebenen Bevollmächtigung des Vertreters liegen (vgl. Art. 32 Abs. 1 OR und Art. 38 Abs. 1 OR). Der Abschluss eines Vergleichs ist dergleichen rechtsgeschäftliches Handeln: Der Vergleich ist ein Vertrag, mit dem die daran beteiligten Parteien einen Streit durch Austausch inhaltlich übereinstimmender Willenserklärungen

      (vgl. Art. 1 Abs. 1 OR) beilegen. Sein Abschluss durch die Parteien während eines hängigen Prozesses führt unmittelbar zur Gegenstandslosigkeit des Prozesses (vgl. Art. 241 Abs. 3 ZPO).

      1. Der gänzliche oder teilweise Widerruf einer Ermächtigung an einen Vertreter ist jederzeit möglich und zulässig (vgl. Art. 34 OR). Der Widerruf ist ein sog. Gestaltungsgeschäft, das durch die Abgabe einer Willenserklärung ausgeübt wird und seine Wirkung mit dem Zugang der Willenserklärung entfaltet. Die Willenserklärung kann ausdrücklich oder aber stillschweigend abgegeben werden, durch sog. konkludentes (schlüssiges) Verhalten.

        Willenserklärungen sind nach dem Vertrauensprinzip auszulegen, wenn ihr Inhalt, also das, was der wirklich erklärte Wille war, unklar oder strittig ist, etwa weil der Erklärende seine Erklärung gar nicht gegen sich gelten lassen oder nur in einem bestimmten Sinn verstanden haben will. Massgeblich ist dabei das Verständnis der Erklärung, wie sie vom Empfänger unter Einbezug der konkret gegebenen Umständen verstanden werden durfte und musste. Das gilt auch in Bezug auf Willenserklärungen durch sog. konkludentes Verhalten. Mit konkludentem Verhalten meint man eine non-verbale Erklärung, nämlich eine Willensbetätigung des Erklärenden, deren Sinn bzw. Erklärungsinhalt sich dem Empfänger aufgrund der konkreten Umstände ohne Weiteres erschliesst und von ihm daher verstanden wird bzw. nach Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) gar nicht anders verstanden werden kann.

        Gemäss dem vorinstanzlichen Protokoll dauerten die Vergleichsgespräche von 14.40 Uhr bis 15.55 Uhr und wurden um 15.00 Uhr - nachdem ergebnislos der Treuhänder der Beklagten telefonisch zu erreichen versucht worden war, um Unterlagen beizubringen - für eine halbe Stunde unterbrochen (vgl. Vi-Prot.

        S. 5 f.). Anlass, den Treuhänder der Beklagten anzurufen, gab die Erklärung des Gerichtspräsidenten, für den Abschluss eines allfälligen Vergleiches müsse die vollständige Bilanzund Erfolgsrechnung 2010 vorliegen. Laut Protokoll verliess der Kläger den Gerichtsaal bereits vor dieser Erklärung des Gerichtspräsidenten, mithin bald nach dem Beginn der Gespräche, jedoch bevor diese aufgrund der dazu notwendigen Unterlagen im Detail in Gang kommen konnten und kamen. Dabei begründete er sein Verhalten laut Protokoll mit der Erklärung, er könne der Verhandlung aufgrund psychischer Probleme nicht mehr weiter beiwohnen (Vi-Prot. S. 5).

      2. Der Kläger behauptet mit seiner Berufung weder, das Protokoll gebe den Verhandlungsablauf unrichtig wieder, noch behauptet er, es sei seine Erklärung, weshalb er den Gerichtssaal verlassen habe, im Protokoll falsch vermerkt worden. Endlich wird von ihm auch nicht geltend gemacht, es habe ein entsprechendes Protokollberichtigungsbegehren beim Bezirksgericht eingereicht, das dann auch noch von diesem gutgeheissen worden ist. Solches ergibt sich auch nicht aus den Akten. Demnach ist ohne Weiterungen von der Richtigkeit des im Protokoll Dargestellten auszugehen und es gilt der durch das Protokoll belegte Sachverhalt als erstellt.

        Erstellt ist damit zugleich, dass der Kläger den Gerichtssaal nicht einfach verliess und allein damit einen Willen non-verbal betätigte, dessen Sinn sich seinem Rechtsvertreter (und der Beklagten sowie allenfalls dem Gericht als Dritten

        i.S. des Art. 34 Abs. 3 OR) sogleich erschloss, sondern dass er im Gegenteil zusätzlich und zugleich auch eine verbale und insoweit ausdrückliche Erklärung (Begründung) für sein Verhaltens abgab, nämlich: Wegen psychischer Probleme könne er der Verhandlung nicht weiter beiwohnen. In guten Treuen duften sowohl der Rechtsvertreter des Klägers als auch die Beklagte und das Gericht als Dritte, denen gegenüber die Ermächtigung des Rechtsvertreters gemäss act. 3/1 bekannt war, das Verlassen des Gerichtssaales als Folge einer Unpässlichkeit (psychische Probleme) verstehen. Und es hat der Rechtsvertreter des Klägers dessen Verhalten gemäss Protokoll auch so verstanden, vertrat er den Kläger doch weiterhin und schloss er für diesen später den Vergleich. Nicht hingegen konnten und mussten sowohl der Rechtsvertreter als auch das Gericht und die Beklagte das Verlassen des Gerichtssaals durch den Kläger und die vom Kläger dazu zugleich gelieferte Begründung in guten Treuen als Ablehnung gewissermassen jeglichen Vergleichs durch den Kläger verstehen. Diese vom Kläger behauptete Bedeutung seines Verhaltens und seiner dazu vor Ort zugleich gelieferten ausdrücklichen Erklärung (Begründung) liegt vielmehr ausserhalb dessen, was in guten Treuen unter den gegebenen Umständen zu verstehen war.

        Demnach kann keine Rede davon sein, der Kläger habe mit dem Verlassen schlüssig bzw. konkludent einen Willen betätigt, gemäss dem er den Abschluss eines Vergleiches ablehnte und die dem Rechtsvertreter früher erteilte und dem Gericht sowie der Beklagten kundgegebene Vollmacht gegenüber dem Vertreter insoweit widerrief und das zu allem auch noch in einer ebenfalls für die Beklagte und das Gericht als Dritten unschwer erkennbaren, schlüssigen Art.

        Nur abrundend - weil es darauf nach dem eben Gesagten nicht mehr ankommen muss - bleibt noch darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Ermächtigung seines Rechtsvertreters erst, dafür aber vollständig, mit Schreiben vom

        23. Dezember 2011 widerrufen hat. Das mag verdeutlichen, dass auch der Kläger sein Verhalten am 2. Dezember 2011 nicht als Ablehnung jeglichen Vergleichs auffasste, sondern als das, was er damals erklärte: Als Unpässlichkeit aufgrund psychischer Probleme.

    3. Im Ergebnis der Erwägungen unter Ziff. 5.2 bleibt festzuhalten, dass der Klä- ger die Ermächtigung bzw. Bevollmächtigung seines Rechtsvertreters, ihn - den Kläger - im Prozess und in der Verhandlung vom 2. Dezember 2011 zu vertreten, und zwar in dem Umfang, wie er durch act. 3/1 ausgewiesen ist, an diesem

      2. Dezember 2011 weder seinem Vertreter gegenüber noch dem Gericht und der Beklagten als Dritten gegenüber teilweise oder gar gänzlich widerrufen hat. Demnach war der Rechtsvertreter befugt, den Kläger in den detaillierten Vergleichsgesprächen zu vertreten, welche erst begannen (und beginnen konnten), nachdem der Kläger den Gerichtssaal verlassen hatte. Ebenso war der Rechtsvertreter des Klägers befugt, im Namen des Klägers einen Vergleich mit der Beklagten zu schliessen, und es hat der Kläger sich die Erklärungen und das Verhalten seines Vertreters in den Vergleichsgesprächen und beim Vergleichsvertragsschluss anrechnen zu lassen.

      Die vom Kläger geltend gemachte Unwirksamkeit des Vergleiches in formeller Hinsicht ist damit offenkundig nicht gegeben. Es sind auch keine anderen Gesichtspunkte ersichtlich, welche eine Unwirksamkeit des Vergleichsvertragsschlusses am 2. Dezember 2011 zwischen den Parteien im Rahmen dessen, was in der Berufung zu prüfen ist, nur schon im Ansatz als möglich erscheinen liessen. Um aber selbst das nicht zu versäumen:

    4. Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht geltend macht, weil er das Gericht nicht verstanden habe, so übergeht er, dass der Vergleichsvertragsschluss Sache der Parteien war und er an den Verhandlungen, die mit Hilfe der dazu notwendigen Unterlagen dann zum Vergleichsvertragsschluss mit der Beklagten führten, gar nicht mehr teilgenommen hatte, sondern sich durch seinen Anwalt vertreten liess. Den Anwalt hatte er zudem - was ohne weiteres unterstellt werden darf - mit der Wahrung seiner Interessen beauftragt, weil ihm selbst die Fachkunde fehlt, Ausführungen des Gerichts zur Sachund Rechtslage, wie sie vor den Vergleichsgesprächen vorgetragen wurden

      (vgl. Vi-Prot. S. 5), in allen Punkten zu verstehen.

      Soweit der Kläger geltend macht, er habe sich mit seinem Anwalt nicht hinreichend verständigen können, etwa in der Pause nach den Erläuterungen des Gerichts, welche dazu diente, dass sich die Rechtsvertreter mit ihren Klienten besprechen konnten, beschlägt das grundsätzlich Interna zwischen Vertreter und Vertretenem. Der Kläger behauptet nicht, die Beklagte oder gar das Gericht hät- ten am 2. Dezember 2011 erkannt oder wenigstens erkennen können, dass er sich seinem Rechtsvertreter gegenüber nicht hinreichend verständlich machen konnte und der Rechtsvertreter daher erkennbar instruktionswidrig den Vergleichsvertrag nach dem Weggang des Klägers eingegangen war. Mit Blick auf das unter Ziff. 5.2 Dargelegte hat der Kläger eine solche Behauptung mit Fug unterlassen. Es kann daher und mit Blick auf die doch sehr verständlichen Ausfüh- rungen des Klägers in der Berufungsschrift offen gelassen werden, was er am

      2. Dezember 2011 allenfalls nicht verstanden hat und inwiefern er daher und wegen seiner Sprachkenntnisse gehindert war, anderes als das vorzutragen, was er in der Berufung vorbringt, nämlich er sei gegen einen Vergleichsvertragsschluss gewesen. Es kann ebenso offen gelassen werden, wie sich das ungenügende Verständnis, welches der Kläger geltend macht, mit seiner in der Berufungsschrift anderweitig angebrachten Bemerkung verträgt, die Beklagte habe sich am 2. Dezember 2011 mit dem Abschluss der Bereinigung der Liegenschaftenabrechnung zu Fr. 67'000.- einverstanden gezeigt (vgl. act. 36 S. 5 [dort Ziff. 5]).

    5. Es bleibt somit bei dem in Ziff. 5.3 gezeichneten Ergebnis, was bereits zur Abweisung der Berufung führt. Auf die übrigen Anträge des Klägers zur Sache und seine dazugehörigen Ausführungen in der Berufungsschrift (vgl. act. 36

      S. 4 f.), die übrigens eine Klageänderung beinhalten, deren Zulässigkeit gemäss Art. 317 Abs. 2 lit. b ZPO offenkundig nicht gegeben erscheint, ist daher gar nicht mehr einzugehen. Ebenso erübrigt es sich gemäss Art. 312 Abs. 1 ZPO, eine Berufungsantwort einzuholen.

  5. Bei diesem Ausgang des Berufungsverfahrens ist die erstinstanzliche Regelung der Kostenund Entschädigungsfolge zu bestätigen. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind dem Kläger aufzuerlegen. Die Entscheidgebühr ist - ausgehend von einem fast Fr. 36'000.- erreichenden Streitwert - gestützt auf § 12 Abs. 1 GebV OG gemäss § 4 Abs. 1-2 GebV OG in einem reduzierten Umfang festzusetzen.

Parteientschädigungen sind für das Berufungsverfahren keine zuzusprechen: Der Kläger unterliegt vollständig, der Beklagten sind keine wesentlichen Umtriebe entstanden.

Es wird beschlossen:
  1. Lic. iur. et lic. phil. W. wird als Vertreter des Klägers im Berufungsverfahren nicht zugelassen.

  2. Das Gesuch des Klägers um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren wird abgewiesen.

  3. Schriftliche Mitteilung an die Parteien zusammen mit dem nachfolgenden Erkenntnis sowie im Auszug (umfassend Erwägungen 3 sowie vorstehende Dispositivziffer 1) an lic. iur. et lic. phil. W. , [Adresse].

  4. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss gemäss dem nachfolgenden Erkenntnis.

Es wird erkannt:
  1. Die Berufung gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bülach vom 6. Dezember 2011 wird abgewiesen.

  2. Die Regelung der Kostenund Entschädigungsfolge im Beschluss vom

    6. Dezember 2011 (Dispositiv-Ziffern 3-4) wird bestätigt.

  3. Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 2'300.- festgesetzt und dem Kläger auferlegt.

  4. Es werden für das Berufungsverfahren keine Parteientschädigungen zugesprochen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beklagte unter Beilage des Doppels von act. 36, sowie an das Bezirksgericht Bülach, je gegen Empfangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach Erledigung des vor der Kammer noch hängigen Beschwerdeverfahrens RU120008 i.S. der Parteien an die Vorinstanz zurück.

  6. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert liegt über Fr. 30'000.-.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Der Vorsitzende:

lic. iur. P. Diggelmann

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. F. Gohl Zschokke

versandt am:

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