Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG230134 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 17.01.2024 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Klage; Beklagten; Gericht; Partei; Maschinen; Sachverhalt; Parteien; Türkei; Recht; Vertrag; Handel; Import; Höhe; Verfügung; Klageantwort; Kaufvertrag; Schweiz; Grundlage; Verbot; Schweizer; Notwendige; Geschäft; Vertrags; Eingabe; Sinne; Schweizerische; Geleistete; Betrieb; Textilverarbeitungsmaschinen; Teilzahlung |
Rechtsnorm: | Art. 102 OR ; Art. 106 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 117 IPRG ; Art. 138 ZPO ; Art. 143 ZPO ; Art. 153 ZPO ; Art. 223 ZPO ; Art. 23 OR ; Art. 31 OR ; Art. 6 ZPO ; Art. 60 ZPO ; Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 136 III 528; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG230134-O U/ei
Mitwirkend: Oberrichter Dr. Stephan Mazan, Vizepräsident, und Oberrichter Ro- land Schmid, Handelsrichterin Dr. Eliane Ganz, Handelsrichter Wer- ner Heim und Handelsrichter Dr. Alexander Müller sowie der Ge- richtsschreiber Dr. Pierre Heijmen
in Sachen
Klägerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur., LL.M. X. ,
gegen
GmbH, betreffend Forderung
(act. 1 S. 2)
1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin EUR 95'000.00 zzgl. Zins von 5 % seit 14. Juli 2021 zu bezahlen.
2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zzgl. MWST) zu Lasten der Beklagten.
Die Klägerin ist eine Texilherstellerin mit Sitz in der Türkei (act. 1 Rz. 5). Die Be- klagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in C. . Sie be- zweckt den Handel mit Anlagen, Rohstoffen, Hilfsmitteln, Halbfertig-Produkten oder Fertig-Produkten aller Art (act. 1 Rz. 6; act. 3/4).
7. September 2023 wurde der Beklagten Frist bis 13. November 2023 angesetzt, um ihre Klageantwort einzureichen (act. 7). Die vorgenannte Verfügung konnte der Beklagten zustellt werden (act. 10). Da die Beklagte bis zum Ablauf der Frist keine Klageantwort einreichte, wurde ihr mit Verfügung vom 17. November 2023
eine kurze Nachfrist im Sinne von Art. 223 Abs. 1 ZPO bis zum 11. Dezember 2023 angesetzt, mit der Androhung, dass im Säumnisfall das Gericht entweder einen Endentscheid gestützt allein auf die klägerischen Vorbringen treffen werde, sofern die Angelegenheit spruchreif sei, oder andernfalls zur Hauptverhandlung vorladen werde (act. 11). Auch diese Verfügung konnte der Beklagten zugestellt werden (act. 12/2). Mit Eingabe vom 4. Dezember 2023 (hierorts eingegangen am
15. Dezember 2023) nahm die Beklagte Stellung zur Klage (act. 13). Wie nachfol- gend aufzuzeigen ist, erweist sich diese Eingabe als verspätet. Das Verfahren ist spruchreif.
ZPO; BSK ZPO-WILLISEGGER, 3. Aufl., 2017, Art. 223, N 20 und 23 m.w.H.; PA-
HUD, in: Brunner/Gasser/Schwander, ZPO, 2. Aufl., 2016, Art. 223, N 3 f. m.w.H.).
14. Dezember 2023 (act. 14), weshalb sich die Klageantwort der Beklagten als klar verspätet erweist. Da somit keine (rechtzeitige) Klageantwort vorliegt und die Sache spruchreif ist, ist androhungsgemäss ein Endentscheid zu fällen. Dabei kann die am 15. Dezember 2023 eingegangene Eingabe der Beklagten nicht be- rücksichtigt werden.
Die Parteien haben ihren Wohnsitz bzw. Sitz in zwei unterschiedlichen Ländern, womit ein internationaler Sachverhalt vorliegt (DASSER, in: DASSER/OBERHAMMER, SHK Lugano Übereinkommen, 3. Aufl. 2021, N 10 zu Art. 1 LugÜ). Grundsätzlich ist bei internationalen Sachverhalten das Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987 anwendbar. Gemäss Art. 1 Abs. 2
IPRG sind jedoch völkerrechtliche Verträge vorbehalten. Die Frage der internatio- nalen und örtlichen Zuständigkeit bestimmt sich vorliegend nach Art. 2 LugÜ. Die- se Norm sieht einen allgemeinen Gerichtsstand im Wohnsitzstaat der beklagten Partei vor. Da die Beklagte ihren Sitz in Zürich hat, sind die Gerichte des Kantons Zürich für die vorliegende Streitigkeit örtlich zuständig. In Anwendung von Art. 6 Abs. 2 und 3 ZPO i.V.m. § 44 lit. b GOG ist das Handelsgericht Zürich sachlich zuständig.
Geschäftsräumlichkeiten der D.
s.p.a. in Alba/Italien und sollten im Jahr
2021 in Betriebsstätten der Klägerin in der Türkei geliefert werden (act. 1 Rz. 9).
Betrag wurde am 17. November 2020 von der Klägerin an die Beklagte überwie- sen (act. 1 Rz. 11; act. 3/9).
Die zweite Teilzahlung von insgesamt EUR 380'000.– sollte bis zum
30. November 2020 erfolgen. Da die Klägerin diesen Betrag nicht fristgemäss leistete, wurde sie von der Beklagten mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 auf- gefordert, den Betrag bis zum 8. Dezember 2020 zu bezahlen. Da die Klägerin die zweite Teilzahlung auch nach der Zahlungsaufforderung nicht leistete, erfolgte keine Auslieferung der Maschinen (act. 1 Rz. 12 f.; act. 3/10).
sche Leistung. Nachdem vorliegend die Beklagte die Maschinen an die Klägerin veräusserte, wurde die charakteristische Leistung in der Schweiz erbracht. Daher kommt Schweizer Recht zu Anwendung.
Ein Irrtum ist die Abweichung der eigenen Sachverhaltsvorstellung vom normativ wirksamen Konsens (BRUNO SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Obligationenrecht, Mängel des Vertragsabschlusses, Art. 23-31 OR, Bern 2013, N 7 zu Art. 23/24 OR). Zu unterscheiden ist zwischen den Erklärungsirrtümern und dem Grundla- genirrtum. Bei einem Grundlagenirrtum handelt es sich um einen Motivirrtum, der nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR qualifiziert ist (SCHMIDLIN, a.a.O., N 94 zu Art. 23/24 OR; FELIX DASSER, Kommentar zum Schweizerischen Obligationenrecht,
Auflage, 2023, Art. 24 N 11). Qualifiziert ist ein Motivirrtum dann, wenn die ir- rende Partei sich über eine Rechtslage oder über einen bestimmten Sachverhalt geirrt hat, die sie nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als notwendige Vertragsgrundlage betrachten durfte (BGer 4A_297/2013, Urteil vom
4. September 2013 E. 3.2.2; BGer 4A_217/2014, Urteil vom 4. August 2014
E. 2.4.).
Für das Vorhandensein eines Grundlagenirrtums ist ein subjektives und ein objek- tives Merkmal erforderlich (BGer 4A_408/2007, Urteil vom 7. Februar 2008
E. 3.2). In subjektiver Sicht ist erforderlich, dass der massgebende Sachverhalt notwendige Grundlage des Vertragsschlusses war. Dabei wird vorausgesetzt, dass bei Nichtvorhandensein des irrigen Sachverhaltes der Vertrag nicht abge- schlossen worden wäre (SCHMIDLIN, a.a.O., N 162 ff. zu Art. 23/24 OR; DASSER, a.a.O., Art. 24 N 13). Das objektive Merkmal liegt dann vor, wenn die subjektive Betrachtung der irrenden Partei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr objektiv gerechtfertigt ist, d. h., sie muss einer falschen Vorstellung unterlegen sein, die vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs als notwendige Grundlage des Vertrages erscheint (BGE 136 III 528 E. 3.4.1.). Dies ist dann der Fall, wenn jeder vernünftige Verkehrsteilnehmer in der Lage des Irrenden, das Geschäft nicht eingegangen wäre (SCHMIDLIN, a.a.O., N 105 f. zu Art. 23/24 OR).
Ein Grundlagenirrtum kann auch bezüglich eines zukünftigen Sachverhaltes be- stehen. Vorausgesetzt wird, dass es sich um einen bestimmten Sachverhalt han- delt, und zwar in dem Sinne, dass nicht nur der Sachverhalt an sich, sondern auch dessen Eintreten bestimmt sein muss (SCHMIDLIN, a.a.O., N 244 ff. zu Art. 23/24 OR; DASSER, a.a.O., Art. 24 N 16).
4. Würdigung
3. Januar 2021 abzubauen und bis spätestens 31. März 2021 in Lastwagen zwecks Transports der Maschinen zu laden (vgl. act. 3/5-8). Daher sind beide Parteien davon ausgegangen, dass die Klägerin die Maschinen in die Türkei im- portieren wollte und fest damit rechnete, dass der Import auch tatsächlich möglich ist. Weiter blieb unbestritten, dass die streitgegenständlichen Textilverarbei- tungsmaschinen vom Importverbot des Türkischen Handelsministerium mit Wir- kung ab 1. Januar 2021 (Verordnung Nr. 31351) umfasst waren (act. 1 Rz. 19 ff.; act. 3/15-16).
Maschinen im Laufe des Jahres 2021 problemlos in die Türkei geliefert werden können. Die Klägerin rechnete nicht mit einem Importverbot für die Maschinen. Der Umstand, dass die Maschinen in die Türkei importiert werden können, war für die Klägerin auch wesentlich, da sie diese in ihren Betriebsstätten in der Türkei für die Produktion von Textilien einsetzen wollte. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin über Betriebsstätten in anderen Ländern verfügte, welche nicht vom Im- portverbot umfasst waren und gegebenenfalls dort hätten genutzt werden können. Es kann daher nicht angenommen werden, dass sie in Kenntnis eines Importver- bots zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vertrag mit der Beklagten abge- schlossen hätte. Der Import bzw. die Lieferung der Maschinen in die Türkei wurde damit aus Sicht der Klägerin zu einer notwendigen Vertragsgrundlage. Die An- nahme des ungehinderten Imports der Maschinen war auch nach Treu und Glau- ben im Geschäftsverkehr gerechtfertigt, da nur unter dieser Voraussetzung der Kaufvertrag dem Sinn und Zweck entsprechend durchgeführt werden konnte. Der ungehinderte Import der vier Textilverarbeitungsmaschinen in die Türkei im Ver- laufe des Jahres 2021 ist daher als eine notwendige Grundlage des Vertrags im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR anzusehen. Da sich die Klägerin somit über den unbeschränkten Import der Maschinen in die Türkei irrte, besteht hinsichtlich des Kaufvertrags ein Anfechtungsgrund.
Verfalltagsabrede im Sinne von Art. 102 Abs. 2 OR zu qualifizieren. Die Beklagte geriet demnach am 14. August 2021 in Verzug.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Ausgangsgemäss ist die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Parteient- schädigung zu leisten. Die Höhe der Parteientschädigung wird nach der Anwalts- gebührenverordnung vom 8. September 2010 (AnwGebV) bestimmt. Sie setzt sich aus der Gebühr und den notwendigen Auslagen zusammen (§ 1 Abs. 2 An- wGebV). Die Grundgebühr ist mit der Begründung oder Beantwortung der Klage verdient, für jede weitere notwendige Rechtsschrift ist ein Zuschlag zu gewähren (§ 11 Abs. 1 und 2 AnwGebV). Die Parteienentschädigung ist vorliegend auf die Höhe der Grundgebühr von rund CHF 10'500.– festzusetzen. Da die Klägerin
nicht dartut, inwiefern sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sein soll, ist die Parteientschädigung ohne Mehrwertsteuer zuzusprechen (vgl. BGer 4A_552/2015 E. 4.5; ZR 104 [2005] S. 291 ff.; SJZ 101 [2005] S. 531 ff.).
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF 10'500.– zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Klägerin unter Beilage von act. 13.
Zürich, 17. Januar 2024
Handelsgericht des Kantons Zürich
Der Vorsitzende:
Dr. Stephan Mazan
Der Gerichtsschreiber:
Dr. Pierre Heijmen
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