Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG210212 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 23.11.2023 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_23/2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Zusammenfassung : | Die Appellantin hat das Recht auf Anhörung verletzt geltend gemacht, da das Gericht seine Entscheidung nicht ausreichend begründet und keine ausreichenden Beweise zur Lösung des Streits, insbesondere ein neues Familienpsychiatriegutachten - das sie beantragt haben soll - und die Anhörung der Kinder, vorgelegt hat. Das Gericht hat auch nicht deutlich gemacht, warum es die Beschränkungen und Massnahmen gegen die Eltern verhängt hat. Die Entscheidung enthält keine klare Rechtsgrundlage, keine ausführliche Darstellung der festgestellten Tatsachen und keine juristischen Schlussfolgerungen. Es fehlen konkrete Elemente aus dem Dossier, die die auferlegten Einschränkungen und Massnahmen rechtfertigen könnten. Daher ist die Entscheidung unzureichend begründet und verstösst gegen das Recht auf Anhörung. |
Schlagwörter : | Fahrzeug; Daten; Reparatur; Beweis; Klägers; Versicherung; Beklagten; Reparaturkosten; Schaden; Schweiz; Klage; Fehler; Geschwindigkeit; Partei; Unfall; Ersatz; Zeitwert; Ziffer; Parteien; Forderung; Fahrzeugs; Gericht; Recht; Privatgutachten; Anspruch; Leasing; Schadens; ändlich |
Rechtsnorm: | Art. 102 OR ; Art. 103a VVG ; Art. 106 ZPO ; Art. 107 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 14 VVG ; Art. 152 ZPO ; Art. 158 ZPO ; Art. 160 ZPO ; Art. 168 ZPO ; Art. 169 ZPO ; Art. 175 ZPO ; Art. 177 ZPO ; Art. 180 ZPO ; Art. 183 ZPO ; Art. 187 ZPO ; Art. 227 ZPO ; Art. 229 ZPO ; Art. 230 ZPO ; Art. 231 ZPO ; Art. 236 ZPO ; Art. 38b VVG ; Art. 39 VVG ; Art. 4 DSG ; Art. 407f ZPO ; Art. 41 OR ; Art. 41 VVG ; Art. 42 OR ; Art. 6 ZPO ; Art. 68 VVG ; Art. 84 ZPO ; Art. 85 ZPO ; Art. 88 ZPO ; Art. 91 ZPO ; Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 108 II 422; 114 II 253; 116 II 215; 130 III 321; 131 III 243; 136 III 410; 140 III 16; 140 III 409; 140 III 490; 140 III 6; 141 III 433; 143 II 37; 148 III 322; 148 III 409; 86 II 129; |
Kommentar: | Bruno Baeriswyl, Kurt Pärli, Hand, hrsg. von Bruno Baeriswyl, Kurt Pärli, Art. 4 aDSG, 2015 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG210212-O U/ei
Mitwirkend: Oberrichter Roland Schmid, VizePräsident, Oberrichterin Judith Haus Stebler, Handelsrichter Patrik Howald, Handelsrichter Hans- Rudolf Müller und Handelsrichter Marco La Bella sowie Gerichtsschreiber Jan Busslinger
Beschluss und Urteil vom 23. November 2023
in Sachen
,
Kläger
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
Versicherungsgesellschaft AG,
Beklagte
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. , betreffend Forderung
Rechtsbegehren:
(act. 1 S. 2 f.; act. 26 S. 2)
1. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger einen noch zu beziffernden Betrag von mindestens Fr. 65'301.55 zuzüglich Verzugszins von 5% auf Fr. 55'700 ab 17. Mai 2018 sowie Schadenszins auf Fr. 8'588.65 ab Klageeinleitung zu zahlen.
Ein Nachklagerecht wird für den Fall vorbehalten, dass die effektiv angefallenen Reparaturkosten höher sind als die mit Urteil festgelegten Kosten für die Reparatur des Unfallschadens des BMW, 4er Reihe F32 Coupé M4, Typenschein-Nr. 1, VIN-Nr. 2, durch einen C. in der Schweiz.
Eventuell, falls die unbezifferte Klage nicht zugelassen würde:
Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger Fr. 65'301.55 zuzüglich Verzugszins von 5% auf Fr. 55'700 ab 17. Mai 2018 sowie Schadenszins auf Fr. 8'588.65 ab Klageeinleitung zu zahlen.
Ein Nachklagerecht wird für den Fall vorbehalten, dass die effektiv angefallenen Reparaturkosten höher sind als die mit Urteil festgelegten Kosten für die Reparatur des Unfallscha- dens des BMW, 4er Reihe F32 Coupé M4, Typenschein- Nr. 1, VIN-Nr. 2, durch einen C. in der Schweiz.
Es sei vor Aktenschluss spätestens aber an der Hauptverhandlung ein Gerichtsgutachten zu den Reparaturkosten und dem Zeitwert des BMW, 4er Reihe F32 Coupé M4, Typenschein-Nr. 1, VIN-Nr. 2, durch einen C.
in der
Schweiz einzuholen und den Parteien zur Stellungnahme zu unterbreiten, wobei im Gutachten die Kosten für die Reparatur von Standschäden und von Unfallschäden separat aufzuführen seien.
Dem Kläger sei auf Antrag die Klageänderung zu bewilligen, falls gemäss Gerichtsgutachten die Kosten für die Reparatur des Unfallschadens des BMW, 4er Reihe F32 Coupé M4, Typenschein-Nr. 1, VIN-Nr. 2, höher sind als der Zeitwert und/oder die Reparaturkosten höher sind als Fr. 55'700 inkl. MWST.
Subeventuell zum Eventualbegehren Ziff. 1 für den Fall, dass die Klageänderung nicht bewilligt würde:
Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger Fr. 95'753 zuzüglich 5% Verzugszins ab 17. Mai 2018 zu zahlen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich 7.7% MWST zulasten der Beklagten.
übersicht
Sachverhalt und Verfahren 3
Sachverhalt 3
Prozessverlauf 11
Erwägungen 12
Formelles 12
zuständigkeit 12
Unbezifferte Forderungsklage 13
Klageänderung 18
Weitere Prozessvoraussetzungen 20
Materielles 20
Anwendbares Recht 20
Versicherungsvertrag 20
Versicherungsfall 20
vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls 42
Versicherungsleistung 42
Verzugszinsen 44
Verzugsschaden 46
Ergebnis 49
Kosten- und Entschädigungsfolgen 49
Streitwert 49
Gerichtskosten 50
Parteientschädigungen 52
Sachverhalt und Verfahren
A. Sachverhalt
Der Kläger ist eine naTürliche Person mit Wohnsitz in Zürich ZH.
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in D. ; sie bezweckt den Betrieb jeder Art von Versicherung und Rückversicherung, ... (act. 3/3).
Der Kläger verlangt die Versicherungsleistung aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag aufgrund der Kollision des versicherten
Fahrzeugs am 1. Januar 2018 in E. stellkosten für das beschädigte Fahrzeug.
in Portual sowie den Ersatz der EinDer Kläger ist Halter des Personenwagens BMW M4 Coup, Reihe F32, Typenschein-Nr. 1, VIN-Nr. 2, Erstzulassung am 18. Dezember 2014 (act. 1 Ziff. 3.1). Zur Finanzierung des Erwerbs schloss er am 16. Dezember 2014 einen Leasingvertrag mit der F. (Schweiz) AG über eine Laufzeit von 48 Monaten (act. 1 Ziff. 3.1; act. 14 Rz. 7; act. 3/6). Die erste grosse Leasingrate betrug CHF 25'000.00, die monatlichen Leasingraten je CHF 1'092.40 (jeweils inkl. MWST); die jährliche Kilometerleistung betrug 10'000 km, die Mehrkilometerentschädigung inkl. MWST CHF 0.97 (act. 14 Rz. 7; act. 3/6). Das Fahrzeug ist unter der Police 3 vom 12. Oktober 2017 bei der Beklagten zum Katalogpreis von CHF 96'550.00 mit Ausrüstung und Zubehür im Wert von CHF 50'000.00 u.a. gegen das Kollisionsrisiko mit Zeitwertzuschlag versichert (act. 1 Ziff. 1.3, 3.1; act. 14 Rz. 6, 40; act. 3/4). Auf den Versicherungsvertrag sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Motorfahrzeugversicherung, Ausgabe September 2013, anwendbar (AVB; act. 1 Ziff. 3.1; act. 14 Rz. 40; act. 3/4; act. 3/5).
Die Kollisionskasko-Deckung erfasst gemäss Ziffer K2.2 Satz 1 AVB Schäden entstanden durch plötzliche, gewaltsame äussere Einwirkungen, insbesondere Schäden durch Anprall, Zusammenstoss, Umoder Absturz, Ein- und Versinken, selbst dann, wenn sie im Anschluss an Betriebs-, Bruchoder Abnützungssch?- den eintreten; ferner Schäden durch mutwillige böswillige Handlungen Dritter.
Bei einem Totalschaden mit Zeitwertzusatz gemäss Ziffer K4.1 lit. a AVB werden im 4. Betriebsjahr 80 - 70 % des Katalogpreises vergütett; nach den ersten zwei Betriebsjahren liegt ein Totalschaden vor, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert erreichen übersteigen. Der Zeitwert entspricht gemäss Ziffer K7.3 AVB dem möglicherweise am Bewertungstag (Eintritt des versicherten Ereignisses) realisierbaren Betrag bei der Veräusserung des unbeschädigten Fahrzeuges, unter BeRücksichtigung der Ausrüstungen und des Zubehürs, der Betriebsdauer, der Fahrleistung, der Marktgängigkeit, des Zustandes usw. Kann in bezug auf den Zeitwert keine Einigung erzielt werden, sind die Bewertungsrichtlinien für Strassenfahrzeuge und Anhänger des Schweizerischen Verbandes der neutralen freiberuflichen Fahrzeug-SachVerständigen (+VffS) massgebend.
Bei einem Teilschaden werden gemäss Ziffer K4.2 AVB die Reparaturkosten unter Abzug eines Mehrwerts durch den Ersatz einzelner abgenützter Teile, die Neuspritzung des ganzen Fahrzeugs die Behebung anderer Abnützungs- Mängel (Abzug neu für alt) vergütett; bei Nichtausführung der Reparatur werden 90 % des ermittelten Schadenbetrages (ohne MWST) entschädigt.
Die Beklagte kann ihre Leistungen gemäss Ziffer K4.4 AVB Kürzen, wenn mangelhafter Unterhalt, Abnützung vorbestandene Schäden die Reparaturkosten Erhöhen, den Zustand des Fahrzeugs durch die Reparatur verbessert den Totalschaden eher herbeigefährt haben.
Am 1. Januar 2018 um 05:55 Uhr kollidierte das Fahrzeug des Klägers auf der
G.
[Strasse] in E.
in Portugal mit einer vom Wohnhaus Nr. 4 abgesetzten Mauer am Strassenrand (act. 1 Ziff. 3.2, 7.2; act. 14 Rz. 6, 20; act. 3/8). Die Höchstgeschwindigkeit im entsprechenden Strassenabschnitt betrug 50 km/h (act. 1 Ziff. 3.2; act. 26 Ziff. III.1.1; act. 3/8 S. 1). Durch den Aufprall wurden die beiden vorderen Airbags ausgeläst und das Fahrzeug an der Front beschädigt (act. 1 Ziff. 3.3; act. 14 Rz. 7, 20; act. 32 Rz. 24; act. 3/10). Zudem wurde die Frontscheibe auf der Beifahrerseite nach aussen gedRückt (act. 32 Rz. 24). Der Unfall ereignete sich am 14. Tag des 4. Betriebsjahres des Unfallfahrzeugs (act. 1 Ziff. 9.1; act. 3/14 S. 1). Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug 88'728 km (act. 14 Rz. 7; act. 3/15).
Der Kläger meldete das Schadensereignis am 3. Januar 2018 telefonisch der Beklagten (act. 1 Ziff. 3.5; act. 14 Rz. 6); er schilderte, er habe einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen müssen und sei dabei mit einer Mauer kolli- diert (act. 14 Rz. 6). Die Beklagte liess das Fahrzeug in die Schweiz zu H. SA in CH-... I. überführen (act. 1 Ziff. 3.4; act. 14 Rz. 7). Dort begutachtete am 19. Januar 2018 der von der Beklagten beauftragte externe Fahrzeugexperte
J.
das Fahrzeug (act. 14 Rz. 7). Dessen Expertise vom 4. Februar 2018
schätzte die Reparaturkosten auf CHF 53'598.00 inkl. MWST von 7.7 % und den Zeitwert per 31. Dezember 2017 auf CHF 70'000.00 inkl. MWST von 7.7 % (act.1 Rz. 3.6, 9.2; act. 14 Rz. 7, 49, 57, 59; act. 3/15).
Der Schadeninspektor der Beklagten befragte den Kläger am 26. Februar 2018 an seinem Wohnort zum gemeldeten Schadensereignis (act. 1 Ziff. 3.7; act. 14 Rz. 8; act. 3/16-17). Anlässlich dieser Befragung sagte der Kläger, ihm sei auf ei- ner engen Strasse in Form einer langgezogenen S-Kurve, bestehend zunächst aus einer Rechts- und danach aus einer Linkskurve, bei der Linkskurve ein anderes Fahrzeug auf seiner Fahrbahnhälfte entgegen gekommen, weshalb er dem entgegenkommenden Fahrzeug nach rechts habe ausweichen müssen, wo er mit der Mauer kollidiert sei (act. 3/16 Frage 1). Er sei etwa 50 km/h gefahren und sei ungebremst in die Mauer gefahren (act. 3/16 Frage 11, 12).
Mit E-Mail vom 21. März 2018 erklärte sich die Beklagte mit einer Reparatur bei der F. -Niederlassung K. einverstanden, erteilte jedoch keine Kostengutsprache und übernahm auch die Transportkosten von I. nach K. nicht (act. 1 Ziff. 3.8; act. 14 Rz. 23; act. 3/18). Danach erfolgte die überführung zur F. -Niederlassung K. an der L. -strasse ... in CH-... K. (act. 1 Ziff. 3.4; act. 14 Rz. 10). Am 9. April 2018 bezahlte der Kläger den Selbstbehalt von CHF 500.00 bei der Reparaturwerkstatt (act. 1 Ziff. 3.8; act. 3/19).
Die Fahrzeug-Bewertung 6 vom 24. April 2018 des Schadenexperten M. von der Beklagten schätzte die Reparaturkosten auf CHF 56'653.59 und den Zeitwert per 31. Dezember 2017 auf CHF 66'500.00 (act. 1 Ziff. 3.6, 9.2; act. 14
Rz. 49, 57, 59; act. 3/14; act. 16/8).
In der Folge hielten die Schadenexperten der Beklagten die Schilderung des Unfallhergangs durch den Kläger nicht mit dem Schadensbild vereinbar (act. 14 Rz. 9, 24). Der Schadenexperte N. veranlasste deshalb eine Weitergabe an die interne Fachstelle bei Verdacht auf Versicherungsmissbrauch bei der Beklagten (act. 14 Rz. 9, 24). Die Beklagte erachtete weitergehende Abklärungen als notwendig (act. 14 Rz. 9).
Nach einer Teilzerlegung schätzte die F. -Niederlassung mit E-Mail vom
7. Mai 2018 die Reparaturkosten auf ca. CHF 55'000.00 (act. 1 Ziff. 3.8; act. 3/20).
Der Kläger erteilte mit Vollmacht vom 17. Mai 2018 der Beklagten die Ermöchtigung, die zur Abwicklung des angemeldeten Schadens notwendigen Daten zu bearbeiten, die unfallspezifischen elektronischen Fahrzeugdaten (SteuerGerät,
Schattendaten) bei F.
einzufordern und entsprechend auszuwerten, Auskönfte einzuholen und in amtliche Akten Einsicht zu nehmen (act. 1 Ziff. 3.9, 4.1; act. 14 Rz. 9, 24, 44; act. 3/21-22).
Mit E-Mail vom 17. Mai 2018 schlug der Kläger der Beklagten vor, den Zeitwert zuzüglich CHF 10'000.00 zu bezahlen (act. 1 Ziff. 3.9; act. 14 Rz. 24; act. 3/12).
Im August 2018 liessen die Schadenexperten M. und O. von der Beklagten einen F. -Techniker die Fahrzeug-Parameter in der F. - Niederlassung auslesen, druckten diese jedoch nicht aus (act. 14 Rz. 10). Gemäss Darstellung der Beklagten soll die Datenauslesung eine Geschwindigkeit von 27.8 km/h und eine Motorendrehzahl von 951 U/min ergeben haben (act. 1 Ziff. 4.1; act. 14 Rz. 10, 24, 35; act. 3/23). Da die gemessenen Parameter nicht hätten gedruckt werden können, habe der Schadenexperte M. diese fotografiert, die Aufnahmen seien jedoch aufgrund eines technischen Problems mit dem Laptop des Schadenexperten nicht mehr auffindbar (act. 14 Rz. 10).
Mit Schreiben vom 15. August 2018 verweigerte die Beklagte Versicherungsleistungen (act. 1 Ziff. 4.1; act. 14 Rz. 11, 24, 55; act. 3/23).
Das vom Kläger eingeholte Privatgutachten vom 20. August 2018 schätzt die voraussichtlichen Reparaturkosten auf CHF 55'700.00; da keine weiteren Bauteile demontiert worden seien, bestehe ein Risiko für weiteren Aufwand (act. 1 Ziff. 9.2; act. 3/31 S. 3). Der nach den Richtlinien des Verbandes Freiberuflicher Fahrzeugsachverstündiger (VFFS) bestimmte Zeitwert betrage CHF 59'000.00 (act. 1 Ziff. 9.2; act. 3/31 S. 4).
Da die Beklagte die in der F. -Niederlassung ausgelesenen Fahrzeug- Parameter nicht erhältlich machen konnte, liess sie die SteuerGeräte des Fahr-
zeuges ausbauen und sandte sie an P.
GmbH in Deutschland (act. 14
Rz. 12). Mit E-Mail vom 25. März 2019 teilte diese mit, dass das AirbagsteuerGerät und das InfotainmentsteuerGerät im Zusammenhang mit einem Fehlerereignis keine Geschwindigkeitsdaten aufzeichnen würden; im AirbagsteuerGerät des Fahrzeugs des Klägers würden sich zudem keine EDR-Daten finden lassen (act. 1 Ziff. 4.2, 5.2; act. 14 Rz. 12; act. 3/24).
Im April 2019 leitete der Kläger ein Schlichtungsverfahren ein (act. 1 Ziff. 4.2). An der Schlichtungsverhandlung vom 3. April 2019 einigten sich die Parteien auf eine Auslesung und Auswertung der Fahrzeugdaten durch das Drittunternehmen Q. in CH-... R. (act. 1 Ziff. 4.2; act. 14 Rz. 13, 35, 41, 44). Die Auslesung fand am 30. April 2019 im Beisein des Klägers und seines Bruders bei der
F. -Niederlassung K.
statt (act. 14 Rz. 13, 45). Gemäss Schreiben
vom 7. Mai 2019 lieferte die Auslesung der in den SteuerGeräten vorhandenen Daten die folgenden wesentlichen Ergebnisse (soweit von den Parteien thematisiert; act. 1 Ziff. 5.3; act. 14 Rz. 14, 16, 20, 32; act. 16/4):
Umweltbedingung Geschwindigkeitsanzeige: 20.02 km/h längs- und Querdynamik Management ICM_25 Umweltkilometer beim Fehlereintrag: 88'728 km Umweltzeit beim Fehlereintrag: 56'128'865 s Umweltbedingung Geschwindigkeitsanzeige: 18.00 km/h
Umweltbedingung längsbeschleunigung: 4.10 m/s2
Umweltbedingung Lenkwinkel Fahrer: 0.00 Dynamische Stabilitätskontrolle M3 DSC_25 Umweltkilometer beim Fehlereintrag: 88'728 km Umweltzeit beim Fehlereintrag: 56'128'865 s Umweltbedingung Referenzgeschwindigkeit: 13.00 km/h Spurwechselwarnung HC2_01
Umweltkilometer beim Fehlereintrag: 88'728 km Umweltzeit beim Fehlereintrag: 56'128'866 s Umweltbedingung Geschwindigkeitsanzeige: 6.00 km/h Spurwechselwarnung HC2_01
Umweltkilometer beim Fehlereintrag: 88'728 km Umweltzeit beim Fehlereintrag: 56'128'866 s Umweltbedingung Geschwindigkeitsanzeige: 1.30 km/h MotorsteuerGerät MEVD17.2.6 (G)
Umweltkilometer beim Fehlereintrag: 88'728 km Umweltzeit beim Fehlereintrag: 56'128'866 s Umweltbedingung Fahrzeuggeschwindigkeit: 1.25 km/h Umweltbedingung Ist-Gang: 2
Mit Schreiben vom 7. November 2019 hielt die Beklagte an der Leistungsableh- nung fest (act. 14 Rz. 15; act. 3/26).
Nach Ablauf des Leasingvertrags übernahm der Kläger das Fahrzeug am
28. Dezember 2018 zu Eigentum (act. 1 Ziff. 3.1; act. 14 Rz. 19; act. 3/7). Aufgrund des Kilometerstands nach drei Jahren hätte der Kläger bei Vertragsende eine Mehrkilometerentschädigung von rund CHF 57'000.00 (58'728 Mehrkilometer zu CHF 0.97) bezahlen müssen (act. 14 Rz. 7, 16, 37; act. 26 Ziff. V.5.1; act. 32 Rz. 21; act. 3/6; act. 3/15).
Das Fahrzeug war vom 1. Januar 2019 bis 31. Oktober 2020 bei der F. - Niederlassung für einen monatlichen Mietzins von CHF 120.00 abgestellt (act. 1 Ziff. 3.4, 6.1; act. 14 Rz.10; act. 3/11-12). Seit 1. November 2020 steht das Fahrzeug auf einem Garagenplatz der S. GmbH für einen monatlichen Mietzins von CHF 100.00 (act. 1 Ziff. 3.4, 6.1; act. 3/13).
Der Kläger mietete vom 30. Juli 2018 bis 31. August 2018 und vom 14. Dezember 2018 bis 17. Januar 2019 ein Ersatzfahrzeug für die Ferien für insgesamt CHF 4'525.00 (act. 1 Ziff. 6.2; act. 3/29).
Der Kläger behauptet, er sei mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h alleine unterwegs gewesen, als aus der Kurve plötzlich ein Fahrzeug auf seiner Fahrbahn aufgetaucht sei; er sei nach rechts ausgewichen, worauf er mit der Mauer am Strassenrand kollidiert sei (act. 1 Ziff. 3.2, 7.2; act. 26 Ziff. III.1.1). Das den Unfall verursachende Fahrzeug habe Fahrerflucht begangen (act. 1 Ziff. 3.3). Durch die Kollision sei der automatische Notruf des Fahrzeugs ausgeläst worden; die Notrufzentrale des Fahrzeugherstellers habe die lokale Polizei und Ambulanz alarmiert (act. 26 Ziff. III.1.1). Zuerst sei die Polizei am Unfallort eingetroffen; der Klüger sei auf Anweisung der Polizei im Fahrzeug verblieben, bis die Ambulanz um 06:20 Uhr eingetroffen sei; er sei von den Rettungskröften aus dem Fahrzeug gehoben, immobilisiert und ins lokale Spital gebracht worden (act. 26 Ziff,. III.1.2; act. 3/8; act. 27/2). Der Kläger habe das Fahrzeug von Anfang an nach Ablauf des Leasingvertrags übernehmen wollen (act. 26 Ziff. V.5.1).
Der Kläger vertritt die Ansicht, die Diagnosedaten seien in zeitlicher Hinsicht nicht zuverlüssig zuordenbar, da das System in kritischen Situationen die Datenkommunikation unter den diversen SteuerGeräten priorisiere, wenn unterschiedliche SteuerGeräte die gleichen Informationen zur gleichen Zeit anforderten (act. 1 Ziff. 5.1; act. 3/25). Die Verzögerung könne bis zu zwei Sekunden betragen (act. 1 Ziff. 5.7; act. 26 Ziff. III.2.1, III.2.3; act. 3/25). Die von der Beklagten zur Geschwindigkeit und zu den Umgebungsdaten erhobenen Fahrzeugdaten würden nicht dem Kollisionszeitpunkt entsprechen (act. 1 Ziff. 7.3). Der Kläger habe seine Einwilligung nicht erteilt, dass uferlos nach Daten geforscht würde (act. 26 Ziff. VI.7). Q. habe auf Daten zugegriffen, welche von der Herstellerin vor Zugriff gesichert und nicht freigegeben seien, da es sich um mangelhafte und unzuverlüssige Daten handle, welche für eine Unfallanalyse unbrauchbar seien (act. 1 Ziff. 5.2). Die anhand der Drehzahl der Räder der Antriebsachse bestimmte Tachometergeschwindigkeit sei aufgrund des Eingriffs des DSC-System zu niedrig (act. 1 Ziff. 5.4). Bei einer (gespeicherten) Geschwindigkeit von 6 km/h bzw. 13 km/h sei die Spurwechselwarnung bzw. das DSC-System gar nicht aktiv (act. 1 Ziff. 5.5; act. 26 Ziff. III.1.3). Q. habe elementare Grundlagen für eine ord- nungsgemüsse Dateninterpretation verletzt (act. 26 Ziff. VI.7).
Die Beklagte bestreitet den vom Kläger geschilderten Unfallhergang (act. 14 Rz. 16, 20; act. 32 Rz. 9). Der Kläger habe das Schadensereignis inszeniert (act. 14 Rz. 41; act. 32 Rz. 20). Es sei kein entgegenkommendes Fahrzeug aufgetaucht (act. 14 Rz. 16, 20; act. 32 Rz. 9, 12). Der Kläger habe sein Fahrzeug
gerade in die Mauer gesteuert (act. 14 Rz. 16, 20, 24, 25, 28, 32, 37; act. 32
Rz. 11, 12, 13, 20, 24). Er sei im 2. Gang gefahren (act. 14 Rz. 14; act. 32 Rz. 13,
20, 25). Die Geschwindigkeit habe lediglich zwischen 17.8 km/h und 27.8 km/h
betragen (act. 14 Rz. 16, 20, 24, 25, 28, 32, 37; act. 32 Rz. 9, 13, 20, 24, 25;
act. 16/4). Das Fahrzeug habe beschleunigt (act. 14 Rz. 14, 32, 41, 61; act. 32 Rz. 11, 24, 25). Die Motorenumdrehzahl habe knapp über der Leerlaufdrehzahl gelegen (act. 14 Rz. 10; act. 32 Rz. 11, 20, 25). Das Schadensbild passe nicht
zum Geschwindigkeitswert (act. 14 Rz. 9, 41; act. 32 Rz. 19, 26). Der Kläger habe das Fahrzeug bei Ablauf der Leasingdauer übernommen, weil er für die Mehrkilometer rund CHF 57'000.00 hätte berappen müssen und seine Um- und Ausbauten am Fahrzeug entweder auf eigene Kosten hätte zurückbauen müssen keine Entschädigung dafür erhalten hätte (act. 14 Rz. 7, 16; act. 32 Rz. 21); zumindest sei ein solcher Entschluss nicht Vertragsbestandteil geworden (act. 32 Rz. 21).
Die Beklagte vertritt die Ansicht, es sei auf die Datenauslesung von Q. abzustellen (act. 14 Rz. 41; act. 32 Rz. 14, 18). Dieser habe in der Auswertung vom
7. Mai 2019 und im Bericht vom Januar 2022 dargelegt, woher die Daten stammten (act. 32 Rz. 15, 16). Die Datenauslesung sei mit lizenzierter Software erfolgt (act. 14 Rz. 13, 26; act. 32 Rz. 17; act. 16/3; act. 16/6). Die Geschwindigkeitsdaten würden in Zeitabständen von Millisekunden gemessen (act. 14 Rz. 32; act. 32 Rz. 14). Die in den Expertisen vom 4. Februar 2018 und vom 25. April 2018 bestimmten Reparaturkosten und Zeitwerte seien massgeblich (act. 14 Rz. 49).
B. Prozessverlauf
Am 18. Oktober 2021 reichte der Kläger die Klage ein (act. 1; act. 2; act. 3/2-31). Der Kläger hatte bereits mit Eingabe vom 21. Dezember 2020 im Verfahren HG200262-O gegen die Beklagte eine Feststellungsklage erhoben (act. 4/1), auf welche das Handelsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2021 mangels Feststellungsinteresse nicht eintrat (act. 4/18); die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 4A_322/2021 vom 9. August 2021 ab (act. 4/24). Nach Eingang der Klage wurden die Akten des Verfahrens HG200262-O beigezogen (act. 4/1-1-25). Innerhalb der mit Verfügung vom 20.Oktober 2021 (act. 5) angesetzten Nachfrist reichte der Kläger am 28. Oktober 2021 ein Ergänztes Verzeichnis der Beweismittel ein (act. 6A; act. 7). Den ihm mit der Nämlichen Verfügung auferlegten Kostenvorschuss von CHF 8'000.00 leistete der Kläger am
1. November 2021 fristgemäss (act. 10). Mit Verfügung vom 10. November 2021 wurde der Beklagten Frist zur Einreichung einer Klageantwort angesetzt (act. 11). Die Beklagte reichte ihre Klageantwort mit Eingabe vom 27. Januar 2022 fristgemäss ein (act. 14; act. 15; act. 16/2-8). Mit Verfügung vom 1. März 2022 wurde die Prozessleitung an Oberrichterin Judith Haus Stebler als Instruktionsrichterin delegiert (act. 17). Am 23. Juni 2022 fand eine Vergleichsverhandlung statt, anlässlich welcher die Parteien keine Einigung erzielten (act. 19; Prot. S. 7 f.). Mit Verfügung vom 23. Juni 2022 wurde ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet und der Klägerin Frist zur Einreichung einer Replik angesetzt (act. 24). Die Klägerin reichte ihre Replik mit Eingabe vom 28. September 2022 fristgemäss ein (act. 26; act. 27/1-6). Mit Verfügung vom 29. September 2022 wurde der Beklagten Frist zur Einreichung einer Duplik angesetzt (act. 28), welche am 29. November 2022 erstreckt wurde (act. 30). Die Beklagte reichte ihre Duplik mit Eingabe vom
9. Januar 2023 fristgemäss ein (act. 32; act. 33). Mit Verfügung vom 10. Januar 2023 wurde die Duplik vom 9. Januar 2023 der Klägerin zugestellt (act. 34). Mit Verfügung vom 26. September 2023 wurde den Parteien Frist angesetzt, um zu erklären, ob sie auf Durchführung der Mändlichen Hauptverhandlung verzichten, wobei bei Stillschweigen Verzicht auf Hauptverhandlung angenommen werde (act. 38). Die Beklagte verzichtete mit Eingabe vom 9. Oktober 2023 auf die Durchführung der Hauptverhandlung (act. 40). Der Kläger hat sich nicht vernehmen lassen. Androhungsgemäss ist von einem Verzicht auf die Durchführung der Hauptverhandlung i.S.v. Art. 233 auszugehen. Das Verfahren ist spruchreif, weshalb ein Endentscheid ergehen kann (Art. 236 Abs. 1 ZPO).
Erwägungen
Formelles
zuständigkeit
Die örtliche zuständigkeit stätzt sich auf Art. 32 Abs. 1 lit. a ZPO. Die sachliche zuständigkeit stätzt sich auf Art. 6 Abs. 2 und 3 ZPO i.V.m. 44 lit. b GOG.
Unbezifferte Forderungsklage
Der Kläger stellt als Hauptrechtsbegehren eine unbezifferte Forderungsklage. Dabei stätzt er sich offensichtlich auf Erwägungen im Beschluss des vorangehen- den Verfahrens vom 5. Mai 2021, wonach eine vollständige vorprozessuale Schadenskalkulation mit dem Veränderungsverbot von Art. 68 VVG a.F. (Art. 38b VVG) in Konflikt geraten würde, wenn diese eine tatsächliche Veränderung des Autos notwendig machen könnte (Beschluss HG200262-O vom 5. Mai 2021
E. 3.3.1; act. 4/18). Das bundesgerichtliche Beschwerdeurteil vom 9. August 2021 hat dieses Argument durch einen entsprechenden Hinweis auf die unbezifferte Forderungsklage in Klammern aufgenommen (BGer 4A_322/2021 v. 09.08.2021 E. 2.3; act. 4/24).
Der Konnex zwischen Feststellungs- und unbezifferter Forderungsklage beruht darauf, dass Leistungsklage erhoben werden muss, wenn eine Schadensschätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR möglich ist, auch wenn der Schaden ziffernmässig nicht bekannt ist (BGE 114 II 253 E. 2a S. 256; ALEXANDER R. MARKUS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Berner Kommentar, 2012, N. 22 zu Art. 88 ZPO). Insofern ist im Rahmen der Prüfung der Subsidiarität der Feststellungsklage auch die Möglichkeit einer unbezifferten Forderungsklage zu berücksichtigen (BGer 4C.64/2004 v. 07.06.2004 E. 3; MARKUS, a.a.O. N. 22 zu Art. 88 ZPO). Aus
der Verneinung des Feststellungsinteresses lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf die zulässigkeit der unbezifferten Forderungsklage schliessen.
grundsätzlich ist die Klage auf Bezahlung eines Geldbetrages zu beziffern (Art. 84 Abs. 2 ZPO). Eine unbezifferte Forderungsklage ist gemäss Art. 85 Abs. 1 ZPO zulässig, wenn der klagenden Partei unmöglich unzumutbar ist, ihre Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern; sie muss jedoch einen Mindestwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt. Liefert erst das Beweisverfahren die Grundlage zur Bezifferung der Forderung, ist der klagenden Partei zu gestatten, die präzisierung erst nach Abschluss des Beweisverfahrens vorzu- nehmen (BGE 140 III 490 E. 4.3.1 S. 416; BGE 131 III 243 E. 5.1 S. 245-246;
BGE 116 II 215 E. 4a S. 219-220). Die Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 85 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin bereits in der Klageschrift darzulegen (BGE 148 III
322 E. 3.4 S. 327, E. 3.8 S. 329). Anschliessend kann die Bezifferung in der ersten Stellungnahme zum Gutachten erfolgen (BGer 4A_145/2023 v. 03.07.2023
E. 4.3 und 4.4 [zur Publikation vorgesehen]). Der Kläger begründet die Unmöglichkeit der Bezifferung in der Klage (act. 1 Ziff. 10). Den formellen Voraussetzungen einer unbezifferten Forderungsklage ist der Kläger damit nachgekommen.
Die klagende Partei muss aufzeigen, dass die Bedingungen für eine unbezifferte Forderungsklage erfüllt sind (BGE 148 III 322 E. 2.2 S. 324; BGer
4A_502/2019 v. 15.06.2020 E. 7.4.1; 4A_618/2017 v. 11.01.2018 E. 4.2). Ein
blosser Hinweis auf fehlende Informationen genügt nicht (BGE 148 III 322 E. 3.8
S. 329; BGE 140 III 409 E. 4.3.2 S. 416-417). Die klagende Partei muss darlegen, dass ihr die Bezifferung der Klage aus objektiven Gründen unmöglich we- nigstens unzumutbar ist (BGE 148 III 322 E. 3.8 S. 329; BGE 140 III 409 E. 4.3.2
S. 416-417). Dies gilt nur, soweit ein Beweisverfahren bereits für schlüssige Behauptungen erforderlich ist (BGE 140 III 409 E. 4.3.2 S. 416-417). Es geht um Fälle, in denen dem Gericht bei der Feststellung des erheblichen Sachverhalts ein Ermessen zukommt und sich die bezifferbare Forderung erst aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt (BGE 131 III 243 E. 5.1 S. 246). Der Anspruch ist je- doch soweit als möglich und zumutbar zu substantiieren (BGE 140 III 409 E. 4.3.1
S. 416, E. 4.3.2 S. 416-417). Die unbezifferte Forderungsklage dient insbesondere nicht der Minderung des mit jeder Klage verbundenen Beweisrisikos (BGer 4A_502/2019 v. 15.06.2020 E. 7.4.4). Bei der Prüfung von deren Voraussetzungen sind deshalb im Gegensatz zur vorsorglichen Beweisführung (BGE 140 III 16 E. 2.5 S. 23-24) auch die Möglichkeiten der Einholung von Privatgutachten zu berücksichtigen.
Gemäss Urteil des Bundesgerichts 4A_322/2021 vom 9. August 2021
E. 2.3 zur Feststellungsklage über den vorliegenden streitgegenständlichen Anspruch stellt die Durchführung der Reparatur keine Voraussetzung des Anspruchs auf Ersatz der Reparaturkosten bei Teilschaden gemäss Ziffer K4.2 AVB dar (act. 4/24). Der entsprechenden Auslegung des Klägers vermag die Beklagte abgesehen von der pauschalen Bestreitung ihrer Leistungspflicht, welche gerade
Gegenstand der Leistungsklage ist, keine Einwendungen entgegenzusetzen (act 1 Rz. 11.3 lit. d; act. 14 Rz. 61).
Der Kläger kann als Anspruchsberechtigter den Ersatz entweder der tatsächlichen der fiktiven Reparaturkosten geltend machen (WALTER FELLMANN/ANDREA KOTTMANN, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I, 2012, N 2337, 2345, 2347). Nach allgemeinem Schadenersatzrecht hat ein Geschädigter aufgrund seiner Dispositionsfreiheit auch dann Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten, wenn er auf eine Reparatur verzichtet die beschädigte Sache selbst repariert (ROLAND BREHM, in: Das Obligationenrecht, Berner Kommentar, hrsg. von Regina
E. Aebi-Müller/Christoph Müller, 5. Aufl. 2021, N. 77d zu Art. 41 OR; FELL- MANN/KOTTMANN, a.a.O., N 2345, 2347, unter Hinweis auf BGE 108 II 422 E. 3
S.428 = Pra 72 [1983] Nr. 30; KARL OFTINGER/EMIL W. STARK, Schweizerisches
Haftpflichtrecht, Erster Band: Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1995, 2 N 27, 6 N 367; offen gelassen in BGer 4A_113/2017 v. 06.09.2017 E. 4.3.3.2). Davon weicht Ziffer K4.2 AVB insofern ab, als die Beklagte bei Nichtausführung der Reparatur ei- nen Abzug von 10 % macht. Da die Durchführung der Reparatur keine Voraussetzung der Durchsetzung des Versicherungsanspruchs ist, genügt bei Abrech- nung auf Gutachtensbasis die Manifestation des Reparaturwillens.
Der Kläger macht geltend, er könne die VersicherungsAnsprüche für den Teilschaden nicht beziffern, da ihm unbekannt sei, ob und welche Abzüge die Beklagte allenfalls gestützt auf Ziffer K4.2 und K4.4 AVB geltend machen werde (act. 1 Ziff. 10.1).
Bei jedem Prozess ist für eine Partei nicht voraussehbar, welche Einwendungen die Gegenpartei vorbringen wird. Dabei handelt es sich um das gewöhnliche Prozessrisiko. Ziffer K4.2 AVB enthält den Abzug von 10 % bei Nichtausführung der Reparatur. Es liegt in der Dispositionsfreiheit des Klägers, ob er eine Reparatur anstrebt. Danach stellt es eine Beweisfrage dar, ob er seinen Reparaturwillen mit hinreichender Gewissheit nachweisen kann.
Das vom Kläger eingeholte Privatgutachten vom 20. August 2018 schätzt die voraussichtlichen Reparaturkosten auf CHF 55'700.00 und den Zeitwert auf
CHF 59'000.00 (act. 3/31 S. 3 und 4). Unter den Reparaturkosten fügt es an, da keine weiteren Bauteile demontiert worden seien, bestehe bei den Reparaturkosten ein Risiko für weiteren Aufwand (act. 1 Ziff. 10.3; act. 3/31 S. 3).
Der Kläger ist der Ansicht, es sei ihm unzumutbar, die Kosten für ein Privatgutachten zu den Reparaturkosten und dem Zeitwert auf sich zu nehmen, wofür alle Teile ausgebaut werden Müssten, nachdem die Beklagte zur Höhe der Leistungs- Ansprüche nie Stellung bezogen habe, sondern die VersicherungsAnsprüche im Grundsatz bestreite (act. 1 Ziff. 10.2). Da der Zeitwert und die Reparaturkosten sehr nahe zusammen liegen würden, könne der Kläger nur darüber spekulieren, ob er Anspruch auf die Versicherungsleistungen für Totalschaden für Teilschaden habe (act. 1 Ziff. 10.3).
Beim vorliegenden Versicherungsvertrag mit Zeitwertzusatz richtet sich das Vorliegen eines Totalschadens nach Ziffer K4.1 lit. a AVB. Nach den ersten zwei Betriebsjahren liegt ein Totalschaden vor, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert erreichen übersteigen.
über die Reparaturkosten und den Zeitwert liegen das Privatgutachten der Beklagten vom 4. Februar 2018, das Privatgutachten der Beklagten vom 24. April 2018 und das Privatgutachten des Klägers vom 20. August 2018 vor. Gemäss diesen Privatgutachten betragen die Reparaturkosten zwischen CHF 53'598.85 (act. 3/15 S. 3) und CHF 56'653.59 (act. 16/8 S. 1). Der Zeitwert liegt zwischen CHF 59'000.00 (act. 3/31 S. 4) und CHF 70'000.00 per 31. Dezember 2017 (act. 1 Ziff. 9.2; act. 3/35 S. 3). Nach sämtlichen Bewertungen liegt lediglich ein Teilschaden vor.
Die Entschädigung bei einem Teilschaden entspricht den Reparaturkosten abzüglich eines Allfälligen Selbstbehalts (Ziffer K4.2 AVB). Gemäss Police Nr. 3 vom
12. Oktober 2017 beträgt der Selbstbehalt CHF 500.00 (act. 3/4 S. 3). Bei Teilschaden Beläuft sich der gestützt auf die Privatgutachten ermittelte Versicherungsanspruch auf CHF 53'098.85 bis CHF 56'153.59.
Die Entschädigung bei einem Totalschaden beträgt zu Beginn des vierten Betriebsjahres mit Zeitwertzusatz gemäss Ziffer K4.1 lit. a AVB und übereinstimmender Darstellung der Parteien 80 % des Katalogpreises (act. 1 Ziff. 9.1; act. 14 Rz. 73). Der Neuwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs Beläuft sich inkl. Zubehür auf CHF 142'817.00 inkl. MWST (act. 1 Ziff. 13.1; act. 14 Rz. 73; act. 3/14). Die so ermittelte Entschädigung beträgt unter BeRücksichtigung des Selbstbehalts von CHF 500.00 CHF 113'753.60. Diese vermindert sich nach K4.1 lit. d AVB um den Wert der überreste des unreparierten Fahrzeuges inkl. Ausrüstung und Zubehür, wenn diese nicht in das Eigentum der Beklagten übergehen. Der Restwert beträgt gemäss Privatgutachten vom 4. Februar 2018 CHF 31'017.60 per
26. Januar 2018 (act. 3/15 S. 3) und gemäss vom Kläger eingeholten Offerten CHF 18'000.00 per 11. Juli 2022 (act. 26 Ziff. II; act. 27/1). Bei Totalschaden beträgt der gestützt auf die Offerten ermittelte Versicherungsanspruch CHF 95'753.60 (vgl. act. 26 Ziff. II).
Die effektiven Reparaturkosten sind erst nach Durchführung der Reparatur bekannt. Entscheidet sich der Ansprecher für den Ersatz der fiktiven Reparaturkosten, verbleibt das Prognoserisiko bei ihm. Die unbezifferte Forderungsklage ist naturgemäss noch vor der Urteilsfällung zu beziffern. Dem Risiko, dass die effektiven Reparaturkosten höher liegen als im Urteil angenommen, lässt sich durch die unbezifferte Forderungsklage deshalb nicht begegnen.
Die Differenz zwischen Teil- und Totalschaden beträgt maximal CHF 42'654.75. Die unterschiedliche Berechnungsart bei Teil- und Totalschaden ändert nichts am Umstand, dass es sich bei der Aufschiebung der Reparatur um ein Beweisrisiko handelt. Dieses lässt sich mit einem Privatgutachten gut eingrenzen (BREHM, in: Berner Kommentar, a.a.O., N. 77e zu Art. 41 OR). Nach Vorliegen des Urteils spielt das Beweisrisiko ausserdem keine Rolle mehr.
1.2.5. Auf das Hauptrechtsbegehren ist nicht einzutreten.
Klageänderung
Der Kläger stellt ein Eventualrechtsbegehren für den Fall, dass auf die unbezifferte Forderungsklage nicht eingetreten, jedoch ein Gerichtsgutachten erstellt und die Klageänderung nach dessen Erstellung genehmigt wird, und behält sich ein Nachklagerecht vor. Dies begründet der Kläger wiederum mit möglicherweise höheren Reparaturkosten und einem damit verbundenen Wechsel von einem Teilzu einem Totalschaden (act. 1 Ziff. 11.1). Den Entschädigungsanspruch könne er erst beziffern, wenn ein verwertbares Gutachten zu den Reparaturkosten und dem Zeitwert vorliege und die Beklagte zu Allfälligen vertraglichen Abzügen Stellung genommen habe (act. 1 Ziff. 11.2). Der Kläger führt im Wesentlichen dieselben Gründe wie für die unbezifferte Forderungsklage an (Ziffer 1.2.4 oben).
Gemäss Art. 227 Abs. 1 lit. a ZPO ist eine Klageänderung zulässig, wenn der geänderte neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist und mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang steht. Ausserdem müssen auch die übrigen Prozessvoraussetzungen, namentlich die örtliche zuständigkeit, gegeben sein (MIGUEL SOGO/GEORG NAEGELI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kurzkommentar, hrsg. von Paul Oberhammer/Tanja Domej/Ulrich Haas, 3. Aufl. 2021, N. 22 zu Art. 227 ZPO). Eine Klage- änderung liegt vor, wenn entweder ein bis anhin geltend gemachter Rechtsschutzanspruch geändert ein neuer Rechtsschutzanspruch geltend gemacht wird (BGer 5A_390/2017 v. 23.05.2018 E. 2.3.1; 4A_439/2014 v. 16.02.2015 E. 5.4.3.1, in: SZZP 2015 Nr. 1667).
Mit der Replik Erhöht der Kläger sein Subeventualbegehren um CHF 13'017.60, da sich der Restwert zwischen dem 26. Januar 2018 und dem 11. Juli 2022 von CHF 31'017.60 auf CHF 18'000.00 reduziert habe (act. 26 Ziff. II; act. 3/15 S. 3; act. 27/1). Es handelt sich um denselben Anspruch auf Versicherungsleistung wie in der Klage. Die Voraussetzungen einer Klageänderung sind ohne weiteres erfällt.
Nach Eintritt des Aktenschlusses muss die Klageänderung zusätzlich auf neuen Tatsachen Beweismitteln beruhen (Art. 230 Abs. 1 lit. b ZPO; CHRIS-
TOPH LEUENBERGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], hrsg. von Thomas Sutter-Somm/Franz Hasenbühler/Christoph Leuenberger, 3. Aufl. 2016, N. 28 zu Art. 227 ZPO, N. 1b zu Art. 230 ZPO). Die Voraussetzungen zur Geltendmachung neuer Tatsachen Beweismittel nach Aktenschluss, namentlich das Unverzüglichkeitskriterium, sind in Art. 229 Abs. 1 ZPO gesetzlich vorgegeben. Daneben besteht kein Spielraum für die Gewährung einer Möglichkeit zur Klageänderung durch das Gericht.
Art. 231 ZPO sieht vor, dass die Beweisabnahme im Anschluss an die ParteivortRüge stattfindet. Eine vorsorgliche Beweisabnahme i.S.v. Art. 158 ZPO verlangt der Kläger nicht. darüber hinaus besteht keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Abnahme von Beweisen in einem bestimmten Verfahrensstadium. Der prozessuale Antrag des Klägers dient denn auch nicht dem eigentlichen Beweis, sondern der Bezifferung des Anspruchs und der Minderung des mit einem höheren Rechtsbegehren verbundenen zusätzlichen Prozessrisikos. Nach Einleitung des Verfahrens kann das Beweisverfahren jedoch nicht mehr der Abklärung der Prozesschancen dienen.
Eine vorgezogene Beweisabnahme ist aus prozessökonomischen Gründen auch nicht geboten. Solange über den Eintritt des Versicherungsfalls nicht entschieden ist, stellt sich die Frage des Entschädigungsquantitativs nicht. Vielmehr Erhöht sich das Kostenrisiko durch die vorzeitige Erstellung eines Wertgutachtens zusätzlich.
Aus diesen Gründen wurde nach Durchführung der Vergleichsverhandlung mit Verfügung vom 23. Juni 2022 ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet (act. 24). Nach Abschluss des zweiten Schriftenwechsels ist der Aktenschluss eingetreten, worauf die Parteien mit Verfügung vom 10. Januar 2023 hingewiesen worden sind (act. 34). Insofern sind die prozessualen Anträge des Klägers bereits teilweise gegenstandslos geworden.
Die prozessualen Anträge des Klägers auf vorzeitige Erstellung eines Gerichtsgutachtens zu den Reparaturkosten und dem Zeitwert des Unfallfahrzeugs und
auf Bewilligung der Klageänderung sind abzuweisen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden sind.
Weitere Prozessvoraussetzungen
Die weiteren Prozessvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Weiterungen Anlass.
Materielles
Anwendbares Recht
Am 1. Januar 2022 trat die änderung vom 19. Juni 2020 des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 (Versicherungsvertragsgesetz, VVG; SR 221.229.1) in Kraft (AS 2020 4969). Die änderung sieht einzig für die Formvorschriften und das Kündigungsrecht nach den Artikeln 35a und 35b eigene übergangsbestimmungen vor (Art. 103a VVG). Nach allgemeinem Intertemporalrecht gilt der Grundsatz der NichtRückwirkung (Art. 1 Abs. 1 und 2 SchlT ZGB). Die Einreichung der vorliegenden Klage erfolgte noch unter dem alten Recht. sämtliche Tatsachen, welche für die Beurteilung relevant sind, haben sich vor Inkrafttreten des neuen Rechts ereignet. Die Klage ist deshalb nach dem bisherigen Recht zu beurteilen.
Versicherungsvertrag
Der Bestand des Versicherungsvertrags, namentlich über das Kollisionsrisiko mit Zeitwertzuschlag gemäss Police 3 vom 12. Oktober 2017 und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Ausgabe September 2013, ist zwischen den Parteien nicht streitig.
Versicherungsfall
Der Kläger ist für den Eintritt des Versicherungsfalls behauptungs- und beweisbelastet (BGE 130 III 321 E. 3.1 S. 323, E. 3.5 S. 327). Nach der Rechtsprechung ist das Beweismass für den Eintritt des Versicherungsfalls deshalb auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit herabgesetzt (BGE 130 III 321 E. 3.3 S. 325, E. 3.5
S. 327). Dahinter steht die überlegung, dass hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalls typischerweise ein strikter Beweis nach der Natur der Sache nicht möglich nicht zumutbar ist (BGE 130 III 321 E. 3.2 S. 324-325, E. 3.5
S. 327).
Dem Anspruchsgegner steht der Gegenbeweis offen. Der Versicherer kann eine abweichende Sachdarstellung aufzeigen, ist dazu indessen nicht gehalten (BGE 130 III 321 E. 3.4 S. 326 m.Hw.). Das Beweismass des Ansprechers Erhöht sich, wenn weitere Sachverhaltsvarianten ernsthaft in Frage kommen gar wahrscheinlicher erscheinen (BGer 5C.79/2000 v. 08.01.2001 E. 1b/bb).
Die Beschädigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs an der Front ist durch Fotos des Schadens dokumentiert (act. 1 Ziff. 3.3; act. 3/10). Der Kläger behauptet, bei einer Geschwindigkeit von 18 km/h 27.8 km/h wäre der Scha- den am Fahrzeug geringer gewesen (act.1 Ziff. 5.8). Die Beklagte behauptet ge-
stätzt auf die Einschätzung ihrer Schadenexperten N.
und M. , das
Schadensbild passe nicht zur vom Kläger angegebenen Geschwindigkeit von 50 km/h; gestützt auf die Schilderung des Klägers Müssten die Schäden massiv Grösser sein (act. 14 Rz. 9, 24, 41; act. 32 Rz. 26). Als Beweismittel für den entsprechenden Absatz bietet sie das Schreiben der Beklagten an den Kläger vom
15. August 2018 (act. 16/23) sowie die Einvernahme von O. , N. und T. als Zeugen an (act. 14 Rz. 9, 24). Die beiden einschlägigen Absätze enthalten zahlreiche weitere Behauptungen. Auf die Behauptung betreffend das Schadensbild kann sich nur die Einvernahme des Schadenexperten N. beziehen. Zu O. fehlt es an einer einschlägigen Behauptung. Die Frage der Vereinbarkeit eines Schadensbilds mit einer Unfallschilderung kann ohne weiteres zum Gegenstand eines gerichtlichen Gutachtens gemacht werden (Ziffer 2.3.2.3 unt en). Die Einvernahme eines privaten SachVerständigen als Zeugen ist zum Nachweis nicht geeignet. Ein gerichtliches Gutachten zu dieser Frage bietet die Beklagte nicht an (vgl. das Beweismittelverzeichnis vom 9. Januar 2023; act. 33). über die Behauptung der Beklagten ist deshalb kein Beweis abzunehmen.
Zur Behauptung, der Kläger sei mit 50 km/h gefahren, bietet dieser zum Beweis an (act. 1 Ziff. 3.2, 5.1, 5.2, 5.5, 5.6, 5.7, 8.4; act. 26 Ziff. III.1.1, III.1.3,
III.2.4, III.2.6): Rapport der Guarda Nacional Republicana vom 3. Januar 2018 (act. 3/8); ausgedruckte Situationsbilder der Unfallstelle aus Google-Maps (act. 3/9); Protokoll der Beklagten vom 26. Februar 2018 (act. 3/16); E-Mail des damaligen Vertreters des Klägers an die Beklagte vom 1. März 2018 (act. 3/17); E-Mail von U. von der P. GmbH an die Beklagte vom 25. März 2019 (act. 3/24); Aufsatz von PETER STOLLE, Rekonstruktion eines Verkehrsunfalls durch Analyse vernetzter Fahrzeug- und Verkehrssystemdaten, Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 2019, S. 428 (act. 3/25); Schreiben der Beklagten an den Rechtsvertreter des Klägers vom 7. November 2019 (act. 3/26); E-Mail der Be-
klagten vom 19. Februar 2020 (act. 3/27); Schreiben von Dipl.-Ing. V. an
den Rechtsvertreter des Klägers vom 16. Dezember 2019 (act. 3/28); Stellung- nahme von Dipl.-Ing. (FH) W. , AA. Unfallanalyse, vom 13. Juni 2022, insbes. S. 6 f. (act. 27/4); Notiz zum Telefon zwischen dem Rechtsvertreter des
Klägers und Dipl.-Ing. V.
vom 5. November 2020 (act. 27/5); Parteibefra-
gung/Beweisaussage des Klägers; Einvernahme von Dipl.-Ing. AB. und Dr.
AC.
als Zeugen; schriftliche Auskunft von F.
Group und F.
(Schweiz); Gutachten zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit der Speicherung, Auslesung und Interpretation von Diagnosedaten sowie der Bestimmung der Geschwindigkeit.
Die Beklagte bietet zum Gegenbeweis an (act. 14 Rz. 10, 20, 26, 27, 28, 35, 41,
45, 61; act. 32 Rz. 11, 14, 15, 16, 17, 18, 20): Ausdruck aus dem ... von
F. group.com über Q.
(act. 16/2); Ausdruck aus dem ... von
F. group.com mit der für Q. lizenzierten Software (act. 16/3); Schrei-
ben von Q.
über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom 7. Mai 2019
(act. 16/4); Bericht von Q. (undatiert) vom Januar 2022 (act. 16/6); Konferenzpapier von A.C.E. SPEK/K.M. HANGEDOORN/E.J.G. WISSE/F.C.
HOOGENDIJK/J.T.E. RONGEN, Evaluation of BMW's central fault memory as a source for accident data, S. 238-249 (act. 16/7); Edition der Fahrzeugdaten des
Klägers durch F.
(Schweiz) AG; Einvernahme von AD. , Dipl.-Ing.
AB. , O. , T. und N. als Zeugen; Gutachten zur Korrektheit und Verwertbarkeit der Daten und Resultate der Feststellungen von Dipl.-Ing. AB. in der Auswertung vom 7. Mai 2019 und im Bericht vom Januar 2022.
Der Kläger bietet zum Gegengegenbeweis an (act. 1 Ziff. 5.3, 5.4, 5.6, 8.4; act. 26 Ziff. III.2.4): Schreiben von Q. über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom
7. Mai 2019 (act. 16/4); Edition der vollständigen Daten von Q. .
Die Beweismittel beziehen sich auf die Daten aus Fehlerspeichern des streitgegenständlichen Fahrzeugs bzw. die in diesem Zusammenhang erstellten Auswertungsberichte. Vorab ist die Qualifikation und Verwertbarkeit der Daten bzw. Bericht als Beweismittel zu klüren.
Art. 168 Abs. 1 ZPO enthält eine abschliessende Aufzählung der zulüssigen Beweismittel (BGE 141 III 433 E. 2.5.1 S. 436; BGer 4A_85/2017 v. 04.09.2017 E. 2.1; SAMUEL BAUMGARTNER/ANNETTE DOLGE/ALEXANDER R. MAR-
KUS/KARL SP?HLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 10. Aufl. 2018, 10. Kapitel N 141). Zu den Urkunden i.S.v. Art. 168 Abs. 1 lit. b ZPO zählt Art. 177 ZPO Dokumente wie Schriftstücke, Zeichnungen, Pläne, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen, elektronische Dateien und dergleichen, die geeignet sind, rechtserhebliche Tatsachen zu beweisen. Im Gegensatz zum strafrechtlichen Urkundenbegriff ist keine Beweisbestimmung erforderlich (BGer 5A_240/2021 v. 23.03.2022 E. 3.2). Bei elektronischen Urkunden kommt es weder auf das TRügermedium noch auf das Datenformat an (THOMAS WEIBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], hrsg. von Thomas Sutter-Somm/Franz Hasenbühler/Christoph Leuenberger, 3. Aufl. 2016, N. 12 zu Art. 177 ZPO). Der Urkunden- Qualität steht nicht entgegen, dass die Daten nur mit einem technischen Hilfsmittel lesbar und/oder unter Heranziehung eines Gutachters Verständlich sind (WEIBEL, in: Sutter-Somm/Hasenbühler/Leuenberger, a.a.O., N. 9, 10 zu Art. 177 ZPO). Fehlen dem Gericht die erforderlichen Sachkenntnisse zur inhaltlichen Beurteilung einer Urkunde, ist der Beizug einer sachVerständigen Person zulässig (BGer 5A_723/2017 v. 17.12.2018 E. 6.5.5; HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, 2. Aufl. 2016, N. 4 zu Art. 183 ZPO).
Aktuelle Motorfahrzeuge speichern Daten bei verschiedenen Anlässen zu jeweils unterschiedlichen Zwecken. Solche Speicherinhalte fallen unter den Urkundenbegriff von Art. 177 ZPO. Bei Privatfahrzeugen stehen die Daten aus einem Event Data Recorder (EDR) und aus einem Fehlerspeicher im Vordergrund.
Der Event Data Recorder zeichnet bei einem Unfall (Event) für eine kurze Zeit (5 s vor bis 300 ms nach dem Ereignis) Fahrzeugdaten auf; er ist oft im AirbagsteuerGerät untergebracht und kann mit einem speziellen Tool ausgelesen wer- den (vgl. act. 1 Ziff. 5.1; PETER STOLLE, Rekonstruktion eines Verkehrsunfalls durch Analyse vernetzter Fahrzeug- und Verkehrssystemdaten, Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 2019, S. 428, act. 3/25; ANDRÉ BLANC/STEFAN ZU- BER/THOMAS KEUSCH/STEFAN LIECHTI ET AL., Digitale Unfallspuren im Event Data Recorder, Strassenverkehr 2022, 79, S. 83-85). Die meisten Fahrzeughersteller stellen dabei auf ein standardisiertes Crash Data Retrieval ab (BLANC/ZUBER/KEUSCH/LIECHTI ET AL., Strassenverkehr 2022, 79, S. 80). Aus der E-Mail der P. GmbH vom 25. März 2019 und dem Bericht der Q. vom Januar 2022 ergibt sich, dass das Airbag-SteuerGerät des streitgegenständlichen Fahrzeugs keine EDR-Daten enthält (act. 1 Ziff. 4.2, 5.2, 5.6; act. 26 Ziff. III.2.3; act. 3/24; act. 16/6). Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt somit über kei- nen EDR-Recorder dieser war für den europäische Markt deaktiviert (act. 3/24).
Fehlerspeicher-Daten sind von EDR-Daten zu unterscheiden. Ein Fehlerspeicher zeichnet bei einem Ereignis (Fehler) einen Diagnosefehlercode (sog. Diagnostic Trouble Code; DTC) zusammen mit bestimmten Randbedingungen wie Motor- und Geschwindigkeitsdaten auf (sog. Freeze Frame Data; vgl. STOLLE, a.a.O.,
S. 428-429, act. 3/25), z.B. bei der Beschädigung einer Beleuchtungseinheit bei der Auslösung des Airbag. Seit 2008/2010 verfügen BMW-Fahrzeuge, darunter auch das streitgegenständliche Fahrzeug, neben dem lokalen auch über einen Zentralen Fehler Speicher (ZFS), an welchen die SteuerGeräte einem Ereignis ei- ne Fehlermeldung bestehend aus Modul-ID, Diagnosefehlercode (DTC) und Zeitstempel übermitteln; der Zentrale Fehlerspeicher legt diese zusammen mit 26 Umweltbedingungen mit demselben Zeitstempel ab; zu dessen Auslesung stellt der Hersteller eine als Integrated Service Technical Application (ISTA) bezeichnete Anwendung zur Verfügung (A.C.E. SPEK/K.M. HANGEDOORN/E.J.G. WIS-
SE/F.C. HOOGENDIJK/J.T.E. RONGEN, Evaluation of BMW's central fault memory as a source for accident data, S. 240, act. 16/7). Diese speichert die ausgelesenen Werte in einer lokalen Datei im XML-Format (SPEK ET AL., a.a.O., S. 241-242). während die Programmoberfläche jeweils nur 8 Werte anzeigt, enthält die XML- Datei sämtliche 26 Umweltwerte (SPEK ET AL., a.a.O., S. 243-244).
Gemäss Darstellung der Beklagten stammen die von Dipl.-Ing. AB. ausgelesenen Daten, welche dem Schreiben vom 7. Mai 2019 zugrunde liegen, aus den einzelnen Steuereinheiten (act. 32 Rz. 17, 20). Darauf weisen auch verschiedene Umstände hin: Nach einer erfolgreichen ZFS-Auslesung mit ISTA wird der ZFS gelöscht; dieser lässt sich anschliessend durch Ziehen einer Speicherkopie (sog. Memory Dump) rekonstruieren, soweit der Speicher noch nicht überschrieben worden ist (SPEK ET AL., a.a.O., S. 240, 241, act. 16/7). Darauf weist die Beklagte hin, wenn sie behauptet, die Erstbzw. Primürauslesung bei F. (Schweiz) AG würden die gesamten Informationen enthalten (act. 14 Rz. 25, 31; act. 32 Rz. 17, 20), die später vorgenommenen Auslesungen lediglich noch die Daten, die aus den einzeln ausgewöhlten Steuereinheiten auslesbar seien (act. 14 Rz. 32; act. 32 Rz. 17). Die Daten mussten über ein funktionierendes Bordnetz ausgelesen werden (act. 14 Rz. 12, 13, 30). Dem Kläger und Dipl.-Ing. (FH) W. , AA. Unfallanalyse, welcher im Auftrag des Klägers die Stellung- nahme vom 13. Juni 2022 verfasste, lag der 172-seitige Ausdruck der Datei
K322914I.TXT von Q.
vor (act. 26 Ziff. III.2.5; act. 27/4 S. 7-11). Dabei
scheint es sich um eine Kopie der ausgelesenen Daten zu handeln. gegenüber der von ISTA produzierten XML-Datei liegt ein anderes Dateiformat vor, und die Datei enthält auch weniger andere Umweltbedingungen, so insbesondere nur einen Geschwindigkeitswert anstelle der von ISTA gelieferten Minimum- und Maximumwerte (act. 26 Ziff. III.2.4; act. 27/4 S. 7-8).
darüber hinaus bleibt nach den Ausführungen von Dipl.-Ing. AB.
unklar,
aus welchem Speicher in den jeweiligen SteuerGeräten die Daten stammen. Nach einer ersten Auslesung scheint an sich naheliegend, für weitere Auswertungen ei- ne Kopie des ZFS zu ziehen. Aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich kei- ne Anhaltspunkte für eine solche Kopie. Deshalb könnten die lokalen Fehlerspeicher ausgelesen worden sein. Gemäss E-Mail von O.
vom 19. Februar
2020 stammen die Daten jedoch nicht aus dem Fehlerspeicher, sondern aus dem Shadow Speicher, der mit konventionellen Diagnosetools nicht zu lesen sei (act. 1 Ziff. 5.7; act. 3/27). Es lässt sich deshalb nicht bestimmen, worauf sich Dipl.-Ing.
AB.
stätzt. Jedenfalls handelt es sich nicht um die Daten, welche bei
F. (Schweiz) AG ausgelesen worden sind.
Die Verfügbaren Urkunden, welche als Beweismittel dienen sollen, sind mit der Klage zusammen als Beilage einzureichen (Art. 221 Abs. 2 lit. c ZPO). Die
Beklagte reicht lediglich das Schreiben von Q.
über Auswertung Daten
BMW F82 M4 2 vom 7. Mai 2019 (act. 16/4), welches weder den von Dipl.-Ing.
(FH) W.
referenzierten noch einen anderen Anhang enthält, und den Bericht von Q. (undatiert) vom Januar 2022 (act. 16/6) ein. So muss auch die Beweisofferte Auslesung Daten Pro Cartech vom 7. Mai 2019 / Beilage (act. 14 Rz. 20) verstanden werden, denn weiter offeriert die Beklagte lediglich die Einver- nahme von Dipl.-Ing. AB. als sachVerständigen Zeugen (act. 32 Rz. 17, 20).
Der Kläger hingegen bietet die vollständigen Daten von Q.
lediglich subsidiür als Gegengegenbeweis an, falls das Schreiben vom 7. Mai 2019 verwertbar ist (act. 26 Ziff. III.2.4). Demnach sind die von Dipl.-Ing. AB. ausgelesenen Daten, welche dem Schreiben vom 7. Mai 2019 zugrunde liegen, nicht als Beweismittel angeboten. Schliesslich hätte die Beklagte bei einer Urkunde von 172 Seiten die relevanten Stellen zu bezeichnen (Art. 180 Abs. 2 ZPO).
Bei den von F. (Schweiz) AG ausgelesenen Daten könnte es sich um die Daten aus dem ZFS handeln, doch spezifiziert die Beklagte ihren Beweisantrag nicht weiter. Die Beklagte stellt die folgende Beweisofferte: Edition der Fahr-
zeugdaten des Klägers durch F.
(Schweiz) AG, L. -strasse ...,
K. (act. 14 Rz. 10) bzw. Edition Ausgelesene Daten von F. (Schweiz) AG (act. 14 Rz. 25; act. 32 Rz. 11, 15, 16). Ein Editionsantrag i.S.v. Art. 160 Abs. 1 lit. b ZPO muss hinreichend bestimmt sein, damit die editionspflichtige Person genau weiss, welche Unterlagen sie herauszugeben hat (BGE
143 III 297 E. 8.2.5.5 S. 328-329; FRANZ HASENB?-HLER, in: Kommentar zur
Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], hrsg. von Thomas SutterSomm/Franz Hasenbühler/Christoph Leuenberger, 3. Aufl. 2016, N. 13 zu Art. 160 ZPO). Der Editionsantrag der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Die Beklagte nennt weder eine Referenz-Nummer noch das Datum der Datenauslesung. Dem Editionsantrag ist nicht zu entnehmen, um welche Datei es sich handelt und ob diese rohe bearbeitete Daten enthält, etwa im Sinne ei- nes (elektronischen) Ausdrucks. Die behaupteten Ergebnisse der Auslesung einer Geschwindigkeit von 27.8 km/h und einer Motorendrehzahl von 951 U/min sind ebenfalls nicht sachdienlich, lassen diese doch nicht auf ein bestimmtes Programm eine bestimmte Darstellung schliessen.
Weiter ist die Begründung des Editionsantrags fraglich. Zu dessen Begründung behauptet die Beklagte, die Daten seien bei F. gespeichert worden, diese würden jedoch eine Herausgabe der Daten aufgrund des Datenschutzes verweigern (act. 14 Rz. 10). Der Kläger hat mit Vollmacht vom 17. Mai 2018 die Einwilligung zur Datenbeschaffung bei F. erteilt (act. 1 Ziff. 8.2; act. 26 Ziff. IX zu RN 29; act. 3/22). Obwohl die Beklagte geltend macht, die Auswertungsdaten bei
F.
in schriftlicher Form eingefordert zu haben (act. 14 Rz. 10), ist die behauptete Weigerung durch F. weder dokumentiert noch naheliegend. Verfügbare Urkunden sind mit der Klage zusammen als Beilage einzureichen (Art. 221 Abs. 2 lit. c ZPO). Die Beklagte reicht weder ihre Anfrage noch die Antwort zu den Akten. Schliesslich ist zu bezweifeln, dass die Daten nach über fänf Jahren noch abgespeichert sind.
Aus den genannten Gründen ist der Edition nicht stattzugeben.
Im Zusammenhang mit den Daten aus den Fehlerspeichern verbleiben als Beweismittel das Schreiben von Q. über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom 7. Mai 2019 (act. 16/4), Ergänzt durch den Bericht von Q. (undatiert) vom Januar 2022 (act. 16/6). möglich ist die Qualifikation als Gutachten als Urkunde (vgl. BGE 141 III 433 E. 2.5.2 und 2.5.3 S. 436-437). Bei entsprechendem Antrag der Partei stellt sich die Frage einer Einvernahme der mit der Auswertung befassten Personen als (sog. sachVerständigen) Zeugen.
Nach dem bisherigen Recht handelt es sich bei Privatgutachten um blosse Parteibehauptungen (BGE 141 III 433 E. 2.6 S. 437-438; BGer 4A_410/2021 v.
13.12.2021 E. 3.2; 4A_9/2018 v. 31.10.2018 E. 5.2.2). Für die Abgrenzung ist entscheidend, ob die Fragen in gleicher Weise zum Gegenstand eines Gerichtsgutachtens gemacht werden könnten (BGer 4A_26/2019 v. 24.07.2019 E. 3.4.1; 4A_66/2018 v. 15.05.2019 E. 2.2). Der Gutachter hat über allgemein und jederzeit zugängliche Erfahrungstatsachen Auskunft zu geben (BGer 4A_309/2017 v. 26.03.2018 E. 2.3.6; 4A_85/2017 v. 04.09.2017 E. 2.2.1; 4P.248/2006 v.
08.01.2007 E. 2.6). Die sachVerständige Person ist ersetzbar und wird vom Gericht bestimmt (BGer 4A_66/2018 v. 15.05.2019 E. 2.2; 4A_9/2018 v. 31.10.2018 E. 5.4.3; 4A_309/2017 v. 26.03.2018 E. 2.3.6; 4A_85/2017 v. 04.09.2017 E. 2.2.1;
4P.248/2006 v. 08.01.2007 E. 2.6.1). Demgegenüber kann eine Person nur über solche Tatsachen Zeugnis ablegen, welche sie unmittelbar wahrgenommen hat (Art. 169 ZPO). Eine von den Parteien eingesetzte sachVerständige Person kann deshalb nur insoweit Zeugnis ablegen, als sie im Zusammenhang mit ihrer privatgutachterlichen tätigkeit Wahrnehmungen gemacht hat, welche später nicht mehr möglich sind (OGer ZH LB160009 v. 17.06.2016, ZR 115 [2016] Nr. 45 E. 3.6.2
S. 194-195; THOMAS WEIBEL/CLAUDIA WALZ, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], hrsg. von Thomas Sutter-Somm/Franz Hasenbühler/Christoph Leuenberger, 3. Aufl. 2016, N. 8 zu Art. 175 ZPO). Bei Urkunden sind entsprechend die Absichtsvon den Zufallsurkunden abzugrenzen (vgl. WEI- BEL, in: Sutter-Somm/Hasenbühler/Leuenberger, a.a.O., N. 15 zu Art. 177 ZPO). Soweit diese auf eigener Wahrnehmung beruhen, können sie nicht in gleicher Weise zum Gegenstand eines Gerichtsgutachtens gemacht werden, weshalb ihnen Beweismitteleignung zukommt (BGer 4A_9/2018 v. 31.10.2018 E. 5.3). Solche schriftlichen Aufzeichnungen fallen deshalb unter den Urkundenbegriff von Art. 177 ZPO. Hingegen gilt dies nicht für darin enthaltene Schlüsse; diese stellen wiederum lediglich Parteibehauptungen dar, da sie in gleicher Weise zum Gegenstand eines Gerichtsgutachtens gemacht werden können (BGer 4A_66/2018 v. 15.05.2019 E. 2.6.1; 4A_601/2018 v. 13.03.2019 E. 4.1.3; 4A_9/2018 v.
31.10.2018 E. 5.3).
Im Gegensatz zu den Speicherdaten, welche die SteuerGeräte echtzeitlich zur Fehleranalyse aufzeichnen, handelt es sich bei den eingereichten Berichten nicht um Zufalls-, sondern um Absichtsurkunden, die im Hinblick auf die Schadensregulierung erstellt wurden. Sie fallen deshalb nicht unter den Urkundenbegriff von Art. 177 ZPO.
Der Kläger hat der Datenauslesung durch Dipl.-Ing. AB. im Nachgang zur Schlichtungsverhandlung vom 3. April 2019 zugestimmt. An der fehlenden BeweismittelQualität ändert dies indessen nichts. Allein aufgrund des gemeinsamen Auftrags erlangt das Privatgutachten keinen mit dem Gerichtsgutachten vergleichbaren Beweiswert (VerwGer BE 100.2010.493 v. 14.11.2011, BVR 2012, 252, E. 3.4.4). Gemäss Art. 183 Abs. 1 ZPO wird ein Gutachten stets durch das Gericht eingeholt. Die ältere Rechtsprechung, gemäss welcher einem von den Parteien gemeinsam in Auftrag gegebenen Gutachten eine Erhöhte Beweiskraft zukomme (BGE 86 II 129 E. 3 S. 134), ist angesichts der gesetzlichen Bestimmungen überholt. Deshalb änderte eine Allfällige Zustimmung des Klägers nichts an der Qualifikation als Privatgutachten.
Bei dem Schreiben von Q.
über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom
7. Mai 2019 (act. 16/4) und dem Bericht von Q.
(undatiert) vom Januar
2022 (act. 16/6) handelt es sich somit um Privatgutachten. Die Qualifikation lässt sich auch nicht mit einer Einvernahme des Verfassers als sachVerständigen Zeugen beseitigen. Von einer solchen ist deshalb abzusehen.
Unbeschadet der fehlenden BeweismittelQualität ist auf Privatgutachten Art. 152 Abs. 2 ZPO anwendbar (BGer 4A_9/2018 v. 31.10.2018 E. 5.4.3).
Aus Art. 152 Abs. 2 ZPO ergibt sich, dass grundsätzlich nur rechtmässig erlangte Beweismittel zulässig sind. Widerrechtlich ist ein Beweismittel, welches in Verletzung materiellen Rechts erlangt worden ist (BGE 140 III 6 E. 3.1 S. 8 = Pra 103 [2014] Nr. 81; BGer 4A_633/2020 v. 24.06.2021 E. 2.1.1). Das Vorliegen einer Beschaffungshandlung i.S.v. Art. 152 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass die Handlung sowohl kausale Ursache für die mögliche BeRücksichtigung im Zivilprozess als auch auf diesen Erfolg gerichtet ist (BGer 4A_633/2020 v. 24.06.2021
E. 2.1.2). Auf die Einreichung der Daten im Zivilprozess an sich findet die Datenschutzgesetzgebung gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. c aDSG keine Anwendung (ArbGer ZH v. 19.11.1998, ZR 99 [2000] Nr. 79 S. 208).
Am 1. September 2023 ist das Bundesgesetz über den Datenschutz vom
25. September 2020 in Kraft getreten (AS 2022 491). Für die Datenauslesung ist noch das bisherige Datenschutzgesetz vom 19. Juni 1991 massgebend (aDSG; AS 1993 1945). In diesem Zusammenhang ist zwischen der Aufzeichnung und der Auslesung der Daten zu unterscheiden. Die Aufzeichnung erfolgt nicht zur Be- Rücksichtigung in einem Zivilprozess, sondern zur Fehleranalyse. Darin liegt keine Beschaffungshandlung. Ausserdem bezieht sich diese nicht auf eine Person, sondern auf ein Fahrzeug, weshalb keine Personendaten i.S.v. Art. 3 lit. a aDSG vorliegen. Dies unterscheidet die Daten auf einem Fehlerspeicher von einer Videoaufzeichnung, auf welcher Personen zu erkennen sind. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Umweltdaten in einem Fehlerspeicher mit einem Diagnosefehlercode und einem Zeitstempel verknüpft sind. Die Datenaufzeichnung erfolgt nur in Verknüpfung mit einem bestimmten Fehlerereignis und bildet dementsprechend nur einen bestimmten Zeitpunkt ab. Durch die Auslesung der Daten zwecks Rekonstruktion eines Unfallereignisses werden die Daten allerdings mit einer bestimmten bestimmbaren Person verknüpft. Diese Daten unterliegen deshalb der Datenschutzgesetzgebung (Art. 2 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 3 lit. a aDSG).
Die Datenbearbeitung ist zulässig mit Einwilligung der betroffenen Person (Art. 13 Abs. 1 aDSG). Gemäss Art. 39 Abs. 1 VVG trifft den Anspruchsberechtigten eine gesetzliche Auskunftsobliegenheit. Dabei hat er auch über Umstände Auskunft zu erteilen, welche sich für ihn nachteilig auswirken können (HANS-ULRICH BRUNNER, in: Versicherungsvertragsgesetz, Basler Kommentar, hrsg. von Pascal Grolimund/Leander D. Loacker,/Anton K. Schnyder, 2. Aufl. 2023, N. 21 zu Art. 39 VVG). Der Versicherungsvertrag kann zudem verfügen, dass der Anspruchsberechtigte bestimmte Belege, deren Beschaffung ihm ohne erhebliche Kosten möglich ist, beizubringen hat (Art. 39 Abs. 2 Ziff. 1 VVG). Die Erstellung von Zeugnissen und Fachgutachten durch SachVerständige fällt in der Regel nicht darunter
(BRUNNER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 29 zu Art. 39 VVG). darüber hinaus kann der Versicherungsvertrag auch vertragliche Mitwirkungsobliegenheiten beinhalten (BRUNNER , in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 30 zu Art. 39 VVG). Die Beklagte legt jedoch nicht dar, und es ist aus den AVB auch nicht ersichtlich, inwiefern den Anspruchsberechtigten eine Aufklürungsobliegenheit trifft, in deren Rahmen er dazu verpflichtet wäre, elektronische Aufzeichnungen herauszugeben (vgl. demgegenüber E.1.1.3 fänfter Spiegelstrich [deutsche] AKB 2015; OLG Köln, Beschl. v. 08.07.2020 9 U 111/20, N 7, 8, abrufbar unter < www.nrwe.de >). Der Kläger kann jedoch seine Einwilligung freiwillig erteilen.
Mit Vollmacht vom 17. Mai 2018 hat der Kläger der Beklagten u.a. folgendes Ein- Verständnis erteilt: Im Weiteren ermöchtigt der Unterzeichnende die B. [,] die unfallspezifischen elektronischen Fahrzeugdaten (SteuerGerät, Schattendaten)
bei F.
einzufordern und entsprechend auszuwerten. (act. 1 Ziff. 3.9, 4.1;
act. 14 Rz. 9, 24; act. 3/22). Die Einwilligung beschränkte sich nicht auf EDR- Daten. Der (vorliegend prozessual nicht mehr relevanten) Datenauslesung durch F. (Schweiz) AG lag eine Einwilligung zugrunde. Die Datenauslesung durch Dipl.-Ing. AB. beruhte auf einer nach der Schlichtungsverhandlung getroffe- nen Vereinbarung der Parteien. Auch wenn es sich nicht um EDR-Daten handelte, ist diesen eine gewisse Beweiseignung nicht von vorneherein abzusprechen.
Gemäss Art. 4 Abs. 5 Satz 1 aDSG setzt die wirksame Einwilligung voraus, dass sie nach angemessener Information freiwillig erfolgt. Aus der Vollmacht vom
17. Mai 2018 ist ersichtlich, dass die Datenbearbeitung der Abwicklung des angemeldeten Schadens dient (act. 3/22). Das Interesse des Klägers liegt daran, durch die Einwilligung zur Datenbearbeitung die Schadenserledigung zu beschleunigen. Indem er die Daten freiwillig zur Verfügung stellt, vermeidet er ein langwieriges gerichtliches Verfahren, in dessen Rahmen er die Daten allenfalls edieren muss. Ein wirtschaftlicher Nachteil, welcher mit der Verweigerung der Zustimmung verbunden ist, steht der Freiwilligkeit der Einwilligung nicht entgegen (BRUNO BAERISWYL, in: Datenschutzgesetz [DSG], Stämpflis Handkommentar, hrsg. von Bruno Baeriswyl/Kurt Pürli, 2015, N. 66 zu Art. 4 aDSG), solange dieser nicht unverhältnismässig ist (URS MAURER-LAMBROU/ANDREA STEINER, in: Datenschutzgesetz, ?-ffentlichkeitsgesetz, hrsg von Urs Maurer-Lambrou/Gabor P. Blechta, 3. Aufl. 2014, N. 16f zu Art. 4 DSG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Die Datenbearbeitung kann auch bei einem überwiegenden privaten öffentlichen Interesse gerechtfertigt sein (Art. 13 Abs. 1 aDSG), namentlich zur Bearbeitung von Personendaten über einen Vertragspartner in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss der Abwicklung eines Vertrags (Art. 13 Abs. 2 lit. a aDSG). Es besteht ein Interesse der Versicherung und der Versichertengemeinschaft, nicht zu Unrecht Leistungen erbringen zu müssen (BGE 136 III 410
E. 4.1 S. 416). Die Datenbeschaffung muss aufgrund bestimmter Anhaltpunkte objektiv geboten sein (BGE 136 III 410 E. 4.2.1 S. 417). Die streitgegenständliche Kollision weist einige Umstände auf, welche Versicherungen üblicherweise zu näheren Untersuchungen veranlassen, so den ausländischen Ereignisort, das Fehlen von Zeugen und die hohe Kilometerzahl des Fahrzeugs. Inwiefern das Kollisionsbild nicht zur Schilderung des Klägers passt, lässt sich ohne sachVerständige Hilfe nicht beurteilen. Die geschilderten Umstände begründen jedoch ein hinreichendes Interesse der Beklagten an einer näheren Untersuchung. Der Eingriff in das persönlichkeitsrecht des Klägers war demgegenüber von überschaubarer Tragweite, jedenfalls soweit sich die ausgelesenen Aufzeichnungen auf Geschwindigkeit und Fahrverhalten des Klägers kurz vor, während und kurz nach dem Ereignis beschränken (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 08.07.2020 9 U 111/20, N 10, abrufbar unter
Beim Schreiben vom 7. Mai 2019 und dem Bericht vom Januar 2022 handelt es sich nicht um unrechtmässig beschaffte Beweismittel i.S.v. Art. 152 Abs. 2 ZPO.
Trotz fehlender BeweismittelQualität sind Privatgutachten nicht gänzlich unbeachtlich. In der Regel stellen sie besonders substantiierte Parteibehauptungen dar (BGE 148 III 409 E. 4.5.1 S. 410-411; BGE 141 III 433 E. 2.6 S. 438;
BGer 4A_412/2019 v. 27.04.2020 E. 4.2.2.1). Deshalb vermögen sie allenfalls zusammen mit durch Beweismittel nachgewiesenen Indizien den Beweis zu erbringen (BGE 141 III 433 E. 2.6 S. 438; BGer 4A_439/2021 v. 25.01.2022
E. 5.2; 4A_410/2021 v. 13.12.2021 E. 3.2 [franz.]; 5A_1040/2020 v. 08.06.2021
E. 3.1.2 [franz.]; 4A_247/2020 v. 07.12.2020 E. 4.1; 4A_9/2018 v. 31.10.2018
E. 5.2.2; 4A_409/2017 v. 17.01.2018 E. 3.3). In diesem Zusammenhang liegen das Schreiben von Q. über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom 7. Mai 2019 (act. 16/4), Ergänzt durch den Bericht von Q. (undatiert) vom Januar 2022 (act. 16/6), sowie die im Auftrag des Klägers verfasste Stellungnahme von Dipl.-Ing. (FH) W. , AA. Unfallanalyse, vom 13. Juni 2022 (act. 27/5) vor.
Die Autoren der von Q. und der Beklagten genannten Publikation von SPEK ET AL. dokumentieren die Ergebnisse einer Auslesung des ZFS durch PDF- Ausdrucke der Fahrzeugdetail-Seite, der SteuerGeräteliste, der Fehlerliste und des Vorgangsprotokolls, Bildschirmfotos des SteuerGerätebaums und der Detailsowie Systemkontextansicht unfallbezogener Fehler; zudem kopieren sie die bei der Auslesung lokal erstellten Dateien einschliesslich der XML-Datei mit den Transaktionen (SPEK ET AL., a.a.O., S. 244-245; act. 27/4 S. 5-6). Es ist offensichtlich, dass das Schreiben vom 7. Mai 2019 diesen Anforderungen nicht entspricht. Da es sich nicht um mit der ISTA-Applikation ausgelesene Daten des ZFS han- delt, ist dies ohne weiteres erklürbar. Auch unter BeRücksichtigung dieses Umstands bleibt festzustellen, dass die Dokumentation deutliche Lücken aufweist. Zudem reicht die Beklagte diese nicht vollständig ein; namentlich fehlt die Datei K322914I.TXT, welche offenbar die vollständigen ausgelesenen Werte enthält, sowie das im Bericht vom Januar 2022 referenzierte F. -interne Dokument über den Nachrichtenkatalog des L7-Bordnetzes. Die vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit ist unter diesen Umständen nicht gegeben.
Die Beklagte stellt auf den Zeitpunkt des Aufpralls des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf die Mauer ab (act. 14 Rz. 33).
Gemäss Schreiben vom 7. Mai 2019 habe das MotorsteuerGerät bei der Umweltzeit 56'128'865 s eine Crash-Botschaft gespeichert. Dabei bleibt unklar, ob die Crash-Botschaft vom MotorsteuerGerät vom AirbagsteuerGerät stammt und worauf sich die FehlereintRüge der anderen SteuerGeräte bei derselben Umweltzeit beziehen. Die Stellungnahme vom 13. Juni 2022, welche sich auf den im vorliegenden Verfahren nicht eingereichten Ausdruck der Datei K322914I.TXT von
Q.
bezieht, stellt dazu fest, dass der Eintrag der Spurwechselwarnung
durch einen Signalfehler der Giergeschwindigkeit veranlasst worden ist (act. 27/4
S. 9). Damit liegen bei derselben Umweltzeit bereits mindestens zwei unterschiedliche Ereignisse vor, welche zu EintRügen in den Fehlerspeichern führen.
Die Spurwechselwarnung, das längs- und Querdynamik Management und die Dynamische Stabilitätskontrolle liefern für diese Umweltzeit unterschiedliche Geschwindigkeitsanzeigen von 20.02 km/h, 18.00 km/h und 13.00 km/h. Die Stellungnahme vom 13. Juni 2022 stellt zudem fest, dass die Geschwindigkeitswerte in der Datei K322914I.TXT, welche der Auswertung von Q. zugrunde liegt, mit unterschiedlichen Bezeichnungen referenziert sind (act. 27/4 S. 9-10). Die unterschiedlichen Werte lassen sich lediglich damit erklären, dass die verschiede- nen SteuerGeräte auf unterschiedliche Fehlermeldungen abstellen, ihre Geschwindigkeitswerte von unterschiedlichen MessGeräten beziehen durch Latenzzeiten auf unterschiedliche Zeitpunkte abstellen.
Gemäss Schreiben vom 7. Mai 2019 habe das MotorsteuerGerät bei der Umweltzeit 56'128'866 s eine Check-Control-Meldung und eine Umweltgeschwindigkeit Fahrzeuggeschwindigkeit von 1.25 km/h gespeichert. Die Spurwechselwarnung liefert für diese Umweltzeit zwei unterschiedliche Geschwindigkeitswerte von
6.00 km/h und 1.30 km/h. Der Bericht vom Januar 2022 kommt aufgrund des Nachrichtenkatalogs des L7-Bordnetz zum Schluss, die Latenzzeit sei eher sehr kurz. Den entsprechenden Nachrichtenkatalog reicht die Beklagte nicht ein. Aus den divergierenden Geschwindigkeitsangaben lässt sich gleichwohl schliessen, dass das Fahrzeug abrupt praktisch zum Stillstand gekommen sein muss.
Die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zum Stillstand gekommen ist, entspricht dem unstreitigen Sachverhalt, wonach das Fahrzeug mit der Mauer am Strassenrand kollidiert ist. Die vorliegenden Daten sprechen deshalb nicht gegen die Darstellung des Klägers. darüber hinaus lassen sich keine ein- deutigen Schlüsse ziehen.
Gemäss Schreiben vom 7. Mai 2019 habe das längs- und Querdynamik Ma- nagement bei der Umweltzeit 56'128'865 s eine längsbeschleunigung von
4.10 m/s2 gespeichert. Liegt die Geschwindigkeit bei der Umweltzeit 56'128'865 s bei 13.00 km/h und 20.02 km/h bei einer Beschleunigung von 4.10 m/s2, wäre ei- ne Sekunde später bei der Umweltzeit 56'128'866 s nicht eine geringere Geschwindigkeit zwischen 1.25 km/h und 6.00 km/h zu erwarten. Die geringere Geschwindigkeit lässt sich nur mit einer abrupten Bremsung durch den Aufprall auf die Mauer erklären. Dabei wäre jedoch vielmehr eine Geschwindigkeit von
0.00 km/h zutreffend. Die Crash-Botschaft korreliert zudem mit der längsbeschleunigung von 4.10 m/s2 und der Geschwindigkeit zwischen 13.00 km/h und
20.02 km/h bei der Umweltzeit 56'128'865 s, nicht mit der Geschwindigkeit zwischen 1.25 km/h und 6.00 km/h bei der Umweltzeit 56'128'866 s. Deshalb ist die Möglichkeit einer verzügerten Aufzeichnung nicht unrealistisch. Für eine Abschätzung der Geschwindigkeitsdynamik sind die Momentaufnahmen ausserdem zu knapp. EDR liefern deshalb die Geschwindigkeitswerte für fänf Sekunden vor dem Aufprall.
Gemäss Schreiben vom 7. Mai 2019 habe das MotorsteuerGerät bei der Umweltzeit 56'128'866 s die Schaltstellung im 2. Gang gespeichert. Bei einem Motorfahrzeug von der Klasse des streitgegenständlichen Fahrzeugs erscheint dieser Wert angesichts der eher unübersichtlichen Strassenverhältnisse als plausibel. Die
nicht dokumentierte Auslesung bei F.
(Schweiz) AG soll ferner gemäss
Darstellung der Beklagten eine Motorendrehzahl von 951 U/min ergeben haben. Bei der Frage, ob sich die Motorendrehzahl damit nahezu im Leerlaufbereich (act. 14 Rz. 28) knapp über der Leerlaufdrehzahl (act. 32 Rz. 20) befunden habe, handelt es sich um semantische Feinheiten, die zur vorhandenen Daten- Qualität in keinem Verhältnis stehen. Soll das streitgegenständliche Fahrzeug vor dem Unfall noch beschleunigt haben, kann es sich jedenfalls um keine starke Beschleunigung gehandelt haben.
Am 17. März 2023 wurde die änderung der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung) verabschiedet, welche am 1. Januar 2025 in Kraft treten wird (AS 2023 491). Die Legaldefinition der Urkunde in nArt. 177 ZPO wird könftig folgendermassen lauten: Als Urkunden gelten Dokumente, die geeignet sind, rechtserhebliche Tatsachen zu beweisen, wie Schriftstücke, Zeichnungen, Pläne, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen, elektronische Dateien und dergleichen sowie private Gutachten der Parteien. Gemäss nArt. 407f ZPO wird die Bestimmung auch auf rechtshängige Verfahren Anwendung finden.
Nach dem neuen Recht kommt die Rechtsprechung zu sog. Zeugnisurkunden zur Anwendung. Demgemäss wird das Privatgutachten vom Urkundenbegriff gemäss Art. 177 ZPO erfasst, sein Beweiswert ist jedoch begrenzt; es kann ein gerichtliches Gutachten nicht ersetzen (vgl. BGer 5A_907/2020 v. 30.03.2021 E. 2.4.1). Im konkreten Fall sind wie bei einem gerichtlichen Gutachten die vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und schlüssigkeit der privatgutachterlichen Ausführungen von entscheidender Bedeutung (WEIBEL , in: Sutter-Somm/Hasenbühler/Leuenberger, a.a.O., N. 6 zu Art. 187 ZPO). Somit kann grundsätzlich auf die vorstehenden Vorbehalte zu den Daten Bezug genommen werden (Ziffer 2.3.2.5 oben).
Die Literatur weist darauf hin, dass die Verwendung von Fehlerspeicher-Daten und EDR-Daten im Zusammenhang mit weiteren Datenquellen zu sehen ist (STOLLE, a.a.O., S. 436, act. 3/25). Selbst EDR-Daten bedürfen einer sachverstündigen Interpretation und einer PlausibilitätsPrüfung anhand des Gesamtspurenbilds (BLANC/ZUBER/KEUSCH/LIECHTI ET AL ., Strassenverkehr 2022, 79, S. 88). Deshalb ist es nicht zielführend, einfach die Daten und Resultate im Schreiben vom 7. Mai 2019 und im Bericht vom Januar 2022 auf ihre Korrektheit und Verwertbarkeit zu überprüfen. Erst recht kann nicht einfach auf diese abgestellt wer- den, wie dies die Beklagte vertritt (act. 32 Rz. 14). Ein unfallanalytisches Gutachten bietet die Beklagte nicht als Beweismittel an (Ziffer 2.3.1 oben).
Die angebotenen Zeugen sollen lediglich über die Auslesung der Daten aussagen. Zum Unfallgeschehen haben sie keine eigenen Wahrnehmungen gemacht. Von einer Einvernahme sind deshalb keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten.
Gemäss dem Protokoll der Beklagten vom 26. Februar 2018 sagte der Kläger in der Befragung am Nämlichen Datum auf die Frage, wie schnell er in etwa gefahren sei, als sich die Kollision passiert sei: Ich würde sagen 50 km/h
[nachträglich gestrichen: zwischen 50-55 km/h]. An jener Stelle sind 50 km/h erlaubt. Die Mauer[,] mit welcher ich kollidiert bin, war ca. 2,5 Meter hoch. (act. 3/16 Frage 11). Der Kläger kann die gefahrene Geschwindigkeit somit nicht mit letzter Sicherheit angeben. Bei der Aussage dürfte auch die erlaubte Höchstgeschwindigkeit einen Orientierungspunkt dargestellt haben. Insofern sind die Angaben allenfalls zu relativieren. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Schilderungen über den Versicherungsfall unzutreffend sind.
Eine Kollisionsgeschwindigkeit von (annähernd) 50 km/h erscheint als überwiegend wahrscheinlich.
Zur Behauptung, dem Kläger sei ein Fahrzeug auf seiner Fahrbahn entgegen gekommen, bietet dieser zum Beweis an (act. 1 Ziff. 3.2; act. 26 Ziff. V.5.2, V. 5.3): Rapport der Guarda Nacional Republicana vom 3. Januar 2018 (act. 3/8); ausgedruckte Situationsbilder der Unfallstelle aus Google-Maps (act. 3/9); Protokoll der Beklagten vom 26. Februar 2018 (act. 3/16).
Die Beklagte bietet zum Gegenbeweis an (act. 14 Rz. 16, 20, 23; act. 32 Rz. 23): Schreiben von Q. über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom 7. Mai 2019 (act. 16/4); Videos und Fotos des Klägers aus sozialen Medien (act. 16/5/1-4); Einvernahme von O. als Zeuge.
Ausser dem Kläger stehen keine Personen zur Verfügung, welche eigene Wahr- nehmungen zum Unfallhergang gemacht haben. Gemäss dem Protokoll der Beklagten vom 26. Februar 2018 konnte der Kläger in der Befragung am Nämlichen Datum keine konkreten Angaben zum entgegenkommenden Fahrzeug machen: Er bezeichnete das Fahrzeug mutmasslich als SUV, konnte jedoch keine Marke nennen; es sei in der Morgendämmerung gewesen, er habe nur Lichter auf seiner Seite gesehen, deshalb könne er nichts genaueres sagen (act. 3/16 Frage 2).
Es kann als notorisch vorausgesetzt werden, dass es angesichts der Jahreszeit zur Unfallzeit noch dunkel war. Aus dem Rapport der Guarda Nacional Republicana vom 3. Januar 2018 (act. 3/8) und den Situationsbildern der Unfallstelle aus Google-Maps (act. 3/9) ist zudem ersichtlich, dass das entgegenkommende Fahrzeug aus einer Kurve herausgekommen sein musste. Entsprechend hatte der Kläger nur wenig Zeit, das Fahrzeug zu erkennen und zu reagieren. Die Schilderung, dass er vor allem die Lichter wahrgenommen habe, ist realistisch.
Die (Allfälligen) Fahrfertigkeiten des Klägers widerlegen dessen Darstellung nicht. An den Strassen- und Lichtverhältnissen vermögen sie nichts zu ändern. Zudem handelt es sich bei der Fahrt auf einer Teststrecke und bei der nächtlichen Heimfahrt auf einer öffentlichen Strasse um zwei verschiedene Situationen. Die technischen Fahrfühigkeiten mögen für eine übungsfahrt genügen. Eine andere Frage ist, ob sie unter den damaligen Umständen auch zu einer anderen Reaktion hätten führen müssen.
Aus dem Rapport der Guarda Nacional Republicana vom 3. Januar 2018 (act. 3/8) und den Situationsbildern der Unfallstelle aus Google-Maps (act. 3/9) ergibt sich, dass sich rechts der Fahrbahn des Klägers eine Steinmauer befand; einzig vor dem Eingang in die aus der Fahrtrichtung des Klägers gesehenen Linkskurve befand sich die Art von Ausstellplatz, in welche der Kläger ausweichen konnte. Die Alternative hätte darin bestanden, auf die Gegenfahrbahn auszuweichen, was wahrscheinlich zur Kollision mit einem korrekt entgegenfahrenden Fahrzeug gefährt hätte. Auch unter BeRücksichtigung gewisser fahrtechnischer Fähigkeiten des Klägers ist nicht ersichtlich, wie sich dieser hätte anderes verhalten können.
Die Schilderung des Klägers und die Situation an der Unfallstelle lassen es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass dem Kläger ein Fahrzueg auf sei- ner Fahrbahn entgegen kam.
Zur Behauptung, der Kläger sei dem plötzlich aus einer Kurve auf seiner Fahrbahn aufgetauchten Fahrzeug nach rechts ausgewichen, bietet dieser als Beweis an (act. 1 Ziff. 3.2, 3.7; act. 26 Ziff. V.5.3): Rapport der Guarda Nacional Republicana vom 3. Januar 2018 (act. 3/8); ausgedruckte Situationsbilder der Unfallstelle aus Google-Maps (act. 3/9); Protokoll der Beklagten vom 26. Februar 2018 (act. 3/16); E-Mail des damaligen Vertreters des Klägers an die Beklagte vom 1. März 2018 (act. 3/17); Parteibefragung/Beweisaussage des Klägers.
Die Beklagte bietet zum Gegenbeweis an (act. 14 Rz. 14, 16, 20, 27, 41; act. 32
Rz. 11, 12, 20, 23): Protokoll der Beklagten vom 26. Februar 2018 (act. 3/16); Ausdruck aus dem ... von F. group.com über Q. (act. 16/2); Ausdruck
aus dem ... von F. group.com mit der für Q.
lizenzierten Software
(act. 16/3); Schreiben von Q. über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom
7. Mai 2019 (act. 16/4); Videos und Fotos des Klägers aus sozialen Medien (act. 16/5/1-4); Bericht von Q. (undatiert) vom Januar 2022 (act. 16/6); Edition der Fahrzeugdaten des Klägers durch F. (Schweiz) AG; Einvernahme von Dipl.-Ing. AB. , O. und N. als Zeugen.
Gemäss Schreiben vom 7. Mai 2019 habe das längs- und Querdynamik Ma- nagement bei der Umweltzeit 56'128'865 s einen Lenkwinkel von 0.00 gespeichert. Betreffend die Qualifikation als Privatgutachten und den Beweiswert dieses Schreibens wird auf die vorstehenden Ausführungen im Zusammenhang mit den Geschwindigkeitswerten Bezug genommen (Ziffer 2.3.2.3 oben). Der Lenkwinkel von 0.00 korreliert mit der längsbeschleunigung von 4.10 m/s2 und den Geschwindigkeitswerten zwischen 13.00 km/h und 20.02 km/h bei der Umweltzeit 56'128'865 s. Gleich wie diese stellt sie lediglich eine Momentaufnahme dar.
Gemäss dem Protokoll der Beklagten vom 26. Februar 2018 sprach der Kläger in der Befragung am Nämlichen Datum von einer Ausweichbewegung (act. 3/16 Frage 12). Aus dem Rapport der Guarda Nacional Republicana vom 3. Januar 2018 (act. 3/8) und den Situationsbildern der Unfallstelle aus Google-Maps (act. 3/9) ist ersichtlich, dass sich der Mauervorsprung noch vor Beginn einer Kurve befindet. Demnach setzt eine Kollision voraus, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug zuvor nach rechts gelenkt hat. Das geschilderte Ausweichmanöver impliziert ein sukzessives Rechts- und Linkslenken. Dabei kommt es im übergang für einen Moment wieder zu einer geraden Lenkstellung. Da der Kläger anschliessend mit der Mauer kollidierte, hatte er keine Möglichkeit mehr, nach links wieder auf die Fahrbahn einzubiegen. Die gerade Lenkstellung ist mit der Darstellung des Klägers vereinbar.
Die von der Beklagten angebotenen Zeugen können sich lediglich zur Datenauslesung äussern, jedoch keine Aussagen aus eigener Wahrnehmung zum Unfallgeschehen machen (Ziffer 2.3.2.7 oben).
Die Schilderung des Klägers und die Situation an der Unfallstelle sprechen für ei- ne Ausweichbewegung nach rechts. Selbst der im Schreiben vom 7. Mai 2019 behauptete Lenkwinkel von 0.00 lässt sich mit der Version des Klägers vereinen. Die Ausweichbewegung nach rechts ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt.
Zur Behauptung, der Kläger sei alleine gefahren, bietet dieser zum Beweis an (act. 26 Ziff. III.1.5; Ziff. V.5.4): Fotos des Neffen des Klägers auf dem Kinder- Rückhaltesitz (act. 27/3); Parteibefragung/Beweisaussage des Klägers; Einver- nahme von AE. als Zeugin; Gutachten.
Die Beklagte bietet zum Gegenbeweis an (act. 14 Rz. 20): Schreiben von Q. über Auswertung Daten BMW F82 M4 2 vom 7. Mai 2019 (act. 16/4); Vi- deos und Fotos des Klägers aus sozialen Medien (act. 16/5/1-4).
Es ist unbestritten, dass beim streitgegenständlichen Unfallereignis sowohl der Fahrerals auch der Beifahrerairbag ausgeläst wurden. Eine gutachterliche Stellungnahme wird nicht ausschliessen, dass der Beifahrerairbag auch ausgeläst werden kann, wenn sich keine Person auf dem Beifahrersitz befindet. Insofern würde sich am Beweisergebnis nichts ändern. Von Weiterungen ist deshalb abzusehen.
Zur Behauptung, der Kläger habe sich bereits bei Abschluss des Leasingvertrags entschlossen, das Fahrzeug bei Ende der Laufzeit zum vertraglichen Restwert ins Eigentum zu übernehmen, bietet dieser zum Beweis an (act. 26 Ziff. V.5.2): Parteibefragung/Beweisaussage des Klägers.
Die Beklagte bietet zum Gegenbeweis an (act. 32 Rz. 21): Leasingvertrag Nr. 5
zwischen dem Kläger und der F.
(Schweiz) AG vom 15.Dezember 2014
(act. 3/6); Einvernahme von AF. als Zeuge.
Bei einem Kilometerstand von 88'728 km nach gut drei Betriebsjahren ergibt sich eine jährliche Kilometerleistung von knapp 30'000 km, während der Leasingvertrag des Klägers lediglich eine solche von 10'000 km einschliesst.
Gemäss unbestritten gebliebener Darstellung der Beklagten hätten die monatlichen Leasingraten bei einer Jährlichen Leistung von 30'000 km ca. CHF 1'500.00, somit CHF 400.00 mehr als beim Leasingvertrag des Klägers, und der Restwert zwischen CHF 30'000.00 und CHF 35'000.00 anstatt CHF 49'016.00 gemäss Leasingvertrag betragen (act. 32 Rz. 21). Zu dieser Frage erübrigt sich die Einvernahme von AF. von der F. -Gruppe. Zutreffend ist weiter, dass sich die Absicht zur übernahme des Fahrzeugs durch den Kläger nicht aus dem Leasingvertrag ergibt (act. 32 Rz. 21; act. 3/6). Es ist nicht ersichtlich, was der von der Beklagten angebotene Zeuge darüber hinaus zu einer übernahmeabsicht des Klägers aussagen könnte.
Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe nur die Wahl gehabt, das Fahrzeug bei Vertragsende gegen einen übErhöhten Restwert von CHF 49'016.00 zu über- nehmen die Mehrkilometerentschädigung von rund CHF 57'000.00 zu bezahlen, wobei er seine Um- und Ausbauten am Fahrzeug entweder auf eigene Kosten hätte zurückbauen diese entschädigungslos überlassen müssen (act. 32 Rz. 21).
Bei einer realistischen Jährlichen Kilometerleistung von 30'000.00 hätte der Kläger rund CHF 19'200.00 mehr an Leasingraten bezahlen müssen (48 Monate * CHF 400.00 / Monat). Demgegenüber hätte er bei der übernahme einen um rund CHF 14'000.00 bis CHF 19'000.00 übErhöhten Restwert zu bezahlen gehabt. Die beiden Rechnungen führen zu wirtschaftlich ähnlichen Ergebnissen. Die Rückgabe des Fahrzeugs nach Vertragsende erscheint bereits deshalb als wirtschaftlich wenig sinnvoll, weil die Mehrkilometerentschädigung den übErhöhten vertraglichen Restwert deutlich übersteigt.
Die Beklagte legt jedoch nicht dar, welche Schlüsse sie aus dem behaupteten klägerischen Dilemma in Bezug auf den vorliegenden Versicherungsfall zieht. Allenfalls liesse sich argumentieren, bei einem Totalschaden hätte sich auch die
Frage der Rückgabe erledigt, weshalb der Kläger ein Motiv gehabt hätte, den vorliegenden Versicherungsfall zu inszenieren. Diesen Schluss zieht die Beklagte je- doch gerade nicht. Vielmehr bestreitet die Beklagte die Absicht und Möglichkeit des Klägers, das Fahrzeug nach Vertragsende gegen Bezahlung des Restwerts zu übernehmen.
Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Versicherungsfall ist einzig die Frage einer Allfälligen Inszenierung von Interesse. Würde eine solche vorliegen, erübrigte sich indessen auch die Frage einer übernahme des Fahrzeugs zum Restwert. Insofern bedarf es zu dieser Frage auch keiner Befragung des Klägers.
Aus den gefahrenen Mehrkilometern lassen sich keine Schlüsse auf das Vorliegen Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls ziehen.
Der Kläger kann den Versicherungsfall nach dem Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachweisen.
vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls
Gemäss Art. 14 Abs. 1 VVG ist der Versicherer (neu: das Versicherungsunter- nehmen) leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigefährt hat.
Die Beklagte deutet eine mögliche vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls an (act. 14 Rz. 38, 41). Dafür ist sie behauptungs- und beweisbelastet.
Da die Widerlegung der klägerischen Darstellung des Versicherungsfalls nicht gelingt, ist auch keine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls nachgewiesen.
Versicherungsleistung
Zwischen den Parteien ist grundsätzlich unstreitig, dass nach den vorliegenden privaten Schätzungen ein Teilschaden vorliegt, da die Reparaturkosten den Zeitwert nicht erreichen (act. 1 Ziff. 11.1; act. 14 Rz. 58, 59).
Gemäss Ziffer K4.2 AVB werden bei einem Teilschaden die Reparaturkosten unter Abzug eines Mehrwerts durch den Ersatz einzelner abgenützter Teile, die Neuspritzung des ganzen Fahrzeugs die Behebung anderer AbnützungsMängel (Abzug neu für alt) vergütett; bei Nichtausführung der Reparatur werden 90 % des ermittelten Schadenbetrages (ohne MWST) entschädigt.
Der Kläger stätzt sich auf die durch sein Privatgutachten vom 20. August 2018 Geschützten Reparaturkosten von CHF 55'700.00 inkl. MWST (act. 1 Ziff. 11.1; act. 3/31 S. 3). Die Beklagte verweist auf ihre Privatgutachten vom
4. Februar 2018 und vom 25. April 2018 und geht von Reparaturkosten von
CHF 53'598.85 bzw. von CHF 56'653.59 aus (act. 14 Rz. 57; act. 3/15 S. 3;
act. 3/14 S. 1; act. 16/8 S. 1). Die F. -Niederlassung schätzte die Reparaturkosten am 7. Mai 2018 auf ca. CHF 55'000.00 (act. 1 Ziff. 3.8; act. 3/20).
Die vom Kläger ermittelten Reparaturkosten liegen zwischen den von der Beklagten ermittelten Werten. Das arithmetische Mittel der von der Beklagten genannten Werte liegt bei CHF 55'126.22. Die Parteien liegen weniger als CHF 600.00 auseinander. Unter diesen Umständen ist kaum mehr von divergierenden Parteidarstellungen auszugehen. Die Beklagte bringt keine begründeten Einwendungen gegen die vom Kläger in Auftrag gegebene Schätzung vor. Die fehlende Nennung des Kilometerstandes im Privatgutachten vom 20. August 2018, auf welche die Beklagte verweist (act. 14 Rz. 55), wirkt sich auf die Schätzung der Reparaturkosten nicht aus.
Die vom Kläger genannten Reparaturkosten gelten mangels substantiierter Bestreitung als anerkannt. Die Reparaturkosten betragen CHF 55'700.00.
Die Durchführung der Reparatur ist keine Fälligkeitsvoraussetzung (Ziffer 1.2.4 o ben; BREHM, in: Berner Kommentar, a.a.O., N. 77e zu Art. 41 OR). Die Beklagte kann die Versicherungsleistung deshalb nicht mit dem Hinweis auf die nicht durchgefährte Reparatur auf 90% begrenzen. Insofern muss es genügen, dass der Kläger seine Reparaturabsicht nach dem Beweismass der überwiegen- den Wahrscheinlichkeit nachweist.
Der Kläger behauptet, er hätte das streitgegenständliche Fahrzeug reparieren lassen wollen (act. 1 Ziff. 6.1). Zudem ist unbestritten, dass der Kläger der Reparaturwerkstatt am 9. April 2018 den vertraglichen Selbstbehalt von CHF 500.00 überwies (act. 1 Ziff. 3.8) und der Beklagten mit E-Mail vom 17. Mai 2018 die Absicht bekundete, den Reparaturauftrag zu erteilen (act. 1 Ziff. 3.9). Die Beklagte vermag die durch Indizien gestützte Reparaturabsicht des Klägers nicht zu widerlegen.
Da keine begründeten Zweifel an der Reparaturabsicht des Klägers bestehen, besteht Anspruch auf Ersatz der ungekürzten Reparaturkosten.
Die Beklagte stellt keine konkreten Behauptungen zu einem Mehrwert durch den Ersatz einzelner abgenützter Teile, die Neuspritzung des ganzen Fahrzeugs die Behebung anderer AbnützungsMängel auf.
Die Beklagte ist zu verpflichten, dem Kläger die Reparaturkosten von CHF 55'700.00 zu bezahlen.
Verzugszinsen
Gemäss Art. 104 Abs. 1 i.V.m. Art. 102 Abs. 1 OR ist die Forderung mit 5 % zu verzinsen, wenn sich der Schuldner in Verzug befindet.
Die Forderung aus dem Versicherungsvertrag wird gemäss Art. 41 Abs. 1 VVG und Ziffer G10.6 Ziff. 1 AVB vier Wochen, nachdem der Versicherer Angaben erhalten hat, aus denen er sich von der Richtigkeit des Anspruchs überzeugen kann, fällig. Erachtet der Versicherer das Ereignis nicht als hinreichend bewiesen, vermag diese den Eintritt der Fälligkeit nicht zu hindern (MARCEL S?SS- KIND, in: Versicherungsvertragsgesetz, Basler Kommentar, hrsg. von Pascal Grolimund/Leander D. Loacker/Anton K. Schnyder, 2. Aufl. 2023, N. 8 zu Art. 41 VVG).
Der Kläger behauptet, mit den Angaben aus der Besprechung vom 26. Februar 2018 und der mit E-Mail vom 1. März 2018 mitgeteilten Ergänzung habe die Beklagte über sämtliche zur Beurteilung ihrer Haftung und der Schadenshöhe erforderlichen Angaben verfügt, womit die Fälligkeit am 31. März 2018 eingetreten sei (act.1 Rz. 11.3 lit. e; act. 3/16-17). Dagegen wendet die Beklagte ein, aufgrund der Einschätzung ihrer Schadenexperten sowie den Resultaten der Auslesungen
der Fahrzeugdaten durch die F.
(Schweiz) AG und Q.
vom 7. Mai
2019 komme sie zum Schluss, dass keine Leistungspflicht bestehe; am 31. März 2018 sei sie nicht im Besitze von Angaben gewesen, aus denen sie sich von der Richtigkeit der Angaben des Klägers habe überzeugen können (act. 14 Rz. 61- 63).
Die Einwendungen der Beklagten betreffen den Beweis des Versicherungsfalls. Solche Zweifel der Beklagten stehen dem Eintritt der Fälligkeit jedoch nicht entgegen. Zudem besteht mangels gesetzlicher vertraglicher Grundlage keine Aufklürungsobliegenheit des Klägers, in deren Rahmen er zur Durchführung von Datenauswertungen zur Herausgabe elektronischer Aufzeichnungen verpflichtet wäre (Ziffer 2.3.2.4 oben). Die Fälligkeit ist somit vier Wochen nach Erhalt der E-Mail vom 1. März 2018 eingetreten. Dies entspricht dem 29. März 2018
(Art. 77 Abs. 1 Ziff. 2 OR).
Gemäss Art. 102 Abs. 1 OR wird der Schuldner einer fälligen Forderung durch Mahnung in Verzug gesetzt. Eine Mahnung ist eine an den Schuldner gerichtete Erklärung des Gläubigers, die zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung ohne Säumnis verlangt (BGE 143 II 37 E. 5.2.2 S. 43-44; BGE 129 III 535
E. 3.2.2 S. 541-542).
Der Kläger stätzt sich auf die E-Mail vom 17. Mai 2018 (act. 1 Ziff. 12.2). Mit E- Mail vom 17. Mai 2018 teilte der damalige Vertreter des Klägers mit, nach abgeschlossenem Instruktionsgespräch mit dem Kläger könne er folgendes Angebot unterbreiten: Auszahlung des Zeitwert des Fahrzeug + Fr. 10'000,-, d.h. Total Fr. 76'500,- und die [Beklagte] übernimmt die Restwerte. Bei Ablehnung des Angebotes wird [der Kläger] die Kautionszahlung gg?. der F. K. machen und den Reparaturauftrag erteilen. (act. 1 Ziff. 3.9; act. 3/21). Die Beklagte bestreitet, dass der E-Mail vom 17. Mai 2018 eine Zahlungsaufforderung zu ent- nehmen sei (act. 14 Rz. 24, 68, 69, 71).
Die E-Mail vom 17. Mai 2018 schlägt vor, die Leistung der Beklagten entweder auf Grundlage eines Totaloder eines Teilschadens zu bestimmen. Damit fehlt es ihr an der erforderlichen Eindeutigkeit. Sie kann deshalb nicht als unmissverständliche Leistungsaufforderung verstanden werden.
In analoger Anwendung von Art. 108 Ziff. 1 OR ist eine Mahnung entbehrlich, wenn der Schuldner unmissVerständlich erklärt zum Ausdruck bringt, dass er nicht leisten werde (BGE 143 II 37 E. 5.2.2 S. 44 m.Hw.). Mit Schreiben vom 15. August 2018 lehnte die Beklagte Leistungen im vorliegenden Schadensfall ab (act. 1 Ziff. 4.1; act. 14 Rz. 11; act. 3/23). Diese Mitteilung ist als definitive Erfüllungsverweigerung zu qualifizieren. Die Beklagte befindet sich deshalb seit
15. August 2018 in Verzug.
Die Forderung des Klägers ist mit 5 % ab 15. August 2018 zu verzinsen.
Verzugsschaden
Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe Standschäden des streitgegenständliche Fahrzeugs zu vergüten, macht jedoch zu deren Umfang keine Angaben (act. 1 Ziff. 12.3). Mangels entsprechender Behauptungen ist kein Scha- denersatz für Standschäden zuzusprechen.
Der Kläger macht einen Ersatzanspruch von CHF 4'525.00 für die zeitweise Miete eines Ersatzfahrzeugs geltend (act. 1 Ziff. 6.2, 12.3). Die Beklagte bestreitet die Auslagen für die Miete; bei den geltend gemachten Kosten handle es sich nicht um notwendige und durch die Beklagte zu ersetzende Auslagen des Klügers; da sie keine Leistungspflicht treffe, habe sie auch keine Auslagen des Klügers zu bezahlen (act. 14 Rz. 37).
Der Kläger behauptet, er benötige das Fahrzeug für die Arbeit und habe zunächst das Fahrzeug seiner Eltern benutzen können; für die Ferien habe er sich aller- dings vom 30. Juli 2018 bis 31. August 2018, und vom 14. Dezember 2018 bis
17. Januar 2019 ein Ersatzfahrzeug für insgesamt CHF 4'525.00 mieten müssen (act. 1 Ziff. 6.2). Durch die Rechnungen vom 31. August 2018 über CHF 2'805.00 und vom 27. Januar 2019 über CHF 3'080.00 sind Mietkosten von insgesamt
CHF 5'885.00 belegt (act. 3/29). Gemäss Darstellung des Klägers sei die Rech- nung vom 1. August 2018 nachträglich um CHF 1'360.00 korrigiert worden (act. 1 Ziff. 6.2). Damit sind Mietwagenkosten von CHF 4'525.00 ausgewiesen.
Die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs während der Dauer der Reparatur bis zur Neubeschaffung sind lediglich ersatzfühig, wenn das Fahrzeug zum Erwerbseinkommen beiträgt (KGer FR v. 26.05.1999, RFJ 1999, 229,
E. 2b/cc/bbb S. 231; BREHM, in: Berner Kommentar, a.a.O., N. 80 zu Art. 41 OR). Die vom Kläger bis zum 1. September 2019 geltend gemachten Kosten für ein Ersatzfahrzeug beziehen sich ausschliesslich auf den Privatgebrauch im Rahmen der Ferien. Abgesehen davon, dass er keine dem Beweis zugänglichen Angaben dazu macht, inwiefern er beruflich auf die Verwendung eines Fahrzeugs angewiesen gewesen wäre, benutzte er für den Arbeitsweg gemäss eigener Darstellung das Fahrzeug seiner Eltern, wofür er weder Auslagen noch einen normativen Schaden geltend macht. Die Mietwagenkosten von CHF 4'525.00 beziehen sich ausschliesslich auf den privaten Freizeitgebrauch. Deshalb besteht kein Ersatzanspruch.
Der Kläger macht Kosten von CHF 14'182.45 für das Leasing eines Ersatzfahrzeugs ab 2. September 2019 geltend (act. 1 Ziff. 6.2, 12.3). Die Beklagte bestreitet die Auslagen für das Leasing, deren Notwendigkeit und ihre Ersatzpflicht (act. 14 Rz. 37).
Der Kläger behauptet, nachdem seine Eltern ihre Unzufriedenheit über die Situation zum Ausdruck gebracht hätten, habe er am 2. September 2019 ein Ersatzfahrzeug mit einem Barkaufpreis von CHF 20'900.00 geleast; bei Beendigung des Leasingvertrags nach Klageeinleitung (29 Monate) würden sich die monatlichen Leasingraten zufolge vorzeitiger Beendigung auf CHF 489.05 inkl. 7.7% MWST Erhöhen (act. 1 Ziff. 6.2). Die Leasingraten sind durch den Leasingvertrag vom
2. September 2019 und den Kaufvertrag vom 2. September 2019 ausgewiesen (act. 3/30).
Der Ersatzanspruch scheitert bereits daran, dass der Kläger nicht darzulegen vermag, dass er beruflich auf die Verwendung des Fahrzeugs angewiesen gewesen wäre. Selbst wenn von der grundsätzlichen Ersatzfühigkeit der Leasingkosten auszugehen wäre, hat sich die Ersatzfühigkeit der Mietwagenkosten auf den Zeitraum zu beschränken, der objektiv für die Reparatur bzw. bis zur Anschaffung ei- nes Ersatzfahrzeugs erforderlich ist (vgl. dazu BGH, Urt. v. 05.02.2013 VI ZR 363/11, NJW 2013, 1151, N 22, auch abrufbar unter
? 249 BGB). Der objektiv für die Reparatur erforderliche Zeitraum war am
September 2019 sicherlich abgelaufen. Für die ab diesem Zeitpunkt entstande- nen Leasingraten für ein Ersatzfahrzeug besteht auch aus diesem Grund kein Ersatzanspruch.
Der Kläger macht Kosten von CHF 3'840.00 für die Miete des Standplatzes bei der F. -Niederlassung vom 1. Januar 2019 bis 31. Oktober 2020 für CHF 120.00 pro Monat und vom 1. November 2020 bis zur Klageeinleitung
(12 Monate) bei der S.
GmbH für CHF 100.00 pro Monat geltend (act. 1
Ziff. 3.4, 6.1, 12.3; act. 3/11-13). Die Beklagte bestreitet die Auslagen für den Standplatz, deren Notwendigkeit und ihre Ersatzpflicht (act. 14 Rz. 37). Bezüglich der Standplatzkosten für das streitgegenständliche Fahrzeug gelten dieselben Erwägungen wie für die Kosten eines Ersatzfahrzeugs (Ziffer 2.7.3 oben). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass nach dem 1. Januar 2019 der objektiv für die Reparatur erforderliche Zeitraum noch nicht abgelaufen war. Für die entstan- denen Standplatzkosten besteht deshalb kein Ersatzanspruch.
Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe sich zunächst geweigert, eine Kostengutsprache zu erteilen, und danach die VersicherungsAnsprüche vollst?n- dig verweigert (act. 1 Ziff. 6.1).
Der zur Schadensbehebung erforderliche Zeitraum umfasst zwar auch die Dauer der Schadensbegutachtung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 23.01.2018 VI ZR 57/17, BGHZ 217, 218 = NJW 2018, 1393, N 12, auch abrufbar unter
Die Weigerung der Beklagten, den am streitgegenständlichen Fahrzeug entstan- denen Schaden zu regulieren, begründet deshalb keine weitergehenden Anspräche.
Die Ansprüche des Klägers auf Ersatz von Verzugsschaden sind abzuweisen.
Ergebnis
Die Beklagte ist zu verpflichten, dem Kläger CHF 55'700.00 zuzüglich Zins zu 5 % ab 15. August 2018 zu bezahlen. Im Mehrbetrag ist die Klage abzuweisen, soweit auf sie eingetreten wird.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Streitwert
Gemäss Art. 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO werden Eventualbegehren nicht zum Streitwert hinzugerechnet. Es besteht kein allgemeiner Prozessrechtsgrundsatz, dass bei eventueller Klagenhäufung ausschliesslich das Hauptrechtsbegehren den Streitwert bestimmt, auch wenn das Eventualrechtsbegehren einen Höheren Streitwert aufweist (BGer 4A_46/2016 v. 20.06.2016 E. 1.3; 5A_727/2009 v. 05.02.2010 E. 4.2). Im Schrifttum ist streitig, ob der Wortlaut von Art. 91 Abs. 1
Satz 2 ZPO die BeRücksichtigung eines den Streitwert des Hauptrechtsbegehrens übersteigenden Eventualbegehrens bei der Streitwertbestimmung zulässt (MATTHIAS STEIN-WIGGER , in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessord- nung [ZPO], hrsg. von Thomas Sutter-Somm/Franz Hasenbühler/Christoph Leuenberger, 3. Aufl. 2016, N. 38 zu Art. 91 ZPO m.Hw.). Nach hiesiger Praxis ist jeweils auf das Höhere Rechtsbegehren abzustellen (HGer ZH HG180163-O v. 07.09.2020 E. 7.1, abrufbar unter
FV220023 v. 09.03.2022, ZR 121 [2022] Nr. 42 E. 3.1-3.5 S. 160-161; VIKTOR R?-
EGG/MICHAEL R?EGG, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Basler Kommentar, hrsg. von Karl Späher/Luca Tenchio/Dominik Infanger, 3. Aufl. 2017, N. 5 zu Art. 91 ZPO; MARTIN H. STERCHI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Band I, hrsg. von Heinz Haushheer/Hans Peter Walter, 2012, N. 12 zu Art. 91 ZPO). Der Streitwert beträgt demzufolge CHF 95'753.00.
Dieser Streitwert umfasst lediglich den vom Kläger gestützt auf Offerten ermittelten Totalschaden im Sinne einer Obergrenze des Versicherungsanspruchs (Ziffer 1.2.4.2 oben). Der Kläger macht auch Verzugsschaden von CHF 22'547.45 geltend (Ziffer 2.7 obe n). In der Sache liegt deshalb eine Teilklage vor.
Der Streitwert beträgt CHF 95'753.00.
Gerichtskosten
Die Höhe der Gerichtsgebühr bestimmt sich nach der gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2020 (Art. 96 ZPO i.V.m. 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem tatsächlichen Streitinteresse ( 2 Abs. 1 lit. a GebV OG). Die nach 4 Abs. 1 GebV OG bestimmte einfache Grundgebühr beträgt beim genannten Streitwert CHF 8'580.12. Die Gerichtsgebühr ist auf CHF 8'600.00 festzusetzen.
Die Parteien sind sich darin einig, dass der Streitpunkt im vorliegenden Verfahren in der grundsätzlichen Einstandspflicht der Beklagten liegt (act. 1 Ziff. 16; act. 14 Rz. 79). Für die Streitwertbestimmung ist nicht von Bedeutung, welche Einwendungen die beklagte Partei erhebt (CHRISTIAN K?-LZ, in: Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kurzkommentar, hrsg. von Paul Oberhammer/Tanja Domej/Ulrich Haas, 3. Aufl. 2021, N. 3 zu Art. 91 ZPO).
Der Kläger beantragt, die Kosten in Anwendung von Art. 107 Abs. 1 lit. a, b und f ZPO vollständig der Beklagten aufzuerlegen (act. 1 Ziff. 16). Gemäss Art. 107 Abs. 1 lit. a ZPO kann das Gericht die Prozesskosten nach Ermessen verteilen, wenn die Klage zwar grundsätzlich, aber nicht in der Höhe der Forderung gutgeheissen wurde und diese Höhe vom gerichtlichen Ermessen abhängig die Bezifferung des Anspruchs schwierig war. Anwendungs-Prototyp ist der Direkthaftpflichtprozess (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom
2. Juni 2006, BBl 2006 7221, S. 7297). gegenüber dem Veranlassungsprinzip besteht jedoch grosse zurückhaltung (BGer 4A_197/2020 v. 10.12.2020 E. 4.4 und 4.5; DAVID JENNY, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], hrsg. von Thomas Sutter-Somm/Franz Hasenbühler/Christoph Leuenberger, 3. Aufl. 2016, N. 6 zu Art. 107 ZPO). Die Art der Einwendungen der Gegenpartei bildet für sich genommen kein hinreichendes Kriterium. Sie kann ebenso wenig BeRücksichtigung finden wie bei der Streitwertberechnung. Die Höhe des Anspruches ist nicht vom gerichtlichen Ermessen abhängig. Die Bewertung von Fahrzeugschäden erfolgt anhand etablierter Tabellen und Marktwerten. Die Bezifferung bietet namentlich im Vergleich zu Personenschäden keine übermässigen Schwierigkeiten.
Umstände im Sinne von Art. 107 Abs. 1 lit. b und f ZPO scheiden aus. Die Beklagte hat seit der Leistungsablehnung vom 15. August 2018 nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie gestützt auf die in den Fehlerspeichern vorgefundenen Einträge der Darstellung des Klägers nicht folgt.
Die Kosten sind demzufolge nach dem Ausgang des Verfahrens zu verteilen (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Der Kläger obsiegt zu 58 % (CHF 55'700.00 von CHF 95'753.00). Dementsprechend sind die Kosten zu 42 % dem Kläger, zu 58 % der Beklagten aufzuerlegen.
Gemäss Art. 111 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die Gerichtskosten mit den geleisteten Vorschüssen der Parteien zu verrechnen. Die kostenpflichtige Partei hat der an- deren Partei die geleisteten Vorschüsse zu ersetzen (Art. 111 Abs. 2 ZPO). Der Kläger hat einen Kostenvorschuss von CHF 8'000.00 geleistet (act. 10), trägt je- doch lediglich Kosten von 3'612.00. Dem Kläger ist deshalb im Umfang von CHF 4'388.00 das Rückgriffsrecht auf die Beklagte zu Gewähren. Der Fehlbetrag von CHF 600.00 ist von der Beklagten nachzufordern (Art. 111 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Parteientschädigungen
Bei berufsmässig vertretenen Parteien bestimmt sich die Höhe der Parteientschä- digung nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV; Art. 95 Abs. 3 lit. b, Art. 96 und Art. 105 Abs. 2 ZPO i.V.m. 48 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 des Anwaltsgesetzes vom 17. November 2003). Sie richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert ( 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Die nach 4 Abs. 1 AnwGebV bestimmte einfache Grundgebühr beträgt beim vorliegenden Streitwert CHF 10'645.18. Der Anspruch auf die gebühr entsteht mit der Erarbeitung der Begründung Beantwortung der Klage; sie deckt auch den Aufwand für die Teilnahme an der Hauptverhandlung ab ( 11 Abs. 1 AnwGebV). Für die Vergleichsverhandlung und den zweiten Schriftenwechsel ist diese in Anwendung von 10 Abs. 2 AnwGebV um rund 40 % auf CHF 15'000.00 zu Erhöhen.
Die Obsiegensquoten sind gegeneinander aufzurechnen (VerwGer AG WBE.2011.325 vom 18.06.2012, AGVE 2012, 223, E. 4.2.2.1 S. 224-226; OGer
ZH v. 20.12.1972, ZR 72 [1973] Nr. 18 S. 30-31; DAVID JENNY, in: Sutter Somm/Hasenbühler/Leuenberger, a.a.O., N. 9 zu Art. 106 ZPO). Dem Kläger ist eine auf 16 % (58 % - 42 %) reduzierte Parteientschädigung zuzusprechen. Der entsprechende Betrag entspricht CHF 2'400.00. Dem Kläger ist der beantragte Mehrwertsteuerzusatz zuzusprechen, da er als nicht mehrwertsteuerpflichtige Person keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug hat (Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts vom 17. Mai 2006 Ziffer 2.1.1 S. 3, abrufbar unter
verpflichten, dem Kläger eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 2'584.80 zu bezahlen.
Das Handelsgericht beschliesst:
Auf das Hauptrechtsbegehren wird nicht eingetreten.
Die prozessualen Anträge des Klägers auf vorzeitige Erstellung eines Gerichtsgutachtens zu den Reparaturkosten und dem Zeitwert des Unfallfahrzeugs und auf Bewilligung der Klageänderung werden abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden sind.
Kostenregelung, Mitteilung und Rechtsmittel gemäss nachfolgendem Erkenntnis.
und erkennt sodann:
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger CHF 55'700.00 zuzüglich Zins zu 5 % ab 15. August 2018 zu bezahlen.
Im Mehrbetrag wird die Klage abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 8'600.00.
Die Kosten werden zu 42 % dem Kläger und zu 58 % der Beklagten auferlegt. Sie werden vorab aus dem Kostenvorschuss des Klägers bezogen. Dem Kläger wird im Umfang von CHF 4'388.00 das Rückgriffsrecht auf die Beklagte Gewährt. Der Fehlbetrag von CHF 600.00 wird von der Beklagten nachgefordert.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 2'584.80 zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien sowie gemäss Art. 49 Abs. 2 VAG an die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA), Laupenstrasse 27, 3003 Bern.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Be-
schwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 95'753.00.
Zürich, 23. November 2023
Handelsgericht des Kantons Zürich
Vorsitzender:
Roland Schmid
Gerichtsschreiber:
Jan Busslinger
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