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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:HG220147
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HG220147 vom 05.09.2023 (ZH)
Datum:05.09.2023
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_498/2023
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Versicherung; Gerin; Rinnen; Gerinnen; Klägerinnen; Partei; Recht; Deckung; Hygiene; Epidemie; Hygieneversicherung; Parteien; Vertrag; Klagte; Klagten; Beklagten; Bedingung; Bedingungen; Vertrags; Police; Urteil; Aufgr; Streit; Versicherungsvertrag; Betrieb; Begehren; Umfassend; Massnahme; Klage
Rechtsnorm: Art. 103a VVG ; Art. 105 ZPO ; Art. 106 ZPO ; Art. 107 BGG ; Art. 111 ZPO ; Art. 112 OR ; Art. 16 VVG ; Art. 17 VVG ; Art. 18 OR ; Art. 236 ZPO ; Art. 32 OR ; Art. 33 VVG ; Art. 71 ZPO ; Art. 96 ZPO ;
Referenz BGE:107 II 85; 108 II 216; 109 II 452; 114 II 345; 118 Ia 129; 119 II 443; 121 III 118; 126 III 59; 135 III 1; 135 III 225; 135 III 334; 138 III 411; 140 III 391; 140 III 86; 141 III 112; 142 III 239; 142 III 671; 142 III 782; 143 III 157; 146 V 28; 148 III 57;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Handelsgericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr.: HG220147-O U/mk

Mitwirkend: die Oberrichterinnen Dr. Claudia Bühler, Präsidentin, und Nicole Klausner, Handelsrichter Patrik Howald, Handelsrichterin Dr. Petra Ginter und Handelsrichterin Nathalie Lang sowie die Gerichtsschrei- berin Regula Blesi Keller

Urteil vom 5. September 2023

in Sachen

  1. A1. AG,

  2. A2. AG,

    Klägerinnen

    1, 2 vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X.

    gegen

    B. AG,

    Beklagte

    vertreten durch Fürsprecher Dr. iur. Y1. vertreten durch Rechtsanwalt MLaw, LL.M. Y2.

    betreffend Forderung

    Rechtsbegehren:

    (act. 1 S. 2)

    1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin 1 CHF 31'362.00 zu zahlen, zuzüglich Verzugszins von 5% seit dem 24.4.2020; even- tualiter sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin 1

    CHF 31'131.46 zu zahlen, zuzüglich Verzugszins von 5% seit dem 24.4.2020;

    1. Eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, zu Gunsten der Klä- gerin 1 CHF 31'362.00 zu zahlen, zuzüglich Verzugszins von 5% seit dem 24.4.2020; eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, zu Gunsten der Klägerin CHF 31'131.46 zu zahlen, zuzüglich Verzugszins von 5% seit dem 24.4.2020;

    2. Die vorliegende Klage sei als Teilklage zu behandeln, wovon Vormerk zu nehmen sei;

    3. Das vorliegende Verfahren sei vorfrageweise auf die Frage der Versicherungsdeckung zu beschränken;

alles unter Kosten und Entschädigung zuzüglich MWST zulasten der Beklagten.

Geändertes Rechtsbegehren gemäss Replik:

(act. 35 S. 2)

1. […].

2. Die Beklagte sei zu verpflichten, zu Gunsten der Klägerin 1 CHF 31'362.00 zu zahlen, zuzüglich Verzugszins von 5% seit dem 24.4.2020; eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, zu

Gunsten der Klägerin 1 CHF 31'131.46 zu zahlen, zuzüglich Ver- zugszins von 5% seit dem 24.4.2020;

3. […].

unter Kosten und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten

Inhaltsverzeichnis

Sachverhaltsübersicht und Verfahren 5

  1. Sachverhaltsübersicht 5

    1. Parteien und ihre Stellung 5

    2. Prozessgegenstand 5

  2. Prozessverlauf 6

  3. Urteil des Bundesgerichts 7

  1. Formelles 8

    1. Folgen der Rückweisung 8

    2. Zuständigkeit 9

  2. Aktivlegitimation 9

    1. Wesentliche Parteistandpunkte 9

    2. Rechtliches 10

    3. Würdigung 12

    4. Fazit 14

  3. Anspruch auf Unterbrechungsschaden (Hauptbegehren) 14

    1. Einleitende Bemerkungen 14

    2. Allgemeine Versicherungsbedingungen 15

    3. Abänderung der AVB 15

      1. Unbestrittener Sachverhalt 15

      2. Streitpunkte 16

        1. Klägerinnen 16

        2. Beklagte 16

      3. Rechtliches 17

      4. Würdigung 18

      5. Zwischenfazit 21

    4. Globalübernahme / Ungewöhnlichkeitsregel 22

      1. Unbestrittener Sachverhalt und Vorbemerkungen 22

      2. Streitpunkte 22

        1. Klägerinnen 22

        2. Beklagte 23

      3. Rechtliches 23

      4. Würdigung 25

      5. Zwischenfazit 28

    5. Auslegung der AVB/Deckung 28

      1. Unbestrittener Sachverhalt 28

      2. Streitpunkte 29

        1. Beklagte 29

        2. Klägerinnen 30

      3. Rechtliches 31

      4. Würdigung 32

    6. Schlussfazit betreffend Unterbrechungsschaden 38

  4. Anspruch auf Taggeldentschädigung (Eventualbegehren) 38

    1. Unbestrittener Sachverhalt 38

    2. Streitpunkte 38

    3. Rechtliches 39

    4. Würdigung 39

    5. Schlussfazit zur Taggeldentschädigung 39

  5. Abschliessende Zusammenfassung der Tat- und Rechtsfragen 40

  6. Kosten- und Entschädigungsfolgen 40

    1. Neubeurteilung und Verteilungsgrundsätze 40

    2. Gerichtskosten 41

    3. Parteientschädigungen 41

Sachverhaltsübersicht und Verfahren

  1. Sachverhaltsübersicht

    1. Parteien und ihre Stellung

      Bei den Klägerinnen handelt es sich um zwei Aktiengesellschaften mit Sitz in C. (act. 4/6; act. 4/7). Die Klägerin 1 (seit dem tt. Februar 2020 A1. AG, vormals A1'. AG und davor A1''. AG) ist eine Tochtergesell-

      schaft der Klägerin 2 (seit dem tt. Januar 2018 A2.

      AG, vormals

      A1'. AG) und betreibt an verschiedenen Standorten in der Schweiz Restaurants, insbesondere die D. am Bahnhof E.

      in Zürich (act. 1

      Rz. 19, Rz. 38 f.; act. 4/12). Die Klägerin 2 ist an der Klägerin 1 beteiligt, hält aber selber keine Restaurants (act. 1 Rz. 64; act. 4/12).

      Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in F. und verkauft als Ver- sicherin diverse Versicherungsprodukte in der Schweiz (act. 4/3), unter anderem auch die vorliegend im Streit liegende G. (act. 4/4) mit der Zusatzversi- cherung Hygieneversicherung (act. 4/4 Ziff. 4.2; fortan: Hygieneversicherung).

      Zwischen der Beklagten und der Klägerin 2 als Versicherungsnehmerin besteht ein Versicherungsvertrag gemäss der Police 1 vom 27. Januar 2020, welcher das vorgenannte Versicherungsprodukt G. mit der vorgenannten Zusatzversi- cherung enthält (act. 1 Rz. 36; act. 4/4; act. 12 Rz. 28). Als mitversicherte Unter-

      nehmen werden die Klägerin 1 und die H. schiedene Restaurants betreiben (act. 4/4 Ziff. 9.1).

    2. Prozessgegenstand

      AG aufgeführt, welche verDie Klägerinnen machen geltend, die Beklagte habe gestützt auf die abgeschlos- sene Hygieneversicherung Versicherungsleistungen zu erbringen. Aufgrund der durch den Bundesrat mit Verordnung 2 (fortan: COVID-19 Vo 2) über Mass- nahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (nachfolgend: COVID-19) vom

      13. März 2020 angeordneten Schliessung aller Restaurationsbetriebe habe das D. seinen Betrieb seit dem 17. März 2020 vollständig schliessen müssen, weshalb der daraus resultierende Unterbrechungsschaden von dieser Hygieneversicherung gedeckt sei (act. 1 Rz. 19, Rz. 104). Die Klägerinnen klagen in Form einer Teilklage einen Unterbrechungsschaden für eine Woche ein (act. 1 Rechts- begehren Ziff. 1; act. 1 Rz. 19, Rz. 103 ff.). Zudem begehren sie auf der gleichen Grundlage eventualiter eine Taggeldentschädigung zufolge eines Tätigkeitsver- bots (act. 1 Rechtsbegehren Ziff. 1; act. 1 Rz. 110 ff.).

      Die Beklagte bestreitet, dass die Betriebsschliessung aufgrund der COVID-19- Pandemie vom Deckungsumfang der Hygieneversicherung erfasst sei und dass die Voraussetzungen für eine entsprechende Haftung vorliegen. Sie schliesst auf Abweisung der Klage.

  2. Prozessverlauf

    Am 6. Mai 2020 (Datum Poststempel) reichten die Klägerinnen hierorts die Klage ein (act. 1 und act. 4/3–34). Das Verfahren wurde unter der Geschäfts- Nr. HG200075-O angelegt. Für die Einzelheiten dieses Verfahrens kann auf act. 57 S. 4 f. verwiesen werden. Mit Beschluss vom 10. Mai 2022 des hiesigen Gerichts wurde auf die Klage nicht eingetreten (act. 57 S. 15).

    Am 5. September 2022 hob das Bundesgericht das Urteil des Handelsgerichts auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück (Urteil des BGer 4A_262/2022 vom 5. September 2022 [fortan: Rückweisungsentscheid] = act. 66).

    Am 10. Oktober 2022, am 23. November 2022, am 9. Dezember 2022, am

    7. Februar 2023, am 5. April 2023 und am 8. Juni 2023 reichte die Beklagte zu- dem Noveneingaben samt Beilagen ein (act. 64 f.; act. 67 f.; act. 69 f.; act. 73 f.; act. 75 f.; act. 77 f.).

    Mit Verfügung vom 23. Dezember 2022 wurde den Parteien mitgeteilt, dass das Verfahren unter der Geschäfts-Nr. HG220147-O fortgesetzt wird, und die bis da- hin und auch später eingegangenen Eingaben der Beklagten wurden den Kläge- rinnen zur Kenntnis zugestellt (act. 71; act. 81). Mit Verfügung vom 26. Juni 2023 wurde den Parteien Frist zur Erklärung, ob sie auf die Durchführung einer mündli- chen Hauptverhandlung verzichten, angesetzt (act. 82). Die Beklagte verzichtete mit

    Eingabe vom 28. Juni 2023 (act. 84). Betreffend die Klägerin ist von einem still- schweigenden Verzicht auszugehen. Der Prozess ist spruchreif (Art. 236 Abs. 1 ZPO). Die im Verfahren HG200075-O geleisteten Kostenvorschüsse von gesamt- haft CHF 5'600.– sind auf das vorliegende Verfahren mit der Geschäfts- Nr. HG220147-O zu übertragen.

  3. Urteil des Bundesgerichts

Das Bundesgericht fällt ein kassatorisches Urteil und weist die Streitsache an die Vorinstanz zurück, wenn die tatsächliche Beurteilungsgrundlage fehlt. Die Vor- instanz hat folglich den rechtserheblichen Sachverhalt zu vervollständigen (JO- HANNA DORMANN, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger/Kneubühler [Hrsg.], Basler Kommentar Bundesgerichtsgesetz, 3. A., Basel 2018, Rz. 15 zu Art. 107 BGG). Die rechtlichen Erwägungen des Bundesgerichts sind dabei verbindlich. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Punkte, bezüglich derer die Rückweisung erfolgt, als auch derjenigen, über die definitiv entschieden wurde (DORMANN, a.a.O., Rz. 18 zu Art. 107 BGG).

In seinem Urteil vom 5. September 2022 hat das Bundesgericht erwogen, dass die Rechtshängigkeitssperre vorliegend nicht greife, weil der gleiche Streitgegen- stand einzig zwischen den gleichen Parteien nicht gleichzeitig rechtshängig ge- macht werden könne. Vorliegend stünden auf Klägerseite zwei unterschiedliche Parteien. Das Rechtsbegehren Ziff. 1 werde von der Klägerin 1 gestellt und das Rechtsbegehren Ziff. 2 von der Klägerin 2. Die Rechtshängigkeitssperre stehe daher den beiden Begehren mangels Parteiidentität nicht entgegen. Es fehle den Klägerinnen auch nicht an einem Rechtsschutzinteresse. Das Argument, dass al- lenfalls beide Hauptbegehren gutgeheissen werden könnten und die Beklagte bei Gutheissung beider Klagen doppelt zahlen müsste, begründe im Stadium der Prü- fung der Eintretensvoraussetzungen kein fehlendes Rechtsschutzinteresse. Die Gefahr einer doppelten Zusprechung hindere jedenfalls das Eintreten auf die Kla- ge nicht. Vielmehr sei auf die beiden Klagen einzutreten und materiell zu prüfen, ob und wem die Versicherungsleistung allenfalls zustehe. Dementsprechend sei die Klageänderung in der Replik zulässig (act. 66 E. 2).

Betreffend die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft der Klägerinnen führt das Bundesgericht aus, aufgrund der Zulässigkeit der Klageänderung (vgl. dazu act. 66 E. 2) würden mehrere eingeklagte Ansprüche im Recht liegen und die Klägerin 1 und die Klägerin 2 würden daher die Versicherungsleistung kumulativ geltend machen. Klar sei, dass im vorliegenden Verfahren nicht eine klassische einfache Streitgenossenschaft im Sinne von Art. 71 ZPO vorliege (act. 66 E. 3.2). Jedoch sei eine einfache Streitgenossenschaft zulässig und auf die Klage sei zu Unrecht nicht eingetreten worden (act. 66 E. 3.3).

Erwägungen:

  1. Formelles

    1. Folgen der Rückweisung

      Hebt das Bundesgericht einen Entscheid auf und weist es die Sache zur neuen Beurteilung an die kantonale Instanz zurück, so wird der Streit in jenes Stadium vor der kantonalen Instanz zurückversetzt, in dem er sich vor Erlass des ange- fochtenen Entscheids befand. Die kantonale Behörde hat ihre neue Entscheidung auf die rechtlichen Erwägungen des bundesgerichtlichen Entscheids zu stützen. Wie weit die Gerichte und Parteien an die erste Entscheidung gebunden sind, ergibt sich aus der Begründung des Rückweisungsentscheides, der sowohl den Rahmen für die neuen Tatsachenfeststellungen als auch jenen für die neue recht- liche Begründung vorgibt. Soweit das Bundesgericht sich nicht ausgesprochen hat, fällt die kantonale Instanz ihre neue Entscheidung frei, ohne an ihren ersten Entscheid gebunden zu sein (BGE 135 III 334 E. 2).

      Zusammengefasst betrifft die bundesgerichtliche Rückweisung die Eintretens- voraussetzungen. Das Bundesgericht hat festgestellt, dass die in der Replik er- folgte Klageänderung rechtmässig war und dass eine zulässige einfache Streitge- nossenschaft der Klägerinnen vorliegt (act. 66 E. 2 und E. 3.4). Diese Erwägun- gen sind verbindlich und entsprechend zu übernehmen. Gemäss den bundesge- richtlichen Erwägungen ist auf die Klage einzutreten und im Rahmen der materiellen Beurteilung zu prüfen, ob und wem allenfalls eine Versicherungsleistung zu- steht.

    2. Zuständigkeit

      Betreffend die örtliche und sachliche Zuständigkeit kann auf die unangefochtenen Erwägungen des Urteils des Handelsgerichts vom 10. Mai 2022 verwiesen wer- den (vgl. HG200075 E. 1).

  2. Aktivlegitimation

    1. Wesentliche Parteistandpunkte

      1. Die Klägerinnen führen betreffend die Aktivlegitimation der Klägerin 1 aus, diese sei als mitversichertes Unternehmen in der Police aufgelistet, daher sei beim vorliegenden Versicherungsvertrag von einem Vertrag zugunsten Dritter auszugehen. Der Unterbrechungsschaden trete direkt bei der Klägerin 1 ein, und es sei evident, dass die Klägerin 2 als Muttergesellschaft der Klägerin 1 die wirt- schaftlichen Interessen der Tochterfirma habe versichern wollen. Damit sei die Klägerin 1 Interessenträgerin an der Versicherung (act. 1 Rz. 63 ff.).

      2. Im Hinblick auf die Aktivlegitimation der Klägerin 2 führen die Klägerinnen aus, dass – falls das Gericht zum Schluss gelangen würde, der Versicherungsver- trag sei nicht als Vertrag zugunsten Dritter zu qualifizieren – zumindest von ei- nem unechten Vertrag zugunsten Dritter auszugehen wäre. In einem solchen Fall könne die Gläubigerin des Vertrags und damit die Klägerin 2 Leistung an die Be- günstigte, sprich die Klägerin 1, verlangen. Unter diesem Aspekt sei zumindest die Klägerin 2 aktivlegitimiert (act. 1 Rz. 69 f.).

      3. Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin 1 nicht (act. 12 Rz. 120). Zu den Ausführungen der Klägerinnen betreffend die Aktivlegitimation der Klägerin 2 äussert sich die Beklagte nicht.

    2. Rechtliches

      1. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung hängen Aktiv- und Passivlegiti- mation von den materiellrechtlichen Voraussetzungen des eingeklagten An- spruchs ab. Sie gehören zur Begründetheit des Klagebegehrens, und ihr Fehlen führt zur Abweisung der Klage, ungeachtet des Vorhandenseins der objektiven Voraussetzungen des eingeklagten Anspruchs (BGE 142 III 782 E. 3.1.4 = Pra 107 [2018] Nr. 46; BGE 138 III 213 E. 2.3 = Pra 101 [2012] Nr. 110; BGE

        128 III 50 E. 2.b/bb. = Pra 91 [2002] Nr. 90; BGE 126 III 59 E. 1a = Pra 89 [2000]

        Nr. 117; BGE 108 II 216 E. 1; BGE 107 II 85 E. 2). Die Aktivlegitimation ist von Bundesrechts wegen von Amtes wegen zu prüfen und muss im Zeitpunkt des Ur- teils vorliegen (BGE 126 III 59 E. 1a = Pra 89 [2000] Nr. 117; BGE 114 II 345

        E. 3d = Pra 78 [1989] Nr. 83; GROLIMUND PASCAL, Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 2019, § 13 Rz. 20). Unter der Herrschaft der Verhandlungsmaxime erfolgt die Prü- fung nur nach Massgabe des behaupteten und festgestellten Sachverhalts (BGE 118 Ia 129 E. 1). Um die Frage der Aktivlegitimation zu klären, ist daher im Fol- genden zuerst der im Recht liegende Versicherungsvertrag mit der Police 1 vom

        27. Januar 2020 (act. 4/4) zu qualifizieren. Dabei ist aufgrund von Art. 103a VVG e contrario auf Art. 16 und Art. 17 aVVG abzustellen. In erster Linie ist zu beurtei- len, ob es sich um eine Versicherung für eigene Rechnung oder um eine Versi- cherung auf fremde Rechnung handelt.

      2. Die Unterscheidung zwischen einer Versicherung für eigene Rechnung und auf fremde Rechnung erfolgt anhand der Person des Interessenträgers. Interes- senträger ist, wer ohne Versicherung den durch die Versicherung gedeckten wirt- schaftlichen Nachteil erleiden würde (Urteil des BGer 5C.277/2006 vom 17. April 2007 E. 3.3; ANDREA EISNER-KIEFER, in: Grolimund/Loacker/Schnyder [Hrsg.], Basler Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 2. A., Basel 2023, Rz. 11 zu Art. 16 VVG). Folgerichtig ist der Interessenträger, für dessen Rechnung die Versicherung abgeschlossen wurde, auch der aus dem Versicherungsvertrag An- spruchsberechtigte (Urteil des BGer 4A_186/2009 vom 3. März 2010 E. 3.2.3; Ur- teil des BGer 5C.277/2006 vom 17. April 2007 E. 4.1). Eine Versicherung für fremde Rechnung liegt vor, wenn nicht der Versicherungsnehmer, sondern ein

        Dritter der Interessenträger und damit Anspruchsberechtigter aus dem Versiche- rungsvertrag ist (EISNER-KIEFER, a.a.O., Rz. 15 zu Art. 16 VVG).

      3. Rechtsprechung und Lehre qualifizieren die Versicherung für fremde Rech- nung dem Grundsatz nach als einen Vertrag zugunsten Dritter (BGE 141 III 112

        E. 4.3 = Pra 104 [2015] Nr. 96; Urteil des BGer 4A_197/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 3.3; EISNER-KIEFER, a.a.O., Rz. 18 zu Art. 16 VVG). Daher sind die Regeln von Art. 112 OR subsidiär auf den Versicherungsvertrag anzuwenden (EIS- NER-KIEFER, a.a.O., Rz. 19 zu Art. 16 VVG). Vorrang hat insbesondere das auf der Anspruchsberechtigung beruhende selbstständige Forderungsrecht des versi- cherten Dritten, durch welches den Parteien des Versicherungsvertrages die Dis- position über die Forderungsberechtigung i.S.v. Art. 112 Abs. 2 OR entzogen ist (Urteil des BGer 4A_18/2021 vom 27. Juli 2021 E. 4.3.3; EISNER-KIEFER, a.a.O.,

        Rz. 20 zu Art. 16 VVG). Daher gehen Rechtsprechung und Lehre aufgrund einer Auslegung von Art. 17 Abs. 2 aVVG e contrario davon aus, dass der Versicherte grundsätzlich allein das Recht hat, die Entschädigung vom Versicherer zu verlan- gen. Nur der Versicherte kann die Entschädigung vom Versicherer verlangen (Ur- teil des BGer 4A_186/2009 vom 3. März 2010 E. 3.2.3). Art. 17 Abs. 2 aVVG sieht jedoch in zwei Fällen ein eigenes Recht des Versicherungsnehmers vor, so wenn der versicherte Dritte ihm einen uneingeschränkten Auftrag zum Abschluss der Versicherung erteilt hat und wenn der Versicherungsnehmer gesetzlich verpflich- tet ist, für die Versicherung zu sorgen. Im ersten Fall, der hier allein in Betracht kommt, bestimmt der Inhalt des Auftrags, wer – der Versicherungsnehmer oder der versicherte Dritte – berechtigt ist, Ansprüche gegenüber dem Versicherer gel- tend zu machen. Ein Vorbehalt zugunsten des Versicherten im Sinne von Art. 17 Abs. 2 aVVG liegt vor, wenn dieser ausdrücklich das Recht festlegt, die Entschä- digung selbst einzufordern (Urteil des BGer 5C.277/2006 vom 17. April 2007 E. 4.1).

      4. Die Geltendmachung des Leistungsanspruches durch den Versicherungs- nehmer ist daher nur noch bei entsprechender Parteiabrede zwischen Versiche- rungsnehmer und Versichertem zulässig (EISNER-KIEFER, a.a.O., Rz. 20 zu Art. 16 VVG; vgl. auch MATTHIAS-CHRISTOPH HENN, Versicherung eigener und fremder Interessen, HAVE 2017, S. 461 ff., S. 464). Die Klage des Begünstigten derogiert die Anspruchsberechtigung des Versicherungsnehmers; letzterem fehlt insofern ein Rechtsschutzinteresse für eine eigene Klage (ZR 89 [1990] S. 217 ff. E. 4.3.1.; CORINNE ZELLWEGER-GUTKNECHT, in: Lüchinger/Oser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Obligationenrecht I, 7. A., Basel 2020, Rz. 19 zu Art. 112 OR). Wo daneben noch das rechtliche Interesse des Versicherungsnehmers an einer quasi unter- stützenden, eigenen Klage liegen soll, ist nicht ersichtlich. Die Erreichung des von ihm angestrebten Ziels – Erbringung einer oder mehrerer Leistungen des Versi- cherers an den Versicherten – kann er durch Unterstützung des letzteren, bei- spielsweise als Nebenintervenient, in gleich starker Weise wie durch die eigene Klage anstreben (ZR 89 [1990] S. 217 ff. E. 4.3.1.).

    3. Würdigung

      1. Aus den unbestritten gebliebenen Behauptungen der Klägerinnen und dem im Recht liegenden Versicherungsvertrag mit der Police 1 ergibt sich, dass die Klägerin 2 Versicherungsnehmerin ist und die Klägerin 1 als mitversichertes Un- ternehmen aufgeführt wird (act. 1 Rz. 63 ff.; act. 4/4 S. 3 Ziff. 1.1, S. 12 Ziff. 9.1). Die Klägerin 2 als Versicherungsnehmerin hat den Versicherungsvertrag mit der Beklagten am 27. Januar 2020 abgeschlossen (act. 1 Rz. 36, Rz. 70; act. 4/4

        S. 11). Wie die Klägerinnen sodann schlüssig behaupten, ist Interessenträgerin der Versicherung die Klägerin 1. Die Umsatzeinbrüche seien direkt bei ihr bere- chenbar (vgl. act. 1 Rz. 65); mithin ist der geltend gemachte wirtschaftliche Nach- teil, der allenfalls durch den Versicherungsvertrag gedeckt wäre, bei der Klägerin 1 eingetreten. Demzufolge handelt es sich vorliegend um eine Versicherung auf fremde Rechnung nach oben genannter Definition (vgl. vorstehend Ziff. 2.2.2). Es handelt sich dabei gemäss Praxis (auch) um einen Vertrag zugunsten Dritter; deshalb sind die Regeln von Art. 112 OR analog anzuwenden (vgl. vorstehend Ziff. 2.2.3). Indessen hat die Klägerin 1 ein selbständiges nicht der Parteiautono- mie unterliegendes Forderungsrecht gegenüber der Beklagten, unabhängig da- von, ob es sich um einen echten oder unechten Vertrag zugunsten Dritter handelt. Folglich ist die Klägerin 1 betreffend den Anspruch auf Unterbrechungsschaden

        und Taggeldentschädigung aus dem Versicherungsvertrag vom 27. Januar 2020 als mitversichertes Unternehmen selbständig aktivlegitimiert.

      2. Betreffend die Aktivlegitimation der Klägerin 2 präsentiert sich aufgrund der Qualifikation des Versicherungsvertrags als Versicherung auf fremde Rechnung ein anderes Bild. Das selbständige Forderungsrecht der Klägerin 1, welches nicht der Parteiautonomie unterliegt, derogiert die Anspruchsberechtigung der Kläge- rin 2. Denn auch die Klägerin 2 könnte den geltend gemachten Unterbrechungs- schaden aufgrund des Konzepts der Versicherung auf fremde Rechnung sowie des Vertrags zugunsten Dritter nur an die Klägerin 1 verlangen, was sie zwar mit ihrem Rechtsbegehren Ziff. 2 auch tut. Zu beachten ist, dass die mit der Replik vorgenommene Klageänderung gemäss Bundesgericht als zulässig zu betrachten ist (vgl. Urteil des BGer vom 4A_262/2022 vom 5. September 2022 E. 2). Beide Rechtsbegehren werden von den Klägerinnen folglich als Hauptbegehren gestellt. Es ist demnach nicht ersichtlich, wie ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin 2 an ihrem Rechtsbegehren Ziff. 2 in der vorliegenden Konstellation noch bejaht wer- den könnte, wenn die Klägerin 1 als Versicherte und somit Begünstigte des Versi- cherungsvertrages bereits von ihrem Forderungsrecht Gebrauch macht und mit dem Rechtsbegehren Ziff. 1 die Leistung eines allfälligen Unterbrechungsscha- dens an sich selber geltend macht. Wie die Klägerinnen sodann selbst ausführen, ist je nach Qualifikation des Versicherungsvertrages die Klägerin 1 oder die Klä- gerin 2 aktivlegitimiert (vgl. act. 1 Rz. 17, Rz. 69 f.). Dass beide Klägerinnen auf- grund des fraglichen Versicherungsvertrags für fremde Rechnung parallel aktivle- gitimiert sein sollen, machen also selbst sie nicht geltend. Die Aktivlegitimation der Klägerin 2 ist daher zu verneinen.

      3. Auch das von den Klägerinnen behauptete auftragsähnliche Vertragsver- hältnis zwischen der Klägerin 1 und der Klägerin 2 (vgl. act. 1 Rz. 41) lässt keinen anderen Schluss zu. Die Klägerinnen behaupten nicht, dass es sich dabei um ei- ne Parteiabrede handeln soll, welche die (alleinige) Anspruchsberechtigung der Klägerin 2 zum Inhalt hätte (vgl. dazu vorstehend Ziff. 2.2.4). Folglich lässt sich auch aus diesen klägerischen Ausführungen keine Aktivlegitimation der Klägerin 2 ableiten.

    4. Fazit

      Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass die Klägerin 1 aufgrund der Qualifikati- on des Versicherungsvertrags vom 27. Januar 2020 als Versicherung auf fremde Rechnung in der Position der Versicherungsnehmerin selbständig forderungsbe- rechtigt und damit für das vorliegende Verfahren aktivlegitimiert ist. Die Klägerin 2 ist als Versicherungsnehmerin zwar grundsätzlich berechtigt, zugunsten der Klä- gerin 1 einen allfälligen Unterbrechungsschaden aufgrund des Versicherungsver- trags vom 27. Januar 2020 geltend zu machen, aber ihr fehlt es aufgrund des be- reits von der Klägerin 1 geltend gemachten Hauptanspruchs im Rechtsbegehren Ziff. 1 am Rechtsschutzinteresse, ebenfalls den Unterbrechungsschaden zuguns- ten der Klägerin 1 zu verlangen. Daher ist der Klägerin 2 die Aktivlegitimation ab- zusprechen und das Rechtsbegehren Ziff. 2 abzuweisen.

      Im Übrigen würde, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch kein Anspruch auf einen Unterbrechungsschaden oder eine Taggeldentschädigung bestehen, weil es an der Deckung durch den Versicherungsvertrag fehlt. Selbst wenn die Kläge- rin 2 also aktivlegitimiert wäre, würde ihr kein Anspruch auf Unterbrechungsscha- den, eventualiter auf Taggeldentschädigung zugunsten der Klägerin 1, zustehen.

  3. Anspruch auf Unterbrechungsschaden (Hauptbegehren)

    1. Einleitende Bemerkungen

      Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Klägerin 1 gestützt auf den mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag, genauer die Hygieneversicherung, ge- mäss Police 1 zu Recht die Deckung des ihr zufolge der mit COVID-19 Vo2 an- geordneten Betriebsschliessungen, welche auch die Schliessung der D. zur Folge hatte, entstandenen (Teil-)Schadens geltend macht. Dabei ist insbesondere zu klären, welche vertraglichen Grundlagen in welchem Wortlaut relevant sind und wie diese zu verstehen sind. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Allgemeine Vertragsbedingungen der Beklagten.

    2. Allgemeine Versicherungsbedingungen

      Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB; bzw. Allgemeine Versicherungsbedin- gungen, AVB) sind Vertragsbestimmungen, die im Hinblick auf den künftigen Ab- schluss einer Vielzahl von Verträgen generell vorformuliert wurden (BGE 148 III 57 E. 2). Die im Streit liegenden Allgemeinen Bedingungen … (fortan: Allge- meine Bedingungen) sind grundsätzlich als AVB zu qualifizieren. Fraglich ist in- des zum einen, ob und in welchem Umfang sie Geltung erlangt haben und von den Klägerinnen gültig übernommen wurden bzw. ob sie durch den von den Klä- gerinnen geltend gemachten E-Mail Verkehr zwischen ihrem Versicherungsbroker und der Beklagten individuell abgeändert wurden. Zum anderen werden die All- gemeinen Bedingungen in einem zweiten Schritt auszulegen und wird es zu prü- fen sein, ob der geltend gemachte Unterbrechungsschaden von der Hygienever- sicherung gedeckt ist.

    3. Abänderung der AVB

      1. Unbestrittener Sachverhalt

        1. Unbestritten ist, dass die Klägerin 2 als Versicherungsnehmerin mit der Beklagten am 27. Januar 2020 die Police G. 1 abgeschlossen hat, in wel- cher die Klägerin 1 als mitversichertes Unternehmen aufgeführt wird (act. 1 Rz. 36, Rz. 63; act. 12 Rz. 28, Rz. 104; act. 4/4 S. 12 Ziff. 9.1). Die Parteien sind sich ausserdem einig, dass mit vorgenannter Police vom 27. Januar 2020 als Zu- satzversicherung eine Hygieneversicherung abgeschlossen wurde, für welche die Allgemeinen Bedingungen grundsätzlich Geltung erlangen (act. 1 Rz. 50; act. 12 Rz. 111; act. 4/4 Ziff. 4.2 und Ziff. 7; act. 4/13).

        2. Unbestritten ist zudem die Tatsache, dass die Klägerin 2 mit der I. AG (fortan: I. ) am 21. bzw. am 24. Mai 2017 eine Versicherungsbroker- mandatsvereinbarung abgeschlossen hatte und dieses Mandat der I. auch die Klägerin 1 mitumfasste (act. 1 Rz. 37 ff.; act. 12 Rz. 6, Rz. 104; act. 35 Rz. 9; act. 4/16). Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass die I. im Rah- men der Vertragsverhandlungen mit der Beklagten als Stellvertreterin der Kläge-

rinnen 1 und 2 handelte (act. 1 Rz. 40 ff.; act. 12 Rz. 105). Aufgrund dieses Stell- vertretungsverhältnisses zwischen der I. und den Klägerinnen ist das Wis- sen der I. im Grundsatz den Klägerinnen zuzurechnen, was ebenfalls unbe- stritten ist (act. 1 Rz. 42; act. 12 Rz. 43, Rz. 105, Rz. 124; act. 35 Rz. 98; act. 39

Rz. 177).

      1. Streitpunkte

        1. Klägerinnen

          Die Klägerinnen führen in erster Linie gestützt auf einen im Mai und Juni 2019 ge-

          führten E-Mail Verkehr zwischen der Beklagten und der I.

          und eine darin

          enthaltene vorläufige Deckungszusage vom 22. Mai 2019 sowie gestützt auf darin verwendete Begriffe, wie Epidemie und Epi-Deckung, aus, die Beklagte habe eine Epidemiendeckung zugesichert (act. 1 Rz. 44 ff.; Rz. 72 ff.; act. 35 Rz. 38 ff., Rz. 114, Rz. 116; act. 4/17, 19–21). Replicando behaupten die Klägerinnen so-

          dann, dass die I.

          und sie bei der abgeschlossenen Hygieneversicherung

          davon ausgegangen seien, diese biete den gleichen Schutz, wie ihre vormals bei

          der J.

          [Versicherung] bestehende Epidemienversicherung (act. 35 Rz. 23,

          Rz. 38 ff., Rz. 116 ff.).

        2. Beklagte

          Die Beklagte bestreitet, dass sie den Klägerinnen eine Epidemienversicherung zugesichert habe. Die Verwendung der Begriffe Epidemie und Epi-Deckung in der fraglichen E-Mail-Korrespondenz von 2019 habe für die betreffenden Perso- nen lediglich den Zweck gehabt, auf die 2018er Police Bezug zu nehmen. Sowohl die I. als auch die Beklagte hätten ein entsprechendes gemeinsames Ver- ständnis dieser Begriffe gehabt und damit beide die 2018er Police bzw. die unter

          dieser Police gewährte Deckung gemeint. Dabei habe die I.

          mit der Verwendung dieser Wörter nicht etwa eine über die 2018er Police hinausgehende Versicherungsdeckung, sondern gleichbleibenden Versicherungsschutz beantra- gen wollen (act. 12 Rz. 41 ff., Rz. 125 ff.). Es habe weder ein natürlicher noch ein normativer Konsens bestanden, wonach die Hygieneversicherung der Beklagten

          eine umfassende Epidemiendeckung beinhalten würde. Derartiges ergebe sich auch nicht aus den vorläufigen Deckungszusagen. Sie (die Beklagte) habe zu keinem Zeitpunkt eine über den Umfang der Deckung gemäss den Allgemeinen Bestimmungen hinausgehende Deckung versprochen (act. 39 Rz. 136). Zudem habe Einigkeit darüber bestanden, dass mit dem Begriff Epidemie in der vorläu- figen Deckungszusage vom 22. Mai 2019 ausschliesslich die Hygieneversiche- rung der Beklagten gemeint gewesen sei. Die Parteien hätten dies übereinstim- mend so verstanden. Die Behauptung der Klägerinnen, man habe damit einen ähnlichen Deckungsumfang wie unter der vormals bei der J. bestehenden Police gemeint, werde bestritten (act. 39 Rz. 13 ff., Rz. 190).

      2. Rechtliches

        Die AVB gelten nur, wenn keine von ihnen abweichende individuellen Abreden bestehen (BGE 148 III 57 E. 2.1.1.; BGE 135 III 225 E. 1.4.). Werden einseitig vorformulierte Vertragsklauseln inhaltlich einzeln ausgehandelt, liegen keine AVB mehr vor, sondern Individualabreden bzw. Einzelabreden (Urteil des BGer 4P.135/2002 vom 28. November 2002 E. 3.1). Als ausgehandelt gelten einseitig vorformulierte Vertragsklauseln dann, wenn geäusserte Vorbehalte der Gegen- partei diskutiert und aufgrund der Diskussion inhaltlich verändert worden sind, so

        z.B. wenn Zusätze oder Ergänzungen angebracht wurden. Als ausgehandelt gilt eine Vertragsklausel auch dann, wenn sie nach einer solchen Diskussion inhalt- lich unverändert geblieben ist. Auch die unveränderte Übernahme einer einseitig vorformulierten Vertragsklausel kann das Ergebnis von Diskussionen bzw. Ver- handlungen sein. Vorausgesetzt wird jedoch, dass der AGB-Verwender die ernst- hafte Bereitschaft manifestiert hat, den Inhalt seiner AGB ernsthaft zu diskutieren bzw. abzuändern, und es müssen entsprechende Gespräche effektiv stattgefun- den haben (ERNST A. KRAMER/THOMAS PROBST/ROMAN PERRIG, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bern 2016, Rz. 83 f.). Schliesslich muss das Verhandlungsergebnis einem individuell ausgehandelten Einzelvertrag gleichgestellt werden können (Urteil des BGer 4P.135/2002 vom 28. November 2002 E. 3.3). Die Beweislast für das Vorliegen einer Individualabrede trägt derje- nige, der daraus Rechte ableitet (STEPHAN FUHRER, in:

        Grolimund/Loacker/Schnyder [Hrsg.], Basler Kommentar zum Versicherungsver- tragsgesetz, 2. A., Basel 2023, Rz. 28 zu Art. 33 VVG).

      3. Würdigung

        1. Das noch vom 23. Juni 2017 stammende E-Mail von K.

          von der

          I. an L. von der Beklagten, in welchem die I. der Beklagten eine Sachausschreibung über den gewollten Versicherungsumfang zukommen lässt, enthält keine Äusserungen zu einer umfassenden Epidemienversicherung. K. erwähnt darin nur, dass die J. den Vertrag nicht mehr weiterfüh- ren möchte (act. 13/2). Einen Hinweis auf die gemäss klägerischen Behauptun- gen umfassende Epidemieversicherung der J. und darauf, dass die Kläge- rinnen wieder die gleiche Deckung hätten vereinbaren wollen, ist nicht zu finden. Ebenso wenig war eine solche umfassend gewollte Deckung für die Beklagte aus dem Wortlaut der Sachausschreibung ersichtlich. Diese Sachausschreibung ent- hält zwar auf Seite 2 unter der Überschrift Sachversicherung eine Marginalie mit der Bezeichnung Epidemieversicherung; daneben wird unter dem Titel Leis- tungs- und Deckungsumfang die Aufzählung Umsatzausfall + Mehrkosten + Wa- renwerte bei Tätigkeitsverbot (Haftzeit 9 Mte), Verderb von Waren in Tiefkühlein- heiten infolge Ausfall Kühlung gemacht (act. 13/3). Nichts Anderes ist der von den Klägerinnen eingereichten Sachausschreibung zu entnehmen (act. 36/35). Eine klare, geschweige denn verbindliche Willensäusserung der Klägerinnen ergibt sich aus diesem Wortlaut nicht. Auch aus der von den Klägerinnen und der I. unterzeichneten Offerte vom 26. Juli 2017 ergibt sich nichts bezüglich ei-

          ner umfassenden Epidemienversicherung (act. 13/4). Die I.

          erwähnt in ihrem E-Mail vom 28. Juli 2017 ebenfalls nichts Dergleichen (act. 13/6). Änderun- gen wurden unbestrittenermassen nur bezüglich der Versicherungsdauer und der Besonderen Bedingungen – Jährliches Kündigungsrecht, welche Klausel gestri- chen wurde, vorgenommen (vgl. act. 12 Rz. 12; act. 35 Rz. 16). Nach dieser Kor- respondenz stellte die Beklagte unbestrittenermassen die (erste) Police Nr. 2 vom

          16. Januar 2018 (fortan: 2018er Police) aus (act. 12 Rz. 14; act. 35 Rz. 21; act. 4/18).

        2. 2019 wurde zwischen den gleichen Personen, die 2017 korrespondiert hatten, über eine Anpassung der Police, vor allem eine Erhöhung der Versiche- rungssumme wegen Eröffnung neuer Restaurants durch die Klägerin 1 und we- gen höherer Umsätze, verhandelt. Im E-Mail vom 22. Mai 2019, 08:07 Uhr führte K. von der I. gegenüber L. von der Beklagten unter anderem aus (act. 4/17):[…] Du kannst dann auch gleich die Epidemie integrieren. Ist es korrekt, dass wir die Epidemie zum Vollwert versichert haben? Etwas gar hoch, da das Risiko auf ca. 50 Standorte verteilt ist. ER CHF 1.5 Mio würde sicherlich ausreichen […]. Darauf antwortet L. der Beklagten einige Minuten später mit einer Deckungszusage und den Worten (act. 4/19):[…]Und JA, diese grosse Epi-Deckung hat intern schon Wellen geschlagen. Wir werden das wieder redu- zieren auf CHF 1.5 Mio. Zusammenfassend: […] Epidemie: CHF 1.5 Mio. für Be-

          triebsschliessung. […]. Auf dieses E-Mail reagiert K.

          wie folgt

          (act. 4/20):Achtung: nimm Epidemie bitte ER 2 Mio. Ich habe zu knapp kalkuliert. […]. Mit E-Mail vom 23. Juli 2019 von K. von der I. an L. von

          der Beklagten sandte K.

          den Antrag an L.

          zurück und merkte an,

          dass er noch eine handschriftliche Anpassung bei der Epidemieversicherung gemacht habe und fragte, ob ihm L. noch die Prämie aufgrund der tieferen Epidemie-Summe bekannt geben könne (act. 13/8). Unbestrittenermassen wurde die Versicherungssumme von der I. in der Police Nr. 1 vom 26. Juni 2019 von ursprünglich Fr. 2'000'000.– handschriftlich auf Fr. 1'000'000.– angepasst (vgl. act. 1 Rz. 49; act. 12 Rz. 23, Rz. 110; act. 35 Rz. 31, Rz. 103; act. 4/15 S. 7). Im E-Mail vom 23. Juli 2019 schrieb K. L. (act. 13/8): […] wir haben noch eine handschriftliche Anpassung der Epidemieversicherung gemacht. […] Kannst du mir noch die Prämie bekanntgeben auf Grund der tieferen Epidemie-

          Summe? Daraufhin sandte L.

          am 25. Juli 2019 K.

          die angepasste

          Offerte zurück (act. 13/9) und bat um kurze Rückmeldung, welche K. am

          13. August 2019 gab (act. 13/10), woraufhin die Police Nr. 1 (fortan: 2019er Poli- ce) ausgefertigt wurde (act. 4/14). Die aktuell gültige Police schliesslich wurde unbestrittenermassen aufgrund einer Erhöhung der Versicherungssumme mit gleicher Deckung wie die gerade erwähnten 2018er und 2019er Policen per

          27. Januar 2020 mit der Nr. 1 abgeschlossen (act. 12 Rz. 28; act. 35 Rz. 33; act. 4/4).

        3. Unbestrittenermassen verwenden die I. und die Beklagte den Be- griff Epidemie, um auf die 2018er-Police zu verweisen, welche als Zusatzversi- cherung die Fahrhabe Hygiene versichert (act. 1 Rz. 45; act. 12 Rz. 16, Rz. 108; act. 35 Rz. 100; act. 4/18), wobei die Klägerinnen geltend machen, dass der Be- griff deshalb so verwendet wurde, weil mit der 2018er-Police die Epidemieversi- cherungsdeckung, wie vormals bei der J. bestehend, habe abgebildet wer- den sollen (act. 35 Rz. 100). Es wird aber weder von den Klägerinnen behauptet noch ergibt sich aus dem eingereichten E-Mail Verkehr, dass eine eigentliche Diskussion über den Deckungsumfang der Hygieneversicherung geführt wurde. Im E-Mail Verkehr vom 22. Mai 2019 wurde hauptsächlich die Höhe der Versiche- rungssumme diskutiert. Eine individuelle Anpassung des Deckungsumfangs im Sinne einer übereinstimmenden Individualabrede, welche die AVB abändert, kann in der blossen Verwendung von Begriffen wie Epidemie bzw. Epi-Deckung, die zudem der Bezugnahme auf die erwähnte frühere 2018er Police diente, entgegen den klägerischen Behauptungen, nicht erblickt werden. Dafür dass durch diese Formulierung eine Individualabrede mit einer anderen bzw. umfassenderen De- ckung nach den geltend gemachten Vorstellungen der Klägerinnen hätte getroffen werden sollen, bestehen keine genügenden Anhaltspunkte. Eine tatsächliche Wil- lensübereinstimmung im Sinne einer Vereinbarung über eine umfassende Epide- mieversicherung zwischen den Parteien kann daher nicht erstellt werden. Ebenso wenig musste die Beklagte aufgrund des Wortlautes der Sachausschreibung so- wie der E-Mail-Korrespondenz, insbesondere wegen der Verwendung der Begriffe Epidemie und Epi-Deckung darauf schliessen, dass die Klägerinnen eine um- fassende Epidemienversicherung im von ihnen geltend gemachten Sinn wünsch- ten. Nicht erkennbar war für die Beklagte auch, dass die Klägerinnen wieder ei- nen Versicherungsschutz in der Art wie vormals bei der J. wünschten. Der- artige Willensäusserungen werden von den Klägerinnen weder behauptet, noch sind solche sonst in den Akten zu finden. Abgesehen davon bestehen keinerlei gesicherte Informationen zum tatsächlichen Deckungsumfang der früheren Police bei der J. . Ferner spricht die Bemerkung von K. von der I. in

          der E-Mail vom 22. Mai 2019 bezüglich Versicherungswert der Epidemie, wo- nach das Risiko auf ca. 50 Standorte verteilt sei, eher gegen die Auffassung der Klägerinnen, mit einer umfassenden Epidemieversicherung gerechnet zu haben. Unter all diesen Umständen lässt sich auch kein normativer Konsens dahinge- hend erstellen, dass mit der Verwendung von Begriffen wie Epidemie und Epi- Deckung eine Individualabrede hätte getroffen werden sollen, die zu einer Erwei- terung des Deckungsumfangs der Hygieneversicherung gemäss Police bzw. All- gemeinen Bestimmungen im Sinne der Klägerinnen führte.

        4. Entgegen den klägerischen Behauptungen (act. 1 Rz. 72 ff.; act. 35 Rz. 21, Rz. 30, Rz. 39 f., Rz. 114, Rz. 116) lässt sich auch nichts anderes aus der Deckungszusage der Beklagten gemäss E-Mail vom 28. Juli 2017 (act. 36/42)

          bzw. E-Mail vom 22. Mai 2019, 08:19 Uhr (act. 4/19), von L.

          von der Be-

          klagten an K.

          von der I.

          ableiten. Nachdem, wie gerade dargelegt

          (vgl. Ziff. 3.3.4.3), weder ein tatsächlicher noch ein normativer Konsens dahinge- hend erstellt werden kann, dass die Parteien im E-Mail Verkehr mit der Verwen- dung der Worte Epidemie und Epi-Deckung eine umfassende Epidemienversi- cherung hätten abschliessen wollen bzw. den Umfang der Versicherungsdeckung der Hygieneversicherung hätten ändern wollen, kann auch die Deckungszusage der Beklagten, welche im Kontext dieser E-Mail Korrespondenz gemacht worden ist, nicht anders verstanden werden. Die Deckungszusage musste von den Kläge- rinnen unter den gegebenen Umständen und nach Treu und Glauben so verstan- den werden, dass sie sich auf die abgeschlossene bzw. abzuschliessende Hygie- neversicherung und damit auf die in den Allgemeinen Bestimmungen getroffene Regelung bezieht und nicht eine umfassende Epidemienversicherung gemäss ih- ren Vorstellungen zugesichert wird. Vertrauenstheoretisch kann also die erwähnte Deckungszusage nicht anders als der Rest der E-Mail Korrespondenz in Zusam- menhang mit den Sachausschreibungen verstanden werden.

      4. Zwischenfazit

Zusammengefasst ist festhalten, dass sich weder aus den im Recht liegenden Sachausschreibungen noch aus der E-Mail Korrespondenz das von den Klägerin- nen behauptete Verständnis, sie bzw. die Parteien seien von der gleichen Deckung wie bei der J.

ausgegangen, herauslesen lässt. Ein tatsächlicher

Konsens über die Vereinbarung einer umfassenden Epidemieversicherung kann nicht erstellt werden. Zumal für die Beklagte nicht erkennbar war, dass die Kläge- rinnen die gleiche Versicherung wie vormals angeblich bei der J. hätten ab- schliessen wollen und sich auch aus der Verwendung der Begriffe Epidemie und Epi-Deckung weder ein tatsächlicher noch normativer Konsens über eine um- fassende Epidemienversicherung ableiten lässt, kann nicht von einer Abänderung der Allgemeinen Bedingungen der Hygieneversicherung ausgegangen werden. Daher ist nun in einem nächsten Schritt zu prüfen, in welchem Umfang diese von den Parteien übernommen wurden.

    1. Globalübernahme / Ungewöhnlichkeitsregel

      1. Unbestrittener Sachverhalt und Vorbemerkungen

        Den weiteren Erwägungen ist vorauszuschicken, dass die Parteien übereinstim-

        mend festhalten, zwischen der Beklagten und der I.

        bestehe ein Zusammenarbeitsvertrag (act. 35 Rz. 9, Rz. 57 f.; act. 39 Rz. 16, Rz. 106; act. 41/2). Uneinig sind sich die Parteien über die Rechtsfolgen einzelner Klauseln der All- gemeinen Bestimmungen.

      2. Streitpunkte

        1. Klägerinnen

          Die Klägerinnen stellen sich auf den Standpunkt, dass sich die Beklagte nicht auf Ziff. C7.3.1. der Allgemeinen Bedingungen berufen könne, weil diese und folglich auch die fragliche Bestimmung von der Klägerin 2 (nur) mittels Globalübernahme übernommen worden sei. Daher müsse sie der Ungewöhnlichkeitsregel standhal- ten. Durch die Beklagte sei den Klägerinnen suggeriert worden, mit der abge- schlossenen Hygieneversicherung sei eine eigentliche Epidemienversicherung abgeschlossen worden. Sie (die Klägerinnen) hätten demnach nach Treu und Glauben davon ausgehen können, die vorliegende Hygieneversicherung decke auch diejenigen Fälle, in welchen die Übertragung eines Erregers von Mensch zu Mensch erfolge. Die Berufung auf Ziff. C7.3.1. erscheine deshalb objektiv ungewöhnlich und würde den Charakter der Hygieneversicherung bzw. einer Epidemi- enversicherung aushöhlen. Sie (die Klägerinnen) und die I. seien auf diese Bestimmung nicht hingewiesen worden, weshalb sie sich ebenso als subjektiv ungewöhnlich präsentiere (act. 1 Rz. 93 ff.; act. 35 Rz. 58, Rz. 63, Rz. 68, Rz. 72,

          Rz. 114, Rz. 137, Rz. 191, Rz. 202).

        2. Beklagte

          Die Beklagte bestreitet, dass die Allgemeinen Bestimmungen mittels Globalüber- nahme übernommen worden seien und der Ungewöhnlichkeitsregel nicht stand- halten würden. Die Beklagte ist der Auffassung, die Allgemeinen Bestimmungen seien mittels Vollübernahme zum Vertragsinhalt geworden, und zwar nachdem sie zumindest von der als professionelle Versicherungsvermittlerin tätigen I. gelesen und zur Kenntnis genommen worden seien. Das Wissen der I. über den Inhalt der Allgemeinen Bedingungen sei den Klägerinnen zuzurechnen. Die Klägerinnen hätten die Hygieneversicherung damit im Wissen um den Inhalt der Allgemeinen Bestimmungen abgeschlossen, weshalb sie sich von vornherein nicht auf die Ungewöhnlichkeitsregel berufen könnten (act. 12 Rz. 50 ff., Rz. 134; act. 39 Rz. 82 ff., Rz. 146, Rz. 205).

      3. Rechtliches

        1. AVB gelten insofern und insoweit, als Vertragsparteien sie für ihren Ver- trag ausdrücklich oder konkludent übernehmen (BGE 148 III 57 E. 2.1; Urteil BGer 4A_47/2015 vom 2. Juni 2015 E. 5.1). In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ob die AVB Vertragsbestandteil geworden sind (BGE 148 III 57 E. 2.1.). Ein Konsens über die AVB setzt voraus, dass die zustimmende Partei bei Ver- tragsschluss zumindest die Möglichkeit hatte, von ihrem Inhalt in einer zumutba- ren Weise Kenntnis zu nehmen (BGE 148 III 57 E. 2.1.2).

        2. Werden AVB von der zustimmenden Partei vollständig gelesen, verstan- den und akzeptiert, ist von einer Vollübernahme auszugehen. Stimmte die Partei der Übernahme der AVB dagegen pauschal zu, mithin ohne diese zu lesen, liegt eine sogenannte Globalübernahme vor (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.; BGE 119 II 443

          E. 1a = Pra 83 [1994] Nr. 229; BGE 109 II 452 E. 4). Die Beweislast für das Vor- liegen einer Vollübernahme von Allgemeinen Vertragsbedingungen bei Abschluss eines Versicherungsvertrags trägt das Versicherungsunternehmen, was im Er- gebnis auf eine widerlegbare Vermutung zugunsten der Globalübernahme hinaus- läuft (FUHRER, a.a.O., Rz. 39 zu Art. 33 VVG).

        3. Liegt eine Globalübernahme vor, bestimmt die sogenannte Ungewöhn- lichkeitsregel, dass von der global erklärten Zustimmung alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen sind, auf deren Vorhandensein die zustimmende Partei nicht speziell aufmerksam gemacht worden ist. Dabei beurteilt sich die Unge- wöhnlichkeit im Einzelfall aus der Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des Ver- tragsabschlusses (vgl. Art. 33 VVG; BGE 148 III 57 E. 2.1.3; BGE 138 III 411

          E. 3.1; BGE 119 II 443 E. 1a = Pra 83 [1994] Nr. 229; BGE 109 II 452 E. 4 ).

        4. Die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel bedingt, dass eine AVB- Klausel für die zustimmende Partei zunächst subjektiv ungewöhnlich zu sein hat. Zu berücksichtigen ist unter anderem, ob der Zustimmende geschäfts- und bran- chenkundig ist: Je weniger geschäfts- oder branchenerfahren er ist, umso eher wird eine Klausel für ihn ungewöhnlich sein (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.2; Urteil des BGer 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3). So können branchenübli- che Klauseln für einen Branchenfremden ungewöhnlich sein, für einen Branchen- kenner demgegenüber nicht (BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 119 II 443 E. 1a = Pra 83 [1994] Nr. 229). Selbst vorhandene Branchenkenntnis oder Geschäftserfah- rung schliessen aber die Annahme einer Ungewöhnlichkeit nicht zwingend aus. Auch für einen Branchenkundigen oder Geschäftserfahrenen kann eine AVB- Klausel unter Umständen ungewöhnlich sein (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.1; Urteil des BGer 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.2 f.), weshalb die Ungewöhn- lichkeitsregel auch in einer business-to-business-Konstellation zum Zug kommen kann. Die Beweislast für Aspekte, welche auf die subjektive Ungewöhnlichkeit ei- ner AGB-Klausel schliessen lassen, trägt die zustimmende Partei.

        5. Neben der subjektiven Ungewöhnlichkeit hat die fragliche Klausel objektiv beurteilt einen geschäftsfremden Inhalt aufzuweisen, damit die Ungewöhnlich- keitsregel zur Anwendung gelangt. Sie hat mithin objektiv ungewöhnlich zu sein.

Dies ist dann zu bejahen, wenn sie zu einer wesentlichen Änderung des Vertrag- scharakters führt oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fällt. Je stärker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspart- ners beeinträchtigt, desto eher ist sie als ungewöhnlich zu qualifizieren. Bei Versi- cherungsverträgen sind dabei auch die berechtigten Deckungserwartungen zu be- rücksichtigen (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.3; BGE 138 III 411 E. 3.1; BGE 135 III 1

E. 2.1). Entsprechend kann eine in allgemeinen Versicherungsbedingungen vor- gesehene Haftungsbeschränkung als ungewöhnlich qualifiziert werden, wenn der durch die Bezeichnung und Werbung beschriebene Deckungsumfang erheblich reduziert wird, so dass gerade die häufigsten Risiken nicht mehr gedeckt sind (BGE 138 III 411 E. 3.1; Urteil des BGer 4A_187/2007 vom 9. Mai 2008 E. 5.4.2;

Urteil des BGer 5C.134/2004 vom 1. Oktober 2004 E. 4.2; Urteil des BGer 5C.53/2002 vom 6. Juni 2002 E. 3.1).

      1. Würdigung

        1. Wie gesagt, sind sich die Parteien einig, dass die Allgemeinen Bedingun- gen der Hygieneversicherung, Ausgabe … (act. 4/13) mittels Verweis in Ziff. 7 der aktuellen Police Bestandteil des Versicherungsvertrags geworden sind (act. 1 Rz. 50; act. 12 Rz. 111; act. 4/4), vertreten jedoch unterschiedliche Standpunkte in der Frage, ob diese Allgemeinen Bedingungen mittels Global- oder Vollüber- nahme Geltung erlangt haben bzw. ob im Falle einer Globalübernahme die Un- gewöhnlichkeitsregel greift. Die bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen einer Vollübernahme durch die Klägerinnen beweis- und daher behauptungsbe- lastete Beklagte begnügt sich im Wesentlichen mit der Darstellung, dass die

          I.

          als ungebundene Versicherungsvermittlerin verpflichtet sei, die ideale

          Versicherungsdeckung zu gewährleisten und daher die Pflicht habe, die eingehol- ten Offerten inkl. gültigen AVB im Detail zu prüfen (act. 12 Rz. 51; act. 39 Rz. 82 ff.) und kein Grund zur Annahme bestehe, dass die I. dies nicht ge- tan hätte, weshalb davon auszugehen sei, dass die I. die Allgemeinen Be- dingungen gelesen und verstanden habe (act. 12 Rz. 52; act. 39 Rz. 84). Konkre- te Anhaltspunkte dafür, dass die I. die Allgemeinen Bedingungen tatsäch- lich gelesen hat, wie beispielsweise Korrespondenz über einzelne Bestimmungen

          der Allgemeinen Bedingungen der Hygieneversicherung zwischen ihr und der I. , behauptet die Beklagte nicht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Aus den abstrakten Pflichten des ungebundenen Versicherungsvermittlers lässt sich bestenfalls eine Pflicht zur Prüfung der AVB ableiten. Zumal es die Beklagte je- doch unterlässt, die Erfüllung dieser Pflicht, insbesondere das zur Prüfung not- wendige Lesen der AVB durch die I. konkret darzutun, besteht keine Grund- lage für die Annahme einer Vollübernahme. Im Sinne der erwähnten Vermutung (vgl. vorstehend Ziff. 3.4.3.2) ist folglich von einer Globalübernahme auszugehen. Aus diesem Grund findet die Ungewöhnlichkeitsregel Anwendung und ist im Fol- genden zu prüfen, ob die Bestimmung in Ziff. C7.3.1. der Allgemeinen Bedingun- gen, deren Wortlaut hinten abgedruckt ist, sowohl subjektiv als auch objektiv un- gewöhnlich ist.

        2. In tatsächlicher Hinsicht ist unbestritten, dass die I.

          als Brokerin

          stellvertretend für die Klägerinnen den Versicherungsvertrag ausgehandelt hat (vgl. vorstehend Ziff. 3.3.1.2). Weiter ist unbestritten, dass den Klägerinnen ein re- levantes Wissen der I. im Grundsatz aufgrund des Stellvertretungsverhält- nisses anzurechnen ist (act. 1 Rz. 42 ff.; act. 12 Rz. 43, Rz. 52, Rz. 105; act. 35 Rz. 98). Die Klägerinnen stellen sich indes auf den Standpunkt, dass weder sie noch die I. auf die Bestimmung in Ziff. C7.3.1. der Allgemeinen Bedingun- gen hingewiesen worden seien (act. 1 Rz. 94 f.) und ihnen das von der Beklagten behauptete fachspezifische Wissen nicht zugerechnet werden könne (act. 35 Rz. 115). Ein Wissen könne ihnen nur insofern zugerechnet werden, als mit der

          Hygieneversicherung der vormals bei der J.

          bestehende Schutz bei einer

          Epidemie hätte weitergeführt werden sollen (act. 35 Rz. 52, Rz. 98, Rz. 183). Der

          zwischen der I.

          und der Beklagten bestehende Zusammenarbeitsvertrag,

          worin auch ein Weisungsrecht der Beklagten beim Vertragsschluss eingebaut sei, hätte einen entsprechenden Hinweis seitens der Beklagten und eine umfassende Aufklärung über das Deckungsausmass erfordert (act. 35 Rz. 45, Rz. 58 ff.).

        3. Bei der I. handelt es sich um eine ungebundene Vermittlerin, wel- che als ausgewiesene und branchenkundige Versicherungsexpertin zu gelten hat. Dieses Expertenwissen und die Branchenkundigkeit der Versicherungsbrokerin

          und damit ihrer Stellvertreterin müssen sich die Klägerinnen – wie dies die Be- klagte richtigerweise ausführt (vgl. act. 12 Rz. 43, Rz. 54) und wie bereits festge- halten – anrechnen lassen. Wie vorstehend (vgl. Ziff. 3.3.4.3) dargelegt, ist keine Parteivereinbarung im Sinne einer umfassenden Epidemieversicherung bzw. Wei- terführung des vormals bei der J. bestehenden Versicherungsschutzes zu- stande gekommen, weshalb ein solches Verständnis der Hygieneversicherung den Klägerinnen schon deswegen nicht zugerechnet werden kann und der An- wendung der Klausel C7.3.1 der Allgemeinen Bedingungen somit nicht entgegen- steht. Weiter ist zu beachten, dass diese Klausel die versicherten Gefahren und Schäden präzisiert, was einen in der Versicherungsbranche üblichen Vorgang darstellt. Aus diesen Gründen und weil die I. als Versicherungsvermittlerin zwingend über ein hohes Fachwissen verfügt, erweist sich der Inhalt Ziff. C7.3.1. der Allgemeinen Bedingungen nicht als überraschend, geschweige denn subjektiv ungewöhnlich. Angesichts ihrer Behauptungs- und Beweislast bezüglich Umstän- den, welche für eine subjektive Ungewöhnlichkeit sprechen würden, vermögen die Klägerinnen mit ihrem nur pauschalen Hinweis auf ein besonderes Vertrauens- verhältnis zwischen der I. und der Beklagten, welches aus deren Zusam- menarbeitsvertrag resultiere, nichts zu ihren Gunsten abzuleiten (vgl. act. 35 Rz. 65).

        4. Die Beklagte behauptet in substantiierter und auch überzeugender Weise, dass es sich bei Ziff. C7.3.1. nicht um eine geschäftsfremde Klausel handelt und in der Versicherungsbranche und somit auch der I. bekannt sei, dass die Hygieneversicherung keine umfassende Epidemiedeckung beinhalte (act. 12 Rz. 46, Rz. 54; act. 39 Rz. 88). Dem entgegnen die Klägerinnen lediglich, die Be- klagte habe ihnen suggeriert, mit der abgeschlossenen Hygieneversicherung eine eigentliche Epidemieversicherung abgeschlossen zu haben (act. 1 Rz. 94; act. 35 Rz. 64 ff.). Nachdem vorstehend festgehalten wurde, dass kein solches Ver- ständnis zwischen den Parteien erstellt werden kann (vgl. Ziff. 3.3.4.3), läuft diese

          klägerische Argumentation jedoch ins Leere. Die Beklagte und die I.

          als

          Vertreterin der Klägerinnen wollten beide eine Hygieneversicherung abschliessen und nicht eine umfassende Epidemieversicherung (vgl. vorstehend Ziff. 3.3.4.3 f.). Im Übrigen wird von den Klägerinnen nicht substantiiert behauptet, dass und

          weshalb es sich bei dieser Bestimmung um eine geschäftsfremde Klausel han- delt. Wie bereits erwähnt, ist es üblich, dass in Allgemeinen Bedingungen von Versicherungsverträgen die versicherten Gefahren und Schäden präzisiert, mithin auch eingegrenzt werden. Angesichts der substantiierten Bestreitungen der Be- klagten und der fehlenden Substantiierung der Geschäftsfremdheit der Klausel C7.3.1 durch die Klägerinnen ist als erstellt zu betrachten, dass die vorliegende Bestimmung in der Versicherungsbranche bekannt und daher nicht geschäfts- fremd war. Ebenso wenig führt die Klausel zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters, weil die Parteien – wie vorstehend dargelegt (vgl. Ziff. 3.3.4.3 f.) – keine umfassende Epidemieversicherung, sondern eine Hygiene- versicherung abgeschlossen haben. Die Klausel erweist sich im Zusammenhang mit einer Hygieneversicherung als nicht ungewöhnlich, weshalb (auch) eine objek- tive Ungewöhnlichkeit zu verneinen ist.

      2. Zwischenfazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Klägerinnen die Allgemeinen Bestimmungen der Hygieneversicherung mittels Globalübernahme zum Vertrags- inhalt erhoben haben und die Bestimmung in Ziff. C7.3.1. weder subjektiv noch objektiv ungewöhnlich ist. Damit erlangt sie Geltung, wodurch die Allgemeinen Bestimmungen auch insofern einbezogen wurden. Deren Inhalt ist im Folgenden zur Beurteilung, ob der vorliegend geltend gemachte Unterbrechungsschaden vom Deckungsumfang der Hygieneversicherung gedeckt ist, auszulegen.

    1. Auslegung der AVB/Deckung

      1. Unbestrittener Sachverhalt

        Ziff. C7.3.1 der Allgemeinen Bestimmungen, welche den Umfang der Versiche- rung regelt, lautet wie folgt (act. 4/13):

        Unbestritten ist, dass der Bundesrat mit Änderung der COVID-19 Vo 2 per

        17. März 2020 alle Restaurationsbetriebe für das Publikum schliessen liess und seit diesem Tag während der Dauer der Massnahme die Betriebe der Klägerin 1 für das Publikum nicht mehr zugänglich waren (act. 1 Rz. 55, Rz. 111; act. 12 Rz. 83).

      2. Streitpunkte

        1. Beklagte

          Die Beklagte bringt vor, dass unter der Hygieneversicherung ausschliesslich Be- triebe versichert seien, welche die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen einhal- ten müssten. Entsprechend bestehe der Zweck der Hygieneversicherung darin, diese Betriebe vor den Folgen von Massnahmen zu schützen, die verfügt oder angeordnet würden, weil die lebensmittelrechtlichen Anforderungen nicht erfüllt worden seien. Die vom Bundesrat gestützt auf die COVID-19-Verordnung 2 an- geordneten Betriebsschliessungen seien nicht angeordnet worden, um eine Ge- fährdung der menschlichen Gesundheit über Lebensmittel sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände durch Überschreitung bestimmter Grenzwerte zu verhin- dern. Vom Virus SARS-CoV-2 gehe keine Gefährdung der menschlichen Ge- sundheit durch Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände im Sinne des Lebens- mittelgesetzes aus (act. 12 Rz. 71 ff.). Unter Bezugnahme auf die Erläuterungen

          des Bundesrates zur COVID-19 Vo 2 behauptet die Beklagte weiter, dass es bei den angeordneten Betriebsschliessungen nicht um eine Verhinderung der Ge- fährdung der menschlichen Gesundheit durch Verbrauchs- oder Gebrauchsge- genstände oder durch eine Vielzahl indirekter Übertragungsmöglichkeiten bzw. Schmierinfektionen gehe, sondern darum, Menschenansammlungen über einen längeren Zeitraum zu verhindern. Es sei dabei stets um die Übertragung des Vi- rus von Mensch zu Mensch gegangen, welche habe verhindert werden sollen (act. 39 Rz. 52 ff.). Die vom Bundesrat erlassene COVID-19 Vo 2 sei gemäss den dazu abgegebenen Erläuterungen nicht erlassen worden, um Schmierinfektionen zu verhindern (act. 39 Rz. 163). Demgegenüber ergebe sich aus dem Wortlaut von Ziff. C7.3.1. der Allgemeinen Bestimmungen, dass mit dieser Bestimmung ei- ne Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel oder Ge- brauchs- und Verbrauchsgegenstände vorausgesetzt werde, nicht aber durch all- fällige Viren, die nachträglich durch einen infizierten Menschen auf die Ge- brauchs- und Verbrauchsgegenstände gelangt seien (act. 12 Rz. 75). Die vom Bundesrat gestützt auf die COVID-19 Vo 2 angeordneten Betriebsschliessungen könnten also unter der Hygieneversicherung der Beklagten schon deshalb nicht gedeckt sein, weil vom SARS-CoV-2-Virus keine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände ausgehe (act. 12 Rz. 76 ff.). Die vom Bundesrat angeordneten Betriebsschliessungen seien unter der streitgegenständlichen Hygieneversicherung nicht gedeckt. Dies ergebe sich zweifelsfrei nicht nur aus dem Sinn und Zweck der Hygieneversicherung, sondern bereits aus ihrem klaren Wortlaut (act. 12 Rz. 79 f.).

        2. Klägerinnen

          Die Klägerinnen behaupten, dass die Beklagte die Hygieneversicherung auch an andere Betriebe, welche nicht primär solchen Lebensmittelrisiken ausgesetzt sei- en, verkauft habe, was zeige, dass damit nicht nur Deckung für die spezifischen Risiken lebensmittelverarbeitender Betriebe gewährt werde. Sodann sei der Hygi- enebegriff viel umfassender als der Epidemiebegriff, weshalb die Deckung ohne- hin umfassender greife (act. 35 Rz. 12 ff.). Weiter bestreiten die Klägerinnen den Standpunkt der Beklagten, der Wortlaut von Ziff. C7.3.1. sei an das Lebensmittelgesetz angelehnt (act. 35 Rz. 72 ff.). Die Übertragung des Coronavirus mittels Schmierinfektion sei nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung in Ziff. C7.3.1. versichert (act. 35 Rz. 84). Die Voraussetzungen von Ziff. C7.3.1. seien auch dann erfüllt, wenn das Virus von einem Menschen auf Gebrauchs- und Ver- brauchsgegenstände oder Lebensmittel gelangt und von dort aus durch Schmier- infektionen weiter übertragen werde. Wenn etwa die Beklagte damit argumentie- re, dass Schmierinfektionen mit Salmonellen versichert seien, müsse dies auch für das Coronavirus gelten, weil da wie dort das gleiche Hygieneproblem vorliege (act. 35 Rz. 55). Eine Gefährdung durch Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände sowie Lebensmittel sei auch beim Coronavirus gegeben (act. 35 Rz. 90 ff.). Ge- mäss der Beklagten hat der Bundesrat die Betriebsschliessungen auch zur Ver- hinderung von Schmierinfektionen angeordnet (act. 35 Rz. 36, 81, 142 und 186).

      3. Rechtliches

        1. Haben die Parteien AVB in den Vertrag übernommen und ist darüber der Konsens erstellt, ist deren Inhalt durch Auslegung zu ermitteln (BGE 148 III 57

          E. 2.2). AVB sind grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen bzw. Willenserklärungen (BGE 148 III 57 E. 2.2.1.; BGE 142 III 671 E. 3.3; CHRISTOPH MÜLLER, in: Regina E. Aebi-Müller/Christoph Müller [Hrsg.], Berner Kommentar, Bern 2018, Rz. 227 zu Art. 18 OR). Entschei- dend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Ver- tragsparteien (sog. subjektive Auslegung) und – nur falls ein solcher nicht festge- stellt werden kann – in zweiter Linie die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips (sog. objektivierende Auslegung; vgl. BGE 140 III 391 E. 2.3).

        2. Ausgangspunkt der subjektiven Auslegung ist der Wortlaut der von den Parteien abgegebenen Erklärungen oder des aufgrund solcher Erklärungen zu- stande gekommenen Vertragstextes im Kontext des konkreten Sinngefüges (BGE 146 V 28 E. 3.2). Bei der Auslegung von Worten und Texten ist zunächst auf den allgemeinen Sprachgebrauch abzustellen (MÜLLER, a.a.O., Rz. 133 ff. zu Art. 18 OR). Sodann sind die inneren Tatsachen anhand von Indizien zu ergründen. Wird die Erklärung von einem Vertreter abgegeben (Art. 32 Abs. 1 OR), ist auf dessen

          Willen abzustellen, der dem Vertretenen zugerechnet wird (BGE 143 III 157

          E. 1.2.2; BGE 140 III 86 E. 4.1 = Pra 103 [2014] Nr. 79). Die subjektive Auslegung

          beruht auf der Beweiswürdigung (BGE 142 III 239 E. 5.2.1 = Pra 107 [2018] Nr. 7). Die Behauptungs- und Beweislast für Bestand und Inhalt des subjektiven Vertragswillens trägt jene Partei, welche aus diesem Willen zu ihren Gunsten eine Rechtsfolge ableitet (BGE 121 III 118 E. 4b/aa).

        3. Bleibt der übereinstimmende wirkliche Parteiwille unbewiesen, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien auf- grund des Vertrauensprinzips auszulegen (BGE 142 III 671 E. 3.3). Dabei ist als Vertragswillen anzusehen, was vernünftig und korrekt handelnde Parteien unter den gegebenen, auch persönlichen Umständen durch die Verwendung der auszu- legenden Worte oder ihr sonstiges Verhalten ausgedrückt und folglich gewollt ha- ben würden und wie sie vom Empfänger in guten Treuen nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 148 III 57 E. 2.2.1.; BGE 143 III 157 E. 1.2.2.). Die Auslegungsmit- tel sind dieselben wie bei der subjektiven Auslegung, massgeblich ist indessen anstatt des inneren Willens der objektive Sinn des Erklärungsverhaltens respekti- ve das mutmassliche Verständnis der Parteien (WOLFGANG WIEGAND, in: Lüchin- ger/Oser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Obligationenrecht, 7. A., Basel 2020, Rz. 13 zu Art. 18 OR).

      4. Würdigung

        1. Vorstehend wurde bereits festgehalten, dass weder ein natürlicher noch ein normativer Konsens betreffend eine Individualabrede erstellt werden kann, welche die Allgemeinen Bedingungen abändern und zur Vereinbarung einer um- fassenden Epidemieversicherung führen würde (vgl. Ziff. 3.3.4 f.). Da hinsichtlich des durch Ziff. C7.3.1 gewährten Deckungsumfangs keine Partei einen überein- stimmenden tatsächlichen Parteiwillen behauptet, ist die Allgemeine Bedingung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen.

        2. Gemäss dem einleitenden 1. Abschnitt der Klausel muss der Schaden durch Massnahmen zur Verhinderung der Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände ver- ursacht worden sein. Dem Wortlaut nach sind also nur Schäden, die aufgrund von Massnahmen entstanden sind, denen dieser Zweck der Verhinderung einer Ge- fährdung der menschlichen Gesundheit (um...zu) zu Grunde liegt, zu ersetzen. Dabei müssen die Massnahmen erlassen werden, um die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel sowie Gebrauchs- und Ver- brauchsgegenstände zu verhindern. Die Gefährdung hat damit von diesen Sa- chen auszugehen. Nicht erwähnt ist eine Gefährdung durch Menschen. Gemäss den Klägerinnen wird vom Wortlaut indes auch eine indirekte Gefährdung dadurch, dass Viren von einem Mensch auf Lebensmittel oder Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände gelangen und von dort aus durch Schmierinfektion wei- ter übertragen werden, erfasst. Eine solche Leseart könnte in Ziff. C7.3.1 hinein- gelesen werden, wenn die Präposition durch vor dem Wort Lebensmittel indi- rekt kausal verstanden würde. Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht, weil im Lichte des Vertrauensprinzips sowie des vorliegenden Kontexts mit durch ent- gegen den klägerischen Ausführungen (vgl. act. 35 Rz. 176) nur die eigentliche Primärursache für eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit gemeint sein kann und nicht eine Sekundärursache, welcher überdies keine eigenständige Tragweite zukommt, da sie mittelbar auf die Primär-ursache (einen infizierten Menschen) zurückzuführen ist. Daher kann nach dem Vertrauensprinzip – d.h. aus der Perspektive der vernünftig und korrekt handelnden Vertragspartei und un- ter Berücksichtigung der bekannten Umstände – entgegen den klägerischen Be- hauptungen auch nicht in guten Treuen von einem umfassenden Hygienebegriff nach dem Verständnis der Klägerinnen ausgegangen werden (vgl. act. 35 Rz. 12, Rz. 36, Rz. 42, Rz. 51, Rz. 64, Rz. 68, Rz. 119, Rz. 195, Rz. 201). Nicht jede theoretisch denkbare, sondern in erster Linie die naheliegendste Wortlautinterpretati- on ist vom Vertrauensprinzip gedeckt. Dieses dient gerade dazu, allfällige sprach- liche Mehrdeutigkeiten zu klären.

        3. Das Ergebnis der Auslegung der Klausel nach dem Wortlaut fügt sich in die Bezeichnung und Ausgestaltung des gesamten Versicherungsprodukts ein. Wie die Beklagte überzeugend behauptet, handelt es sich bei der Hygieneversi- cherung um ein Versicherungsprodukt, das spezifische Risiken lebensmittelverarbeitender Betriebe abdeckt, und nicht um eine umfassende Pandemie- bzw. Epi- demienversicherung (act. 12 Rz. 11; act. 39 Rz. 109 f.). Dem vermögen die Klä- gerinnen letztlich nichts Substantiiertes entgegenzuhalten (vgl. act. 35 Rz. 12 ff.). Lediglich im Sinne einer Randbemerkung ist festzuhalten, dass die Lebensmittel- verarbeitung und insbesondere die Hygiene in Bezug auf Gebrauchs- und Ver- brauchsgegenstände auch bei Bowlingcenter und Pflegeheimen ein Thema ist, weshalb die Argumentation der Klägerinnen, die Beklagte habe dieses Versiche- rungsprodukt auch solchen Betrieben verkauft, bei welchen die von Lebensmittel ausgehenden Risiken nicht im Vordergrund stünden (act. 35 Rz. 15), nicht ver- fängt bzw. weiterführt. Zentral ist, dass ein in gastronomischen Belangen erfahre- ner und geschulter sowie durch einen Versicherungsbroker vertretener Versiche- rungsnehmer bei Abschluss dieser Versicherung nicht in guten Treuen davon ausgehen konnte, dass er über diese Klausel auch gegen epidemie- bzw. pan- demiebedingte Schliessungen bzw. Schäden versichert ist.

        4. Gestützt auf das Gesagte besteht nach Ziff. C7.3.1 eine Versicherungs- deckung nur dann, wenn mit den erlassenen Massnahmen eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch von den Lebensmitteln oder den Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen unmittelbar ausgehende Gefahren verhindert werden soll. Keine Deckung besteht, wenn die Massnahmen der Verhinderung der Ge- fährdung durch andere Menschen oder durch Schmierinfektionen dienen. Nicht ersichtlich ist, inwieweit die Ausschlussklausel in Ziff. C7.4.3. der Allgemeinen Bedingungen - Nicht versichert sind, sofern der Versicherungsnehmer nicht nachweist, dass kein Zusammenhang zwischen den genannten Ereignissen und einem Schaden besteht: (…) Schäden infolge Grippeviren (Influenzaviren, inkl. Vogel-, Schweinegrippe, etc.), Prionen (Scarpie, Rinderwahnsinn, Creutzfeldt- Jacob, etc.) und Geschlechtskrankheiten jeder Art (…) - mit Bezug auf die Frage der Deckung von Schmierinfektionen diesem Auslegungsergebnis widersprechen oder es ändern sollte (vgl. act. 35 Rz. 122). Die sogenannte Unklarheitsregel, wo- nach eine Klausel im Zweifelsfall gegen ihren Verfasser auszulegen ist, kommt folglich nicht zur Anwendung (vgl. Art. 33 VVG; BGE 148 III 57 E. 2.2.2; BGE 133

          III 61 E. 2.2.2.3).

        5. Zweck der bundesrätlichen Massnahmen

          1. Für die Ermittlung des vom Bundesrat mit seinen Massnahmen verfolg- ten Zwecks kommt – wie dies die Beklagte richtigerweise ausführt (act. 39 Rz. 58 ff., Rz. 163) – neben der gesetzlichen Grundlage, d.h. der Verordnung selbst, den Erläuterungen des Bundesrates ein entscheidender Stellenwert zu, da der Bundesrat den Zweck der Massnahmen eigens erläuterte (Erläuterungen des Bundesrates, Fassung vom 16. März 2020, Stand: 17. März 2020; act. 41/13). Rechtsgrundlage der Restaurantschliessungen bildete – wie die Beklagte zutref- fend behauptet (vgl. act. 39 Rz. 57) – Art. 6 Abs. 2 der COVID-19 Vo 2 (in der am

            1. ärz 2020 geänderten Fassung; SR 818.101.24) mit folgendem Wortlaut: Öf- fentlich zugängliche Einrichtungen sind für das Publikum geschlossen, nament- lich: [...] b. Restaurationsbetriebe.

              Weiter heisst es unter dem Titel Gegenstand und Zweck der Verordnung in Art. 1 Abs. 1: Diese Verordnung ordnet Massnahmen gegenüber der Bevölke- rung, Organisationen und Institutionen sowie den Kantonen an zur Verminderung des Übertragungsrisikos und zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19). Und weiter in Art. 1 Abs. 2: Die Massnahmen dienen dazu:

              1. die Verbreitung des Coronavirus (COVID-19) in der Schweiz zu verhindern oder einzudämmen;

              2. die Häufigkeit von Übertragungen zu reduzieren, Übertragungs- ketten zu unterbrechen und lokale Ausbrüche zu verhindern oder einzudämmen;

              3. besonders gefährdete Personen zu schützen;

              4. die Kapazitäten der Schweiz zur Bewältigung der Epidemie si- cherzustellen, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Bedingun- gen für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Pfle- ge und Heilmitteln.

          2. In den dazu gehörigen Erläuterungen des Bundesrates (Stand: 17. März 2020; act. 41/13) heisst es einleitend unter Titel 1 (Ausgangslage und Zweck der Verordnung / der Massnahmen), Absatz 2, Satz 1: Je länger und nä- her Personen beieinander sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Über- tragung. Daraufhin folgt eine Erläuterung des social distancing. Im abschlies- senden Absatz (des gleichen Titels) heisst es sodann: Die in der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Massnahmen können zusammengefasst wie folgt be- gründet werden: Massnahmen gegenüber der Bevölkerung zur Verhinderung von grossen Menschenansammlungen an einem definierten Zeitpunkt an einem defi- nierten Ort: man hält sich näher als 2 m und länger als 15 Minuten auf (Art. 5 - 9).

          3. Weiter finden sich in den spezifischen Erläuterungen zu Abs. 1 des Art. 6 folgende einleitenden Bemerkungen: [...] Nur mit einer weitgehenden Mi- nimierung von Menschenansammlungen kann die weitere Verbreitung des Coronavirus effizient verhindert resp. eingedämmt werden. In den Erläuterungen zu Art. 6 Abs. 2 heisst es im zweiten Absatz ferner: Bei all diesen Einrichtungen besteht die Gefahr, dass die Empfehlungen des BAG betreffend Hygiene und so- ziale Distanz nicht eingehalten werden können. Zudem führen diese Betriebe zu einem erhöhten Mobilitätsaufkommen, was es ebenfalls möglichst einzuschrän- ken gilt.

          4. Diese Belegstellen sind so zu verstehen, dass mit den Massnahmen eine Minimierung von Menschenansammlungen bezweckt wurde, um die Wahr- scheinlichkeit der Übertragung des Coronavirus von Mensch zu Mensch zu sen- ken. Die Problematik von Schmierinfektionen, d.h. von Infektionen via Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände oder auch Lebensmittel, sowie von unmittelbar von den Lebensmittel oder Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen ausgehenden Infektionen wird darin mit keinem Wort erwähnt. Die klägerische Behauptung, der Bundesrat habe mit der Anordnung der Massnahmen eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände ver- hindern wollen, lässt sich denn auch nicht mit einer US-amerikanischen Studie, einem NZZ Artikel oder gar dem Schutzkonzept der GastroSuisse begründen (vgl. act. 1 Rz. 97 ff.; act. 35 Rz. 81, Rz. 195 ff.; act. 4/29–30). Zur Ermittlung des Regelungszwecks der Massnahmen können einzig die Erläuterungen oder ähnliche Informationen der die Massnahmen anordnenden Behörden massgebend sein. Ein anderer Anordnungszweck als die Verhinderung von Ansteckungen von Mensch zu Mensch lässt sich auch aus den von den Klägerinnen ins Recht geleg- ten Schreiben des BAG vom 18. Februar 2021 bzw. vom 11. März 2021 nicht ab- leiten (act. 35 Rz. 81; act. 36/46-47). Als Hauptübertragungsweg wird auch in die- sen Schreiben der enge und längere Kontakt genannt und nicht Schmierinfekti- onen oder eine unmittelbar von den Lebensmitteln oder Gebrauchs- und Ver- brauchsgegenständen ausgehende Infizierung. So wurde insbesondere die Prob- lematik von Schmierinfektionen in den massgebenden Erläuterungen nie explizit thematisiert, sondern es ist stets von der Verhinderung von Menschenansamm- lungen und dergleichen die Rede. Dass eine Gefahr von Schmierinfektionen keine Rolle für die behördlichen Anordnungen spielte, ergibt sich auch daraus, dass gewisse Verpflegungsangebote, welche notgedrungen nur mit Kontakt des Per- sonals zu Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen funktionieren konnten, weitergeführt werden durften, so der Betrieb von Hotelrestaurants, Betriebskanti- nen, Imbissbuden und Take Aways, währenddem weitere Institutionen, die nicht ohne Menschenansammlungen betrieben werden konnten, bei welchen die Le- bensmittelhygiene jedoch kein Thema war, wie Schulen, Kinos, Theater etc., schliessen mussten (vgl. auch act. 12 Rz. 78).

          5. Da bereits der Regelungszweck der angeordneten Massnahmen nicht von Ziff. C7.3.1. der Allgemeinen Bedingungen erfasst wird, kann offenbleiben, ob Massnahmen, welche durch den Bundesrat verfügt oder empfohlen werden, überhaupt von Ziff. C7.3.1 erfasst werden, was die Beklagte in Abrede stellt (vgl. act. 39 Rz. 55 und Rz. 226). Ebenso erübrigt sich eine Beantwortung der zwi- schen den Parteien umstrittenen Frage, ob sich die Allgemeinen Bedingungen der Hygieneversicherung an die Lebensmittelgesetzgebung anlehnen oder nicht. Folglich kann auch die Frage von Grenzwerten und deren Überschreitung offen- gelassen werden (act. 12 Rz. 61 ff.; act. 35 Rz. 72 ff.; act. 39 Rz. 154 ff.).

        6. Zwischenfazit

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Zweck der bundesrätlich angeordneten Mass- nahmen nicht die Verhinderung der Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Lebensmittel sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände war. Vielmehr sollte damit die Übertragung des Corona-Virus von Mensch zu Mensch verhindert werden. Betriebsschliessungen aufgrund solcher Massnahmen sind von der Hy- gieneversicherung nicht gedeckt.

3.6. Schlussfazit betreffend Unterbrechungsschaden

Die Klägerinnen haben die Allgemeinen Bestimmungen der vorliegend im Streit liegenden Hygieneversicherung global übernommen und die Parteien haben mit der Verwendung von Begriffen wie Epidemie bzw. Epi-Deckung keine Indivi- dualabrede geschlossen, welche die übernommenen Allgemeinen Bedingungen abändert. Die Auslegung der Allgemeinen Bedingungen bzw. insbesondere Ziff. C7.3.1. ergibt, dass weder nach dem Wortlaut noch nach dem Vertrauens- prinzip die Betriebsschliessungen aufgrund der COVID-19 Pandemie vom De- ckungsumfang erfasst sind. Es liegt demzufolge kein Anspruch auf Deckung eines Unterbrechungsschadens unter der Hygieneversicherung vor. Das Hauptbegeh- ren Ziff. 1 der Klägerin 1 ist daher abzuweisen.

  1. Anspruch auf Taggeldentschädigung (Eventualbegehren)

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Dass Restaurationsbetriebe aufgrund der COVID-19 Pandemie geschlossen wer- den mussten und die Klägerin 1 bzw. der von ihr geführte Betrieb der D. davon betroffen war, ist wie gesagt unbestritten (act. 1 Rz. 55, Rz. 111; act. 12 Rz. 83).

    2. Streitpunkte

      1. Die Klägerinnen stellen sich auf den Standpunkt, dass die Betriebsschlies- sung aufgrund von Art. 6 Abs. 2 lit. b COVID-19 Vo 2 einem eigentlichen Tätig- keitsverbot im Sinne von Ziff. C.7.1.2 i.V.m. Ziff. C.7.11.3. lit. b der Allgemeinen

        Bedingungen gleichkomme und die Beklagte daher eine Taggeldentschädigung im Sinne von Ziff. C.7.1.2 schulde (act. 1 Rz. 111 ff.; act. 35 Rz. 93 ff.).

      2. Die Beklagte bringt dagegen vor, dass gemäss Wortlaut von Ziff. C.7.1.2. der Allgemeinen Bestimmungen eine Taggeldentschädigung während der Dauer einer totalen oder teilweisen Betriebsschliessung entfalle (act. 12 Rz. 81 ff.; act. 39 Rz. 172 ff.).

    3. Rechtliches

      Für die rechtlichen Ausführungen ist auf Ziff. 3.5.3 vorstehend zu verweisen.

    4. Würdigung

      1. Ziff. C7.1.2 der Allgemeinen Bedingungen lautet wie folgt (act. 4/13):

      2. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich klar, dass während der Zeit einer totalen oder teilweisen Betriebsschliessung eine Taggeldentschädigung entfällt. Es steht fest und die Parteien sind sich auch darin einig, dass eine Be- triebsschliessung in dieser Art vorlag. Gemäss dem Wortlaut der Klausel ist daher keine Taggeldentschädigung geschuldet. Eine andere Auslegung ist auch nach Treu und Glauben nicht vertretbar.

    5. Schlussfazit zur Taggeldentschädigung

      Die Klägerin 1 hat aufgrund des klaren Wortlauts von Ziff. C7.1.2 keinen Anspruch auf eine Taggeldentschädigung. Folglich ist auch das Eventualbegehren der Klä- gerin 1 abzuweisen.

  2. Abschliessende Zusammenfassung der Tat- und Rechtsfragen

    Mit Bezug auf die Aktivlegitimation der Klägerinnen und somit auch die Vertrags- qualifikation der vorliegend im Streit liegenden Police ergibt sich, dass die Kläge- rin 1 Interessenträgerin ist, und es sich um eine Versicherung auf fremde Rech- nung sowie zugleich um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt. Die Klägerin 1 ist daher selbständig forderungsberechtigt und aktivlegitimiert. Die Klägerin 2 ist aufgrund ihres fehlenden Rechtsschutzinteresses nicht aktivlegitimiert.

    Was den geltend gemachten Anspruch auf Deckung eines Unterbrechungsscha- dens und auf eine Taggeldentschädigung anbelangt, haben die Parteien die All- gemeinen Bedingungen der Hygieneversicherung nicht durch eine individuelle Parteiabrede in eine umfassende Epidemienversicherung abgeändert. Die Allge- meinen Bedingungen wurden von den Klägerinnen global übernommen und deren Ziff. C7.3.1. ist nicht als ungewöhnlich einzustufen. Daher erlangen die AVB Gel- tung. Deren Auslegung ergibt, dass der mit den bundesrätlich angeordneten Mass-nahmen verfolgte Zweck - die Verhinderung der Übertragung des Corona- Virus von Mensch zu Mensch - nicht vom sachlichen Deckungsumfang der Hygi- eneversicherung erfasst wird. Demnach sind die Deckungsvoraussetzungen nicht erfüllt und haben die Klägerinnen keinen Anspruch auf eine Entschädigung des geltend gemachten Unterbrechungsschadens. Auch die Deckungsvoraussetzun- gen für eine Taggeldentschädigung nach Ziff. C7.1.2. der Allgemeinen Bedingun- gen sind nicht erfüllt, weshalb auch das klägerische Eventualbegehren abzuwei- sen ist.

  3. Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Neubeurteilung und Verteilungsgrundsätze

      1. Das Bundesgericht hat im Rückweisungsentscheid den Beschluss des hie- sigen Gerichts vom 10. Mai 2022 aufgehoben und damit auch die Dispositiv- Ziffern 2 und 3 betreffend die Kosten- und Entschädigungsfolgen. Aufgrund des- sen und weil im vorliegenden Entscheid der geltend gemachte Anspruch der Klä- gerinnen materiell zu beurteilen ist, sind die Kosten- und Entschädigungsfolgen neu zu beurteilen.

      2. Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Sind am Prozess mehrere Personen als Haupt- oder Nebenparteien beteiligt, so bestimmt das Gericht ihren Anteil an den Prozesskosten (Art. 106 Abs. 3 ZPO).

    2. Gerichtskosten

      Die Höhe der Gerichtsgebühr bestimmt sich nach der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebVOG; Art. 96 ZPO i.V.m. § 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem tatsäch- lichen Streitinteresse (§ 2 Abs. 1 lit. a GebVOG). Da auf die Klageänderung in der Replik (act. 35 S. 2) gemäss bundesgerichtlichem Entscheid (vgl. Urteil des BGer 4A_262/2022 vom 5. September 2022 E. 2) einzutreten ist, berechnet sich der Streitwert nach den Rechtsbegehren in der Replik und beläuft sich vorliegend auf CHF 62'724.–. Die Grundgebühr beträgt bei diesem Streitwert rund CHF 6'570.–. Unter Berücksichtigung des Aufwandes ist die Grundgebühr gemäss § 4 Abs. 2 GebVOG auf rund CHF 10'000.– zu erhöhen. Sie ist ausgangsgemäss den Kläge- rinnen, der Klägerin 1 zu zwei Dritteln (gerundet CHF 6'667.–) und der Klägerin 2 zu einem Drittel (gerundet CHF 3'333.–) aufzuerlegen. Die Gebühr ist aus den von den Klägerinnen geleisteten Vorschüssen (total CHF 5'600.–; act. 5 und act.

      21) zu beziehen (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Die resultierende Differenz von CHF 4'400.– ist zu zwei Dritteln (CHF 2'933.–) von der Klägerin 1 und zu einem Drittel (CHF 1'467.–) von der Klägerin 2 nachzufordern.

    3. Parteientschädigungen

Die Höhe der Parteientschädigung ist nach der Verordnung über die Anwaltsge- bühren vom 8. September 2010 zu bemessen (AnwGebV; Art. 105 Abs. 2 ZPO). Grundlage ist auch hier der Streitwert (§ 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Die Grundge- bühr ist mit der Begründung bzw. Beantwortung der Klage verdient und deckt auch den Aufwand für die Teilnahme an einer allfälligen Hauptverhandlung ab. Die Grundgebühr beträgt vorliegend rund CHF 8'100.–. Für die Teilnahme an zu- sätzlichen Verhandlungen und für weitere notwendige Rechtsschriften wird ein Zuschlag von je höchstens der Hälfte der Grundgebühr berechnet (§ 11 Abs. 1

und 2 AnwGebV i.V.m. § 4 Abs. 1 AnwGebV). Bei der Festsetzung der Parteient- schädigung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien eine zweite Rechtsschrift verfassten, dass eine Vergleichsverhandlung durchgeführt wurde (Prot. S. 6 f.) und – soweit relevant – dass die Beklagte sechs Noveneingaben erstattete (act. 64; act. 67; act. 69; act. 75; act. 77; act. 79). In Anwendung von §§ 4 und 11 AnwGebV ist der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 13'000.– zuzusprechen. Die Beklagte beantragt einen Mehrwertsteuerzu- schlag auf der Parteientschädigung (act. 12 S. 2; act. 39 S. 2). Ist einer mehrwert- steuerpflichtigen Partei eine Parteientschädigung zuzusprechen, hat dies zufolge Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer zu erfolgen. Ist die anspruchsberechtigte Partei aufgrund aussergewöhnlicher Um- stände nicht in vollem Umfange zum Abzug der Vorsteuer berechtigt, ist die Par- teientschädigung um den entsprechenden Faktor anteilsmässig anzupassen. Sol- che aussergewöhnlichen Umstände hat eine Partei jedoch zu behaupten und zu belegen (BGer 4A_552/2015 E. 4.5; ZR 104 [2005] S. 291 ff.; SJZ 101 [2005]

S. 531 ff.). Da die Beklagte ihren Antrag auf Zusprechen der Mehrwertsteuer nicht entsprechend erläutert, ist ihr die Parteientschädigung ohne Mehrwertsteuer zu- zusprechen.

Das Handelsgericht erkennt:

  1. Die Klage der Klägerin 1 wird abgewiesen.

  2. Die Klage der Klägerin 2 wird abgewiesen.

  3. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 10'000.–.

  4. Die Kosten werden zu zwei Dritteln (CHF 6'667.–) der Klägerin 1 und zu ei- nem Drittel (CHF 3'333.–) der Klägerin 2 auferlegt und soweit möglich aus den von ihnen geleisteten Kostenvorschüssen bezogen. Die verbleibende Differenz von CHF 4'400.– wird zu zwei Dritteln (CHF 2'933.–) von der Klä- gerin 1 und zu einem Drittel (CHF 1'467.–) von der Klägerin 2 nachgefordert.

  5. Die Klägerinnen werden solidarisch verpflichtet, der Beklagten eine Partei- entschädigung von CHF 13'000.– zu bezahlen.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  7. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 62'724.–.

Zürich, 5. September 2023

Handelsgericht des Kantons Zürich

Die Vorsitzende:

Dr. Claudia Bühler

Die Gerichtsschreiberin:

Regula Blesi Keller

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