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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils LA210023: Obergericht des Kantons Zürich

Der Fall betrifft eine arbeitsrechtliche Forderungsklage zwischen einer Klägerin und einer Beklagten, die zu einer Änderungskündigung führte. Die Klägerin forderte eine Zahlung von CHF 28'697 netto von der Beklagten. Das Arbeitsgericht Zürich entschied zugunsten der Klägerin und verpflichtete die Beklagte, CHF 6'500 brutto zu zahlen. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin unrechtmässig gekündigt hatte. In der Berufung wurde die Entscheidung angefochten, wobei die Klägerin die vollständige Klagebefriedigung forderte. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin nicht ohne Vorliegen eines rechtmässigen Grundes gekündigt hätte. Die Klägerin hatte die Kündigungsmöglichkeit bereits vorher thematisiert, was die Beklagte dazu veranlasste, die Klägerin zu kündigen.

Urteilsdetails des Kantongerichts LA210023

Kanton:ZH
Fallnummer:LA210023
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LA210023 vom 06.04.2022 (ZH)
Datum:06.04.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Arbeitsrechtliche Forderung
Schlagwörter : Arbeit; Beweis; Kündigung; Vorinstanz; Richt; Vertrag; Vertrags; Beklagten; Berufung; Eingabe; Recht; Verfahren; Klage; Parteien; Beweismittel; Zweitberufung; Entscheid; Gericht; Vertragsanpassung; Erstberufung; Tatsache; Behauptung; E-Mail; Tatsachen; öglich
Rechtsnorm:Art. 104 ZPO ;Art. 106 ZPO ;Art. 150 ZPO ;Art. 152 ZPO ;Art. 221 ZPO ;Art. 222 ZPO ;Art. 243 ZPO ;Art. 245 ZPO ;Art. 310 ZPO ;Art. 311 ZPO ;Art. 336 OR ;Art. 336a OR ;Art. 337c OR ;Art. 341 OR ;Art. 361 OR ;Art. 520a ZGB ;Art. 90 BGG ;Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:123 III 246; 134 I 83; 138 III 374; 141 III 569; 142 I 93; 142 III 413;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts LA210023

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LA210023-O/U

damit vereinigt: Geschäfts-Nr. LA210027-O

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende,

die Oberrichterinnen Dr. L. Hunziker Schnider und Dr. S. Janssen sowie Gerichtsschreiber Dr. Chr. Arnold

Beschluss und Urteil vom 6. April 2022

in Sachen

  1. ,

    Klägerin, Erstberufungsklägerin, Zweitberufungsbeklagte und Anschlussberufungsbeklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

    gegen

  2. AG,

Beklagte, Erstberufungsbeklagte, Zweitberufungsklägerin und Anschlussberufungsklägerin

vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Y. , betreffend arbeitsrechtliche Forderung

Berufungen gegen ein Urteil des Arbeitsgerichtes Zürich, 1. Abteilung, Einzelgericht im vereinfachten Verfahren vom 4. Juni 2021 (AH200188-L)

Rechtsbegehren:

der Klägerin (Urk. 1 S. 2 und Urk. 22 Rz. 1):

1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin CHF 28'697 netto zu bezahlen, zzgl. Zins zu 5% seit 6. Februar 2021 [recte: 2020]

auf CHF 25'890.45 sowie Zins zu 5% seit 3. Juni 2021 auf

CHF 2'806.55.

2. Alles unter Entschädigungsfolgen zzgl. MWST zu Lasten der Beklagten.

der Beklagten (Urk. 12 S. 2 und Prot. I, S. 7 sinngemäss):

  1. Auf die Forderung von Fr. 2'806.55 zuzüglich Zins zu 5% seit dem

    3. Juni 2021 sei nicht einzutreten.

  2. Im Mehrumfang sei die Klage abzuweisen.

  3. Alles unter Entschädigungsfolge (zzgl. MwSt.) zulasten der Klägerin.

Verfügung des Einzelgerichts

am Arbeitsgericht Zürich, 1. Abteilung, vom 4. Juni 2021:

(Urk. 29 S. 35 = Urk. 32 S. 35 = Urk. 40/32 S. 35)

  1. Auf die Forderung von Fr. 2'806.55 zuzüglich Zins zu 5% seit 3. Juni 2021 wird nicht eingetreten.

  2. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Entscheid.

Urteil des Einzelgerichts

am Arbeitsgericht Zürich, 1. Abteilung, vom 4. Juni 2021:

(Urk. 29 S. 35 f. = Urk. 32 S. 35 f. = Urk. 40/32 S. 35 f.)

  1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Fr. 6'500.– brutto für netto zuzüglich Zins zu 5% seit 6. Februar 2020 zu bezahlen.

    Im Mehrumfang wird die Klage abgewiesen.

  2. Es werden keine Kosten erhoben.

  3. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'725.– (inkl. MwSt.) zu bezahlen.

  4. [Mitteilungssatz]

  5. [Rechtsmittelbelehrung]

    Berufungsanträge der Erstberufung:

    der Klägerin und Erstberufungsklägerin (Urk. 31 S. 2):

    1. Es sei Dispositiv-Ziffer 1 Absatz 2 des angefochtenen Urteils ('Im Mehrumfang wird die Klage abgewiesen') aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich gutzuheissen.

    Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    1. Es sei Dispositiv-Ziffer 3 des angefochtenen Urteils aufzuheben und die Auferlegung der Parteientschädigung des erstinstanzlichen Entscheids ausgangsgemäss nach dem Obsiegen respektive Unterliegen neu festzusetzen.

      Eventualiter sei die Sache zur Neufestsetzung der Auferlegung der Parteientschädigung des erstinstanzlichen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    2. Alles unter Entschädigungsfolgen zzgl. MWST zu Lasten der Berufungsbeklagten.

der Beklagten und Erstberufungsbeklagten (Urk. 39 S. 2):

1. Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen.

2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zulasten der Berufungsklägerin.

der Beklagten und Anschlussberufungsklägerin (Urk. 39 S. 2):

1. Es sei Ziffer 1 Satz 1 des Urteils des Arbeitsgerichts Zürich vom

4. Juni 2021 vollständig aufzuheben. Die Klage der Berufungsklägerin sei vollumfänglich abzuweisen.

2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zulasten der Berufungsklägerin.

Berufungsanträge der Zweitberufung:

der Beklagten und Zweitberufungsklägerin (Urk. 40/31 S. 2):

1. Ziff. 1 des Urteils sei aufzuheben. Die Klage der Berufungsbeklagten sei vollumfänglich abzuweisen.

2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zulasten der Berufungsbeklagten.

der Klägerin und Zweitberufungsbeklagten (Urk. 40/36 S. 2):

1. Die Berufung sei vollumfänglich abzuweisen.

  1. Alles unter Entschädigungsfolgen zzgl. MWST zu Lasten der Berufungsklägerin.

    Erwägungen:

    1. Sachverhalt und Prozessgeschichte

      1. Die Beklagte, Erstberufungsbeklagte, Zweitberufungsklägerin und Anschlussberufungsklägerin (nachfolgend: Beklagte) ist eine Aktiengesellschaft, welche bezweckt, … zu erbringen (Urk. 5/1). Sie schloss mit der Klägerin, Erstberufungsklägerin, Zweitberufungsbeklagten und Anschlussberufungsbeklagten (nachfolgend: Klägerin) am 11. Juli 2019 einen unbefristeten Arbeitsvertrag, mit welchem die Klägerin per 15. Juli 2019 als Anwältin angestellt wurde. Das Pensum betrug 40 %. Vereinbart wurden ein Monatslohn von Fr. 4'000.– brutto, ein 13. Monatslohn sowie eine Gratifikation (Urk. 1 Rz. 8; Urk. 5/3). Am 23. Dezember 2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der vereinbarten Kündigungsfrist von drei Monaten per 31. März 2020 (Urk. 1 Rz. 16; Urk. 12 Rz. 20). Am 4. Februar 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos per 5. Februar 2020 (Urk. 1 Rz. 18; Urk. 5/8; Urk. 12 Rz. 21).

      2. Am 17. November 2020 machte die Klägerin unter Einreichung der Klagebewilligung des Friedensrichteramts Kreise 1+2 der Stadt Zürich vom

      13. Oktober 2020 (Urk. 3) bei der Vorinstanz eine Forderungsklage anhängig (Urk. 1). Für den weiteren Prozessverlauf kann auf den vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden (Urk. 32 S. 2). Dieser erging am 4. Juni 2021 zunächst in unbegründeter (Urk. 25) und hernach – auf Begehren beider Parteien (Urk. 27 f.) – in begründeter Form (Urk. 29 = Urk. 32 = Urk. 40/32).

      3. Gegen den Entscheid erhoben beide Parteien innert Frist (siehe Urk. 30/1–2) Berufung mit den eingangs wiedergegebenen Anträgen (Urk. 31; Urk. 40/31). Mit Verfügungen vom 27. September 2021 wurde der jeweiligen Gegenseite Frist angesetzt, um die Erstbzw. Zweitberufung zu beantworten (Urk. 37; Urk. 40/35). Beide Berufungsantworten datieren vom 26. Oktober 2021 (Urk. 39; Urk. 40/36). Gleichentags erhob die Beklagte Anschlussberufung (Urk. 39) und erklärte, dass ihre Eingabe vom 21. [recte: 18.] August 2021 (Urk. 40/31) nicht als Berufung, sondern als Beschwerde entgegenzunehmen und das diesbezügliche Verfahren zu sistieren sei (Urk. 38). Mit Beschluss vom

      16. November 2021 wurden die beiden Berufungsverfahren vereinigt. Die Kammer entschied zudem, dass die Zweitberufung vom 18. August 2021 weiterhin als Berufung zu behandeln sei, und wies das Gesuch um Sistierung des Zweitberufungsverfahrens ab. Weiter trat sie auf die Anschlussberufung der Beklagten nicht ein. Sie erhob für das Anschlussberufungsverfahren keine Gerichtskosten und sprach keine Parteientschädigungen zu. Die Berufungsantworten wie auch das beklagtische Schreiben vom 26. Oktober 2021 wurden der jeweiligen Gegenpartei zugestellt (Urk. 42). Weitere Eingaben erfolgten nicht.

      4. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (Urk. 1–30). Das Verfahren ist spruchreif.

    2. Materielle Beurteilung

  1. Prozessuale Vorbemerkungen

    1. Mit der Berufung können unrichtige Rechtsanwendung und unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Die Berufungsinstanz verfügt über eine vollständige Überprüfungsbefugnis der Streitsache, mithin über unbeschränkte Kognition bezüglich Tat- und Rechtsfragen, einschliesslich der Frage richtiger Ermessensausübung (Angemessenheitsprüfung; BGer 5A_184/2013 vom 26. April 2013, E. 3.1). In der schriftlichen Berufungsbegründung (Art. 311 Abs. 1 ZPO) ist hinreichend genau aufzuzeigen, inwiefern der erstinstanzliche Entscheid in den angefochtenen Punkten als fehlerhaft zu betrachten ist bzw. an einem der genannten Fehler leidet (BGE 138 III 374 E. 4.3.1; BGE 142 I 93 E. 8.2). Der Berufungskläger muss sich dazu mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen (BGer 5A_573/2017 vom 19. Oktober 2017, E. 3.1; BGer 4A_291/2019 vom

      1. August 2019, E. 3.2). Man darf von der Berufungsinstanz nicht erwarten, dass sie von sich aus in den Vorakten die Argumente zusammensucht, die zur Berufungsbegründung geeignet sein könnten (BGer 5A_438/2012 vom 27. August 2012, E. 2.4; OGer ZH LY130013 vom 06.08.2013, E. I.4.). Das obere kantonale Gericht hat sich – abgesehen von offensichtlichen Mängeln – grundsätzlich auf die Beurteilung der Beanstandungen zu beschränken, die in der Berufungsschrift in rechtsgenügender Weise erhoben werden (BGE 142 III 413 E. 2.2.4). In diesem Rahmen ist insoweit auf die Parteivorbringen einzugehen, als dies für die Entscheidfindung erforderlich ist (BGE 134 I 83 E. 4.1).

    2. Im Berufungsverfahren sind neue Tatsachen und Beweismittel nur noch zulässig respektive zu berücksichtigen, wenn sie – kumulativ – ohne Verzug vorgebracht werden (Art. 317 Abs. 1 lit. a ZPO) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 lit. b ZPO). Die Berufungsinstanz soll zwar den erstinstanzlichen Entscheid umfassend überprüfen, nicht aber alle Sach- und Rechtsfragen völlig neu aufarbeiten und beurteilen. Alles, was relevant ist, ist grundsätzlich rechtzeitig in das erstinstanzliche Verfahren einfliessen zu lassen (ZK ZPO-Reetz/Hilber, Art. 317

      N 10). Jede Partei, welche neue Tatsachen und Beweismittel vorbringt, hat zunächst zu behaupten und zu beweisen, dass dies ohne Verzug geschieht. Will eine Partei unechte Noven geltend machen, so trägt sie die Beweislast für deren Zulässigkeit (BGer 5A_330/2013 vom 24. September 2013, E. 3.5.1; Steininger, DIKE-Komm-ZPO, Art. 317 N 7).

    3. Das vorliegende Verfahren hat eine arbeitsrechtliche Angelegenheit zum Gegenstand, deren Streitwert weniger als Fr. 30'000.– beträgt (Urk. 1 S. 2; Urk. 22 Rz. 1). Für derartige Streitigkeiten gilt das vereinfachte Verfahren (Art. 243 Abs. 1 ZPO) und das Gericht stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 247 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 ZPO). Die Ermittlung der für den Entscheid massgeblichen Tatsachen (Sachverhaltserstellung) unterliegt der sog. sozialen bzw. eingeschränkten Untersuchungsmaxime (BGer 4A_46/2016 vom 20. Juni 2016, E. 7.1.2; Brunner/Steininger, DIKE-Komm-ZPO, Art. 247 N 6 und N 10). Diese bezweckt, die schwächere Partei zu schützen, die Gleichheit zwischen den Parteien zu garantieren und das Verfahren zu beschleunigen (BGE 141 III 569

      E. 2.3.1). Die Parteien sind jedoch auch unter der Herrschaft der eingeschränkten Untersuchungsmaxime nicht davon befreit, bei der Feststellung des entscheidwesentlichen Sachverhalts aktiv mitzuwirken und die allenfalls zu erhebenden Beweise zu bezeichnen. Sie tragen auch in diesem Bereich die Verantwortung für die Sachverhaltsermittlung (Brunner/Steininger, a.a.O., Art. 247 N 10; ZK ZPO-Hauck, Art. 247 N 33); das Gericht stellt keine eigenen Ermittlungen an (BGE 141 III 569 E. 2.3.1; BGer 4A_46/2016 vom 20. Juni 2016,

      E. 7.1.2). Nach dem Willen des Gesetzgebers obliegt dem Gericht bei der sozialen Untersuchungsmaxime einzig die verstärkte Fragepflicht. Dabei hat das Gericht den Parteien durch sachgemässe Fragen zu helfen, damit die notwendigen Behauptungen gemacht und die dazugehörigen Beweismittel bezeichnet werden. Wenn beide Parteien – wie vorliegend – durch einen Anwalt vertreten sind, darf und soll sich das Gericht wie im ordentlichen Verfahren zurückhalten (Botschaft ZPO, BBl 2006, S. 7348; BGE 141 III 569 E. 2.3.1; BGer

      4A_46/2016 vom 20. Juni 2016, E. 7.1.2).

  2. Vorinstanzlicher Entscheid

    1. Die Vorinstanz kam hinsichtlich der ordentlichen Kündigung zum Schluss, die Beklagte habe ihr Recht auf eine Änderungskündigung mit unbilliger Druckausübung eingesetzt. Die Kündigung erweise sich deshalb als rechtsmissbräuchlich. In Würdigung aller Umstände sei eine Pönalentschädigung im Sinne von Art. 336a OR in der Höhe von eineinhalb Monatslöhnen angemessen. Die Beklagte sei deshalb zu verpflichten, der Klägerin Fr. 6'500.– brutto für netto zu bezahlen (Urk. 32 S. 21).

    2. Zur ausserordentlichen Kündigung erwog die Vorinstanz, dass die Klägerin der Arbeit ferngeblieben sei, obwohl sie anwaltliche Tätigkeiten habe ausüben können. Sie habe sich für die Zeit vom 30. Dezember 2019 bis zum

      1. Februar 2020 zwei falsche ärztliche Atteste ausstellen lassen (siehe Urk. 5/6– 7; Urk. 32 S. 32 f.). Dieses Verhalten stelle eine schwere Verletzung der Treuepflicht dar. Da die fristlose Kündigung schon allein deshalb gerechtfertigt gewesen sei, könne offenbleiben, wie es sich mit den weiteren Vorwürfen der Beklagten (unbewilligte konkurrierende Nebentätigkeit, fehlende Berufshaftpflichtversicherung, keine Prüfung von Interessenkonflikten etc.) verhalte. Der Klägerin stünden keine Ansprüche aus ungerechtfertigter Kündigung gemäss Art. 337c OR zu (Urk. 32 S. 33).

    3. Nach dem Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn habe die Klägerin sodann für die Zeit vom 1. bis 5. Februar 2020 keinen Lohnanspruch (Urk. 32 S. 33 f.).

  3. Missbräuchliche Kündigung (Zweitberufung)

    1. Wer schlug eine Änderung des Vergütungssystems vor?

      1. Die Vorinstanz erwog, die Korrespondenz der Klägerin mit C. zeige, dass unterschiedliche Vorstellungen darüber bestanden hätten, wie sich die Arbeitsbeziehung gestalten sollte. In der E-Mail vom 18. Dezember 2019,

        17.39 Uhr, habe die Klägerin festgehalten, dass sie nicht bereit sei, vor 9 Uhr zu arbeiten. Dabei habe die Klägerin folgendes ausgeführt (Urk. 32 S. 15 f.): Als

        Fazit schlägst Du mir fortan eine Zusammenarbeit auf Umsatzbasis mit ohne Homeoffice mit gleichbleibendem Versicherungskonstrukt vor. Bekanntlich ist das ein Antrag auf eine Vertragsänderung, zu der ich mangels Kenntnis der konkreten Ausgestaltung noch nicht ja gesagt habe. Auch wenn eine Vertragsanpassung schon vorher im Raum gestanden haben sollte, sei die eigentliche Änderungsofferte, welche einen Wechsel vom Fixlohn zu einer Zusammenarbeit auf Umsatzbasis beinhaltet habe, von der Beklagten ausgegangen. Der Klägerin sei die konkrete Ausgestaltung der Vertragsanpassung in jenem Zeitpunkt nämlich nicht bekannt gewesen (Urk. 32 S. 16).

      2. Die Beklagte wendet ein, die Klägerin habe die Änderung des Entlohnungssystems vorgeschlagen. Dies belege sie selbst, indem sie festgehalten habe, sie sei nicht bereit, vor 9 Uhr zu arbeiten, und sich somit ein anderes System wünsche (Urk. 40/31 S. 3).

      3. Die Klägerin erwidert, dass die im Recht liegenden Akten deutlich zeigten, dass die Änderungsofferte betreffend das Entlohnungssystem und weiterer arbeitsvertraglicher Bestimmungen von der Beklagten ausgegangen sei (Urk. 40/36 Rz. 6). So ergebe sich aus ihrer E-Mail an die Beklagte vom

        18. Dezember 2019, 17.39 Uhr, dass die Parteien anlässlich einer Besprechung am Vormittag des 18. Dezember 2019 unterschiedlicher Auffassung über die Präsenzzeiten in der Kanzlei und über die Anzahl möglicher verrechenbarer Stunden gewesen seien. Daher habe die Beklagte fortan eine Zusammenarbeit auf Umsatzbasis mit ohne Homeoffice vorgeschlagen (Urk. 40/36 Rz. 7).

      4. Die Klägerin schrieb mit E-Mail vom 18. Dezember 2019, 17.39 Uhr, an die Beklagte, dass sie nicht bereit sei, vor 9 Uhr zu arbeiten (Urk. 15/11). Sie wollte somit eine Änderung der Arbeitszeiten und nicht des Vergütungssystems. Entsprechend schrieb sie in derselben Nachricht (Urk. 15/11): Insgesamt muss ich als Angestellte zu keiner Zeit das Unternehmensrisiko übernehmen. Als Fazit schlägst Du mir fortan eine Zusammenarbeit auf Umsatzbasis mit ohne Homeoffice bei gleichbleibendem Versicherungskonstrukt vor. Bekanntlich ist das ein Antrag auf eine Vertragsänderung, zu der ich mangels Kenntnis der konkreten Ausgestaltung noch nicht ja gesagt habe.

      5. Zusammenfassend ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz davon ausging, dass die Beklagte vorgeschlagen hatte, das Vergütungssystem zu ändern.

    1. Stimmte die Klägerin einem Wechsel des Entlohnungssystems zu?

      1. Die Vorinstanz erwog, die Klägerin habe selber berechnet, wie viele wöchentlich zu vereinnahmende Stunden sie zu leisten habe. Sie habe ausgeführt, sie komme bei einem Pensum von 40 % nicht auf 45.45 Stunden pro Monat, sondern nur auf 18.18 Stunden pro Monat. Dies bedeute je 4.5 vereinnahmte Stunden pro Woche. Diese Zahl runde sie zu Gunsten eines

        Gewinnes von C.

        auf sieben Stunden pro Woche auf. Weiter habe sie

        geschrieben: Wie gewünscht, basieren obige Berechnungen allesamt zu 100 % auf meinem Inkassorisiko. Nach dem Gesagten schliesse ich und schlage vor, dass wir es ab Januar 2020 auf dieser Basis zusammen versuchen werden. Soweit die Beklagte aus dieser Textpassage ableiten wolle, die Klägerin habe einem Wechsel des Entlohnungssystems per 1. Januar 2020 zugestimmt, sei dem nicht zu folgen. Die Formulierung mache deutlich, dass die Beklagte den Wunsch geäussert habe, die Klägerin solle eine eigene Berechnung unter Einbezug des Inkassorisikos vornehmen. Dies sei nicht mit einer Einwilligung der Klägerin zum Ansinnen der Beklagten gleichzusetzen. Im Übrigen habe die Klägerin

        geschrieben, sie rufe C.

        am Folgetag um 10 Uhr an, wenn sie könne.

        Ansonsten erwarte sie um 14 Uhr seinen Rückruf, soweit es ihm möglich sei. Dies zeige klar auf, dass die Berechnungen und Schlussfolgerungen nur eine Diskussionsgrundlage bilden sollten (Urk. 32 S. 16 f.). In der Folge sei der Klägerin mit E-Mail vom 22. Dezember 2019 ein ausgearbeiteter Vertragsentwurf zugestellt worden. C. habe dazu geschrieben, dass er die Berechnungen der Klägerin nur bedingt nachvollziehen könne, was zeige, dass dieser Vertragsentwurf nicht auf einem Konsens der Parteien basiert habe. Dies habe auch die nachfolgende Reaktion der Klägerin gezeigt: Sie habe den Vertragsentwurf nicht akzeptiert, sondern C. vorgeworfen, der Entwurf sei ausschliesslich auf seine unternehmerischen Interessen ausgerichtet (Urk. 32 S. 17 f.).

      2. Die Beklagte rügt, es erschliesse sich nicht, wie die Vorinstanz zum Schluss komme, dass sich aus den Berechnungen nicht ergebe, dass die Klägerin mit einem Wechsel des Entlohnungssystems per 1. Januar 2020 einverstanden gewesen wäre. Die Klägerin habe nicht geschrieben wie von dir gewünscht, sondern lediglich wie gewünscht; entsprechend habe sie ihren eigenen Wunsch festgehalten. Wie die Vorinstanz in der Folge selber festhalte, ergebe sich aus der E-Mail-Korrespondenz, dass sich die Klägerin eine kurzfristige Vertragsanpassung habe vorstellen können (Urk. 40/31 S. 3).

      3. Die Klägerin erwidert, es sei belegt, dass die Offerte zur Änderung des Entlohnungssystems von der Beklagten ausgegangen sei. Deshalb könne der Satz in der E-Mail vom 18. Dezember 2019, 23.06 Uhr, Wie gewünscht, basieren die obigen Berechnungen allesamt zu 100% auf meinem Inkassorisiko nur so verstanden werden, dass die Beklagte solche Berechnungen von ihr gewünscht gefordert habe. Sie habe dies im vorinstanzlichen Verfahren so behauptet und die Beklagte habe es nicht substantiiert bestritten (Urk. 40/36 Rz. 9).

      4. Die Vorinstanz setzte sich ausführlich mit der E-Mail vom

        18. Dezember 2019, 23.06 Uhr, (Urk. 15/4) auseinander und berücksichtigte dabei auch den Kontext (Urk. 32 S. 16–18). Die Beklagte setzt sich damit nicht auseinander (siehe Urk. 40/31 S. 3 f.), womit sie den Begründungsanforderungen nicht genügt (E. II.1.1.). Auch inhaltlich ist ihre Rüge unbegründet: Wenn die Beklagte geltend macht, die Klägerin habe sich eine kurzfristige Vertragsanpassung vorstellen können (Urk. 40/31 S. 3), ist damit noch keine Zustimmung hinsichtlich des Entlohnungssystems dargetan. Die Beklagte widerspricht sodann ihren eigenen Ausführungen vor Vorinstanz, wonach keine konsensuale Lösung habe erarbeitet werden können (Urk. 12 Rz. 17). Der Ausdruck wie gewünscht (Urk. 15/4) ist im deutschen Sprachgebrauch nichts anderes als eine Abkürzung des Ausdrucks wie von dir/Ihnen gewünscht.

      5. Zusammenfassend kam die Vorinstanz zu Recht zum Schluss, dass sich die Parteien bezüglich einer Änderung des Vergütungssystems nicht einig waren (Urk. 32 S. 17 f.).

    1. Hätte die Vertragsanpassung die Klägerin benachteiligt?

      1. Die Vorinstanz erwog, die Beklagte habe vom Fixlohn auf eine Umsatzbeteiligung wechseln wollen. Bei der fraglichen Vertragsanpassung handle es sich um eine wesentliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, welche sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht damit rechtfertigen lasse, die Klägerin könne ihre Arbeitszeit frei festlegen. Die Änderungen seien zu einschneidend, um allein durch eine flexiblere Arbeitszeit abgegolten zu sein (Urk. 32 S. 18 f.).

      2. Die Beklagte rügt, dass sich die Arbeitsbedingungen der Klägerin nicht wesentlich verschlechtert hätten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin selbst Berechnungen angestellt habe, unter denen sie, wie die Vorinstanz selbst festhalte, mit einer kurzfristigen Vertragsanpassung einverstanden gewesen wäre. Die Klägerin hätte mit dem neuen Vertrag völlig frei entscheiden können, wann sie wie viel auf welchem Mandat arbeiten wolle; dennoch hätte sie auf eine umfassende Infrastruktur zurückgreifen können (Urk. 40/31 S. 5).

      3. Die Klägerin entgegnet, sie habe den Vorschlag der Beklagten auf Änderung des Entlohnungssystems nicht bereitwillig aufgenommen. Der konkrete Vorschlag vom 22. Dezember 2019 habe ausschliesslich von der Beklagten gestammt. Dieser Vorschlag habe wesentliche Verschlechterungen für sie vorgesehen (namentlich den Wegfall eines regelmässigen Einkommens, die Übernahme des Bonitäts- und Ausfallrisikos durch sie, keine bezahlten Ferien mehr; Urk. 40/36 Rz. 11). Die Beklagte habe in keiner Weise darlegen können, weshalb die von ihr aufgeführten angeblichen Vorteile die erheblich nachteiligen neuen Vertragsbedingungen hätten ausgleichen können (Urk. 40/36 Rz. 19). Der Hinweis auf die umfassende Infrastruktur werde bestritten und sei als neue Tatsachenbehauptung nicht zu hören (Urk. 40/36 Rz. 20).

      4. Soweit die Beklagte geltend macht, die Klägerin hätte auf eine umfassende Infrastruktur zurückgreifen können (Urk. 40/31 S. 5), zeigt sie nicht auf, wo sie dies vor Vorinstanz eingebracht hätte. Damit genügt sie den

        Begründungsanforderungen nicht (E. II.1.1. f.). Im Übrigen ist damit noch keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen dargetan. Es ist unbestritten, dass die Klägerin mit dem bestehenden Arbeitsvertrag ein fixes Einkommen von Fr. 4'000.– pro Monat hatte; dieses regelmässige Einkommen wäre durch das neu von der Beklagten vorgesehene, vollständig variable Vergütungsmodell gänzlich weggefallen (Urk. 1 Rz. 12; Urk. 12 Rz. 19 f.). Zudem hätte sie die vorgesehene Umsatzbeteiligung von 40 % erst nach Vereinnahmung durch die Beklagte erhalten, womit sie das Bonitäts- und Ausfallrisiko der Klienten hätte tragen müssen (Urk. 1 Rz. 13; Urk. 12 Rz. 19 f.). Und schliesslich hätte sie keine bezahlten Ferien mehr gehabt (Urk. 22 Rz. 40; Prot. I, S. 14). Dem steht lediglich entgegen, dass die Klägerin neu in der Einteilung ihrer Arbeitszeit frei gewesen wäre (Urk. 5/4 S. 2). Irrelevant ist, dass die Klägerin selbst Berechnungen angestellt hat. Zum einen behauptet die Beklagte nicht, dass sie diese Berechnungen der Vertragsänderung zugrunde gelegt hätte; zum anderen lehnte die Klägerin die Änderungen am Ende unbestrittenermassen ab (Urk. 1 Rz. 12; Urk. 12 Rz. 20).

      5. Zusammenfassend schloss die Vorinstanz zu Recht, dass sich die Arbeitsbedingungen der Klägerin mit der Vertragsanpassung wesentlich verschlechtert hätten (Urk. 32 S. 18 f.).

    1. Die Änderungskündigung

      1. Die Vorinstanz erwog, obwohl die Initiative zur Änderung des Vergütungssystems nicht von der Klägerin ausgegangen sei, habe die Beklagte versucht, ihr eine Vertragsänderung aufzudrängen. Die Arbeitsbedingungen hätten sich mit der Vertragsanpassung wesentlich verschlechtert. Zudem hätte die Änderung auch nicht die ordentliche Kündigungsfrist gewahrt (Urk. 32 S. 18 f.). Mit E-Mail vom 23. Dezember 2019, 13.30 Uhr, habe die Klägerin die Änderungsofferte zurückgewiesen. Gleichentags sei der Klägerin in den Räumlichkeiten der Beklagten die Kündigung ausgehändigt worden. Die Beklagte habe selber eingeräumt, dass sie das Arbeitsverhältnis habe beenden wollen, sollte ihre Änderungsofferte abgelehnt werden. Der enge zeitliche und sachlichfunktionale Zusammenhang von Änderungsofferte und Kündigung sei damit

        erstellt (Urk. 32 S. 19). Zwar hätten die Kritikpunkte, welche gegen die Klägerin vorgelegen hätten, die Beklagte motiviert, ihr die Kündigung anzudrohen. Der Nachweis, dass die Beklagte auch ohne Vorliegen des verpönten Grundes gekündigt hätte, gelinge ihr jedoch nicht. Grund dafür sei insbesondere die Tatsache, dass sie der Klägerin eine Änderungsofferte präsentiert habe und sie weiterbeschäftigt hätte, wäre diese vereinbart worden (Urk. 32 S. 19). Die vorliegende Korrespondenz mache deutlich, dass, falls der Änderungsvorschlag unterschrieben worden wäre, die Beklagte bereit gewesen wäre, trotz der mannigfaltigen Kritikpunkte weiterhin mit der Klägerin zusammenarbeiten (Urk. 32

        S. 19 f.). Bei einem neuen Vergütungsmodell hätte die Beklagte akzeptiert, dass die Klägerin nicht um 8 Uhr im Büro erscheine (Urk. 32 S. 20). Das überwiegende und ausschlaggebende Kündigungsmotiv habe somit darin bestanden, dass die Klägerin die mit der zu kurzen Kündigungsfrist versehene Änderungsofferte abgelehnt habe. Dies sei umgehend mit einer Kündigung abgestraft worden. Der enge zeitliche und sachlich-funktionale Zusammenhang lasse keinen anderen Schluss zu, als dass ohne die Zurückweisung der Änderung eine Kündigung nicht ausgesprochen worden wäre (Urk. 32 S. 20).

      2. Die Beklagte rügt, selbst wenn man zum Schluss kommen würde, dass die Initiative für die Vertragsanpassung von Seiten der Beklagten gekommen sei, müsste man berücksichtigen, dass die Klägerin diesen Vorschlag bereitwillig aufgenommen und bei der Erarbeitung einer Alternative mitgewirkt habe. Es sei ihr somit keine Vertragsänderung aufgedrängt worden (Urk. 40/31 S. 4). Dass die Übergangszeit der Kündigungsfrist nicht beachtet worden sei, sei selbst von der Klägerin nicht gewollt [recte: gewollt] gewesen. Somit könne dieser Umstand im Nachhinein nicht zum Nachteil der Beklagten ausgelegt werden. Die Klägerin habe mit E-Mail vom 18. Dezember 2019, 23.06 Uhr, selbst festgehalten, dass ab Januar 2020 auf der Basis eines anderen Vertrages fortgefahren werden könne. Sie wäre mit einer kurzfristigen Vertragsanpassung einverstanden gewesen, hätte man sich bezüglich der Modalitäten einigen können (Urk. 40/31 S. 4). Die Beklagte habe der Klägerin auch keine Vertragsänderung aufdrängen können, weil letztere keine schwächere Partei sei (Urk. 40/31 S. 5). Sie habe nicht gekündigt, weil die Klägerin die Vertragsanpassung abgelehnt habe, sondern

        aufgrund der mannigfaltigen Beanstandungen. Im Vertragsentwurf vom

        22. Dezember 2019 werde in Ziff. 4.1 klar festgehalten, dass die Klägerin bei der Einteilung ihrer Arbeitszeit frei sei. Sie hätte es demnach nicht hingenommen, dass die Klägerin nicht um 8 Uhr im Büro erscheine, wäre der Vertragsentwurf zwischen den Parteien zustande gekommen (Urk. 40/31 S. 7 f.). Das überwiegende Kündigungsmotiv habe entgegen den Ausführungen der Vorinstanz nicht darin gelegen, dass die Klägerin die Gespräche abgebrochen habe, sondern in der wiederholten Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Verpflichtungen, der Missachtung von Weisungen, der mangelhaften Leistung, der übermässigen Inanspruchnahme von Mitarbeitern, der negativen Rückmeldungen von Mitarbeitern und Behörden und dem Verursachen von Haftrisiken. Dass der Abbruch der Verhandlungen bezüglich einer Alternative zur Kündigung den Zeitpunkt darstelle, in welchem die Kündigung tatsächlich ausgesprochen worden sei, sei nur Konsequenz aus dem Abbruch der Verhandlungen und nicht Kündigungsmotiv (Urk. 40/31 S. 8).

      3. Die Klägerin bestreitet, dass sie in ihrer E-Mail vom 18. Dezember 2019, 23.06 Uhr, zum Ausdruck gebracht habe, dass ab Januar 2020 auf der Basis eines anderen Vertrags (mutmasslich eines anderen Entlohnungssystems) fortgefahren werden könne (Urk. 40/36 Rz. 13). In dieser E-Mail habe sie lediglich vorgerechnet, wie viele verrechenbare Stunden sie pro Woche aufgrund ihres Arbeitspensums zu leisten habe. Dabei sei sie zum Schluss gekommen, dass dies sieben Stunden pro Woche sein müssten, damit die Beklagte einen Gewinn mit ihr erwirtschaften könne. Sie habe jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu denselben Konditionen gewünscht. Dies habe sie im vorinstanzlichen Verfahren auch so behauptet und die Beklagte habe es nicht substantiiert bestritten (Urk. 40/36 Rz. 14). Die Erwägung der Vorinstanz, wonach sie sich eine Vertragsanpassung hätte vorstellen können, sofern ihre Berechnungen berücksichtigt worden wären, erweise sich als unzutreffend. Sie habe keine Vertragsanpassung gewünscht, sondern lediglich die Anerkennung seitens der Beklagten, dass sie mit ihrem Arbeitspensum sieben verrechenbare Stunden pro Woche zu leisten habe (Urk. 40/36 Rz. 15). Es sei offensichtlich tatsachenwidrig, wenn die Beklagte geltend mache, sie habe aufgrund der

        angeblichen mannigfaltigen Beanstandungen gekündigt. Sie habe diese angeblichen Verfehlungen auch stets bestritten. Die Beklagte widerspreche damit auch ihrer Argumentation im erstinstanzlichen Verfahren. In der Klageantwort habe sie nämlich ausgeführt, dass sie das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufgelöst habe, weil Letztere die vorgeschlagenen Vertragsanpassungen abgelehnt habe (Urk. 40/36 Rz. 26). Des Weiteren sei die Argumentation der Beklagten in ihrer Berufung auch absolut lebensfremd. Wären tatsächlich alle diese Verfehlungen der Kündigungsgrund gewesen, hätte die Beklagte die Kündigung bereits früher ausgesprochen (z.B. anlässlich des Gesprächs vom

        18. Dezember 2019). Diesfalls wäre es nicht nötig gewesen, ihr ein neues Vergütungsmodell mit reiner Umsatzbeteiligung und Überwälzung des Ausfallrisikos anzubieten (Urk. 40/36 Rz. 27).

      4. Wie die Vorinstanz korrekt ausführte (Urk. 32 S. 12 f.), charakterisiert sich die Änderungskündigung im weiteren Sinn allein dadurch, dass einer Partei gekündigt wird, weil sie mit einer einvernehmlichen Änderung der Arbeitsbedingungen nicht einverstanden war (BGE 123 III 246 E. 3; BGer 4C.385/1999 vom 6. März 2000, E. 4.a; Thomas Geiser, Die Änderungskündigung im schweizerischen Arbeitsrecht, AJP 1999, S. 60 ff., S. 61; Alain Friedrich/Meret Tobler, Arbeitsrecht im Unternehmen, Antworten auf häufige Fragen im Alltag von Personalverantwortlichen, 2014, S. 168). Die Änderungskündigung ist unter anderem dann missbräuchlich, wenn sie dazu dient, für die Gegenseite eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen auf einen Termin durchzusetzen, mit dem die geltende Kündigungsfrist nicht eingehalten wird (, a.a.O., S. 169). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber Vertragsänderungen vorschlägt, die vor Ablauf der Kündigungsfrist in Kraft treten sollen, und den Arbeitnehmer entlässt, wenn er nicht zustimmt. Die Kündigung ist dann missbräuchlich im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. d OR, weil der Arbeitnehmer durch die Ablehnung einer Vertragsänderung vor Ablauf der Frist in gutem Glauben einen Anspruch aus dem Arbeitsvertrag geltend macht und diese Ablehnung der Grund für die Kündigung ist (BGer 4A_539/2015 vom 28. Januar 2016, E. 3.2).

      5. Die Beklagte behauptete in der Klageantwort, dass die Klägerin mit E- Mail vom 18. Dezember 2019, 23.06 Uhr, einen Vorschlag zu 100 % auf ihrem Inkassorisiko unterbreitet und ausgeführt habe, es ab Januar 2020 auf dieser Basis zusammen zu versuchen (Urk. 12 Rz. 17). Die Klägerin bestritt dies in der Replik und behauptete, sie habe sich die Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu denselben Konditionen gewünscht (Urk. 22 Rz. 38). Die Frage, ob sich die Klägerin eine Vertragsanpassung hatte vorstellen können, war demzufolge unter den Parteien umstritten. Wie es sich im Einzelnen verhält, kann offenbleiben, da die Frage nicht rechtserheblich ist. Entscheidend ist, dass nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin mit den Änderungen, wie sie aus dem Vorschlag hervorgingen, einverstanden gewesen wäre (siehe Urk. 15/4; Urk. 15/12). Ob sie an der Erarbeitung einer Alternative mitgewirkt hat nicht, ist nicht rechtserheblich. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob sie als schwächere Partei zu qualifizieren ist nicht. Soweit sich die Beklagte zum Kündigungsmotiv äussert, setzt sie den vorinstanzlichen Erwägungen lediglich ihre eigenen Behauptungen gegenüber (Urk. 40/31 S. 7 f.), womit sie den Begründungsanforderungen nicht genügt (E. II.1.1.). Wenn sie am 23. Dezember 2019 wegen angeblicher Verfehlungen sowieso hätte kündigen wollen (Urk. 40/31

        S. 8), müsste sie erklären können, weshalb sie der Klägerin einen Tag zuvor eine Vertragsanpassung vorschlug (Urk. 15/12). Wie die Klägerin zutreffend festhält (Urk. 40/36 Rz. 27), wäre ein solches Vorgehen nämlich lebensfremd. Hinzu kommt, dass die Klägerin gemäss den unangefochtenen Feststellungen der Vorinstanz (Urk. 32 S. 19) am 23. Dezember 2019 die Änderungsofferte ablehnte und die Beklagte in der Folge gleichentags das Arbeitsverhältnis kündigte. Den Konnex anerkennt auch die Beklagte, wenn sie ausführt, die Klägerin habe schliesslich die Verhandlungsgespräche abgebrochen und entsprechend sei die Kündigung ausgesprochen worden (Urk. 12 Rz. 20; Urk. 40/31 S. 6). Allein mit diesem Satz wird deutlich, dass die Klägerin auch nach Ansicht der Beklagten die Wahl zwischen den neuen [schlechteren] Arbeitsbedingungen [vor Ablauf der Kündigungsfrist] und der Kündigung hatte.

      6. Zusammenfassend ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zum Ergebnis kam, dass nicht erwiesen sei, dass die Beklagte auch ohne Vorliegen des verpönten Grundes gekündigt hätte (siehe Urk. 32 S. 19).

    1. Hinweis der Klägerin auf die Kündigungsmöglichkeit

      1. Die Vorinstanz erwog, dass der Argumentation, wonach die Klägerin sich widersprüchlich verhalten habe, da sie der Kündigung zugestimmt habe, nicht zu folgen sei. Die Beklagte habe die Kündigung bereits vorher thematisiert, weshalb die Klägerin jederzeit habe damit rechnen dürfen, dass die Beklagte diesen Weg gehen würde. Es bestehe keine Veranlassung, ihren Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit in der E-Mail vom 18. Dezember 2019 [Urk. 15/11] als Einwilligung zur Kündigung zu werten. Wäre dies der Fall gewesen, hätte sich die weitere Korrespondenz denn auch erübrigt. Der Hinweis sei zudem zu allgemein gehalten gewesen, als dass er mit einer Zustimmung hätte gleichgesetzt werden können. Eine leichtfertige Annahme, die Klägerin habe ohne Not auf ihre Arbeitnehmerrechte verzichtet, verbiete sich. Die Klägerin habe sich nicht treuwidrig widersprüchlich verhalten (Urk. 32 S. 16 und 20).

      2. Die Beklagte rügt, dass der Klägerin die Kündigung bewusst und diese gewollt gewesen sei. So habe die Klägerin bereits zu Beginn der Verhandlungen festgehalten, dass der Vertrag ohne Reue gekündigt werden könne, wenn alle Stricke reissen. Wenn die Klägerin nun im Nachhinein behaupte, es sei hauptsächlich aufgrund der Zurückweisung des Vertragsentwurfs gekündigt worden, verhalte sie sich widersprüchlich (Urk. 40/31

        S. 8 f.). Sie sei mit der Kündigung einverstanden gewesen und als Anwältin darauf zu behaften (Urk. 40/31 S. 7).

      3. Die Klägerin entgegnet, sie habe die Beklagte bloss auf die Kündigungsmöglichkeit hingewiesen. Mehr könne in diese Aussage nicht hineininterpretiert werden. Selbstverständlich könne dieser Hinweis nicht als Einverständnis zu einer Kündigung qualifiziert werden, welche zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ausgesprochen gewesen sei (Urk. 40/36 Rz. 25).

      4. Die Beklagte wiederholt sinngemäss ihre Ausführungen vor Vorinstanz (Urk. 12 Rz. 20), ohne sich mit dem vorinstanzlichen Entscheid auseinanderzusetzen. Insbesondere äussert sie sich nicht zur Feststellung, wonach der Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit zu allgemein gehalten sei und sich eine leichtfertige Annahme, die Klägerin habe ohne Not auf ihre Arbeitnehmerrechte verzichtet, verbiete (Urk. 32 S. 20). Damit genügt die Beklagte den Begründungsanforderungen nicht (E. II.1.1.). Auch inhaltlich dringt sie nicht durch: So schrieb die Klägerin am 18. Dezember 2019 (Urk. 15/11): Sollten alle Stricke reissen, könntest Du mir ja ohne gegenseitige rimorsi per

        31. Januar 2020 kündigen. Wollte man dies so auslegen, dass die Klägerin auf Ansprüche im Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Kündigung verzichtet hat, so wäre ein solcher Verzicht nicht beachtlich (Art. 341 Abs. 1 OR in Verbindung mit Art. 361 Abs. 1 OR, Art. 336 Abs. 1 OR und Art. 336a OR). Im Übrigen ist im Hinweis auf die Möglichkeit einer Kündigung keine Zustimmung zu einer solchen zu erblicken.

      5. Zusammenfassend hat die Klägerin mit ihrem Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit in der E-Mail vom 18. Dezember 2019, 17.39 Uhr (Urk. 15/11), weder einer Kündigung zugestimmt noch auf Ansprüche im Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Kündigung verzichtet.

    2. Höhe der Pönale für die missbräuchliche ordentliche Kündigung

      1. Die Vorinstanz erwog, bei der Bemessung der Pönalentschädigung sei einerseits beachtlich, dass die Klägerin fortgeschrittenen Alters und teilinvalid sei. Andererseits dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass das Arbeitsverhältnis nur rund sechs Monate gedauert habe (15. Juli 2019 bis

        1. Februar 2020), die Beklagte mit den Arbeitsleistungen und dem Verhalten der Klägerin (ob zu Recht nicht könne offenbleiben) nicht zufrieden gewesen sei, und dass die Klägerin die Beklagte in ihren E-Mails mehrfach auf die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung hingewiesen habe. In Würdigung aller Umstände erweise sich eine Pönalentschädigung im Sinne von Art. 336a OR in der Höhe von eineinhalb Monatslöhnen als angemessen. Die Beklagte sei zu verpflichten,

          der Klägerin Fr. 6'500.– brutto für netto zu bezahlen (Fr. 4'000.– x 13 / 12 x 1.5; Urk. 32 S. 21).

      2. Die Beklagte rügt, die ausgesprochene Pönale sei zu hoch angesetzt. Das Arbeitsverhältnis sei von sehr kurzer Dauer gewesen, die Klägerin habe die vertraglich vereinbarten Leistungen wiederholt nicht eingehalten und ihre Leistungen seien in quantitativer und qualitativer Hinsicht mangelhaft gewesen. Sie habe nachweislich Anweisungen der Beklagten nicht beachtet und nicht beachten wollen und sowohl von Mitarbeitern als auch von Behörden seien negative Rückmeldungen gegeben worden. Zudem habe die Klägerin selbst auf die Möglichkeit der Kündigung hingewiesen. Damit rechtfertige sich eine Pönale von maximal 0.5 Monatslöhnen (Urk. 40/31 S. 9).

      3. Die Klägerin erwidert, dass die zugesprochene Pönalentschädigung angesichts der konkreten Umstände nicht zu beanstanden sei. Sie berücksichtige ihr Alter und ihre Teilinvalidität, dass sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auf ein regelmässiges Einkommen angewiesen sei, sowie die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis nur relativ kurz gedauert habe, angemessen (Urk. 40/36 Rz. 33). Die angeblich qualitativ und quantitativ mangelhaften Leistungen habe sie im vorinstanzlichen Verfahren stets bestritten. Sie hätten sich auch nicht erstellen lassen, weshalb sie sich nicht auf die Höhe der Pönale auswirken dürften (Urk. 40/36 Rz. 34).

      4. Die Beklagte wiederholt einige der von der Vorinstanz bereits berücksichtigten Kriterien, ohne aufzuzeigen, weshalb sie anders zu gewichten seien. Sie äussert sich sodann weder zum Alter noch zur Teilinvalidität der Klägerin, welche die Vorinstanz ebenfalls miteinbezog (siehe Urk. 32 S. 21). Damit genügt die Beklagte den Begründungsanforderungen nicht, weshalb sie mit ihren Rügen im Zusammenhang mit der Pönale nicht zu hören ist (E. II.1.1.). Der Vollständigkeit halber kann zudem festgehalten werden, dass dem Gericht bei der Bemessung der Höhe der Strafzahlung ein grosser Ermessensspielraum zusteht, der vorliegend nicht überschritten wurde.

3.7. Ergebnis

Die Zweitberufung ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und Dispositiv-Ziffer 1 Abs. 1 des Urteils des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Arbeitsgericht Zürich, 1. Abteilung, vom 4. Juni 2021 ist zu bestätigen (Art. 318 Abs. 1 lit. a ZPO).

    1. Fristlose Kündigung (Erstberufung)

      1. Die Vorinstanz erwog, dass unbestritten sei, dass die Klägerin seit dem

        1. Dezember 2019 nicht zur Arbeit erschienen sei (Urk. 32 S. 31). Sie habe in der Folge ein rückwirkend ausgestelltes ärztliches Attest vom 6. Januar 2020 eingereicht, wonach sie seit dem 30. Dezember 2019 und auch weiterhin, mithin bis zum 31. Januar 2020, zu 100 % unfähig sei, einer Arbeit nachzugehen. Abgesehen davon, dass bereits eine rückwirkend ausgestellte Krankschreibung erhebliche Zweifel aufwerfe, sei das Attest vorliegend auch dadurch widerlegt, dass die Klägerin im besagten Zeitraum in einer von ihr privat geführten Strafverteidigung eine Eingabe an die Staatsanwaltschaft verfasst habe. Die Eingabe datiere vom 31. Dezember 2019 und sei mit ihrer Unterschrift versehen. Die Klägerin mache geltend, sie habe die Eingabe schon in der Kalenderwoche 51 verfasst und am 31. Dezember 2019 nur zur Post gebracht. Abgesehen davon, dass die Klägerin für diese bestrittene Behauptung einzig ihre persönliche Befragung anbiete, was nicht weiterhelfe, erscheine diese unbewiesene Behauptung lebensfremd. Es habe keine Veranlassung bestanden, eine in der Kalenderwoche 51 verfasste Eingabe mit dem Datum vom

        2. Dezember 2019 zu versehen. Die Klägerin habe unterschriftlich bestätigt, dass die Eingabe vom 31. Dezember 2019 stamme. Darauf sei sie zu behaften. Damit verliere die Krankschreibung vom 6. Januar 2020 jeglichen Beweiswert, sodass eine Krankheit bis zum 31. Januar 2020 nicht nachgewiesen sei. Dasselbe gelte für die zweite von derselben Ärztin am 3. Februar 2020 verfasste Krankschreibung (worin sie die widerlegte Krankheit ab 30. Dezember 2019 nochmals bestätigt habe), da angesichts der Rückdatierung und der falschen ersten Krankschreibung nicht ausgeschlossen werden könne, dass Gefälligkeitszeugnisse vorlägen (Urk. 32 S. 32). Somit sei die Klägerin der Arbeit ferngeblieben, obwohl sie anwaltliche Tätigkeiten habe ausüben können. Sie

        habe sich auf Aufforderung der Beklagten zwei falsche Atteste ausstellen lassen. Nur der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass in diesen Krankschreibungen nicht einmal bestätigt werde, dass die Ärztin die Klägerin überhaupt untersucht habe. Der Beweiswert dieser Atteste sei daher schon grundlegend fraglich. Mit ihrem Verhalten habe die Klägerin die Treuepflicht schwer verletzt, weshalb es der Beklagten nicht zuzumuten gewesen sei, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin noch während dreier weiterer Monate fortzuführen. Die Kündigung sei zeitnah und damit rechtzeitig erfolgt. Da das Blaumachen der Klägerin bereits einen wichtigen Grund zur fristlosen Entlassung darstelle, könne offenbleiben, wie es sich mit den weiteren Vorwürfen der Beklagten (unbewilligte konkurrierende Nebentätigkeit, fehlende Berufshaftpflichtversicherung, keine Prüfung von Interessenkonflikten etc.) verhalte. Die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt gewesen, weshalb der Klägerin keine Ansprüche aus Art. 337c OR zustünden (Urk. 32 S. 33).

      2. Gegenstand des Beweises

        1. Die Klägerin rügt, sie habe in der Klageschrift vorgebracht, dass sie vom 30. Dezember 2019 bis 21. Februar 2020 krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen sei. Als Beleg habe sie zwei Arztzeugnisse von Dr. D. ins Recht gelegt (Urk. 31 Rz. 11). Die Beklagte habe ihre Behauptungen nicht bestritten, im Gegenteil: Sie habe sie sogar mehrfach wiedergegeben, ohne diese auch nur ansatzweise in Frage zu stellen (Urk. 31 Rz. 12). Aufgrund des Verhandlungsgrundsatzes habe eine unbestritten gebliebene Tatsachenbehauptung als anerkannt zu gelten (Urk. 31 Rz. 13). Über nicht bestrittene Tatsachen sei zudem kein Beweis abzunehmen. Insofern seien auch die Erwägungen der Vorinstanz zum angeblich nicht vorhandenen Beweiswert der Arztzeugnisse unzulässig (Urk. 31 Rz. 14). Damit habe als erstellt zu gelten, dass sie vom 30. Dezember 2019 bis zum 21. Februar 2020 krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen sei (Urk. 31 Rz. 15). Da das Blaumachen nicht erstellt sei, könne dieser Sachverhalt nicht als wichtiger Grund für die fristlose Kündigung qualifiziert werden (Urk. 31 Rz. 16).

        2. Die Beklagte erwidert, sie habe ausgeführt, dass sie habe feststellen müssen, dass die Klägerin im Zeitpunkt ihrer hundertprozentigen Krankschreibung gearbeitet habe. Deshalb sei das Vertrauensverhältnis zerstört worden. Weiter habe sie auf die angebliche Krankheit hingewiesen. Zudem habe sie unter anderem aufgrund dieses Umstands fristlos gekündigt (Urk. 39 S. 3).

        3. Gegenstand des Beweises sind rechtserhebliche, streitige Tatsachen (Art. 150 Abs. 1 ZPO). Streitig ist eine rechtserhebliche Tatsachenbehauptung, wenn die Äusserung der Gegenpartei die Wahrheit dieser Tatsachenbehauptung in Frage stellt. Die Bestreitung erfolgt durch eindeutigen Bezug auf eine Darstellung und entweder deren Streitigerklärung bzw. und einer eigenen Sachverhaltsdarstellung, welche die gegnerische ausschliesst (BSK ZPO-Guyan, Art. 150 N 4).

        4. Die Klägerin führte in ihrer Klageschrift aus, sie sei vom 30. Dezember 2019 bis zum 21. Februar 2020 zu 100 % arbeitsunfähig gewesen (Urk. 1 Rz. 17).

          Die Beklagte gab in der Klageantwort die klägerischen Behauptungen zunächst wieder und verwies auf die fristlose Kündigung (Urk. 12 Rz. 21). Später warf sie der Klägerin vor, im Zeitpunkt ihrer hundertprozentigen Krankschreibung arbeitstätig gewesen zu sein, was nebst weiteren Pflichtverletzungen die fristlose Kündigung rechtfertige (Urk. 12 Rz. 28). Schliesslich machte die Beklagte geltend, dass der Klägerin ein während der angeblichen Krankheit zusätzlich verdienter Lohn an die geforderten Lohnzahlungen anzurechnen wäre (Urk. 12 Rz. 29). Allein mit dem Wort angeblich stellte die Beklagte die Krankheit der Klägerin in Frage. Wenn sie sodann geltend machte, die Klägerin habe trotz Krankheit gearbeitet, so impliziert dies, dass sie nach Ansicht der Beklagten arbeitsfähig war.

        5. Zusammenfassend ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass unter den Parteien umstritten war, ob die Klägerin wegen Krankheit arbeitsunfähig war. Es ist demzufolge auch nicht zu beanstanden, wenn sie die Beweise würdigte, was vorliegend im Rahmen einer antizipierten Beweiswürdigung geschah.

    1. Berücksichtigung der Eingabe an die Staatsanwaltschaft

      1. Die Klägerin bringt vor, die Beklagte habe in der Klageantwort behauptet, dass sie – die Klägerin – am 31. Dezember 2019 eine Eingabe an die Staatsanwaltschaft verfasst habe. Sie habe diese Behauptung in der Replik substantiiert bestritten, indem sie geltend gemacht habe, sie habe diese Eingabe in der Kalenderwoche 51 verfasst. Während sie für ihre Behauptung ihre Parteibefragung offeriert habe, habe die Beklagte keine tauglichen Beweismittel angerufen. So sei die Unterschrift auf einem mit 31. Dezember 2019 datierten Dokument kein Beweis (ja nicht einmal ein Indiz) dafür, dass dieses Dokument am 31. Dezember 2019 verfasst worden sei (Urk. 31 Rz. 26). Alle im Anschluss an Rz. 23 der Klageantwort [Urk. 12] aufgeführten Beweismittel (mithin auch die Stellungnahme der Klägerin vom 31. Dezember 2019 an STA I (geschwärzt)) seien formell fehlerhaft dem Gericht offeriert worden und daher nicht zu beachten. Die einzelnen Beweisofferten seien nämlich unmittelbar im Anschluss an die Tatsachenbehauptungen, die damit bewiesen werden sollten, aufzuführen.

        Insbesondere sei zu bezeichnen, welche Behauptung mit welchem Beweismittel bewiesen werden solle. Die Ausführungen der Beklagten erstreckten sich über vier Seiten. Dabei seien zahlreiche unterschiedliche Behauptungen aufgestellt worden, die teilweise nichts miteinander zu tun hätten. Es sei unmöglich, die im Anschluss an Rz. 23 der Klageantwort pauschal genannten Beweismittel den einzelnen Behauptungen zuzuordnen. Entsprechend seien diese Beweisofferten unbeachtlich. Dies gelte insbesondere auch für die als Beilage 16 ins Recht gelegte Stellungnahme der Klägerin vom 31. Dezember 2019 an STA I (geschwärzt) (Urk. 31 Rz. 28).

      2. Die Beklagte erwidert, dass die Eingabe vom 31. Dezember 2019 belege, dass sie an eben jenem Tag zur Gänze erstellt worden sei (Urk. 39 S. 5). Die Klägerin widerspreche sich selber, wenn sie geltend mache, sie habe das Schreiben vom 31. Dezember 2019 nicht den Ausführungen der Klägerin zuordnen können. So habe sich die Klägerin in der Replik selbst dazu geäussert und sich dabei auch auf die Eingabe vom 31. Dezember 2019 bezogen. Beilage 16 (Stellungnahme der Klägerin vom 31. Dezember 2019 an STA I (geschwärzt)) habe somit ohne Mühe den Ausführungen bezüglich des

        31. Dezembers 2019 zugeordnet werden können (Urk. 39 S. 6).

      3. Jede Partei hat das Recht, dass das Gericht die von ihr form- und fristgerecht angebotenen tauglichen Beweismittel abnimmt (Art. 152 Abs. 1 ZPO). Im ordentlichen Verfahren ist ein Beweismittel als formgerecht angeboten zu betrachten, wenn sich die Beweisofferte eindeutig der damit zu beweisenden Tatsachenbehauptung zuordnen lässt und umgekehrt. In der Regel sind die einzelnen Beweisofferten unmittelbar im Anschluss an die Tatsachenbehauptungen aufzuführen, die damit bewiesen werden sollen. Dies ergibt sich aus Art. 221 Abs. 1 lit. e ZPO (BGer 4A_56/2013 vom 4. Juni 2013,

        E. 4.4; BGer 4A_487/2015 vom 6. Januar 2016, E. 5.2). Dasselbe gilt für die Klageantwort (Art. 222 Abs. 2 ZPO). Damit soll das Beweisprogramm vorgezeichnet werden, wie es das Gericht in der Beweisverfügung anordnet (BSK ZPO-Willisegger, Art. 221 N 31). Der vorliegende Rechtsstreit unterliegt dem vereinfachten Verfahren (E. II.1.3.). In diesem sind die Anforderungen an die

        Klage gleich, wenn sie begründet eingereicht wird; genügt die Klage den Anforderungen nach Art. 221 ZPO nicht, so stellt das Gericht sie der beklagten Partei zu und lädt zugleich zur Verhandlung vor (Art. 245 Abs. 1 ZPO; BGE 140 III

        450 E. 3.1). Anders als im ordentlichen Verfahren führt die mangelhafte Rechtsschrift nicht (sofort) dazu, dass die Beweismittel nicht zu berücksichtigen wären. Es ist deshalb fraglich, ob dies die Folge sein kann, wenn die Klageantwort der Vorgabe von Art. 221 Abs. 1 lit. e ZPO nicht genügt. Damit würde die beklagte Partei nämlich gegenüber der Gegenseite benachteiligt; letztere kann ihre mangelhafte Klage noch mündlich begründen und dabei die zugehörigen Beweismittel bezeichnen (BSK ZPO-Mazan, Art. 245 N 13). Wie es sich im Einzelnen verhält, kann vorliegend offenbleiben:

      4. Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird ein Dokument an jenem Tag verfasst (oder – insbesondere bei längeren Schriften – zumindest nochmals durchgelesen) und unterschrieben, dessen Datum es trägt. Die Funktion des Datums besteht nämlich gerade darin, dies zu bestätigen (so auch Art. 520a ZGB bezüglich des Testaments; siehe ferner Art. 221 Abs. 1 lit. f ZPO bezüglich der Klageschrift). Mithin handelt es sich um eine natürliche Vermutung (zum Begriff Samuel Baumgartner/Annette Dolge/Alexander R. Markus/Karl Spühler, Schweizerisches Zivilprozessrecht mit Grundzügen des internationalen Zivilprozessrechts, 10. Aufl. 2018, Kap. 10 Rz. 72). Die kurze Eingabe an die Staatsanwaltschaft (Urk. 15/16) ist damit – entgegen der Ansicht der Klägerin (Urk. 31 Rz. 26) – durchaus geeignet zu beweisen, dass sie am Datum verfasst worden ist, welches sie trägt. Die Tatsache, dass man ein Beweismittel in Frage stellen kann, lässt es noch nicht a priori als untauglich erscheinen. Hinsichtlich der formgerecht angebotenen Beweismittel rügt die Klägerin pauschal, dass die Beklagte zahlreiche unterschiedliche Behauptungen aufgestellt habe, die teilweise nichts miteinander zu tun hätten (Urk. 31 Rz. 28). Die Beklagte äusserte sich über drei Seiten zur selbständigen Tätigkeit der Klägerin und den damit einhergehenden Pflichtverletzungen. Anschliessend führte sie die Beweismittel auf (Urk. 12 Rz. 23). Sie hätte die einzelnen Pflichtverletzungen (Arbeiten während hundertprozentiger Krankschreibung; Interessenkonflikt; keine schriftliche Zustimmung der Aufsichtskommission; keine zusätzliche

        Berufshaftpflichtversicherung) wohl aufgliedern und mit Beweisofferten untermauern können. Ob sich vorliegend eine solche Aufgliederung aufgedrängt hätte, kann offenbleiben. Entscheidend ist nämlich, dass die Beklagte unter anderem ausführte, dass die Klägerin der Staatsanwaltschaft am 31. Dezember 2019 eine 1.5-seitige Stellungnahme eingereicht habe (Urk. 12 Rz. 23 [S. 15]). Es war somit ohne Weiteres ersichtlich, dass die entsprechende Eingabe, welche die Beklagte in der Folge zum Beweismittel offerierte, diesen Vorgang beweisen sollte. Vor diesem Hintergrund wäre es überspitzt formalistisch gewesen, das Beweismittel unberücksichtigt zu lassen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin – wie die Beklagte zu Recht geltend macht (Urk. 39 S. 6) – sich in ihrer Replik zur Eingabe vom 31. Dezember 2019 und zum Vorwurf, während angeblicher Arbeitsunfähigkeit gearbeitet zu haben, äussern konnte (Urk. 22 Rz. 53).

      5. Zusammenfassend hat die Vorinstanz die Eingabe an die Staatsanwaltschaft vom 31. Dezember 2019 (Urk. 15/16) zu Recht als Beweismittel berücksichtigt.

    1. Antizipierte Beweiswürdigung

      1. Die Klägerin rügt, sie habe in der Replik vorgebracht, dass sie die Eingabe vom 31. Dezember 2019 in der Kalenderwoche 51, mithin zwischen dem

        16. und 20. Dezember 2019, erstellt und am 31. Dezember 2019 zur Post gebracht habe. Es sei nicht lebensfremd, dass eine Eingabe nicht am selben Tag verschickt werde, wie sie erstellt werde. Es sei durchaus plausibel, dass sie die besagte Eingabe in der Kalenderwoche 51 verfasst, sich während der Festtage in der Kalenderwoche 52 (23. bis 27. Dezember 2019) nicht mehr darum gekümmert und sie schliesslich am 31. Dezember 2019 ausgedruckt, unterzeichnet und zur Post gebracht habe (Urk. 31 Rz. 21). Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass die Klägerin durch Unterzeichnung der Eingabe bestätigt habe, diese auch am

        31. Dezember 2019 verfasst zu haben, sei falsch und geradezu willkürlich. In aller Regel würden Eingaben während mehrerer Tage verfasst und schliesslich am Tag des Versandes unterzeichnet, und zwar unabhängig davon, ob am Tag des Versandes inhaltlich noch daran gearbeitet werde nicht (Urk. 31 Rz. 22). Die Behauptung der Klägerin, die besagte Eingabe in der Kalenderwoche 51 und

        somit noch vor ihrer Arbeitsunfähigkeit verfasst zu haben, sei glaubhaft. Sie habe dafür rechtzeitig ihre Parteibefragung als Beweismittel offeriert. Die Vorinstanz habe diesen Beweis nicht abgenommen, sondern die Behauptung in antizipierter Beweiswürdigung als unbewiesen und lebensfremd qualifiziert (Urk. 31 Rz. 23). Damit habe die Vorinstanz ihr Recht auf Beweisabnahme und folglich ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Urk. 31 Rz. 24).

      2. Die Beklagte entgegnet, es sei lebensfremd, die Eingabe in der Kalenderwoche 51 zu verfassen, sie liegen zu lassen und erst am 31. Dezember 2019 auszudrucken, zu unterzeichnen und zur Post zu bringen. Die Behauptung, dass die Eingabe zwischen dem 16. und 20. Dezember 2019 erstellt worden sei, werde bereits durch den Inhalt des Schreibens an sich widerlegt: Es werde nämlich auf ein Schreiben vom 19. Dezember 2019 Bezug genommen, welches der Klägerin gemäss ihren eigenen Angaben in ihrem Schreiben am

        21. Dezember 2019 zugestellt worden sei (Urk. 39 S. 4). Sodann würden nach allgemeiner Lebenserfahrung in der Zeit vor Weihnachten so viele Pendenzen wie möglich erledigt, um über die Feiertage so wenig Arbeit wie möglich zu haben. Und schliesslich habe es sich um eine verhältnismässig kurze Eingabe gehandelt, welche man nicht über mehrere Tage habe verfassen müssen (Urk. 39 S. 5).

      3. Gegenstand des Beweises sind rechtserhebliche, streitige Tatsachen (Art. 150 Abs. 1 ZPO). Dabei hat, wie bereits dargelegt wurde, jede Partei das Recht, dass das Gericht die von ihr form- und fristgerecht angebotenen tauglichen Beweismittel abnimmt. Der Beweisführungsanspruch ist jedoch nicht verletzt, wenn ein Gericht darauf verzichtet, beantragte Beweise abzunehmen, weil es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (antizipierte Beweiswürdigung; BGer 4A_144/2019 vom 27. Mai 2019, E. 3.2 mit weiteren Hinweisen). Der Beweis für die Arbeitsverhinderung obliegt dem Arbeitnehmer und wird meistens durch ärztliche Zeugnisse erbracht. Dabei hat der Arbeitgeber das Recht, ab dem ersten Tag der Arbeitsverhinderung ein ärztliches Zeugnis zu verlangen (Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph,

        Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319–362 OR, 7. Aufl. 2012, Art. 324a/b N 12 [S. 419]). Einem ärztlichen Zeugnis kommt kein absoluter Beweiswert zu. Auf Arztzeugnisse wird jedoch in der Regel im Sinne eines Anscheinsbeweises abgestellt, solange nicht von einer Partei begründete Zweifel an deren Richtigkeit geweckt wurden. Nicht beweisbildend sind ärztliche Zeugnisse, welche sich allein auf die Patientenschilderung abstützen und ohne eigene objektive Feststellungen abgegeben werden (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 324a/b N 12 [S. 419– 421]). Das Gericht kann sich über den ärztlichen Befund des Arztzeugnisses hinwegsetzen, wenn aus den Umständen zu schliessen ist, dass eine effektive Arbeitsunfähigkeit nicht bestanden hat (Roland Müller, Arztzeugnisse in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, AJP 2010, S. 167 ff., S. 169). Problematisch sind rückwirkende Arztzeugnisse, weil ein Arzt bzw. eine Ärztin nur mit eingeschränkter Sicherheit beurteilen kann, ob die behauptete Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bereits vor der Untersuchung bestanden hat (Müller, a.a.O., S. 172). Gleichwohl können solche Arztzeugnisse gerechtfertigt sein, wenn die Rückwirkungsdauer eine Woche nicht überschreitet wenn der Rückdatierung ein objektiver Befund zugrundeliegt (Oliver Kälin, Arztzeugnis als Beweismittel bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, ZZZ 2006, S. 335 ff., S. 339; Müller, a.a.O.,

        S. 172; Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 324a/b N 12 [S. 421]). Ein Arztzeugnis kann sodann durch das Verhalten des Arbeitnehmers widerlegt werden (Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 324a/b N 12 [S. 420]). Dies ist der Fall, wenn die geltend gemachte Krankheit sich zwar mit der Arbeitsunfähigkeit, nicht aber mit dem Verhalten des Arbeitnehmers in Einklang bringen lässt. Anders verhält es sich bei der arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit: Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nur in Bezug auf seine konkrete Stelle an der Arbeit verhindert, im Übrigen aber ganz normal einsatzfähig und auch in seiner privaten Lebensgestaltung (Freizeit, Hobbys, Mobilität) kaum eingeschränkt ist (Roger Rudolph/Adrian von Kaenel, Arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit, Eine rechtliche Auslegeordnung zu einem um sich greifenden Phänomen, SJZ 2010, S. 361 ff., S. 361).

      4. Dr. med. D.

        attestierte der Klägerin mit einer

        Rückwirkungsdauer von sieben bzw. zwei Tagen eine Arbeitsunfähigkeit von

        100 % und führte aus, dass die Klägerin bei ihr in Behandlung sei (Urk. 5/6–7). Die Rückwirkung ist noch nicht auffällig, da der Arbeitsvertrag kein ärztliches Zeugnis ab dem ersten Tag der Krankschreibung vorsieht (Urk. 5/3 S. 3 f.), der 1. und 2. Januar 2020 Feiertage waren und der 4. und 5. Januar 2020 auf ein Wochenende fielen, weshalb die meisten Arztpraxen an diesen Tagen geschlossen waren. Zudem darf man mit Blick auf die Invalidenrente (Urk. 1 Rz. 12; Urk. 5/5) davon ausgehen, dass die Klägerin dauerhafte gesundheitliche Probleme hat.

      5. Die Beklagte behauptete vor Vorinstanz, die Klägerin habe am

31. Dezember 2019 eine 1.5-seitige Stellungnahme der Staatsanwaltschaft eingereicht und damit während ihrer hundertprozentigen Krankschreibung gearbeitet (Urk. 12 Rz. 23 [S. 15]). Die Klägerin anerkannte in der Folge, dass sie die Eingabe am 31. Dezember 2019 zur Post gebracht habe; sie machte aber geltend, diese bereits in der Kalenderwoche 51 verfasst zu haben, als sie noch gesund gewesen sei. Der Gang zur Post habe sich mit ihrer Arbeitsunfähigkeit vereinbaren lassen, zumal sie ja auch mit ihrem Hund kurz habe spazieren gehen müssen (Urk. 22 Rz. 53). Es entspricht zwar einer natürlichen Vermutung, dass eine Eingabe an jenem Tag verfasst (oder zumindest nochmals durchgelesen) und unterschrieben wird, dessen Datum sie trägt (E. II.4.3.4.); eine natürliche Vermutung ist jedoch noch kein Beweis. Es mag Gründe geben, ein Schreiben voroder nachzudatieren. Entsprechend verbietet es sich, in antizipierter Beweiswürdigung allein aufgrund des Datums eines Schreibens davon auszugehen, dieses sei an jenem Tag verfasst worden. Je nach Art der Krankheit kann man sodann auch bei voller Arbeitsunfähigkeit noch in der Lage sein, eine Eingabe zu unterschreiben und zur Post zu bringen (ähnlich Streiff/von Kaenel/Rudolph, a.a.O., Art. 324a/b N 12 [S. 420], wonach ein Spaziergang nicht genügt, um die Lohnzahlung zu verweigern). Die Parteibefragung der Klägerin ist ein vollwertiges Beweismittel (Art. 168 Abs. 1 lit. f ZPO) und vorliegend grundsätzlich geeignet, die beklagtische Behauptung, wonach die Klägerin am

31. Dezember 2019 trotz Arbeitsunfähigkeit gearbeitet habe, zu widerlegen.

    1. Ergebnis

      1. Die Vorinstanz schloss zu Unrecht in antizipierter Beweiswürdigung, dass die Klägerin trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit eine Eingabe verfasst habe. Sie wird zu dieser Frage ein Beweisverfahren durchführen und die Klägerin als Partei befragen müssen. Je nach Beweisergebnis wird sie die weiteren von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die fristlose Kündigung prüfen müssen. Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Teilen zu vervollständigen, weshalb die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (Art. 318 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 ZPO).

      2. In Gutheissung der Erstberufung ist die Dispositiv-Ziffer 1 Abs. 2 des Urteils des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Arbeitsgericht Zürich,

  1. Abteilung, vom 4. Juni 2021 (Im Mehrumfang wird die Klage abgewiesen.) aufzuheben und der Prozess zur Durchführung eines Beweisverfahrens im Sinne der Erwägungen und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    III. Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Kosten- und Entschädigungsfolgen des erstinstanzlichen Verfahrens

      Da die Erstberufung in der Hauptsache gutzuheissen ist, ist antragsgemäss (Urk. 31 S. 2) auch Dispositiv-Ziffer 3 des Urteils des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Arbeitsgericht Zürich, 1. Abteilung, vom 4. Juni 2021 aufzuheben. Die Vorinstanz wird die Parteientschädigung unter (Mit-

      )Berücksichtigung des weiteren Verfahrensverlaufs und des neuen Prozessergebnisses neu festsetzen und verteilen müssen.

    2. Kosten- und Entschädigungsfolgen des zweitinstanzlichen Verfahrens

      1. Das Berufungsverfahren ist kostenlos (Art. 114 lit. c ZPO).

      2. Mit Blick auf die Anträge (Urk. 31 S. 2) ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit der Erstberufung die Verfügung der Vorinstanz vom 4. Juni 2021 (Urk. 32 S. 35) nicht anfechten wollte. Der Streitwert der Erstberufung beläuft sich demnach auf Fr. 28'697.– (Urk. 22 Rz. 1) - Fr. 2'806.55 (Urk. 32 S. 35) -

        Fr. 6'500.– (Urk. 32 S. 35) = Fr. 19'390.45. Im Falle eines

        Rückweisungsentscheides kann die Rechtsmittelinstanz den Entscheid über die

        Parteientschädigung der Vorinstanz überlassen, das heisst vom definitiven Ausgang des Verfahrens abhängig machen (Art. 104 Abs. 4 ZPO; OGer ZH RT200074 vom 16.07.2020, E. 4).

      3. Da die Beklagte in der Zweitberufung unterliegt, wird sie entschädigungspflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Der Streitwert der Zweitberufung beträgt Fr. 6'500.– (siehe Urk. 32 S. 35; Urk. 40/31 S. 2). Dafür ist die Parteientschädigung auf Fr. 700.– festzulegen (§ 4 Abs. 1 AnwGebV in Verbindung mit § 13 Abs. 1 und 2 AnwGebV). Hinzu kommt die Mehrwertsteuer von 7.7 % (oder Fr. 53.90; Urk. 40/36 S. 2).

Es wird beschlossen:

  1. In Gutheissung der Erstberufung werden die Dispositiv-Ziffern 1 Abs. 2 (Im Mehrumfang wird die Klage abgewiesen.) und 3 des Urteils des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Arbeitsgericht Zürich,

    1. Abteilung, vom 4. Juni 2021 aufgehoben und wird der Prozess zur Durchführung eines Beweisverfahrens im Sinne der Erwägungen und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

    2. Die Entscheidung über die Höhe der Parteientschädigung für das Erstberufungsverfahren und deren Verteilung wird dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorbehalten.

    3. Schriftliche Mitteilung und Rechtsmittelbelehrung mit nachfolgendem Erkenntnis.

Es wird erkannt:

  1. Die Zweitberufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird, und Dispositiv-Ziffer 1 Abs. 1 des Urteils des Einzelgerichts im vereinfachten Verfahren am Arbeitsgericht Zürich, 1. Abteilung, vom 4. Juni 2021 wird bestätigt.

  2. Für das zweitinstanzliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.

  3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für das Zweitberufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 753.90 zu bezahlen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangsschein.

    Nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist gehen die erstinstanzlichen Akten zusammen mit den Akten des Erstberufungsverfahrens an die Vorinstanz.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert

30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist hinsichtlich der Erstberufung ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG und hinsichtlich der Zweitberufung ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche arbeitsrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert der Erstberufung beträgt Fr. 19'390.45, jener der Zweitberufung Fr. 6'500.–.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

Zürich, 6. April 2022

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

Die Vorsitzende:

Dr. D. Scherrer

Der Gerichtsschreiber:

Dr. Chr. Arnold

versandt am: lm

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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