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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:HG210003
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HG210003 vom 14.07.2022 (ZH)
Datum:14.07.2022
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Zusammenfassung : Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft aus Zürich, forderte von der Beklagten, ebenfalls eine Aktiengesellschaft, Gebühren gemäss einem Vertrag, der am 14./18. September 2018 geschlossen wurde. Die Beklagte kündigte den Vertrag vorzeitig, was zu einem Rechtsstreit führte. Das Handelsgericht des Kantons Zürich entschied zugunsten der Klägerin und verpflichtete die Beklagte, CHF 51'840 zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die Gerichtskosten betrugen CHF [Betrag fehlt]. Die Klägerin, die gewonnen hat, ist eine Aktiengesellschaft.
Schlagwörter : Vertrag; Vertrags; Beklagte; Beklagten; Kündigung; Parteien; Gerichtsstand; Recht; Service; Offerte; Firewall; Gerichtsstands; Vertragsofferte; Dienstleistung; Vertrauen; Gerichtsstandsklausel; E-Mail; Hinweis; Auftrag; Leistung; Urteil; Offerte; Kunde; Hardware; Policy; Dienstleistungen
Rechtsnorm:Art. 102 OR ; Art. 104 OR ; Art. 106 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 17 ZPO ; Art. 236 ZPO ; Art. 3 OR ; Art. 30 BV ; Art. 363 OR ; Art. 394 OR ; Art. 404 OR ; Art. 6 ZPO ; Art. 96 ZPO ;
Referenz BGE:104 II 108; 104 Ia 278; 108 II 416; 109 II 34; 109 II 362; 109 Ia 55; 110 II 389; 112 II 41; 115 II 464; 115 II 50; 118 Ia 294; 119 II 40; 119 II 443; 121 III 495; 127 III 328; 129 III 604; 132 III 268; 139 III 345; 80 II 337;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Handelsgericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr.: HG210003-O U/dz

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. Claudia Bühler, Vizepräsidentin, und Oberrichterin Flurina Schorta, Handelsrichter Attila Mathé, Hans-Jürg Roth und Martin Kleiner sowie Gerichtsschreiberin Nadine Scherrer

Urteil vom 14. Juli 2022

in Sachen

  1. AG,

    Klägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. , vertreten durch Rechtsanwältin MLaw X2.

    gegen

  2. AG,

    Beklagte

    betreffend Forderung

    Inhaltsverzeichnis

    Rechtsbegehren 2

    Sachverhalt und Verfahren 3

    1. Sachverhaltsübersicht 3

      1. Parteien 3

      2. Prozessgegenstand 3

    2. Prozessverlauf 4

Erwägungen 5

  1. Formelles 5

    1. Örtliche Zuständigkeit 5

      1. Gerichtsstandsklausel Ziffer 14 (l) AGB 5

      2. Rechtliches 6

      3. Würdigung 7

    2. Sachliche Zuständigkeit 8

    3. Übrige Prozessvoraussetzungen 8

  2. Materielles 9

    1. Wirksamer Einbezug der AGB 9

      1. Vorbemerkung 9

      2. Streitpunkte der Parteien 9

      3. Rechtliches 10

      4. Würdigung 12

    2. Vertragsdauer 17

    3. Vorzeitige Kündigung und deren Folgen 18

    4. Vertragsinhalt und Vertragsqualifikation 20

      1. Unbestrittener Sachverhalt 20

      2. Streitpunkte der Parteien 20

      3. Rechtliches 21

      4. Würdigung 23

      5. Ergebnis 27

    5. Zins 27

    6. Zusammenfassung 28

    7. Kosten- und Entschädigungsfolgen 28

Rechtsbegehren:

(act. 1 S. 2)

1. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin CHF 51'840 zu bezahlen zuzüglich:

  1. Zins von 6% p.a. auf CHF 13'642.10 seit dem 2. Oktober 2020

  2. Zins von 6% p.a. auf CHF 9'094.75 seit dem 1. Januar 2021

  3. Zins von 6% p.a. auf CHF 29'103.15 seit dem 8. August 2020

2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.

Sachverhalt und Verfahren

  1. Sachverhaltsübersicht

    1. Parteien

      Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich (act. 3/4). Sie bezweckt Beratung, Entwicklung und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation und der Informatiksysteme.

      Bei der Beklagten handelt es sich um eine Aktiengesellschaft mit Sitz in C. , die laut Handelsregister Dienstleistungen in den Bereichen Recht, Finanzen, IT sowie weitere Dienstleistungen für natürliche und juristische Personen erbringt (act. 3/5).

    2. Prozessgegenstand

      Die Parteien schlossen am 14./18. September 2018 einen Vertrag mit der Bezeichnung … (act. 3/3). Mit Schreiben vom 4. August 2020 kündigte die Beklagte per 30. September 2020 jegliche Aufträge, welche sie der Klägerin erteilt habe (act. 3/14). Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die ihr ihrer Meinung nach zustehenden Gebühren für den Rest der Vertragslaufzeit zuzüglich Zins.

      Zwischen den Parteien ist streitig, wie der zwischen ihnen geschlossene Vertrag zu qualifizieren ist. Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, sie habe ein zwingendes jederzeitiges Kündigungsrecht im Sinne von Art. 404 Abs. 1 OR, das den vertraglichen Kündigungsmodalitäten inkl. einer sogenannten Kündigungsgebühr bei vorzeitiger Vertragsbeendigung vorgehe.

  2. Prozessverlauf

Am 7. Januar 2021 (Datum Klageschrift und Poststempel) reichte die Klägerin die Klageschrift ein (act. 1). Nach Eingang des von der Klägerin verlangten Kostenvorschusses in der Höhe von CHF 5'700.– wurde der Beklagten mit Verfügung vom 17. Februar 2021 Frist zur Klageantwort angesetzt (act. 8), die sie am 5. Mai 2021 erstattete (act. 10). Mit Verfügung vom 7. Mai 2021 wurde der Klägerin das Doppel der Klageantwort zugestellt und die Leitung des vorliegenden Prozesses an Oberrichterin lic. iur. Flurina Schorta als Instruktionsrichterin delegiert (act. 12).

Nach Durchführung der Vergleichsverhandlung am 5. Juli 2021, anlässlich derer keine Einigung erzielt wurde (Prot. S. 7), wurde ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet sowie Frist zur Leistung eines zusätzlichen Kostenvorschusses in der Höhe von CHF 1'900.– angesetzt (act. 16). Der zusätzliche Kostenvorschuss wurde innert Frist geleistet (act. 18). Die Replik datiert vom 12. Oktober 2021 (act. 19). Die Beklagte erstattete ihre Duplik am 30. Dezember 2021 (act. 23). Weitere Eingaben erfolgten nicht. Beide Parteien haben auf die Durchführung einer Hauptverhandlung verzichtet (act. 27, 29, 30).

Das Verfahren ist spruchreif (Art. 236 Abs. 1 ZPO). Auf die Parteivorbringen wird in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen, soweit sich dies als zur Entscheidfindung notwendig erweist.

Erwägungen

  1. Formelles

    1. Örtliche Zuständigkeit

      Die Klägerin stützt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf eine in

      den klägerischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen A.

      AG General

      Terms and Condition (GTC July 1st 2017) (fortan: AGB) enthaltene Gerichtsstandsklausel. Bei der Frage, ob die AGB Vertragsbestandteil geworden sind, handelt es sich um eine doppelrelevante Tatsache. Wie noch zu zeigen sein wird, vermag die Klägerin nachzuweisen, dass die AGB wirksam Vertragsbestandteil wurden. Nachfolgend ist einzig zu prüfen, ob die darin enthaltene Gerichtsstandsklausel gültig ist.

      1. Gerichtsstandsklausel Ziffer 14 (l) AGB

        1. Die AGB enthalten in Ziffer 14 (l) AGB eine Gerichtsstandsklausel, die wie folgt lautet (act. 3/2 S. 25):

          Ausschliesslicher Gerichtsstand für sämtliche Streitigkeiten aus im Zusammenhang mit diesem Vertrag (oder späteren Änderungen desselben), einschliesslich Streitigkeiten über das Zustandekommen dieses Vertrags, seine Rechtswirksamkeit, Auslegung, Erfüllung, Verletzung Beendigung, ist die Stadt Zürich, Schweiz.

        2. Die Klägerin beruft sich auf den gültigen Einbezug der AGB und auf die Gültigkeit der darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel, die in örtlicher Hinsicht die Gerichte in der Stadt Zürich prorogiere (act. 1 Rz. 7 ff.).

        3. Die Beklagte stellt den gültigen Einbezug der klägerischen AGB gesamthaft in Abrede (act. 10 Rz. 11). Im Eventualstandpunkt macht die Beklagte geltend, sie habe die AGB mittels Globalübernahme übernommen, und erhebt die Einrede der örtlichen und sachlichen Unzuständigkeit. Sie führt aus, die Gerichtsstandsklausel sei in den AGB nicht genügend sichtbar platziert. Da sie unter dem Titel Sonstiges versteckt sei, sei sie für einen Nicht-Juristen nicht ohne Weiteres erkennbar

          (act. 23 Rz. 9). Es seien die Gerichte am Sitz der Beklagten in C. örtlich zuständig (act. 10 Rz. 11).

      2. Rechtliches

        1. Die Vereinbarung muss in einer Form erfolgen, die den Nachweis durch Text ermöglicht (Art. 17 Abs. 2 ZPO). Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung han- delt es sich um einen prozessrechtlichen Vertrag (BGE 132 III 268 E. 2.3.2; BGE 121 III 495 E. 5c). Dieser ist wie alle Verträge nach Massgabe des Vertrauensprinzips zu beurteilen. Ob ein gültiger Verzicht auf den Wohnsitzrichter vorliegt, hängt davon ab, ob der Vertragspartner des Verzichtenden in guten Treuen an- nehmen durfte, sein Kontrahent habe mit dem Akzept zum Vertrag auch der Gerichtsstandsvereinbarung zugestimmt. Da die in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsklausel in der Regel eine geschäftsfremde und damit ungewöhnliche Bestimmung darstellt und zudem ein verfassungsmässiges Recht (Art. 30 Abs. 2 BV) beschränkt, ist diese Annahme nur dann gerechtfertigt, wenn davon ausgegangen werden kann, der Verzichtende habe von der Gerichtsstandsklausel tatsächlich Kenntnis genommen und ihre Bedeutung richtig erkannt (BGer Urteil 4A_247/2013 vom 14. Oktober 2013 E. 2.1.2; BGE 118 Ia

          294 E. 2a; BGE 109 Ia 55 E. 3a; BGE 104 Ia 278 E. 3).

        2. Eine tatsächliche Kenntnisnahme darf angenommen werden, wenn die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vertragsofferte beigelegt waren wenn aus früheren Geschäftsbeziehungen deren Anwendbarkeit und Inhalt bekannt waren (BGer Urteil 4A_347/2011 vom 10. August 2011 E. 2). Von einem geschäftserfahrenen und rechtskundigen Vertragspartner kann, sofern die AGB zugänglich waren, erwartet werden, dass er die Gerichtsstandsklausel beachtet und versteht, ferner, dass er sie ausdrücklich ablehnt, wenn er mit dem Verzicht auf den Wohnsitzrichter nicht einverstanden ist (vgl. BGE 118 Ia 294 E. 2a; BGE 104 Ia 278 E. 3; BGer Urteil 4C.282/2003 vom 15. Dezember 2003 E. 3.1). Der Nachweis besonderer geschäftlicher juristischer Kenntnisse ist nicht vorausgesetzt. Nach dem Vertrauensprinzip genügt die Erfahrung eines durchschnittlich gebildeten Vertragspartners, wenn die Klausel klar und eindeutig ist (BGer Urteil

          4A_247/2013 vom 14. Oktober 2013 E. 2.4; BGer Urteil 4P.301/1993 vom 26. Februar 1997 E. 1b; BGE 118 Ia 294 E. 2a; BGE 109 Ia 55 E. 3a mit Hinweisen).

      3. Würdigung

        1. Die Gerichtsstandsklausel ist in den schriftlichen AGB enthalten. Das Formerfordernis gemäss Art. 17 Abs. 2 ZPO ist damit erfüllt.

        2. Die Gerichtsstandsklausel (vgl. oben Erw. 1.1. 1) ist klar und eindeutig formuliert, sodass die Klausel hinsichtlich der Bestimmtheit der Formulierung nicht zu bemängeln ist (vgl. BGer Urteil 4A_247/2013 vom 14. Oktober 2013 E. 2.4, worin Gerichtsstand ist Oberwil als ohne Weiteres klar und eindeutig bewertet wurde). Unklarheiten betreffend die Formulierung werden ferner auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Ist die Klausel klar und deutlich und wurden die AGB zugänglich gemacht, so wie vorliegend durch Übermittlung mit der Vertragsofferte als E-Mail Anhang (vgl. Erw. II.1.4.2 nachfolgend), so genügt nach dem Vertrauensprinzip die Erfahrung eines durchschnittlich gebildeten Vertragspart- ners, damit in guten Treuen davon ausgegangen werden kann, die Klausel sei zur Kenntnis genommen und ihr sei zugestimmt worden.

        3. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das gemäss unbestritten gebliebener klägerischer Behauptung nebst Dienstleistungen in den Bereichen Finanzen, IT sowie weitere Dienstleistungen für natürliche und juristische Personen auch Rechtsberatungen erbringt (act. 19 Rz. 18; act. 3/5). Somit han- delt es sich bei der Beklagten um eine rechtskundige Vertragspartnerin. Im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wäre die rechtskundige Beklagte ohne Weiteres in der Lage gewesen, die vorliegende klare und deutliche Gerichtsstandsvereinbarung zu verstehen und gegebenenfalls ausdrücklich abzulehnen. Das ist nicht erfolgt. Folglich liegt ein gültiger Verzicht auf den Sitzgerichtsstand der Beklagten vor.

        4. Daran vermögen auch die weiteren Vorbringen der Beklagten, wonach die Klausel nicht sichtbar, gut versteckt und für einen Laien nicht erkennbar sei (act. 23 Rz. 9), nichts zu ändern. Der Beklagten ist zwar insofern zuzustimmen, dass

          die Gerichtsstandklausel in Ziffer 14 (l) der klägerischen AGB optisch nicht besonders hervorgehoben und sie ganz am Schluss der AGB unter dem Titel Sonstiges platziert ist. Allerdings ist die vorliegende Klausel weder versteckt noch an einem ungewöhnlichen Ort platziert. Im Gegenteil: Die Platzierung am Schluss des Dokumentes bildet den Regelfall. Ausserdem handelt es sich bei der Beklagten – wie gezeigt – nicht um einen juristischen Laien, sondern um eine rechtskun- dige Partei, sodass die Klägerin ohne Weiteres erwarten durfte, dass der Gerichtsstandsklausel auch ohne Hervorhebung zugestimmt wurde.

        5. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass mit dem Gerichtsstand am Sitz der Klägerin in der Stadt Zürich ohne Weiteres auch ein hinreichender Bezug zum vereinbarten Gerichtsstand gegeben ist, womit die Klausel auch nicht infolge fehlenden Bezugs ausnahmsweise von der Ungewöhnlichkeitsregel erfasst wird. Die Prorogation des Gerichtsstands am eigenen Geschäftssitz stellt geradezu den typischen Fall einer Gerichtsstandsvereinbarung dar.

        6. Die Gerichtsstandsklausel ist somit gültig und die örtliche Zuständigkeit der zürcherischen Gerichte ist zu bejahen.

    2. Sachliche Zuständigkeit

      Die Beklagte bestreitet die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts lediglich indirekt, indem sie geltend macht, dass es bereits an der örtlichen Zuständigkeit fehle (act. 10 Rz. 11). Die sachliche Zuständigkeit des hiesigen Gerichts ist gegeben (Art. 6 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 44 lit. b GOG).

    3. Übrige Prozessvoraussetzungen

Die übrigen Prozessvoraussetzungen erweisen sich als erfüllt und geben zu kei- nen Bemerkungen Anlass.

  1. Materielles

    1. Wirksamer Einbezug der AGB

      1. Vorbemerkung

        Die Parteien sind sich einig, dass sie am 14./18. September 2018 einen Vertrag mit der Bezeichnung … / Annex DA_Security_GW_C. _V2 (act. 3/3) geschlossen haben. Umstritten ist hingegen der gültige Einbezug der klägerischen AGB.

      2. Streitpunkte der Parteien

        1. Klägerin

          Die Klägerin macht geltend, die Vertragsofferte … (act. 3/3) sei der Beklagten am 3. August 2018 zusammen mit den angehängten Leistungsbeschreibungen und den AGB per E-Mail zugestellt worden (act. 1 Rz. 11, 29 f.). Der von den Parteien geschlossene Vertrag verweise unter dem Titel Terms and Conditions ausdrücklich auf die AGB, womit diese gültig einbezogen worden seien (act. 1 Rz. 8).

        2. Beklagte

          Die Beklagte wendet ein, die AGB seien nie Vertragsbestandteil geworden, da kein ausdrückliches Akzept, namentlich weder eine Unterzeichnung der AGB noch eine anderweitige ausdrückliche Erklärung, wonach die AGB mit Unterzeichnung des Annexes akzeptiert werden, durch die Beklagte erfolgt sei. Ein Verweis auf die AGB nach einem Hinweis über die Preisbasis in einem als Annex bezeichneten Dokument für einen gültigen Einbezug von AGB sei unzureichend (act. 10 Rz. 6, 26 f., 45; act. 23 Rz. 5 ff.). Die Beklagte macht weiter geltend, die Zusendung der AGB zusammen mit diversen weiteren Dokumenten je als E-Mail Anhang und ohne expliziten Hinweis im E-Mail auf die im Anhang enthaltenen AGB sei unzulässig (act. 23 Rz. 68). Ausserdem habe die Beklagte – entgegen der Behauptung der Klägerin – am 3. August 2018 nicht die schliesslich unterzeichnete Vertragsofferte samt AGB erhalten, sondern eine vorangehende

          Version der Vertragsofferte. Beim schliesslich unterzeichneten Vertrag handle es sich um eine Folgeversion, welche der Beklagten am 14. August 2018 zugestellt worden sei (act. 23 Rz. 8). Zudem sei die Vertragsofferte infolge der Befristung bis am 13. September 2018 im Zeitpunkt der Unterzeichnung am 14. September 2018 durch die Beklagte nicht mehr gültig gewesen, sodass die Beklagte der Klägerin ein neues Angebot (sog. Gegenofferte), selbstredend ohne AGB als integrierender Vertragsbestandteil, unterbreitet habe. Dieses neue Angebot ohne AGB habe die Klägerin mit Unterzeichnung am 18. September 2018 angenommen (act. 10 Rz. 27). Ausserdem sei die Klägerin selber nicht von einer gültigen Übernahme der AGB ausgegangen, da sie die AGB und insbesondere die in den AGB enthaltene vorzeitige Kündigungsmöglichkeit in der vorprozessualen Korrespondenz nie erwähnt habe (act. 10 Rz. 45).

      3. Rechtliches

        1. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden Vertragsinhalt, wenn sie die Parteien durch entsprechende Willensübereinstimmung in ihren Vertrag einbeziehen. Die Übernahme unterliegt den allgemeinen Konsensregeln von Art. 1 ff. OR und kann ausdrücklich konkludent erfolgen (BK-KRAMER, Art. 1 N 184, N 187 ff.). Eine ausdrückliche Übernahme der AGB liegt unter anderem dann vor, wenn das unterzeichnete Vertragsdokument einen Verweis auf die massgebenden AGB enthält (BK-KRAMER , Art. 1 N 188; BSK OR I-ZELLWEGER-GUTKNECHT/BUCHER,

          Art. 1 N 52, N 124 ff.). Wer eine Vertragsurkunde unterzeichnet, die auf AGB verweist, ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich in gleicher Weise gebunden, wie wenn er die AGB selber unterzeichnet hätte (BGE 119 II 443 E. 1a; BGE 108 II 416 E. 1b). Während im Geschäftsverkehr mit Konsumenten ein strengerer Massstab betreffend Deutlichkeit des Hinweises im unterzeichneten Vertragsdokument gilt, werden im kaufmännischen Geschäftsverkehr (B2B) geringere Anforderungen an die Deutlichkeit gestellt (KRAMER ERNST A./PROBST THOMAS/PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbe- dingungen, Bern 2016, S. 85 f.). So genügt es im B2B-Verkehr, dass der Einbeziehungswille des AGB-Verwenders erkennbar ist. Damit die AGB Vertragsinhalt werden, muss der AGB-Verwender gegenüber einer unternehmerisch tätigen Vertragspartei in irgendeiner Weise auf die AGB Bezug nehmen. Die Bezugnahme muss grundsätzlich anlässlich der Verhandlungen über den Vertrag erfolgen (KRAMER ERNST A./PROBST THOMAS/PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bern 2016, S. 163). Wird dem Vertragspartner per E-Mail per E-Mail Anhang eine individuelle Vertragsofferte übermittelt, so darf der AGB-Verwender nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass der Empfänger die Offerte ausführlich studiert und einen an beliebiger Stelle platzierten Verweis auf die AGB zur Kenntnis nimmt (SCHWAB KARIN F., Die Über- nahme von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in elektronisch abgeschlossene Verträge, Diss., Zürich 2001, S. 74).

        2. Ferner wird zwischen Voll- und Globalübernahme unterschieden. Hat eine Partei die AGB im Einzelnen gelesen, ihren Inhalt verstanden und akzeptiert, liegt eine Vollübernahme vor. Hat sie die AGB akzeptiert, ohne ihren Inhalt gelesen verstanden zu haben, handelt es sich um eine Globalübernahme (BSK UWG-THOUVENIN, Art. 8 N 50). Die Globalübernahme wird durch verschiedene Kriterien eingeschränkt. Einerseits gelten global akzeptierte AGB nur, sofern die akzeptierende Partei vor bzw. spätestens anlässlich des Vertragsschlusses hinreichend deutlich auf die AGB hingewiesen wurde und sie die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der AGB in zumutbarer Weise, d.h. ohne namhafte eigene Anstrengungen und Mühen, Kenntnis zu nehmen (sog. Zugänglichkeitsregel; BGE 139 III 345). Ferner sind ungewöhnliche Vertragsklauseln nicht vom Parteikonsens ge- deckt (sog. Ungewöhnlichkeitsregel; KOLLER ALFRED, AGB-Recht, AJP 2016

          S. 279 ff., 281). Das Kriterium der Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme ist ohne Weiteres erfüllt, wenn die AGB dem Kunden vor Vertragsschluss zugesandt, vorgelegt, ausgehändigt, dem Vertrag beigelegt, mündlich kommuniziert ausnahmsweise in anderer Form sichtbar gemacht wurden (KOLLER ALFRED, AGB- Recht, AJP 2016 S. 279 ff., 283). Bei elektronischem Geschäftsabschluss ist die zumutbare Kenntnisnahme gegeben, wenn die massgebenden AGB heruntergeladen, auf den Geräten kopiert ausgedruckt werden können (GAUCH/SCHLUEPP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil – ohne Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 11. Auflage, Zürich 2020, N 1135c). Sollen AGB in per E-Mail abgeschlossene Verträge übernommen werden, so

          muss der Verwender sein Gegenüber vor Vertragsschluss auf die AGB aufmerksam machen. Massgebend ist, dass sich die Parteien im Vorfeld des Vertragsschlusses per E-Mail austauschen und dass die AGB dem Vertragspartner vor Vertragsschluss zugehen (SCHWAB KARIN F., Die Übernahme von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in elektronisch abgeschlossene Verträge, Diss., Zürich 2001, S. 67). Nach aktueller bundesgerichtlicher Rechtsprechung genügt – im Zusammenhang mit einer Gerichtsstandsklausel i.S.v. Art. 23 Ziff. 1 Bst. a LugÜ – für die Schaffung einer zumutbaren Kenntnisnahme im B2B-Verkehr ein Hinweis auf die Abrufbarkeit der AGB im Internet bei den per E-Mail kommunizierenden Parteien (BGE 139 III 345 E. 4.4.1). Das Kriterium der Zugänglichkeit ist ausser- dem auch schon dann erfüllt, wenn die Anwendbarkeit und der Inhalt der AGB aus früheren Geschäftsbeziehungen bekannt waren (BGer Urteil 4A_347/2011 vom 10. August 2011 E. 2).

      4. Würdigung

        1. Hinreichender Verweis auf AGB

          1. Die Beklagte führt aus, die Parteien hätten die AGB nie unterzeichnet o- der durch ausdrückliche Erklärung übernommen (act. 10 Rz. 24, 26). Wie gezeigt, können AGB auch ohne ausdrückliche Erklärung der Parteien zum Vertragsbestandteil erhoben werden. Für eine ausdrückliche Übernahme genügt es, dass im unterzeichneten Vertragsdokument ein Hinweis auf die Geltung der AGB enthalten ist. Der Hinweis im Vertrag muss hinreichend deutlich sein, wobei im geschäftlichen Verkehr geringere Anforderungen an die Deutlichkeit gestellt werden, als im Verkehr mit Konsumenten. Vorliegend handelt es sich um eine B2B- Konstellation, zumal die Beklagte ein im Handelsregister eingetragenes Unter- nehmen ist und der Vertrag ihren geschäftlichen Betrieb betrifft. Somit genügt ei- ne für die Beklagte erkennbare Kundgabe des Einbeziehungswillens seitens der Klägerin.

          2. Unbestrittenermassen unterzeichneten die Parteien das Vertragsdokument … (act. 3/3). Im unterzeichneten Vertrag ist im unteren Drittel des einseitigen Vertragsdokuments folgender Hinweis zu entnehmen:

          3. Der obige AGB-Hinweis ist zwar knapp gehalten und optisch auch nicht besonders hervorgehoben. Gleichwohl lässt die Nennung der klägerischen AGB den durch die Klägerin beabsichtigten Einbezug der AGB auch ohne zusätzliche, konkretere Umschreibung hinreichend erkennen. Andernfalls gäbe es keinen Grund, die AGB an dieser Stelle zu vermerken. Ferner ist der AGB-Verweis weder im Kleingedruckten noch an unübersichtlicher Stelle platziert, sondern in einer Weise angebracht, dass die Beklagte diesen ohne Weiteres wahrnehmen kann. Auch thematisch ist der Verweis auf die AGB sinnvoll unter dem Übertitel Terms and Conditions eingegliedert. So wird bereits beim Lesen des Titels Terms and Conditions deutlich, dass nachfolgend weitere Vertragsbedingungen folgen wer- den. Auch wurde der Hinweis hinreichend prominent positioniert, zumal direkt darunter die Unterschriften der Parteien folgen. Dem beklagtischen Vorbringen, wo- nach es unzureichend bzw. ungewöhnlich sei, dass auf die AGB in einem als Annex bezeichneten Dokument, in welchem es um Preisfestlegung gehe, verwiesen werde, kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch die Nähe zum Hinweis über die Preisbasis (act. 23 Rz. 6) nicht zu beanstanden, da es sich beim Preis um einen wesentlichen Vertragsbestandteil (sog. essentialia negotii) handelt. Ausserdem handelt es sich bei dem zwar als Annex bezeichneten Dokument (act. 3/3) unbestrittenermassen um das Hauptdokument der Vereinbarung zwischen den Parteien, das auch von beiden Parteien datiert und unterzeichnet wurde. An diesem Ergebnis ändert der Umstand, dass die Klägerin in der vorprozessualen Korrespondenz die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit nicht thematisierte, nichts. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der im unterzeichneten Vertragsdokument enthaltene Hinweis einen hinreichend deutlichen Verweis auf die AGB darstellt, sodass die AGB vorliegend von der Beklagten ausdrücklich übernommen wurden.

      1. Zugänglichkeit

        1. Da die Beklagte den AGB zustimmte ohne diese gelesen zu haben, liegt eine Globalübernahme vor. Die wirksame Übernahme der AGB mittels Global- übernahme ist von der Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme vor Vertragsschluss abhängig (vgl. Erw. 1.3 oben).

        2. Die AGB wurden der Beklagten am 3. August 2018 zusammen mit einer Vertragsofferte per E-Mail Anhang zugestellt. Unstrittig ist ebenfalls, dass die Vertragsunterzeichnung am 14. September 2018 seitens der Beklagten und

          18. September 2018 seitens der Klägerin erfolgte. Uneinigkeit besteht betreffend das Datum der Zustellung der schliesslich unterzeichneten Vertragsofferte und dahingehend, ob die AGB mit derjenigen Vertragsofferte versendet wurden, die schliesslich auch unterzeichnet wurde, ob die AGB mit einer früheren Version der Vertragsofferte zugestellt wurde. Anerkannt ist, dass die Vertragsofferten alle zwischen dem 3. August 2018 und 14. August 2018 und die AGB vor der Unterzeichnung derselben zugestellt wurden.

        3. In Anbetracht der geringeren Anforderungen an das Kriterium der zumutbaren Kenntnisnahme im B2B-Bereich ist dieses mit der Zusendung der AGB als Anhang zur Vertragsofferte per E-Mail ohne Weiteres erfüllt (BGE 139 III 345

          E.4.4.1 implizit), zumal es der Beklagten keinerlei Umstände bereitet haben dürfte, die an das E-Mail angehängten AGB zu öffnen, zu drucken abzuspeichern. Gegenteiliges wird von der Beklagten auch nicht vorgebracht. Der in BGE 139 III 345 dem AGB-Verwender aufgebürdeten Verschaffungsobliegenheit kam die Klägerin demnach rechtsgenügend nach.

        4. Auch das Vorbringen der Beklagten, die AGB seien nebenbei zusammen mit anderen Dokumenten, jedoch ohne ausdrückliche Erwähnung der AGB im E-Mail zugestellt worden (act. 10 Rz. 24; act. 23 Rz. 68), ändert nichts daran, dass die AGB ohne namhafte eigene Anstrengungen zugänglich waren. Letztlich genügt es, dass im unterzeichneten Vertragsdokument ein hinreichender Hinweis auf die AGB enthalten war und die AGB unbestrittenermassen vor Vertragsschluss zugestellt wurden. Dem Empfänger im unternehmerischen Geschäftsverkehr darf zugemutet werden, dass er die individuelle Vertragsofferte genau stu- diert. Der Verweis in der vorliegend unterzeichneten Vertragsurkunde ist ausser- dem klar und deutlich. Dass die Beklagte die Offerte genau studiert haben dürfte, geht auch aus dem Umstand hervor, dass sie die ersten beiden Offerten ablehnte und erst die dritte angepasste Offerte unterzeichnete (act. 23 Rz. 8).

        5. Somit verbleibt die Frage, ob die Vertragsofferte und AGB zwingend im gleichen E-Mail zur Kenntnis gebracht werden müssen ob es ausreichend ist, die AGB in der ersten Version der Offerte mitzusenden und schliesslich eine nachfolgende Version zu unterzeichnen. Zwischen den Parteien wurde lediglich über den Abschluss eines konkreten Vertrages verhandelt. Sämtliche Versionen der Vertragsofferte wurden der Beklagten anerkanntermassen zwischen dem

3. August 2018 und dem 14. August 2018 zugestellt. So war der Beklagten jederzeit klar, in welchen Vertrag die AGB integriert werden sollen. Etwas anderes wird auch nicht geltend gemacht. Die zugestellten AGB standen folglich in zeitlicher wie auch thematischer Hinsicht in einem klaren Zusammenhang mit dem am 14. bzw. 18. September 2018 unterzeichneten Vertrag. Nicht entscheidend ist, ob die AGB zusammen mit der ersten Version einer Folgeversion zugesendet wur- den, solange erkennbar war, dass sie für den abzuschliessenden Vertrag Vertragsbestandteil werden sollten. Massgebend ist somit einzig, dass die AGB der Beklagten vor Vertragsschluss und in zumutbarer Weise zur Kenntnis gebracht wurden. Dies war vorliegend ohne Weiteres der Fall, womit das Zugänglichkeitskriterium erfüllt ist.

      1. Gegenofferte ohne AGB

        1. Die Beklagte macht geltend, das am 14. September 2018 und damit ein Tag nach Ablauf der Befristung der Offerte von der Beklagten unterzeichnete Vertragsdokument stelle eine Gegenofferte dar, welche die Klägerin durch Unterzeichnung angenommen habe (act. 10 Rz. 27).

        2. Dieses Vorbringen überzeugt aus mehreren Gründen nicht: Die Annahme einer Offerte im Sinne von Art. 3 OR muss grundsätzlich in einem nicht qualifizierten, d.h. an keinerlei Bedingungen geknüpften «Ja» bestehen, damit es die Vertragsentstehung auslöst. Mit dem Akzept können grundsätzlich keine neuen wesentlichen Vertragselemente nachgeschoben werden (BSK OR I-ZELLWEGER- GUTKNECHT, Art. 3 N 11). Versieht die Empfängerin ihre Annahmerklärung mit ei- ner Bedingung einem Zusatzelement (sog. qualifizierende Annahmeerklärung), sagt sie nicht nur «Ja», sondern «Ja, aber» zum Antrag. Ist dies der Fall, so ist diese Erklärung nicht als eine Annahme im Sinne von Art. 3 OR, sondern grundsätzlich – wie die Beklagte zurecht geltend macht – als Gegenofferte zu qualifizieren (BK OR-MÜLLER CHRISTOPH, Art. 3 N 100, 105). Das qualifizierende Akzept muss nicht nur für die inhaltliche Erweiterung der Ursprungsofferte, son- dern auch für eine inhaltliche Reduktion des Vertragsinhalts, wie vorliegend die Reduktion des Vertragsinhalts um die AGB, gelten.

        3. Nichtsdestotrotz ist die ursprüngliche Offerte jedoch nur dann erloschen, wenn die Antwort des Offertempfängers zum Ausdruck bringt, dass die Offerte in gestellter Form nicht interessiere und die unterbreitete (neue) Gegenofferte den Vertragswillen darstelle (BSK OR I-ZELLWEGER-GUTKNECHT, Art. 3 N 22 ff.). Mit vorbehaltloser Unterzeichnung durch die Beklagte wird genau das Gegenteil zum Ausdruck gebracht, nämlich, dass die Offerte der Klägerin auch den Vertragswillen der Beklagten darstelle. Eine solche sog. qualifizierende Annahmeerklärung setzt eine ausdrückliche Kundgabe der beabsichtigten Änderungen des Empfängers voraus (BK OR-MÜLLER CHRISTOPH, Art. 3 N 105). Dies war vorliegend nicht der Fall, weshalb keine Gegenofferte vorliegt, die hätte angenommen werden können.

        4. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 OR dem Bedürfnis des Offertstellers, nicht ewig an ein Angebot gebunden zu sein, gerecht werden möchte. Der Offertsteller bestimmt, wie lange er an sein Angebot gebunden sein möchte. Die Bestimmung dient folglich dem Schutz des Offertstellers. Sodann kann der Offertsteller eine ihm beliebige Frist ansetzen eine von ihm gesetzte Frist während ihres Laufes verlängern (JÄGGI PETER, in: Zürcher Kommentar, Obligationenrecht Art. 1-17, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Obligationenrecht, 3. Aufl., Art. 3 N 70). Vor diesem Hintergrund ist vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerin stillschweigend eine Verlängerung der befristeten

          Offerte gewährte und die Beklagte diese mit Unterzeichnung am 14. September 2018 inklusive AGB annahm.

      2. Fazit

Die AGB wurden seitens der Beklagten im Rahmen einer Globalübernahme übernommen, womit diese wirksam zum Vertragsbestandteil erhoben wurden.

  1. Vertragsdauer

    1. Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, der Vertrag sei auf eine feste Dauer von drei Jahren abgeschlossen worden. Das unterzeichnete Vertragsdokument enthält im Abschnitt Summary den Vermerk Total based on 3 year fix service duration; zudem ist 3 year fix service duration discount on monthly fee angekreuzt. Damit sei eine Vertragsdauer von drei Jahren vereinbart worden. Die Beklagte wendet ein, der Vertrag sei nicht für eine feste Dauer von drei Jahren abgeschlossen worden und könne jederzeit gekündigt werden, da keine Kündigungsmodalitäten vereinbart worden seien und Art. 404 OR eine zwingende gesetzliche Kündigungsmöglichkeit vorsehe (act. 10 Rz. 33, 47; act. 23 Rz. 16 ff.). Die 3 year fix service duration discount on monthly fee beziehe sich nur auf den Rabatt, aber nicht auf die Vertragslaufzeit (act. 10 Rz. 33, 47). Bei dieser Formulierung handle es sich um eine rein pekuniäre Incentivierung (act. 23 Rz. 16).

    2. Die Parteien sind sich betreffend die Dauer des Vertrages uneinig, sodass ein tatsächlich übereinstimmender Parteiwille hinsichtlich der Tragweite der vorgenannten Vertragsklausel nicht ermittelt werden kann, zumal keine Partei das Vorliegen eines tatsächlichen Konsenses substantiiert behauptet hat. Demzufolge muss die Klausel nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt werden. Es ist danach zu fragen, was eine vernünftige Vertragspartei versteht bzw. richtigerweise verstehen muss, wenn sie die Klausel liest: Nach Treu und Glauben ist die Formulierung Total based on 3 year fix service duration einzig dahingehend zu verstehen, dass der Vertrag auf eine feste Dauer von drei Jahren abgeschlossen wurde. Zudem impliziert ein Rabatt wegen einer festen Dauer gerade auch eine feste

      Dauer. Es handelt sich somit vorliegend um einen Vertrag, der auf eine feste Dauer von drei Jahren abgeschlossen wurde.

  2. Vorzeitige Kündigung und deren Folgen

    1. Die Beklagte kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 4. August 2020 per

      30. September 2020 (act. 19 Rz. 41; act. 3/14). Die Klägerin bestätigte den Empfang der Kündigung mit Schreiben vom 7. August 2020 (act. 1 Rz. 44; act. 3/15) und akzeptierte die Kündigung auf Ende der Laufzeit, d.h. per 31. Oktober 2021 (act. 1 Rz. 44; act. 3/16). In der Klage akzeptiert die Klägerin die Kündigung per Ende Februar 2021 und berechnet für den Rest der Laufzeit die Kündigungsgebühr von 80% (act. 1 Rz. 71).

    2. Die anwendbaren klägerischen AGB enthalten eigenständige Kündigungsmodalitäten. Diese kommen vorliegend zur Anwendung. Entsprechend den Kün- digungsmodalitäten können die Services mit fester Laufzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten durch Zusendung einer schriftlichen Mitteilung an den Anbieter ordentlich gekündigt werden. In diesem Fall hat der Kunde eine Kündigungsgebühr von 80% der Gebühren für die restliche Service-Laufzeit zu bezahlen (Ziffer 5c (iii) AGB; act. 3/2).

    3. Wie die Klägerin geltend macht, ergibt sich gestützt auf die Kündigungsmodalitäten in Ziffer 5c (iii) AGB für die sechsmonatige Kündigungsfrist von September 2020 bis Februar 2021 sowie nach Abzug des vollständig vergüteten Mo- nats September 2020 ein geschuldeter Gesamtbetrag von total CHF 22'736.85 (fünf Monate à CHF 4'547.36). Die Kündigungsgebühr, d.h. 80% der für die Restlaufzeit von acht Monaten (März 2021 bis Oktober 2021; 80% von CHF 4'547.36) geschuldeten Gebühren beträgt CHF 29'103.15 (act. 1 Rz. 49 ff.). Die Beklagte beanstandet die Berechnungen nicht. Gestützt auf Ziffer 5 (c) (iii) AGB (act. 3/2) hat die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf die Vergütung von insgesamt CHF 51'840.– (CHF 22'736.85 + CHF 29'103.15).

    4. An diesem Ergebnis vermag auch das Vorbringen der Beklagten, wonach die Klägerin die Kündigung per 30. September 2020 akzeptiert habe, indem sie

      die Dienstleistungen per 30. September 2020 kommentar- und widerspruchslos abgeschaltet habe (act. 10 Rz. 29), nichts zu ändern. Aus den Akten geht hervor, dass die Klägerin mit Schreiben vom 7. August 2020 die sofortige Kündigungsmöglichkeit bestritt und an der Beendigung des Vertragsverhältnisses per Ende Oktober 2021 festhielt (act. 1 Rz. 44; act. 3/16). Sodann stellte sie am 20. August 2020, also nach Erhalt des Kündigungsschreibens der Beklagten, die Gebühren für die Monate Oktober 2020 bis Dezember 2020 in Rechnung (act. 1 Rz. 45; act. 3/17), womit sie klar zum Ausdruck brachte, dass sie die Kündigung nicht akzeptiere. Die Beklagte hielt an ihrer Meinung fest und wies die Rechnung zurück; ausserdem schrieb sie am 7. September 2020 Bitte teilen Sie uns mit, wann Sie die Hardwarekomponenten, welche sich noch in unseren Räumlichkeiten befin- den, abholen werden. (act. 1 Rz. 46; act. 3/18). Nach weiterer Korrespondenz schrieb die Beklagte am 7. Oktober 2020, sie habe bereits eine neue Firewall installiert und die Hardwarekomponente der Klägerin ausser Betrieb genommen. Die Einstellung der Leistungen wurde seitens der Klientin ohne weiteres akzeptiert und bestätigt und auf eine Rücknahme der Hardware-Komponente verzichtet. (act. 1 Rz. 48; act. 3/20). Aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen D.

      (IT-Verantwortlicher der Beklagten) und E.

      (Mitarbeiter der Klägerin) am

      1./2. Oktober 2020 (act. 11/6) ergibt sich, dass die Beklagte die Firewall abschaltete und bei der Klägerin nachfragte, ob sie die Hardware entsorgen zurückgeben solle, worauf die Klägerin die noch verbleibende Dienstleistung, das monitoring, ebenfalls abschaltete.

    5. Unter diesen Umständen kann der Klägerin kein Akzept der Kündigung vorgehalten werden. Vielmehr war es die Beklagte, die die Dienste der Klägerin nicht mehr in Anspruch nehmen wollte und auf die Dienstleistungen verzichtete, indem sie zuerst die Firewall abschaltete. Wie die Klägerin bei diesem Verhalten der Beklagten dennoch ihren Service hätte aufrechterhalten können, erschliesst sich jedenfalls nicht. Es wäre treuwidrig, wenn die Beklagte der Klägerin unterstellen könnte, sie habe nicht mehr geliefert, wenn es gerade die Beklagte war, die den Erhalt der Dienstleistung stoppte bzw. verunmöglichte.

  3. Vertragsinhalt und Vertragsqualifikation

    Die Beklagte hält der Klage in erster Linie entgegen, dass ihr aufgrund der auftragsrechtlichen Natur des Vertrages ein jederzeitiges und entschädigungsloses Kündigungsrecht zustehe. In Frage steht damit, welche vertraglichen Leistungen konkret vereinbart waren und wie das Vertragsverhältnis zu qualifizieren ist.

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Die Klägerin erbrachte im Rahmen des ... Vertrages IT-Dienstleistungen für die Beklagte. Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses lieferte die Klägerin der Beklagten unbestrittenermassen eine Hardware, programmierte initial und kundenspezifisch die Firewall und passte diese während der Vertragslaufzeit jeweils nach den Wünschen der Beklagten an. Ferner gewährleistete die Klägerin einen 24x7-Operations Service, der eine rund-um-die-Uhr Erreichbarkeit von IT- Ingenieuren, die bei der Problembehebung halfen, sicherstellte.

    2. Streitpunkte der Parteien

      1. Klägerin

        Die Klägerin macht geltend, sie biete ihren Kunden Managed Services im Bereich der IT-Sicherheit an. … ermögliche es den Kunden, wirkungsvoll und effizient die Sicherheit und die Verfügbarkeit ihrer IT-Infrastrukturen zu gewährleisten (act. 1 Rz. 19). Die Klägerin stützt sich auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, der die Service Details definiere (act. 1 Rz. 26 ff.). Ihre vertraglich vereinbarten und erbrachten Leistungen liessen sich in drei Komponenten zusammenfassen: (1.) Die gelieferte Service Delivery Platform, d.h. eine Hardware mit einer für den Kunden zusammengestellten Sammlung von vorinstallierten Softwarekomponenten (act. 1 Rz. 20; act. 19 Rz. 50), (2.) das Mission Control Portal (ein internetbasiertes Kontrollzentrum; act. 1 Rz. 21 f.; act. 19 Rz. 50) sowie (3.) 24x7 Operations (Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit der Ingenieure der Klägerin; act. 1 Rz. 24 ff.; act. 19 Rz. 50). Im Rahmen der drei vorgenannten Servicekomponenten konfiguriere sie die Firewall nach den

        Wünschen des Kunden korrekt und warte das für den Kunden zusammengestellte Paket von mehr als 100 Softwarekomponenten regelmässig. Die Firewall Policy, die sog. Schleusenregeln, programmiere sie entsprechend den Wünschen des Kunden zu Beginn des Services, und während der Vertragslaufzeit aktualisiere sie diese Firewall Policy laufend auf Anweisung des Kunden. Ausserdem seien ihre IT-Ingenieure 24x7 verfügbar, wodurch behebbare IT-Probleme des Kunden innert kurzer Frist behoben werden könnten (act. 19 Rz. 44).

        Nach Ansicht der Klägerin sei das korrekte Zusammenstellen und die Konfiguration der Hardware und Softwarekomponenten sowie die Programmierung der Firewall Policy nach kundenspezifischen Vorgaben ein objektiv überprüfbares Ergebnis (act. 19 Rz. 79). Beim vorliegenden Vertrag handle es deshalb sich um einen Dauerwerkvertrag mit untergeordneten mietrechtlichen Elementen, weil die Klägerin ein bestimmtes Arbeitsergebnis schulde, nämlich die Verfügbarkeit einer bestimmten Funktionalität (act. 1 Rz. 55). Es sei nicht blosses Tätigwerden geschuldet. Überdies fehle auch ein für das Auftragsrecht typisches besonderes Vertrauensverhältnis. Damit sei das jederzeitige Kündigungsrecht nach Art. 404 OR nicht anwendbar.

      2. Beklagte

        Die Beklagte wendet im Wesentlichen ein, es fehle an einer Vereinbarung über konkrete werkvertragstypische Leistungen, versprochenen Konfigurationen, Funktionalitäten dergleichen, deren erfolgreiche Umsetzung objektiv überprüft werden könne (act. 23 Rz. 69). Die Klägerin schulde vorliegend kein Arbeitsergebnis, sondern ein sorgfältiges Tätigwerden zur Überwachung der Systeme der Beklagten; ein Erfolg sei weder versprochen noch garantiert (act. 10 S. 14). Das Vertragsverhältnis sei demnach als einfacher Auftrag zu qualifizieren und das Auftragsrecht sehe ein jederzeitiges Kündigungsrecht gemäss Art. 404 OR vor.

    3. Rechtliches

      1. Abgrenzung von Auftrag (Art. 394 ff. OR) und Werkvertrag (Art. 363 ff. OR)

        Während sich der Unternehmer durch den Werkvertrag zur Herstellung eines Werkes und der Besteller zur Leistung einer Vergütung verpflichtet (Art. 363 OR), hat der Beauftragte die ihm übertragenen Geschäfte vertragsgemäss zu besorgen (Art. 394 Abs. 1 OR). Das Hauptabgrenzungskriterium zwischen Auftrag und Werkvertrag bildet der Arbeitserfolg, den der Unternehmer im Gegensatz zum Beauftragten schuldet (BGE 127 III 328 E. 2a). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung können sowohl körperliche wie auch unkörperliche Arbeitsergebnisse Gegenstand eines Werkvertrages bilden (BGE 109 II 34 E. 3; BGE 119 II 40 E. 2e; BGE 115 II 50 E. 1; BGE 112 II 41 E. 1a/aa S. 46). Lässt

        sich ein Arbeitsergebnis bzw. Resultat nach objektiven Kriterien auf seine Vertragskonformität überprüfen, kann es vom Leistungserbringer als Erfolg versprochen werden (BSK OR I-ZINDEL/SCHOTT, Vor Art. 363 – 379 N 8). Bei IT- Verträgen stellt die Pflicht zur Behebung von Softwarefehlern eine werkvertragliche Leistung dar. Demgegenüber ist von einer auftragsrechtlichen Leistung auszugehen, wenn sich der Lieferant nur zu einem Tätigwerden verpflichtet und damit keinen Erfolg schuldet (FRÖHLICH-BLEULER GIANNI, Softwareverträge, 2. Aufl., Bern 2014, S. 789). Das Bundesgericht bestätigte in seinem Entscheid 4A_573/2020 vom 11. Oktober 2021 die Qualifikation eines IT- Vertrages betreffend die Installation und Wartung eines Unterhaltungssystems (Überlassung von Hardware, Lieferung von Software mit Nutzungslizenzen, die Installation eines Systems im Hotel sowie einen Wartungsservice in Form eines Call-Centers und Vor-Ort-Einsätzen des technischen Personals) in einem Hotel als gemischten Vertrag mit Elementen aus Miet-, Lizenz-, Werk- und Wartungsvertrag (BGer Urteil 4A_573/2020 vom 11. Oktober 2021).

      2. Innominatverträge

        Unterschieden wird zwischen den im Besonderen Teil des OR in einem Spezialgesetz spezifisch geregelten Verträgen (sog. Nominatverträge) und den Innominatverträgen (vgl. BGE 129 III 604 E. 2.2 = Pra. 2004 Nr. 100). Die Innominatverträge werden in gemischte Verträge (mixti generis) und Verträge eigener Art (sui generis) unterteilt (BSK OR I-AMSTUTZ/MORIN, Einl. vor Art. 184 ff. N 8). Gemischte Verträge sind einheitliche Verträge, in denen Tatbestandsmerkmale verschiedener Vertragstypen kombiniert werden. Massgebend ist, dass die verschiedenen Teilleistungen zusammengehören und in Verbindung miteinander geschuldet werden (BSK OR I-AMSTUTZ/MORIN, Einl. vor Art. 184 ff. N 9).

      3. Anwendbarkeit von Art. 404 OR

        Nach Art. 404 Abs. 1 OR kann ein Auftrag jederzeit widerrufen gekündigt werden. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist dieses Beendigungsrecht zwingend und darf weder vertraglich wegbedungen noch eingeschränkt werden. Es besteht auch, wenn ein Auftrag mit einer festen Dauer vereinbart wurde (BGE 104 II 108 E. 4). Das zwingende jederzeitige Beendigungsrecht gilt sowohl für reine Auftragsverhältnisse als auch für gemischte Verträge, für welche hinsichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des Auftragsrechts als sachgerecht erscheinen (BGE 110 II 389 E. 2 S. 382, BGE 109 II 362 E. 3d S. 466). Auch auf atypische Auftragsverhältnisse findet es Anwendung. Das Bundesgericht hat trotz Kritik der Lehre an dieser Praxis festgehalten (BGE 115 II 464 E. 2a; Urteile 4A_680/2016 vom 12. Juli 2017 E. 3.1; 4A_141/2011 vom 6.

        Juli 2011 E. 2.2 und 2.3; 4A_437/2008 vom 10. Februar 2009 E. 1.4 ff.; je mit Hinweisen; 4A_213/2008 vom 29. Juli 2008 E. 5.2). Für die Frage, ob hinsichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des Auftragsrechts als sachgerecht erscheinen, wird vor allem darauf abgestellt, ob nach Art des Vertrages ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien unerlässlich ist und ihm besondere Bedeutung zukommt (BGer Urteile 4A_542/2020 vom 03. März 2021 E. 3.3.1; 4A_686/2016 vom 12 Juli 2017 E. 3.1, 4A_284/2013 vom 13.

        Februar 2014 E. 3.5.1, 4C.24/1989 vom 24. April 1990 E. 2c).

    4. Würdigung

      1. Das Dienstleistungspaket der Klägerin bestand vorliegend aus verschiede- nen vertraglichen Teilleistungen. Im Folgenden ist zu prüfen, ob sich die von der Klägerin geltend gemachten Service-Elemente – die sog. Service Details sowie die damit zusammenhängenden Services – erstellen lassen und wie diese rechtlich zu qualifizieren sind.

      2. Nach der Darstellung der Klägerin programmiere sie die Firewall Policy nach den spezifischen Vorgaben des jeweiligen Kunden (act. 19 Rz. 54). Die Firewall Policy definiere, welcher Datenverkehr erlaubt und welcher blockiert wer- den soll. Die Konfiguration der Firewall Policy erfordere eine manuelle, kundenspezifische Arbeit der Klägerin (act. 19 Rz. 54). Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, dass die Programmierung einer Firewall Policy kein besonderer Service der Klägerin darstelle, da dies bei jeder Firewall standardmässig gemacht werden müsse (act. 23 Rz. 34). Damit anerkennt die Beklagte einen standardmässigen kundenspezifischen Implementierungsaufwand bei der Inbetriebsetzung einer Firewall und damit sinngemäss auch, dass die Klägerin die durch die Beklagte individuell definierten Firewall-Parameter programmiert hatte (act. 23 Rz. 34). Die Klägerin programmierte demzufolge nach Vorgaben der Beklagten die Firewall Policy, sog. Schleusenregeln. Das individuelle, kundenspezifische Programmieren der Firewall stellt ein objektiv überprüfbares Ergebnis dar und ist damit als werkvertragliche Leistung zu qualifizieren.

      3. Die Klägerin macht geltend, der 24x7-Operations umfasse die permanente automatisierte Selbstüberwachung sowie die Verfügbarkeit von Ingenieurinnen und Ingenieurinnen rund um die Uhr. Die Beklagte anerkennt die Vereinbarung sinngemäss, indem sie darlegt, mit der Inanspruchnahme des 24x7-Operations Services zufrieden zu sein (Diese Beratungsdienstleistung funktioniert seit über einem Jahr sehr gut; act. 23 Rz. 36). Es blieb unbestritten, dass die Klägerin nicht zur Behebung des aufgetretenen Fehlers, sondern nur zur Abgabe von Empfehlungen zur Problemlösung verpflichtet sei (act. 10 Rz. 20, 35). Die Klägerin hat sich damit nicht zur Behebung der Fehler, sondern einzig zur Abgabe von Empfehlungen an das bei der Beklagten angestellte IT-Personal verpflichtet. Somit versprach die Klägerin ein Tätigwerden und nicht einen Arbeitserfolg, weshalb diese Service-Komponente einen auftragsrechtlichen Charakter aufweist.

      4. Gemäss Klägerin zähle zum 24x7-Operations Service insbesondere die Pflicht zur Vornahme der vom Kunden gewünschten Anpassungen der Firewall Policy (act. 19 Rz. 56 f.). Die Ingenieure der Klägerin nahmen ab und zu eine Adjustierung der ursprünglichen Firewall Policy Einstellungen vor (nur sehr wenig

        Tickets generiert; sehr wenige Tickets für change notwendig; act. 23 Rz. 36, Rz. 50). Somit ist erstellt, dass der Klägerin die vertragliche Pflicht oblag, auf Anweisung der Beklagten die Firewall Policy (sog. Schleusenregeln) nach deren Bedürfnissen anzupassen, was sie unbestrittenermassen auch tat. Diese Anpassungen stellen je einzeln ein Arbeitsergebnis dar, das ohne Weiteres mittels Vorher-Nachher-Vergleich objektiv überprüfbar ist. Die Umsetzung der Anpassungen der Beklagten wurden von der Beklagten in qualitativer Hinsicht nicht moniert. Diese manuellen Anpassungen stellen damit ein nach objektiven Kriterien überprüfbares Arbeitsergebnis dar, weshalb dieses Vertragselement dem Werkvertragsrecht zuzuordnen ist.

      5. Unbestrittenermassen umfasste der Vertrag die Lieferung einer Service Delivery Platform, die sog. Hardware (act. 23 Rz. 32). Die Überlassung der Hardware zum Gebrauch gegen das vereinbarte monatliche Entgelt von CHF 400.– (act. 3/3) stellt eine mietrechtliche Service-Komponente (Art. 253 ff. OR) dar (BGer Urteil 4A_573/2020 E. 4.2).

      6. Mit der Qualifikation der vorstehenden Service-Elemente als Auftrag (24x7- Service), Werkvertrag (Implementierung und Anpassungen Firewall Policy) sowie untergeordneter mietvertraglicher Komponente (Überlassung Hardware) ist das Vorliegen eines reinen Auftragsverhältnisses bereits ausgeschlossen, weshalb von der Beurteilung der übrigen Service-Elemente (Software-Installation und Wartungs-Service) im Folgenden abgesehen werden kann. Da die vorgenannten Einzelleistungen stark miteinander verbunden und gemeinsam geschuldet sind, ohne dass eines der vorgenannten Service-Elemente als klare Hauptleistung im Vor- dergrund stehen würde, ist von einem gemischten Vertrag, bestehend aus Auftrag, Werkvertrag und Mietvertrag, auszugehen.

      7. Beim Vorliegen eines gemischten Vertrages hängt die Anwendbarkeit des jederzeitigen Kündigungsrechts nach Art. 404 Abs. 1 OR vom Vorliegen der zusätzlichen Bedingung des besonderen Vertrauensverhältnisses ab, was nachfolgend zu prüfen ist.

      8. Die Beklagte macht geltend, zwischen ihr und der Klägerin habe ein beson- deres Vertrauensverhältnis bestanden, da sie die Klägerin mit der Überwachung ihrer Systeme bzw. Hardware und somit ihrer Daten beauftragt habe, mitunter dem wertvollsten und vertraulichsten Gut der Beklagten (act. 10 Rz. 37). Auch sei der Klägerin Zugriff auf besonders sensitive Daten gewährt worden (act. 10 Rz. 58). Das Vorbringen der Beklagten überzeugt nicht. Ein ausgeprägtes Vertrauenselement, wie es bei einem Arzt, Anwalt Treuhänder in der Regel ange- nommen wird und sich durch die Personenbezogenheit auszeichnet, ist nicht dargetan. Vorliegend stand nicht ein besonderes Vertrauen in eine bestimmte Person, welche die Dienstleistungen erbringt, im Vordergrund, sondern vielmehr die technische Lösung, die die Klägerin anbietet, und deren Funktionieren sie rund um die Uhr gewährleistet. Richtig ist zwar, dass der Vertrag aufgrund seines Inhalts und der damit verbundenen Möglichkeit des Zugriffs auf besonders sensitive Daten durchaus Vertrauen in die Seriosität der Klägerin voraussetzte. Diese Art von Vertrauen kann jedoch nicht gleichgesetzt werden mit einem Vertrauensverhältnis, das infolge Personenbezogenheit des Vertrages unerlässlich ist und dem besondere Bedeutung zukommt. Die Beklagte legt auch nicht dar, inwiefern die Personenbezogenheit das vorliegende Vertragsverhältnis massgeblich ausgezeichnet haben soll. Ein entsprechendes gesteigertes Vertrauensverhältnis kann vorliegend nicht bejaht werden, weshalb Art. 404 OR auf das vorliegende Vertragsverhältnis keine Anwendung findet.

      9. An diesem Ergebnis vermag auch das Argument der Beklagten, wonach das Dienstleistungspaket der Klägerin von Anfang an überdimensioniert gewesen sei (act. 10 Rz. 1, 17; act. 23 Rz. 15, 36), nichts zu ändern. Selbst wenn die Dienstleistung überdimensioniert und zu kostenintensiv gewesen sein sollte, lässt dies eine vorzeitige Kündigung nicht als sachgerecht erscheinen, zumal es sich bei der Beklagten unbestrittenermassen um eine IT-versierte Vertragspartei han- delt, die die vereinbarten Leistungen nachvollziehen konnte und das Preis- Leistungsverhältnis im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages im Detail einzuschätzen wusste. Die Beklagte wusste genau, worauf sie sich einliess. Auch der Umstand, dass die Klägerin ihre Services ohne grossen Aufwand beenden konnte (act. 10 Rz. 21), lässt eine vorzeitige Vertragsauflösung seitens der Beklagten nicht als sachgerecht erscheinen. Dabei ist nicht entscheidend, dass die zeitliche Nähe zwischen der Gründung der Tochtergesellschaft B1. AG (act. 19 Rz. 68; act. 23 Rz. 72) und der Kündigung des in Frage stehenden Vertrages darauf hindeutet, dass die Beklagte die Dienstleistungen der Klägerin zu Beginn noch hatte beanspruchen müssen, da sie unmittelbar nach ihrer Gründung im Mai 2018 noch nicht über die benötigten Ressourcen und Kapazitäten verfügte, und dass sie sich im Laufe der Zeit offenbar genug eigenes Know-how erarbeitet hatte, um durch ihre neu gegründete Tochtergesellschaft B1. AG die Dienstleistungen der Klägerin fortan selber zu erbringen (act. 23 Rz. 13). Es sind vielmehr keine Umstände ersichtlich, die den vorzeitigen Ausstieg der Beklagten aus dem Vertrag als sachgerecht und damit schützenswert erscheinen lassen, zumal die Vertragslaufzeit – wie gesehen – nur drei Jahre betrug, was keine übermässig lange Vertragsdauer darstellt.

        4.5. Ergebnis

        Es bleibt aufgrund dieser Erwägungen dabei, dass die Beklagte an die vertragliche Vereinbarung gebunden ist und entsprechend verpflichtet ist, der Klägerin die während der Kündigungsfrist geschuldeten Betreffnisse sowie die Kündigungsgebühr zu bezahlen.

  4. Zins

    1. Ist eine Verbindlichkeit fällig, so wird der Schuldner durch Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt. Wurde für die Erfüllung ein bestimmter Verfalltag verabredet, ergibt sich ein solcher infolge einer vorbehaltenen und gehörig vorgenommenen Kündigung, so kommt der Schuldner schon mit Ablauf dieses Tages in Verzug (Art. 102 Abs. 1 und 2 OR). Ist der Schuldner mit der Zahlung ei- ner Geldschuld in Verzug, so hat er Verzugszinse zu fünf vom Hundert für das Jahr zu bezahlen, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde (Art. 104 Abs. 1 OR). Der Beginn des Verzugszinsenlaufes ist in Art. 104 OR nicht geregelt, beginnt jedoch bei Verfalltagsgeschäften gemäss Lehre und Rechtsprechung am ersten Tag nach Ablauf des Verfalltages (vgl. BGE 80 II 337 E. 6; BK OR- WEBER, Art. 104 N 39).

    2. Die Klägerin macht geltend, gemäss Ziffer 4 (i) der AGB betrage der Verzugszins 6 % für Beträge, die bestritten wurden und bei denen festgestellt wurde, dass sie dem Anbieter geschuldet sind, ab dem Tag nach der Fälligkeit (act. 1 Rz. 74 ff.). Abgesehen von der gesamthaften Bestreitung des wirksamen Einbezugs der AGB bestreitet die Beklagte den verlangten Zins von 6 % sowie den geltend gemachten Beginn des Zinsenlaufes nicht (act. 23 Rz. 59).

    3. Ziffer 4 (i) AGB ist vorliegend einschlägig, womit der vereinbarte Verzugszins von 6 % Anwendung findet. Die Beklagte ist somit antragsgemäss zu verpflichten, der Klägerin auf den Betrag von CHF 13'642.10 Verzugszins zu 6 % seit

2. Oktober 2020, auf den Betrag von CHF 9'094.75 Verzugszins zu 6 % seit 1. Januar 2021 sowie auf den Betrag von CHF 29'103.15 Verzugszins von 6 % seit

8. August 2020 zu bezahlen.

  1. Zusammenfassung

    Die materielle Prüfung hat ergeben, dass die vertraglich vereinbarten Teilleistungen des vorliegenden Vertragsverhältnisses eine vertragliche Einheit bilden, weshalb ein gemischter Vertrag, bestehend aus auftragsrechtlichen, werkvertraglichen und untergeordnetem mietrechtlichem Element vorliegt. Die Qualifikation als gemischter Vertrag führt dazu, dass die Anwendbarkeit des zwingenden, jederzeitigen Kündigungsrechts nach Art. 404 Abs. 1 OR an das Vorliegen eines unerlässlichen besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien geknüpft ist. Ein entsprechendes Vertrauensverhältnis ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weshalb das zwingende, jederzeitige Kündigungsrecht nicht zur Anwendung gelangt. Da die klägerischen AGB gültig zum Vertragsbestandteil erhoben wur- den, gelten die darin enthaltenen Beendigungsmodalitäten, auf welche die Klägerin ihren Anspruch stützt. Die Klage ist demzufolge gutzuheissen.

  2. Kosten- und Entschädigungsfolgen

    1. Die Höhe der Gerichtsgebühr bestimmt sich nach der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG; Art. 96 ZPO i.V.m. § 199 Abs. 1 GOG ZH) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert (§ 2 Abs. 1

      lit. a GebV OG). Der Streitwert beträgt CHF 51'840.–. In Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 GebV OG ist die Gerichtsgebühr auf CHF 7'600.– festzusetzen und ausgangsgemäss der Beklagten aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Kosten sind aus dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss zu decken (Art. 111 Abs. 1 ZPO); der Klägerin ist das Rückgriffsrecht auf die Beklagte einzuräumen.

    2. Ausserdem hat die Beklagte als unterliegende Partei der Klägerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO), die nach der Anwaltsgebührenverordnung vom 8. September 2010 (AnwGebV) festzusetzen ist (Art. 105 Abs. 2 und Art. 96 ZPO). In Anbetracht des Aufwandes (Durchführung Vergleichsverhandlung und 2. Schriftenwechsel) ist die Parteientschädigung auf rund 140% der Grundgebühr, entsprechend CHF 10'000.–, festzusetzen (§§ 2, 4 und

11 AnwGebV).

Das Handelsgericht erkennt:

  1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin CHF 51'840.– zuzüglich Zins von 6% auf CHF 13'642.10 seit dem 2. Oktober 2020,

    Zins von 6% auf CHF 9'094.75 seit dem 1. Januar 2021 sowie

    Zins von 6% auf CHF 29'103.15 seit dem 8. August 2020 zu bezahlen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 7'600.–.

  3. Die Kosten werden der Beklagten auferlegt und aus dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss bezogen. Der Klägerin wird das Rückgriffsrecht auf die Beklagte eingeräumt.

  4. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF 10'000.– zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  6. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Be-

schwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 51'840.–.

Zürich, 14. Juli 2022

Handelsgericht des Kantons Zürich

Die Vizepräsidentin:

Dr. Claudia Bühler

Die Gerichtsschreiberin:

Nadine Scherrer

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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