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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LA190023
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LA190023 vom 11.04.2022 (ZH)
Datum:11.04.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Arbeitsrechtliche Forderung
Schlagwörter : Beklagten; Berufung; Recht; Urteil; Higkeit; Winterthur; Verfahren; Vertrete; Beschluss; Frist; Urteils; Kammer; Dispositiv-Ziffer; Arztzeugnis; Schutz; Arbeitsgericht; Verfügung; Rechtsvertreter; Berufungsverfahren; Vorinstanz; Klage; Verfahrens; Setzt; Schweiz; Vorliegen; Beschwerde; Bezirksgericht; Geschäfts-Nr; Erkrankung; Vorliegende
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 13 ZGB ; Art. 156 ZPO ; Art. 16 ZGB ; Art. 52 ZPO ; Art. 59 ZPO ; Art. 60 ZPO ; Art. 67 ZPO ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:133 III 539;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LA190023-O/U

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. D. Scherrer, Vorsitzende, Oberrichter

lic. iur. A. Huizinga und Ersatzoberrichter Dr. M. Nietlispach sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. R. Blesi Keller

Beschluss vom 11. April 2022

in Sachen

  1. ,

    Beklagter und Berufungskläger

    gegen

  2. ,

Kläger und Berufungsbeklagter

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

betreffend arbeitsrechtliche Forderung

Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichts am Arbeitsgericht Winterthur vom 6. Juli 2016 (AH160011-K)

Erwägungen:

    1. Mit unbegründetem Urteil des Einzelgerichts am Arbeitsgericht Win- terthur vom 6. Juli 2016 wurde der Beklagte und Berufungskläger (fortan Beklag- ter) verpflichtet, dem Kläger und Berufungsbeklagten (fortan Kläger) Fr. 16'884.30 netto nebst Zins zu 5 % ab 11. Dezember 2012 zu bezahlen sowie Lohnabrech- nungen für die Monate Oktober, November und Dezember 2012 und einen Lohn- ausweis für das Jahr 2012 aus- und zuzustellen (Urk. 9 S. 2, Dispositiv-Ziffer 1 und 2). Das Urteil wurde am 22. Juli 2016 amtlich publiziert (Urk. 11). Mit Eingabe vom 4. September 2017 stellte der Beklagte bei der Vorinstanz das Gesuch, das Verfahren sei fortzusetzen und es ihm Frist zur Klageantwort anzusetzen. Even- tualiter sei das Urteil vom 6. Juli 2016 zu begründen und subeventualiter sei die Frist zur Begründung des Urteils wiederherzustellen (vgl. Urk. 12 S. 2). Mit Verfü- gung vom 8. Mai 2018 wies die Vorinstanz das Gesuch ab (Urk. 36 S. 5, Disposi- tiv-Ziffer 1). In Gutheissung der vom Beklagten hiergegen erhobenen Beschwerde hob die Kammer diese Verfügung mit Beschluss vom 17. Januar 2019 auf und wies die Sache zur Begründung des Urteils vom 6. Juli 2016 an die Vorinstanz zu- rück (Urk. 49 S. 15 f., insbesondere Dispositiv-Ziffer 1). Die begründete Fassung des Urteils wurde dem Beklagten am 21. Mai 2019 zugestellt (Urk. 51).

    2. Gegen das Urteil erhob der Beklagte fristgerecht Berufung mit den fol- genden Anträgen (vgl. Urk. 55 S. 2, Datum Poststempel 19. Juni 2019):

1. Es sei die Nichtigkeit des Urteils des Arbeitsgerichts am Bezirks- gericht Winterthur vom 6. Juli 2016, Geschäfts-Nr. AH160011-K (in der Kanzlei der Rechtsvertreter des Beklagten am 21. Mai 2019 eingegangen) festzustellen.

  1. Eventualiter sei das Urteil des Arbeitsgerichts am Bezirksgericht Winterthur vom 6. Juli 2016, Geschäfts-Nr. AH160011-K aufzu- heben und sei auf die Klage gemäss Klageschrift vom 3. Mai 2016 nicht einzutreten.

  2. Sub-eventualiter sei das Urteil des Arbeitsgerichts am Bezirksge- richt Winterthur vom 6. Juli 2016, Geschäfts-Nr. AH160011-K auf- zuheben und sei die Klage gemäss Klageschrift vom 3. Mai 2016 abzuweisen.

  3. Sub-sub-eventualiter sei das Urteil des Arbeitsgerichts am Be- zirksgericht Winterthur vom 6. Juli 2016, Geschäfts-Nr. AH160011-K aufzuheben und die Sache zur Weiterführung des

    Verfahrens an das Arbeitsgericht am Bezirksgericht Winterthur zurückzuweisen.

  4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MwSt.) zulasten des Klägers.

Mit der Berufungsantwort ersuchte der Kläger um Abweisung der Berufung, eventualiter um Rückweisung der Klage an die Vorinstanz zur Neubeurteilung (Urk. 69 S. 2). Mit Verfügung vom 19. September 2019 wurde dem Beklagten

(dazumal wohnhaft an der I. -strasse … in J.

[Schweiz]) Frist ange-

setzt, um zu den vom Kläger in der Berufungsantwortschrift neu aufgestellten Be- hauptungen und den neu eingereichten Unterlagen Stellung zu nehmen (Urk. 72

S. 2, Dispositiv-Ziffer 2).

Mit Eingabe vom 8. Oktober 2019 stellte der Beklagte mitunter ein Gesuch um Sistierung des Verfahrens, bis er wieder einvernahmefähig sei (Urk. 75 S. 2, Antrag 1). Zur Unterlegung des Gesuchs wurde ein ärztliches Zeugnis von Dr. med. C. , Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, vom 4. Oktober 2019 eingereicht (Urk. 77/1). Gemäss Dr. C. ist der Beklagte aufgrund sei- ner Erkrankung und des Krankheitsverlaufs dauerhaft prozessunfähig und ein- vernahmeunfähig (Urk. 77/1). Attestiert wurde somit nicht eine bloss vorüberge- hende Unfähigkeit zur Prozessführung, weshalb sich die Frage stellte, ob der Be- klagte noch prozessfähig sei (vgl. Urk. 82 S. 3; Art. 67 Schweizerische Zivilpro- zessordnung [ZPO] i.V.m. Art. 13 Schweizerisches Zivilgesetzbuch [ZGB]). Da gestützt auf das Arztzeugnis vom 4. Oktober 2019 Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass es dem Beklagten mit Bezug auf das vorliegende Berufungsverfahren an der Urteilsfähigkeit mangeln könnte, wurde ihm mit Beschluss vom 11. November 2019 Frist angesetzt, um ein Zeugnis eines Facharztes oder einer Fachärztin für Psychiatrie beizubringen (vgl. Urk. 82 S. 5 f. und Dispositiv-Ziffer 1). Mit Eingabe vom 28. Januar 2020 reichte der Beklagte ein Zeugnis von Dr. med. D. , Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie, vom 21. Januar 2020 (sowohl in einer vollständigen als auch in einer teilweise abgedeckten Version) ins Recht (Urk. 84; Urk. 86/1; Urk. 86/2). Mit Beschluss vom 22. April 2020 wurde im Sinne von Schutzmassnahmen nach Art. 156 ZPO beschlossen, dass dem Kläger und dessen Rechtsvertreter kein Einblick in das vollständige Arztzeugnis von Dr. med. D. vom 21. Januar 2020 gewährt werde (Urk. 93 S. 12, Dispositiv-Ziffer 1).

Mit Beschluss vom 2. Juni 2020 kam die Kammer - insbesondere gestützt auf das Arztzeugnis von Dr. med. D. - zum Schluss, dass der Beklagte der- zeit (psychisch) schwer erkrankt sei und gegenwärtig und in nicht absehbarer Zeit nicht mehr im Stande sei, seine Rechtsvertreter im hängigen Berufungsver- fahren genügend zu instruieren. Entsprechend habe eine Meldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Bezirke Winterthur-Andelfingen (fortan KESB Winterthur-Andelfingen) zu erfolgen, damit dem Beklagten zur Wahrung seiner Interessen ein Beistand bestellt werden könne, welcher nach bestem Er- messen im wohlverstandenen Interesse der vertretenen Person handle und über das weitere Vorgehen im Prozess entscheide (vgl. Urk. 98 S. 4, E. 2, und S. 5, E. 4). Es wurde die KESB Winterthur-Andelfingen angewiesen, für den Beklagten ei- ne Beistandschaft im Sinne der Erwägungen anzuordnen (Urk. 98 S. 6, Dispositiv- Ziffer 1).

Mit Schreiben vom 8. Juli 2020 teilte die KESB Winterthur-Andelfingen mit, dass der Beklagte per 31. Mai 2020 an den E. -platz … in F. (Deutschland) weggezogen sei. Ihre Zuständigkeit zur Errichtung von Erwachse- nenschutzmassnahmen sei damit gestützt auf Art. 5 des Haager Erwachsenen- schutzübereinkommens (HEsÜ) nicht mehr gegeben (Urk. 101). In der Folge wur- de mit Beschluss vom 17. September 2020 das Amtsgericht F. ersucht, im vorliegenden Berufungsverfahren zum Schutze des Beklagten notwendige Vor- kehrungen zu prüfen und allfällig getroffene Schutzmassnahmen der Kammer mitzuteilen. Weiter wurde das Amtsgericht gebeten, ebenfalls Mitteilung zu ma- chen, falls es sich zur Prüfung und (allenfalls) Anordnung von Schutzmassnah- men ausser Stande sehe (Urk. 104 S. 4, Dispositiv-Ziffer 1). Mit Schreiben vom 2. März 2021 teilte das Amtsgericht F. , Betreuungsgericht, der Kammer die Einstellung des von ihm angehobenen Verfahrens zur Abklärung einer Betreuung für den Beklagten mit (vgl. Urk. 107). Dem beigelegten Bericht des Amtes für Ge- sundheit und Versorgung, Betreuungsbehörde, des Landkreises F. war zu entnehmen, dass der Name des Beklagten am E. -platz … in F.

(Deutschland) weder an einer Klingel noch an einem Briefkasten angeschrieben sei und das Amt davon ausgehe, dass der Berufungskläger nicht mehr unter die- ser Adresse gemeldet sei (vgl. Urk. 108).

Mit Beschluss vom 16. März 2021 wurde dem Beklagten Frist angesetzt, um seine neue Wohn- und Meldeadresse bekannt zu geben (Urk. 109 S. 2, Disposi- tiv-Ziffer 2). Mit Schreiben vom 8. April 2021 teilte der Rechtsvertreter des Beklag- ten mit, dass er den Beklagten nicht mehr vertrete und es ihm aufgrund des An- waltsgeheimnisses nicht möglich sei, weitere Angaben zu machen (Urk. 110). In der Folge ging am 13. April 2021 (per Fax) ein Schreiben des Beklagten persön- lich mit dem Vermerk Adressanforderung - Frist bis 13. April 21 ein. Darin hielt der Beklagte fest, dass er sich mitten in einem Umzug befinde. Wegen Quaran- täne und Krankheit gehe es zeitlich nicht so wie geplant. Die gesetzte Frist sei

damit eingehalten. Als Absender bezeichnete er die G.

[Strasse] … in

H. (Frankreich; vgl. Urk. 111). Mit Verfügung vom 3. Mai 2021 wurde dem Beklagten Frist angesetzt, um in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu bezeich- nen. Die Zustellung der Verfügung erfolgte auf dem Wege der internationalen Rechtshilfe (vgl. Urk. 112). Unter dem 11. November 2021, hier eingegangen am

  1. November 2021, teilte die zuständige französische Behörde mit, dass die Ver- fügung nicht zugestellt werden konnte. Eine neue Adresse habe in ihren Dateien nicht gefunden werden können. Leider seien die angestellten, sorgfältigen Nach- forschungen erfolglos geblieben (vgl. Urk. 117, insbesondere S. 1 bis 3).

    Mit Eingabe vom 31. März 2022 teilte der Kläger mit, dass sich der Beklagte vom 7. August 2020 bis 9. August 2021 (wiederum) an der I. -strasse … in J. angemeldet gehabt habe. Als Abreiseort habe er K. (Deutschland) angegeben (Urk. 118 S. 1; Urk. 120/1).

    1. Das Gericht prüft von Amtes wegen, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 60 ZPO). Die Prozessvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Sachurteils (vgl. BGE 133 III 539 E. 4.3) bzw. bei Fortsetzung des Verfahrens mit Berufung im Zeitpunkt des Rechtsmittelentscheides (noch) vorliegen (vgl. hierzu BK ZPO-Zingg, Art. 59 N 21). Fehlt eine Prozessvoraussetzung beim Berufungs- kläger, ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten (vgl. Art. 59 Abs. 1 ZPO).

      Eine Prozessvoraussetzung bildet die Prozessfähigkeit der Parteien (Art. 59 Abs. 2 lit. c ZPO). Als Prozessfähigkeit wird die Fähigkeit bezeichnet, Prozess- handlungen in eigener Sache selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter vorzunehmen. Prozessfähig ist, wer handlungsfähig ist (Art. 67 Abs. 1 ZPO). Die Prozessfähigkeit setzt bei natürlichen Personen somit Volljährigkeit und Urteilsfä- higkeit voraus (vgl. Art. 13 ZGB). Urteilsunfähig ist mitunter eine Person, der es wegen einer psychischen Störung an der Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (vgl. Art. 16 ZGB). Der erforderliche Grad der Urteilsfähigkeit hängt dabei vom Gegenstand des Verfahrens ab und ist somit nicht abstrakt, sondern konkret zu ermitteln. Es ist zu prüfen, ob der betreffenden Person in Bezug auf einen oder mehrere Verfahrensschritte vernunftgemässes Handeln möglich ist oder nicht. Dementsprechend kann die Urteilsfähigkeit und damit auch die Prozessfähigkeit in zeitlicher und oder sachlicher Hinsicht begrenzt sein (vgl. hierzu Urk. 82 S. 4 m.Hinw.).

    2. Den psychischen Gesundheitszustand des Beklagten betreffend liegen zwei Arztzeugnisse im Recht. Dr. med. C. , Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin FMH, kam in ihrem Zeugnis vom 4. Oktober 2019 zum Schluss, der Be- klagte sei aufgrund seiner Erkrankung und dem Krankheitsverlauf dauerhaft pro- zess- und einvernahmeunfähig. Der Beklagte leide unter einer schweren Depres- sion sowie Angst- und Panikstörung. Aufgrund dieser Erkrankung sei er nicht aus- reichend in der Lage, die Vorfeldereignisse, die tatsächlichen Sachverhalte, ihre jeweilige argumentative Position und das aktuelle bzw. gegebenenfalls auch zu- künftige prozessuale Geschehen in realitätsentsprechender, perspektivisch- abstrahierend ausgerichteter Weise zu erfassen und vernünftige bzw. prozessual angemessene Entscheidungen zu treffen. Der Beklagte sei nicht in der Lage, in einer Verhandlung seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, die Rechtsverfol- gung in verständiger Weise zu führen oder Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Dies werde allein schon durch Denkstörungen (hier: regel- mässiges Vergessen) bestätigt. Aufgrund der Erkrankungsdauer sei der Beklagte bereits im letzten Jahr durch seine Krankenversicherung bei der Invalidenversi- cherung angemeldet worden (Urk. 77/1). Im Arztzeugnis von Dr. med. D. , Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie, vom 21. Januar 2020, wird bestätigt,

      dass der Beklagte gegenwärtig unter einer schweren Depression sowie Angst- und Panikstörungen leide. Hinzu kommen gemäss dem vollständig eingereichten Arztzeugnis von Dr. med. D. weitere unter ICD-10 Normen subsumierbare Störungen (vgl. Urk. 86/1). Dr. med. D. kam zum Schluss, dass der Beklag- te schwer erkrankt sei (vgl. Urk. 86/2). Aus der vollständigen Version des Arzt- zeugnisses, welche zwar vor Einsichtnahme durch den Kläger oder dessen Rechtsvertreter geschützt ist (vgl. Urk. 93), sich in den nachfolgend wiedergege- benen Passagen inhaltlich jedoch mit den dem Kläger bekannten Ausführungen von Dr. med. C. deckt (vgl. Urk. 77/1), ergibt sich, dass der Beklagte ge- genwärtig und in nicht absehbarer Zeit nicht mehr im Stande ist, Rechtsvertreter in Bezug auf im vorliegenden Verfahren neu vorgebrachte Behauptungen und Un- terlagen zu instruieren, die Rechtsverfolgung in verständiger Weise zu führen, Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen und seine Interessen vernünftig wahrzunehmen. Gemäss dem Gutachter stellen die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Ereignisse für den Beklagten eine derart grosse Belastung dar, dass sie seine Gesundheit gefährden und einer Genesung entge- gen stehen (vgl. Urk. 86/1).

    3. Gestützt auf die beiden Arztzeugnisse ist von einer andauernden Pro- zessunfähigkeit des Beklagten auszugehen. Der Beklagte scheint aufgrund seiner Erkrankung weder zu einer vernünftigen Auseinandersetzung mit dem Prozess- stoff noch zur Vornahme der notwendigen Prozesshandlungen in der Lage zu sein.

3. Wie vorangehend dargelegt, wurde bereits mehrfach versucht, dem Be- klagten zur Behebung dieses Zustands Schutzmassnahmen zukommen zu lassen (vgl. vorne E. 1.2). Es deutet alles darauf hin, dass der Beklagte die Anordnung solcher Massnahmen jedoch durch die (fortlaufende) Änderung seiner Melde- bzw. Wohnverhältnisse bewusst verunmöglicht. So teilte die KESB Winterthur- Andelfingen der Kammer mit Schreiben vom 8. Juli 2020 mit, dass der Beklagte per 31. Mai 2020 nach F. (Deutschland) weggezogen sei und wies zu Recht darauf hin, dass damit ihre Zuständigkeit zur Errichtung von Erwachsenen- schutzmassnahmen nicht mehr gegeben sei (vgl. Urk. 101). Dem Beklagten wurde mit Verfügung vom 7. August 2020, seiner damaligen Rechtsvertretung am 14. August 2020 zugegangen, Frist angesetzt, um zu diesem Schreiben Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme ging nicht ein, hingegen meldete sich der Beklagte -

was dem beigezogenen Auszug der Einwohnerkontrolle J.

vom 4. April

2022 zu entnehmen ist (vgl. Urk. 121) - am 27. August 2020 wiederum in J. (I. -strasse ) an. In Unkenntnis dieses Umstandes ersuchte die Kammer mit

Beschluss vom 17. September 2020 das Amtsgericht F.

um Prüfung der

zum Schutze des Beklagten notwendigen Vorkehrungen und um Mitteilung allfäl- lig getroffener Schutzmassnahmen (vgl. Urk. 104). Nachdem das Amtsgericht F. mitgeteilt hatte, dass es das Verfahren zur Abklärung einer Betreuung für den Beklagten eingestellt habe, da dieser an der angegebenen Adresse in F. nicht auffindbar gewesen sei, wurde dem Beklagten mit Beschluss vom

16. März 2021 Frist angesetzt, um seine neue Wohn- und Meldeadresse mitzutei- len (vgl. Urk. 109). Hierauf entzog der Beklagte seinem Rechtsvertreter das Man- dat (vgl. Urk. 110) und teilte der Kammer am 13. April 2021 eine Adresse in H. mit (vgl. Urk. 111). Die Mitteilung der Adresse in H. erfolgte, ob- wohl der Beklagte dazumal wiederum in J. angemeldet war und dies auch noch bis zum 8. August 2021 blieb (vgl. Urk. 121), ohne dem Gericht davon je Meldung gemacht zu haben. Die rechtshilfeweise nach Frankreich vorgenomme- ne Zustellung der Verfügung der Kammer vom 3. Mai 2021, mit welcher dem Be- klagten Frist angesetzt wurde, um in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu be- zeichnen (vgl. Urk. 112), blieb denn auch (erneut) erfolglos (vgl. Urk. 117, vorne

E. 1.2). Sodann unterliess es der Beklagte, der Kammer seinen Wegzug am 9. August 2021 nach K. mitzuteilen.

Das Verhalten des Beklagten, mit dem er sich der Anordnung von prozessu- al notwendigen erwachsenenschutzrechtlichen Massnahmen beharrlich entzieht, erweckt den Eindruck systematischer Obstruktion und verstösst nach objektivem Massstab gegen das Gebot des Handelns nach Treu und Glauben (vgl. Art. 52 ZPO und BK ZPO-Hurni, Art. 52 N 11; CHK-Sutter-Somm/Seiler ZPO 52 N 6; BSK ZPO-Gehri, Art. 52 N 7). Es verdient keinen Rechtsschutz, weshalb zusätzli- che Weiterungen zum Schutz des Beklagten und seiner Interessen im vorliegen- den Verfahren unterbleiben können. Vielmehr ist gestützt auf das Gesagte von einer andauernden, zufolge seines eigenen Verhaltens nicht behebbaren Prozess- unfähigkeit des Beklagten mit Bezug auf das Berufungsverfahren auszugehen. Entsprechend ist auf die Berufung nicht einzutreten.

4. Auch im Rechtsmittelverfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 114 lit. c ZPO; BK ZPO-Sterchi, Art. 114 N 10). Ausgangsgemäss (Art. 106 Abs. 1 ZPO) wird der Beklagte verpflichtet, dem Kläger für das Berufungsverfahren in Anwendung von § 4 Abs. 1, § 11 Abs. 1 bis 3 und § 13 Abs. 1 und 2 der Verord- nung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 eine volle Parteient- schädigung von Fr. 1'500.– zuzüglich Fr. 115.50 Mehrwertsteuerzuschlag (7,7 % auf Fr. 1'500.–), damit Fr. 1'615.50, zu bezahlen.

Es wird beschlossen:

  1. Auf die Berufung des Beklagten wird nicht eingetreten.

  2. Für das Berufungsverfahren werden keine Kosten erhoben.

  3. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für das Berufungsverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'615.50 zu bezahlen.

  4. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Kläger unter Beilage einer Ko- pie von Urkunde 121, an den Beklagten auf dem Wege der internationalen Rechtshilfe unter Beilage der Doppel der Urkunden 118, 119 und 120/1-5 und einer Kopie von Urkunde 121, sowie an die Vorinstanz, je gegen Emp- fangsschein.

    Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit- telfrist an die Vorinstanz zurück.

  5. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert

30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder

Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Es handelt sich um eine vermö- gensrechtliche arbeitsrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 16'884.50. Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung. Hinsichtlich des Fristenlaufs gelten die Art. 44 ff. BGG.

Zürich, 11. April 2022

Obergericht des Kantons Zürich

  1. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. R. Blesi Keller versandt am:

jo

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