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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils HG200197: Handelsgericht des Kantons Zürich

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft aus Zürich, forderte von der Beklagten, ebenfalls eine Aktiengesellschaft, Versicherungsleistungen aufgrund eines Ertragsausfalls während der Covid-19-Pandemie. Die Beklagte bestritt den Anspruch und berief sich auf einen Deckungsausschluss in den Versicherungsbedingungen. Es wurde vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich verhandelt, wobei die Klägerin die Forderung reduzierte. Es wurde diskutiert, ob die Versicherungsbedingungen global oder vollständig übernommen wurden und ob ein Deckungsausschluss aufgrund einer Pandemie gerechtfertigt war. Letztendlich wurde entschieden, dass die Klausel zur Deckungsausschluss ungewöhnlich war und die Klägerin Anspruch auf Teilleistungen hatte.

Urteilsdetails des Kantongerichts HG200197

Kanton:ZH
Fallnummer:HG200197
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HG200197 vom 20.09.2023 (ZH)
Datum:20.09.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Pandemie; Versicherung; Deckung; Klausel; Epidemie; Ausschluss; Pandemiestufe; Recht; Pandemiestufen; Parteien; Vertrag; Ausschlussklausel; Urteil; Ungewöhnlichkeit; -Pandemie; Krankheit; Vertrags; Beklagten; Geltung; Auslegung; Epidemieversicherung; Betrieb; Deckungsausschluss; Stufe; Klage; Handel; Versicherungsschutz
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 17 ZPO ;Art. 19 OR ;Art. 236 ZPO ;Art. 241 ZPO ;Art. 27 ZGB ;Art. 3 VVG ;Art. 33 VVG ;Art. 59 ZPO ;Art. 6 ZPO ;Art. 8 ZGB ;Art. 91 ZPO ;Art. 96 ZPO ;
Referenz BGE:127 III 444; 131 III 606; 135 III 1; 138 III 411; 138 III 659; 140 III 391; 142 III 671; 143 III 157; 144 III 93; 148 III 57;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts HG200197

Handelsgericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr.: HG200197-O U/dz

Mitwirkend: Oberrichterin Dr. Claudia Bühler, Präsidentin, Ersatzoberrichterin Franziska Egloff, Handelsrichterin Dr. F. , Handelsrichter Patrik Howald und Marco La Bella sowie Gerichtsschreiberin Nadja Kiener

Beschluss und Urteil vom 20. September 2023

in Sachen

  1. SA,

    Klägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,

    gegen

  2. AG,

    Beklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y1. , vertreten durch Rechtsanwalt MLaw Y2. ,

    betreffend Forderung

    Inhaltsverzeichnis

    Rechtsbegehren der Klage 3

    Anlässlich der Replik modifiziertes Rechtsbegehren 3

    Sachverhalt und Verfahren 4

    1. Sachverhaltsübersicht 4

      1. Parteien und ihre Stellung 4

      2. Prozessgegenstand 4

    2. Prozessverlauf 4

Erwägungen 6

  1. Formelles 6

    1. ?-rtliche und sachliche zuständigkeit 6

    2. Weitere Prozessvoraussetzungen 6

    3. Klagereduktion 6

  2. Materielles 7

    1. Ausgangslage 7

      1. Unbestrittener Sachverhalt 7

      2. Parteistandpunkte 9

      3. Vorgehensweise 10

    2. Volloder Globalübernahme 11

      1. Vorbemerkung zur Stellung der C. AG 11

      2. Rechtliches 11

      3. Parteistandpunkte und Subsumtion 12

      4. Fazit 13

    3. Ungewöhnlichkeitsregel 13

      1. Rechtliches 13

      2. Parteistandpunkte 15

      3. Subsumtion 17

        1. Vorbemerkung 17

        2. Subjektive Ungewöhnlichkeit 17

        3. Objektive Ungewöhnlichkeit 19

      4. Fazit 23

    4. Auslegung der Ausschlussklausel 23

      1. Rechtliches 23

      2. Parteistandpunkte 24

      3. Subsumtion 26

      4. Fazit 33

    5. Inhaltskontrolle 33

      1. Parteistandpunkte 33

      2. Rechtliches und Subsumtion 33

      3. Fazit 35

    6. Zusammenfassung der Tat- und Rechtsfragen 35

  3. Kosten- und Entschädigungsfolgen 36

    1. Gerichtskosten 36

    2. Parteientschädigungen 36

Rechtsbegehren der Klage:

(act. 1 S. 2)

1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 446'312.76, zuzüglich Zins zu 5% p.a. seit 05.08.2020, zu bezahlen;

2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zu Lasten der Beklagten.

Anlässlich der Replik modifiziertes Rechtsbegehren:

(act. 35 S. 2)

1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Betrag von CHF 396'742.35, zuzüglich Zins zu 5% p.a. seit 05.08.2020, zu bezahlen;

2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zu Lasten der Beklagten.

Sachverhalt und Verfahren
  1. Sachverhaltsübersicht

    1. Parteien und ihre Stellung

      Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich. Urspränglich bezweckte die Gesellschaft das führen eines mehrerer gastgewerblicher Betriebe (Restaurant und Hotel; vgl. act. 3/2). Infolge Statutenänderung vom 22. April 2021 bezweckt die Klägerin neu die Erbringung von Dienstleistungen aller Art in den Bereichen Gastgewerbe, mübliertes Wohnen, Tourismus, Wohnungsvermittlung sowie Handel mit Produkten aller Art. In diesem Kontext hat sie auch von Hotel

      1. act. 39).

        SA in A.

        SA umfirmiert (vgl. auch Rubren von act. 35 und

        Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in D. , die das Betreiben je- der Art von ... (act. 3/3).

    2. Prozessgegenstand

Die Klägerin macht geltend, bei der Beklagten eine Epidemieversicherung abgeschlossen zu haben. Aufgrund der vom Bundesrat angeordneten Massnahmen während der Covid-19-Pandemie habe sie den Betrieb ihres Restaurants einstellen müssen. Dies habe zu einem Ertragsausfall gefährt, wofür sie Versicherungsleistungen von der Beklagten verlange (act. 1 Rz. 6 ff.).

Die Beklagte bestreitet einen Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistungen und vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, dass die Voraussetzungen einer Versicherungsdeckung nicht erfüllt seien und der Sachverhalt darüber hinaus unter einen Deckungsausschluss falle (act. 9 Rz. 4.2, Rz. 13 und Rz. 17 ff.).

  1. Prozessverlauf

Die Klägerin machte die Klage mit Eingabe vom 31. Oktober 2020 beim Handelsgericht anhängig (act. 1; act. 2 und act. 3/1-19). Den ihr mit Verfügung vom

4. November 2020 auferlegten Kostenvorschuss von CHF 20'000 bezahlte die

Klägerin am 11. November 2020 innerhalb der Frist (act. 4 und act. 6). Mit Verfügung vom 16. November 2020 wurde der Beklagten Frist zur Einreichung einer Klageantwort angesetzt (act. 7). Dieser Aufforderung kam sie mit Eingabe vom

1. Februar 2021 fristgemäss nach (act. 9; act. 10 und act. 11/1-9). Mit Verfügung vom 5. Februar 2021 wurde die Prozessleitung an Ersatzoberrichterin Franziska Egloff als Instruktionsrichterin delegiert (act. 12). Am 14. Juni 2021 lud das Han- delsgericht zu einer Vergleichsverhandlung am 20. August 2021 vor (act. 14).

Mit Eingabe vom 15. Juni 2021 stellte die Beklagte ein Ausstandsgesuch gegen

Handelsrichter E.

(act. 15 und act. 16/1-4). Die Einholung einer Stellungnahme erfolgte mit Verfügung vom 16. Juni 2021; gleichzeitig wurde die Ladung zur Vergleichsverhandlung vom 20. August 2021 abgenommen (act. 17). Han- delsrichter E. reichte mit Eingabe vom 23. Juni 2021 fristgemäss seine Stellungnahme ein und beantragte die Abweisung des Ausstandsgesuchs (act. 19). Diese Stellungnahme wurde den Parteien mit Verfügung vom 1. Juli 2021 zugestellt (act. 20). Die Beklagte reichte alsdann am 6. Juli 2021 ihre Stellungnahme ein (act. 22). Die Klägerin liess sich diesbezüglich nicht vernehmen (vgl. Prot.

S. 9). Die Stellungnahme der Beklagten wurde mit Verfügung vom 9. Juli 2021 der Gegenpartei und Handelsrichter E. zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 23). Mit Beschluss vom 31. August 2021 hiess das Handelsgericht das Ausstandsgesuch der Beklagten gut (act. 25). In der Folge wurde Handelsrichter E. neu

durch Handelsrichterin Dr. F.

ersetzt (act. 26-D) und alsdann ein zweiter

Schriftenwechsel angeordnet (act. 28).

Mit Eingabe vom 12. August 2022 verköndete die Klägerin der C. AG den Streit (act. 31). Die Streitverköndung wurde mit Verfügung vom 16. August 2022 vorgemerkt und die Frist zur Erstattung der zweiten Rechtsschrift erstreckt (act. 33). Die Streitberufene liess sich nicht vernehmen. Die Replik datiert vom

  1. Oktober 2022 (act. 35 und act. 36/20-26). Die Duplik wurde am 11. Januar 2023 eingereicht (act. 39 und act. 40/10).

    Mit Verfügung vom 25. Juli 2023 wurde den Parteien Frist angesetzt, um zu erklären, ob auf die Durchführung einer Hauptverhandlung verzichtet werde (act. 43). Die Beklagte verzichtete mit Eingabe vom 27. Juli 2023 auf die Durchführung einer Hauptverhandlung (act. 45). Die Klägerin liess sich nicht vernehmen. Der Prozess ist spruchreif (Art. 236 Abs. 1 ZPO).

    Erwägungen
    1. Formelles

      1. ?-rtliche und sachliche zuständigkeit

        Die örtliche zuständigkeit am Sitz der Beklagten ist unbestrittenermassen gegeben (act. 1 Rz. 2; act. 9 Rz. 2.; act. 3/1 A14.2; Art. 17 ZPO). Die vorliegende Streitigkeit betrifft die Geschäftliche tätigkeit beider Parteien, die im Handelsregister eingetragen sind. Die Klägerin beziffert den Streitwert mit CHF 446'312.76 (act. 1 Rz. 4). Folglich ist auch die sachliche zuständigkeit gegeben (Art. 6 Abs. 2 ZPO

        i.V.m. 44 lit. b GOG).

      2. Weitere Prozessvoraussetzungen

        Die übrigen Prozessvoraussetzungen nach Art. 59 Abs. 2 ZPO sind unbestritte- nermassen erfüllt und geben zu keinen Weiterungen Anlass. Auf die Klage ist einzutreten.

      3. Klagereduktion

      Die Klägerin reduzierte in ihrer Replik die Forderung von urspränglich CHF 446'312.76 zuzüglich Zins zu 5 % seit 5. August 2020 auf CHF 396'742.35

      zuzüglich Zins zu 5 % seit 5. August 2020 (act. 1 S. 2 und act. 35 S. 2). Dies mit der Begründung, dass sie den für die Berechnung der pauschalen Tagesentschä- digung relevanten Jahresumsatz 2019 insofern bereinigt habe, als sie jenen Anteil, der mit der Verkostigung von Hotelgästen erzielt worden sei, in Abzug gebracht habe und nunmehr von 55 Tagen Betriebsschliessung (anstelle von 60 Tagen) ausgehe (act. 35 Rz. 77 f.).

      Wie die Beklagte zu Recht ausführt (act. 39 Rz. 23.1), wird die Beschränkung des Rechtsbegehrens nicht als Klageänderung behandelt, sondern kommt einem teilweisen Rückzug gleich und ist jederzeit zulässig (KUKO ZPO-NAEGELI/MAYHALL,

      Art. 227 N 35). Demzufolge ist die Klage im Umfang von CHF 49'570.41 nebst Zins zu 5 % seit 5. August 2020 als durch Rückzug erledigt abzuschreiben (vgl. Art. 241 Abs. 3 ZPO).

      Somit ist noch über den Betrag von CHF 396'742.35 nebst Zins zu 5 % seit

      5. August 2020 zu befinden.

    2. Materielles

  1. Ausgangslage

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Die Parteien haben unbestrittenermassen mit Beginn ab 16. Oktober 2019 für den Hotelbetrieb der Klägerin inklusive Restaurant eine Sachversicherung G. (Police Nr. ...) abgeschlossen (act. 3/4 S. 1 und 2). Es handelt sich konkret um eine Epidemieversicherung, die einen deklarierten Umsatz von CHF 5'200'000 und eine Haftzeit von drei Monaten für eine jährliche prämie von CHF 858.60 bzw. CHF 901.55 (inkl. 5 % Stempelsteuer) versichert. Ebenfalls unbestritten ist, dass neben der Police die Allgemeinen Vertragsbedingungen (Ausgabe ...; act. 3/1) sowie die Zusatzbedingungen Sachversicherung G'. (Ausgabe

      ...; act. 3/5; nachfolgend: ZB G'. ) als Vertragsgrundlage zur Anwendung gelangen (act. 1 S. 5 ff. und act. 39 Rz. 10).

      Die Parteien stimmen überein, dass es sich bei den von der Klägerin eingereichten ZB G'. um Allgemeine Versicherungsbedingungen handelt, die seitens der Beklagten für eine Vielzahl von VertRügen vorformuliert wurden (act. 9 Rz. 21 und act. 35 Rz. 14 und Rz. 112). Sie enthalten folgende einschlägigen Bestimmungen (act. 3/5):

      1.1 Gegenstand der Versicherung

      Die B. Gewährt im Rahmen der versicherten Leistungen Versicherungsschutz gegen die finanziellen Folgen von

      1. Schliessung Quarantäne von Betrieben Betriebsteilen; b) i) [..].

        Für die finanziellen Folgen dieser Massnahmen besteht Versicherungsschutz, wenn eine zuständige schweizerische liechtensteinische Behörde Erreger übertragbarer Krankheiten festgestellt hat und kraft öffentlich-rechtlicher Bestimmungen Massnahmen anordnet, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern.

        [...].

        1.4 Leistungen bei Ertragsausfall

        während der behürdlich verfügten Betriebsschliessung leistet die B. eine pauschale Entschädigung pro Kalendertag.

        Diese Tagesentschädigung beträgt für

        • Handelsbetriebe 1,00 ?

        • Betriebe mit Produktion und/ Detailhandel 1,25 ?

        • Restaurationsbetriebe und alle übrigen Betriebe 2,00 ?

        des Jahresumsatzes des dem Schadenfall vorangegangenen abgeschlossenen Geschäftsjahrs des betroffenen Betriebs. fällt ein Betrieb unter verschiedene Betriebsarten, wird die pauschale Entschädigung separat pro Betriebsteil berechnet.

        Macht der Versicherungsnehmer für die Betriebsschliessung einen Höheren nach WiederEröffnung zusätzlich einen teilweisen Umsatzausfall geltend, vergütet die B. die Differenz zwischen dem während der Haftzeit erzielten und dem ohne Eintritt des Ereignisses erwarteten Umsatz, vermindert um die Differenz zwischen den mutmasslich und den tatsächlich aufgewendeten Kosten. Allenfalls bereits geleistete pauschale Entschädigungen werden abgezogen. Diese Entschädigungsberechnung gilt auch für Umsatzeinbussen infolge einer Teilschliessung des Betriebs. Beim daraus folgenden teilweisen Umsatzausfall wird der Schaden des ausgefallenen Betriebsteils anteilsmässig zum Gesam-

        tumsatz vergütett, d. h. proportional gekürzt. Dabei werden die Zahlen sowohl der vom Schaden direkt wie auch indirekt betroffenen Betriebsteile ermittelt.

        Die Haftzeit beträgt 90 Tage. [...]. [...].

        1.8 Einschränkungen des Versicherungsumfangs

            1. Nicht versicherte Schden

              Von der Versicherung ausgeschlossen sind Schden

              1. infolge von Influenza-Viren (Grippe-Viren?) und Prionen (Scrapie, Rinder-

                wahnsinn, Creutzfeldt-Jakob usw.);

              2. infolge von Krankheitserregern für welche national international die WHO-Pandemiestufen 5 6 gelten;

        c) o) [...].

        Die in Klausel Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. erwähnten WHO-Pandemiestufen fin- den sich gemäss unbestrittenen Parteidarstellungen im WHO Guidance Document aus dem Jahr 2009 (vgl. act. 36/20: Pandemic influenza preparedness and response: a WHO guidance document, 2009). Die Parteien sind sich einig, dass die Einteilung von Pandemien in sechs Phasen Stufen gemäss dem genannten Plan der WHO bereits vor Abschluss des hier strittigen Versicherungsvertrages überholt war (act. 9 Rz. 8 und act. 35 Rz. 1, Rz. 26 f. und Rz. 32). Die WHO folgt seit 2013 einem System von vier dynamisch beschriebenen Pandemiephasen (act. 9 Rz. 9 und act. 35 Rz. 24).

        Am 16. März 2020 stufte der Bundesrat die Situation in der Schweiz im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS-CoV-2 als ausserordentliche Lage im Sinne von Art. 7 Epidemiengesetz ein. Er ordnete mit Wirkung ab dem

        17. März 2020 die Schliessung von für das Publikum öffentlich zugänglichen Einrichtungen an, insbesondere von Restaurations- und Barbetrieben (Art. 6 Abs. 2 lit. b und c COVID-19-Verordnung 2; änderung vom 16. März 2020). Restaurations- und Barbetriebe waren für das Publikum erst ab dem 11. Mai 2020 unter einschränkenden Auflagen wieder öffentlich zugänglich (Art. 6 Abs. 3 lit. b bis CO- VID-19-Verordnung, änderung vom 8. Mai 2020).

    2. Parteistandpunkte

      Zwischen den Parteien umstritten ist, ob der Klägerin aufgrund der vom Bundesrat angeordneten Massnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus gemäss Ziff. 1.1 lit. a und Ziff. 1.4 ZB G'. Leistungen aus der Epidemieversicherung zustehen. Die Beklagte verlangt die Abweisung der Klage, insbesondere da der Deckungsausschluss gemäss Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. greife (act. 9 Rz. 16 ff. und act. 39 Rz. 12 ff.). Eventualiter sei aufgrund einer bloss teilweisen Betriebsschliessung der Schaden nicht pauschal, sondern entsprechend der Regelung in

      Ziff. 1.4 Abs. 2 und 3 ZB G'.

      konkret zu berechnen und selbst bei einer

      pauschalen Schadensberechnung habe es die Klägerin versäumt, die Kausalität darzulegen (act. 39 Rz. 24 f.).

      Die Klägerin bestreitet die Anwendung des Deckungsausschlusses mit drei Hauptargumenten: Einerseits vertritt sie den Standpunkt, der in den allgemeinen, global übernommenen Zusatzbedingungen enthaltene Deckungsausschluss sei ungewöhnlich, führe zur Aushöhlung des Versicherungsschutzes, widerspreche berechtigten Deckungserwartungen und gelange daher nicht zur Anwendung. An- dererseits ist die Klägerin der Ansicht, der vorliegende Sachverhalt falle, selbst wenn von der Anwendbarkeit der Klausel ausgegangen werde, nicht unter den Deckungsausschluss, weil dieser unklar und entsprechend zulasten der Beklagten auszulegen sei. Schliesslich verstosse der Deckungsausschluss auch gegen die guten Sitten nach Art. 19 OR (act. 1 Rz. 24 und act. 35 Rz. 1, Rz. 15 ff. und Rz. 37 ff.).

      Die Beklagte wiederum bestreitet duplicando die Anwendbarkeit der Ungewöhnlichkeitsregel, da keine global übernommenen AGB vorlägen. überdies bestreitet sie, dass der Pandemieausschluss unklar ungewöhnlich, geschweige denn sittenwidrig sei. Sie beruft sich in ihrer Argumentation insbesondere auch auf das Fachwissen und die Erfahrung, welche der Klägerin aufgrund ihrer Vertretung durch die Brokerin C. AG zuzurechnen seien (act. 39 Rz. 6 ff.).

    3. Vorgehensweise

      Würde der Deckungsausschluss Wirkung entfalten, würde sich die Prüfung der grundsätzlichen Leistungspflicht und der hinreichenden Substantiierung bzw. des Nachweises eines Schadens erübrigen. Folglich ist zunächst zu klüren, ob der Deckungsausschluss zur Anwendung gelangt. Dafür ist vorab festzustellen, ob die ZB G'. global voll übernommen wurden. Für den Fall der Annahme ei- ner Globalübernahme ist strittig, ob bezüglich der Ausschlussklausel gemäss Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. die Ungewöhnlichkeitsregel greift. Wird diese Frage verneint ergibt sich eine Vollübernahme, erlangt die Ausschlussklausel Geltung, wobei deren Inhalt in einem zweiten Schritt durch Auslegung zu ermitteln ist.

      Kann die Erklärung dabei nach Treu und Glauben auf verschiedene Weise verstanden werden und ist es nicht möglich, den Zweifel mit den übrigen Auslegungsmitteln zu beseitigen, gelangt subsidiür weiter die Unklarheitsregel zur Anwendung. Wurde die Klausel gültig in den Vertrag einbezogen und steht ihr Inhalt klar fest, unterliegt sie schliesslich einer Inhaltskontrolle.

  2. Volloder Globalübernahme

    1. Vorbemerkung zur Stellung der C. AG

      Gemäss Ausführungen der Klägerin besteht zwischen ihr und der C. AG

      (nachfolgend: C.

      AG) ein langjähriges Auftragsverhältnis, wobei die

      C. AG als Versicherungsbrokerin fungiert und der Klägerin seit 2006 jeweils anlässlich eines Jahresgesprächs die verschiedenen Policen anhand einer Policenübersicht erläutert. Die C. AG habe für sie auch die streitgegenständliche Police gepröft und ihr zur Unterschrift empfohlen (act. 31 Rz. 2). Dies ergibt sich denn auch aus der von ihr als Beweisofferte eingereichten Police, die von der C. AG mit dem Vermerk kontrolliert gestempelt, datiert und unterzeichnet wurde (act. 3/4).

      Demzufolge sind der Klägerin das Wissen, die Erfahrung und die Kenntnisse der

      C.

      AG aufgrund des Vertretungsverhältnisses unbestrittenermassen zuzurechnen (BGer Urteil 5C.61/2005 E. 3.4.; vgl. auch HGer ZH, ZR 121/2022 vom 13. Juni 2022 E. 2.2.4.1. und act. 39 Rz. 8).

    2. Rechtliches

      Allgemeine Versicherungsbedingungen stellen eine Erscheinungsform der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar, die grundsätzlich derselben Bedingungskontrolle unterliegen, mit Ausnahme der spezialgesetzlichen Regelungen im VVG (vgl. insb. Art. 3 Abs. 2 VVG [zugänglichkeitsregel], Art. 33 VVG [Konkretisierung Unklarheitsregel]; PERRIG, Die AGB-zugänglichkeitsregel, Diss. 2011, S. 15). Werden Allgemeine Geschäftsbedingungen von der zustimmenden Partei vollstündig gelesen, verstanden und akzeptiert, ist von einer Vollübernahme auszugehen. Bei der Globalübernahme akzeptiert die zustimmende Partei die übernahme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ohne diese zu lesen, zur Kennt- nis zu nehmen deren Tragweite zu verstehen (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.; 119 II 443 E. 1a = Pra 83 [1994] Nr. 229; 109 II 452 E. 4 = Pra 73 [1984] Nr. 151).

    3. Parteistandpunkte und Subsumtion

      Die Klägerin behauptet eine Globalübernahme der ZB G'. (act. 1 Rz. 10 und act. 35 Rz. 14 und Rz. 112).

      Die Beklagte macht demgegenüber geltend, eine Globalübernahme scheide von Anfang an aus, wenn ein Versicherungsbroker beigezogen werde, da es jeglicher Lebenserfahrung widerspreche, dass ein solcher den Inhalt von Versicherungsbedingungen entweder nicht zur Kenntnis nehme, nicht überlege dessen Tragweite nicht verstehe. Es sei folglich von einer Vollübernahme auszugehen, weshalb kein Raum für die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel bestehe (act. 39 Rz. 8.2 und Rz. 12).

      Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, jene Partei das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, die aus ihr Rechte ableitet. Enthält ein Vertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen und behauptet die verfassende Partei, es habe eine Vollübernahme stattgefunden, trägt die verfassende Partei die Beweislast.

      Eine Vollübernahme (als Gegenstück zur Globalübernahme) liegt erst vor, wenn der Verwender seine AGB dem Kunden im Einzelnen erläutert (BK Art. 1 - 18 OR

      • MÜLLER, Art. 1 N 315). In BGE 135 III 1 E. 2.1. und 2.3. hat das Bundesgericht festgehalten, dass dies voraussetze, dass der Verwender der AGB gerade auf die strittige Klausel ausDrücklich und deutlich aufmerksam mache. Dass die Beklagte die Klägerin bzw. die C. AG im Vorfeld des Vertragsschlusses auf die strittige Deckungsausschlussklausel in den ZB G'. hingewiesen die Klägerin bzw. die C. AG davon anderweitig aktiv Kenntnis genommen hätte, wird nicht behauptet. Dass die ZB G'. der modular aufgebauten Sachversicherung G. auf nur drei A4-Seiten festgehalten werden (vgl. act. 39 Rz. 8.3), ändert an diesem Umstand nichts. Da die Beklagte als Verfasserin der ZB

        G'.

        überdies keine Beweise für die Vollübernahme offeriert, ist von einer

        Globalübernahme der ZB G'. auszugehen.

    4. Fazit

      Wie soeben dargelegt, ist von einer Globalübernahme der ZB G'. auszugehen. Die darin enthaltenen Klauseln sind entsprechend einer Ungewöhnlichkeits- Prüfung zugänglich.

      Der vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Verneinung einer Global- und mithin Bejahung einer Vollübernahme am Verfahrensausgang nichts ändern wür- de. Dies würde lediglich dazu führen, dass die Klausel nicht bezüglich ihrer Ungewöhnlichkeit gepröft werden könnte und direkt zur Auslegung der Klausel geschritten würde, welche zu einem eindeutigen Ergebnis führt (vgl. Erwägung Ziff. II.4. nachstehend).

  3. Ungewöhnlichkeitsregel

    1. Rechtliches

      Wurden Allgemeine Geschäftsbedingungen global übernommen, wird deren Geltung durch die sog. Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt. Eine ungewöhnliche Klausel in global übernommenen AGB wird vom Konsens der Parteien dann nicht erfasst, wenn die schwächere weniger Geschäftserfahrene Partei vom Verwender nicht gesondert auf deren Vorhandensein aufmerksam gemacht worden ist. Dies setzt kumulativ ein Macht- und ErfahrungsgeFälle sowie subjektive und objektive Ungewöhnlichkeit der Klausel voraus (STEPHAN FUHRER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, N 8.35 und 8.38)

      Dabei muss die Partei, welche die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfasst hat, nach dem Vertrauensgrundsatz davon ausgehen, dass der Vertragspartner ungewöhnlichen Klauseln nicht zustimmt (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.; BGE 109 II

      452 E. 4 = Pra 73 [1984] Nr. 151; Urteil BGer 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.3.). Die Ungewöhnlichkeitsregel ist ein Instrument der Konsenslehre und konkretisiert das Vertrauensprinzip (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.1.; BGE 138 III

      411 E. 3.1.; BGE 135 III 1 E. 2.1. und Urteil BGer 4A_499/2018 vom

      10. Dezember 2018 E. 3.3.2.). Sie bezweckt den Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und zielt nicht primür auf den Schutz der schwächeren unerfahreneren Partei ab. Auch eine sTürkere, Geschäftsoder branchenerfahrene Vertragspartei kann von einer global übernommenen Klausel überrascht werden (Urteil BGer 4A_499/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.3.2.). Die Ungewöhnlichkeit beurteilt sich aus der Sicht der zustimmenden Partei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (BGE 138 III 411 E. 3.1.).

      Der Stellung und Erfahrung der zustimmenden Partei wird im Rahmen der subjektiven Ungewöhnlichkeit Rechnung getragen (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.1.). Zu berücksichtigen ist dabei unter anderem, ob der Zustimmende Geschäfts- und branchenkundig ist: Je weniger Geschäftsoder branchenerfahren er ist, umso eher wird die Klausel für ihn ungewöhnlich sein (Urteil BGer 4A_499/2018 vom

      10. Dezember 2018 E. 3.3.3.). Neben der subjektiven Ungewöhnlichkeit hat die fragliche Klausel objektiv beurteilt einen Geschäftsfremden Inhalt aufzuweisen, damit die Ungewöhnlichkeitsregel zur Anwendung gelangt. Die objektive Ungewöhnlichkeit ist zu bejahen, wenn sie zu einer wesentlichen änderung des Vertragscharakters führt in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fällt. Je sTürker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt, desto eher ist sie als ungewöhnlich zu qualifizieren (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.3.; BGE 138 III 411 E. 3.1.; BGE 135 III 225 E. 1.3. und

      BGE 135 III 1 E. 2.1.).

      Bei VersicherungsvertRügen sind auch die berechtigten Deckungserwartungen zu berücksichtigen (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.3; BGE 138 III 411 E. 3.1. und Urteil BGer 4A_232/2019 vom 18. November 2019 E. 2.2.). Entsprechend kann eine in Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkung als ungewöhnlich qualifiziert werden, wenn der durch die Bezeichnung und Werbung beschriebene Deckungsumfang so erheblich reduziert wird, dass gerade die häufigsten Risiken nicht mehr gedeckt sind (BGE 148 III 57 E. 2.1.3.3.; BGE 138 III 411 E. 3.1.; Urteil BGer 4A_176/2018 18. November 2019E. 4.2.).

    2. Parteistandpunkte

      Die Klägerin führt hinsichtlich der subjektiven Ungewöhnlichkeit zusammengefasst aus, dass für einen Laien die Begriffe Epidemie und Pandemie Synonyme seien und sie davon ausgegangen sei, dass beim Auftreten einer übertragbaren Krankheit innerhalb des weit gefassten Geltungsbereichs eine Epidemie vorliege und Versicherungsdeckung immer dann gegeben sei, wenn dies zu einer behürdlichen Anordnung führe, die Auswirkung auf ihren Betrieb habe (act. 35 Rz. 17 und Rz. 19 f.). Anders als im kürzlich ergangenen Urteil des Bundesgerichts sei die streitgegenständliche Versicherung denn auch explizit als Epidemieversicherung bezeichnet und von der Beklagten als solche beworben worden (act. 35 Rz. 17). Sie habe als eine im Versicherungsbereich unerfahrene Betreiberin eines Hotel- und Restaurationsbetriebs (und damit schwächere Partei) nicht mit einer dahingehenden Nuancen-Unterscheidung rechnen müssen, dass die Versicherungsleistung verweigert würde, sobald es sich um ein Ereignis von internationaler Tragweite handle (act. 1 Rz. 20 und act. 35 Rz. 17). Die Klausel sei für sie damit überraschend, da fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Epidemiologie und über den Inhalt der WHO-Pandemiepläne, deren änderungsgeschichte und deren rechtliche Auswirkungen notwendig wären. Dieser Fachbereich sei den breiten Bevölkerungskreisen selbst nach der Pandemie fremd (act. 35 Rz. 18 und Rz. 38). Insgesamt sei die Klausel für sie subjektiv ungewöhnlich und überraschend gewesen (act. 35 Rz. 20).

      Hinsichtlich der objektiven Ungewöhnlichkeit wiederholt die Klägerin zunächst, dass sie davon ausgegangen sei, dass bei einer Ausbreitung einer Infektionskrankheit innerhalb des Geltungsbereichs stets eine Epidemie vorliege, ansonsten der weite Geltungsbereich keinen Sinn mache. Die Ausbreitung innerhalb des Geltungsbereichs entspreche aber dem Begriff der Pandemie, womit der Ausschluss aus dem Vertragstypus der Epidemieversicherung falle. Zudem seien in Pandemiesituationen die finanziellen Folgen umso gravierender, weshalb es auch objektiv ungewöhnlich sei, dass die Versicherung in einem solchen Fall (in welchem der Versicherungsschutz am meisten gebraucht werde) keine Leistung erbringen müsse (act. 35 Rz. 58). Dies insbesondere auch, weil seit der Jahrtausendwende bei Epidemien und Pandemien nicht mehr von äusserst seltenen Ereignissen gesprochen werden könne (act. 35 Rz. 111). Die Beklagte referenziere in Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. alsdann auf ein WHO-Modell, welches seit dem Jahr 2013 und damit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr existiere, was objektiv ungewöhnlich sei (act. 35 Rz. 22 ff.). Durch die Stufenregelung führe die Beklagte ein dynamisches und mithin willkürliches Element in den Vertrag ein, mit welchem sie nicht habe rechnen müssen. Vielmehr würden durch diesen dy- namischen Ausschlussmechanismus ihre Deckungserwartungen enttäuscht und der Vertragsinhalt seines Sinnes entleert (act. 1 Rz. 19 und act. 35 Rz. 28 ff., Rz. 52 ff., Rz. 86 und Rz. 119). Es sei ungewöhnlich und widersprächlich, dass ein Ereignis, das einer Epidemie entspreche, gestützt auf die alten WHO- Pandemiestufen 5 und 6 gleich wieder ausgeschlossen werde. Der Vertragscharakter ändere sich dadurch wesentlich (act. 35 Rz. 35).

      Die Beklagte hält dem zusammengefasst entgegen, dass bereits der positive Deckungsumfang unter Einbezug des Wortlauts und des Sinns und Zwecks sowie der Homepage ergebe, dass die Folgen einer Pandemie bei objektiver Betrachtung gar nicht Bestandteil des beschriebenen Versicherungsumfangs seien, wes-

      halb der Pandemieausschluss gemäss Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'.

      nicht nötig

      gewesen wäre und lediglich der Klarheit diene (act. 9 Rz. 14.3 f. und Rz. 22). Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass Massnahmen in Folge einer flächendeckenden Pandemie erfasst wären, sei für eine Ungewöhnlichkeit ohnehin erforderlich, dass der Ausschluss ein häufiges Risiko betreffe. Massnahmen infolge einer Pandemie seien aber äusserst selten. Mit dem Pandemieausschluss werde kein häufiges Risiko ausgeschlossen, sondern ein nicht im Vordergrund stehendes, äusserst seltenes (act. 9 Rz. 23 und act. 39 Rz. 42). Ausserdem stelle die Epidemieversicherung eine Spezialistenlösung für ausgewöhlte Spezialbranchen dar. Wer sich als Versicherungsnehmer fachMännischer Vertreter ei- nes Spezialprodukts nicht um den Inhalt schere, könne sich schwerlich auf berechtigte Deckungserwartungen berufen (act. 9 Rz. 24.1 und act. 39 Rz. 14). Die Epidemieversicherung sei sodann nicht zur Deckung finanzieller Risiken einer Pandemie angepriesen worden. Vielmehr versichere die Epidemieversicherung die finanziellen Folgen von regionalen behürdlichen Massnahmen, was sich unter

      anderem hinreichend klar aus ihrer Homepage, jedenfalls aber aus den ZB G'. ergebe (act. 39 Rz. 15.2).

    3. Subsumtion

      1. Vorbemerkung

        Vorweg ist festzuhalten, dass Zugeständnisse im Rahmen eines vorprozessualen Vergleichsangebots nicht geeignet sind, Tatsachenbehauptungen zu belegen, die im Rahmen des Prozesses bestritten werden. Auf diesbezügliche äusserungen seitens der Klägerschaft (vgl. act. 1 Rz. 8 und Rz. 25) ist deshalb nicht weiter einzugehen.

      2. Subjektive Ungewöhnlichkeit

        Bezüglich der subjektiven Ungewöhnlichkeit ist zunächst festzuhalten, dass die Klägerin als Hotel mit Restaurationsbetrieb grundsätzlich als in Geschäftsbelangen erfahren einzustufen ist, nicht jedoch als Spezialistin im Zusammenhang mit Versicherungsprodukten. Demgegenüber bezieht sich die Geschäftliche tätigkeit der Beklagten auf den Versicherungsbereich. Es besteht demnach ein Macht- und ErfahrungsgeFälle zwischen der Klägerin und der Beklagten, das jedoch insofern wieder zu relativieren ist, als die Klägerin eine Versicherungsbrokerin beigezogen hat, welche wie die Klägerin selbst ausführt den Inhalt der Police für sie pröfte, ihr erläuterte und zur Unterschrift empfahl (vgl. act. 31 Rz. 2).

        In Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. werden von der Versicherung Schäden infolge von Krankheitserreger, für welche national international die WHO- Pandemiestufen 5 6 gelten, ausgeschlossen. Selbst wenn der Argumentation der Klägerin gefolgt würde, wonach es sich für sie bei den Begriffen Epidemie und Pandemie um Synonyme handelte, musste sie aufgrund des Wortlauts der Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon ausgehen, dass bei einer gewissen Stufe einer Epidemie bzw. Pandemie (konkret der WHO-Pandemiestufe 5 6) keine Versicherungsdeckung mehr besteht, andernfalls nicht nachvollziehbar ist, welcher Inhalt die Klägerin der Klausel sonst beigemessen haben will, was sie auch nicht näher erläutert. Auch eine durchschnittliche Versicherungsnehmerin wie die Klägerin weiss, dass eine Versicherung nie alle Risiken deckt. Dies gilt umso mehr, als sich die Klägerin gemäss eigenen Angaben den Inhalt der Versicherung von ihrer Brokerin erklären liess. Zudem musste sie wissen, dass Versicherer insbesondere bei der Versicherung von unwägbaren Risiken zu Sorgfältig definierten Deckungsbereichen tendieren. Die Versicherung von Risiken durch übertragbare Krankheiten birgt solche unwägbaren Risiken, da insbesondere Viren dafür bekannt sind, sich zu verändern bzw. anzupassen, und ihre Infektiosität und Pathogenität je nach Ausformung der Veränderung höchst unterschiedliche Ausmasse annehmen können. Dass bei einer ungünstigen Kombination dieser Faktoren schwerwiegende und weitreichende Konsequenzen drohen, ist nicht erst seit der COVID-19-Pandemie bekannt. Man denke zum Beispiel an die SARS-Pandemie, die Schweinegrippe, die Vogelgrippe und nicht zuletzt an die verheerende Spanische Grippe. Insbesondere eine erfahrene und branchenkundige Akteurin wie die C. AG musste damit rechnen, dass ein Versicherer angesichts dieser Umstände die gravierendsten Ausprägungen des Risikos im Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten von der Deckung ausschliesst. Dass die Klägerin von der Beklagten nicht explizit auf die Klausel aufmerksam gemacht wurde, ist entsprechend vernachlüssigbar, umfassten die ZB G'. doch nur lediglich vier Seiten (inkl. Deckblatt). Dass sie von ihrer Brokerin nie auf die Ausschlussklauseln aufmerksam gemacht worden wäre bzw. ihre Brokerin diese nicht gelesen nicht verstanden hätte, behauptet die Klägerin alsdann nicht. Als redliche Geschäftspartnerin musste für sie damit klar sein, dass die Beklagte die gravierendsten Pandemieereignisse bzw. jene, welche die Voraussetzungen der WHO-Pandemiestufe 5 6 erFällen, von der Versicherungsdeckung ausnehmen, mindestens aber, dass die Beklagte keine leergehende Regelung bezwecken wollte.

        Der Umstand, dass die streitgegenständliche Versicherung vorliegend explizit als Epidemieversicherung bezeichnet worden ist, ändert an dieser Tatsache nichts. Bei Epidemie handelt es sich mehr um ein Stichwort als um eine Bezeichnung, welche berechtigte Erwartungen in Bezug auf die Deckung zu wecken verMöchte. Selbst wenn der Bezeichnung Grössere Bedeutung zugemessen würde, widerspricht es zumindest nicht allgemeinen Deckungserwartungen, dass Risiken im

        Zusammenhang mit einer Pandemie vom Deckungsbereich einer Epidemieversicherung ausgenommen werden. Hinzu kommt, dass das Bundesgericht den Unterschied zwischen einer Epidemie und einer Pandemie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als bekannt voraussetzt. So handle es sich bei einer Epidemie um das Auftreten einer Krankheit in besonders starkem Masse in einem begrenzten Gebiet und Zeitraum, bei einer Pandemie dagegen um eine auf grosse Teile eines Landes Erdteils übergreifende Epidemie, eine Epidemie grossen Ausmasses (Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.2.2.2.). Die Bezeich- nung und Bewerbung als Epidemieversicherung (und eben nicht umfassende Pandemieversicherung) und der Ausschluss der Versicherungsdeckung bei einer WHO-Pandemiestufe 5 6 muss vor diesem Hintergrund als Verständlich, je- denfalls nicht überraschend, qualifiziert werden. Wer weiss, was eine Pandemie ist (was vom Bundesgericht vorausgesetzt wird), kann aus Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. erkennen, dass solche Pandemien nach dem in der Klausel referenzierten System der WHO in verschiedene Stufen eingeteilt sind und davon die Stufen 5 und 6 aus der Versicherungsdeckung ausgenommen werden. Sind solche einzelnen Pandemiestufen ausgeschlossen, muss die Klägerin nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung erkennen, dass mit den Pandemiestufen 5 und 6 die beiden höchsten Pandemiestufen gemeint sind. Fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Epidemiologie, Kenntnisse des Inhalts der WHO-Pandemiepläne, von deren ?n- derungsgeschichte und rechtlichen Auswirkungen auf die Schweiz sind anders als die Klägerin behauptet hierfür nicht notwendig (vgl. auch Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.2.2.2.).

        Nach dem Gesagten fehlt es folglich an der subjektiven Ungewöhnlichkeit der Ausschlussklausel.

      3. Objektive Ungewöhnlichkeit

Betreffend die objektive Ungewöhnlichkeit ist zunächst auf die Charakteristik des zwischen den Parteien bestehenden Vertrags einzugehen. Gemäss Police Nr. ... ist eine Sachversicherung G. , konkret ein Versicherungsvertrag, abgeschlossen worden. Als Vertragsgrundlage gelangen neben der Police die AVB (Ausgabe ...) sowie die ZB G'. (Ausgabe ...) zur Anwendung (act. 3/3 S. 1;

act. 3/1 und act. 3/4). Der Geltungsbereich der Epidemieversicherung wird gemäss Police auf das geographische Europa inkl. ganze Türkei begrenzt, wobei der Leistungsumfang in den ZB G'. definiert wird (act. 3/4 S. 2). Die Beklagte Gewährt gemäss Ziff. 1 ZB G'. einerseits Versicherungsschutz für die fi- nanziellen Folgen bestimmter Ereignisse, andererseits für Schäden an Waren. Demgemäss handelt es sich bei der Epidemieversicherung um eine Schadenversicherung, welche Elemente der Sach- und Vermögensversicherung enthält.

Weiter ist anzumerken, dass das Bundesgericht im Urteil 4A_330/2021 vom

5. Januar 2022 zum Schluss kam, dass die Klausel, wonach Schäden infolge von Influenza-Viren und Prionkrankheiten (Scrapie, Rinderwahnsinn, Creutzfeldt- Jakob usw.) sowie infolge Krankheitserregern für welche national und internatio- nal die WHO-Pandemiestufen 5 und 6 gelten vom Versicherungsschutz ausge- nommen seien, nicht objektiv ungewöhnlich sei (Urteil 4A_330/2021 vom

5. Januar 2022 E. 4.2.2. ff.). Diese vom Bundesgericht beurteilte Ausschlussklausel ist faktisch deckungsgleich mit den vorliegenden Ausschlussklauseln gemäss Ziff. 1.8.1 lit. a und lit. b ZB G'. . Weshalb sich vorliegend ein anderes Ergebnis rechtfertigen soll, legt die Klägerin indessen nicht näher dar. Insbesondere vermag der alleinige Umstand, dass die Versicherung in den ZB G'. explizit als Epidemieversicherung bezeichnet und von der Beklagten als solche beworben wurde (vgl. act. 35 Rz. 17), kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen, zumal es sich bei Epidemie mehr um ein Stichwort als um eine Bezeichnung handelt (vgl. auch Ausführungen unter Erwägung Ziff. II.3.3.2. vorstehend) und der Inhalt der streitgegenständlichen Klausel auch vor diesem Hintergrund wie nachfolgend aufgezeigt wird nicht als Geschäftsfremd qualifiziert werden kann.

Wie bereits erwähnt, gilt der in der Police festgelegte Geltungsbereich nicht absolut. Vielmehr ist allgemein bekannt, dass in Versicherungen stets Deckungsausschlüsse enthalten sind. Einen weiten Geltungsbereich zu definieren und mittels Ausschlussklauseln ein an sich gedecktes Risiko auszuschliessen ist entgegen den klägerischen Vorbringen nicht sinnlos, sondern gerade charakteristisch für VersicherungsvertRüge (vgl. auch UELI KIESER/HARDY LANDOLT, Unfall Haftung Versicherung, Rz. 160). Die Klägerin durfte folglich nach Treu und Glauben nicht

davon ausgehen, dass bei einer Ausbreitung einer Infektionskrankheit innerhalb des Geltungsbereichs stets eine deckungspflichtige Epidemie vorliegt, sondern musste vielmehr damit rechnen, dass in ihrer Sachversicherung G'. bzw. in den Klauseln der ZB G'. Bestimmungen enthalten sind, welche die Deckung für spezifische Risiken ausschliessen. Der Charakter des Versicherungsvertrags einer Schadenversicherung (mit Elementen der Sach- und Vermögensversicherung) wird entgegen der Auffassung der Klägerin durch Ausschlussklauseln nicht verändert (vgl. auch Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 4.2.5.).

Entgegen den klägerischen Behauptungen ist es denn auch nicht objektiv ungewöhnlich, dass die Versicherung gerade bei gravierenden finanziellen Folgen (wie jenen einer Pandemie) keine Leistung erbringen muss. Das Gegenteil ist der Fall. Zwar ist es nachvollziehbar, dass sich die Klägerin eine möglichst umfassende Versicherungsdeckung wänscht, doch ist es in der Versicherungsbranche üblich, Risiken, die zwar selten auftreten, deren Eintritt aber mit grossen Auswirkungen für viele Beteiligten verbunden ist, von der Versicherungsdeckung auszunehmen. Beispielsweise sind bei der Gebäudeversicherung in der Regel Schäden infolge von Erdbeben nicht versichert, obwohl die Versicherung grundsätzlich Naturgefahren versichert (vgl. www.bafu.admin.ch > Themen > Naturgefahren > Fachinformationen Erdbeben > Schutz vor Erdbeben > Versicherungsschutz, Stand:

20. September 2023). Auch weitere Fälle Höherer Gewalt, wie Schäden durch kriegerische Ereignisse, VerÄnderungen der Atomstruktur sowie Schäden durch Wasser aus Stauseen und könstlichen Wasseranlagen werden bei Schadenversicherungen grundsätzlich von der Versicherungsdeckung ausgenommen; so auch vorliegend bei der Sachversicherung G'. (vgl. act. 3/1 S.4 sowie D1.2 und D1 S. 18). Wie bereits das Bundesgericht erwog, wird der beschriebene Deckungsfall durch den vorliegend strittigen Ausschluss nicht insofern reduziert, als gerade die häufigsten Risiken nicht mehr gedeckt wären. Im Gegenteil wird mit dem Pandemieausschluss entgegen der klägerischen Darstellung ein seltenes Risiko aus der Versicherungsdeckung ausgenommen, namentlich die Anordnung von Massnahmen infolge einer weitreichenden Ausprägung einer Epidemie, die zu einer Pandemie führen kann sich bereits zur Pandemie entwickelt hat.

Durch diese Einschränkung wird weder der Vertragsinhalt seines Sinnes entleert noch ändert sich der Charakter der Versicherung wesentlich fällt diese in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus (vgl. auch Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 4.2.5.).

Vor dem Hintergrund, dass gemäss Art. 33 VVG Versicherungen gehalten sind, Deckungsausschlüsse klar und unzweideutig zu verfassen, ist weiter nachvollziehbar, dass in der strittigen Ausschlussklausel nicht Begriffe wie schwere Epi- demie und Pandemie verwendet wurden, sondern auf die WHO- Pandemiestufen 5 und 6, mithin auf die Definition einer aussenstehenden Drittorganisation, verwiesen wurde. Dass die Definition der WHO-Pandemiestufen 5 und 6 in den ZB G'. nicht enthalten ist, schadet deren Anwendung nicht, da sie bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und auch heute noch im Internet öffentlich zugänglich war und ist. Dass das Klassifizierungssystem der WHO bereits bei Vertragsschluss nicht mehr praktiziert wurde, ist irrelevant und macht die Klausel nicht objektiv ungewöhnlich, dürfen doch die Parteien für die Umschreibung eines Ausschlusses der Versicherungsdeckung bei Epidemie an die früheren Pandemiestufen der WHO anknüpfen (vgl. auch Urteil BGer 4A_330 2021 vom 5. Januar 2022 E 5.2.2.). Obschon ein Stufensystem naturgemäss eine gewisse Dynamik aufweist, ist das WHO-Pandemiestufensystem gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung allgemein Verständlich (vgl. auch Urteil BGer 4A_330 2021 vom 5. Januar 2022 E 5.2.2.2.), mithin nicht objektiv ungewöhnlich. Anderweitige berechtigte Deckungserwartungen sind nicht ersichtlich.

Zusammengefasst weist die streitgegenständliche Ausschlussklausel keinen geschöftsfremden Inhalt auf. Sie fällt nicht aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus, finden sich doch Deckungsausschlüsse bei vielen VertRügen des Privatversicherungsrechts. Ebenso wenig ändert die Klausel den Charakter des Ver-

sicherungsvertrages. Die Klägerin vermag Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. objektiv ungewöhnlich auszuweisen.

nicht als

3.4. Fazit

Die ZB G'. wurden durch die Klägerin global übernommen. Die Prüfung anhand der Ungewöhnlichkeitsregel hat ergeben, dass die Ausschlussklausel in

Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'.

weder in subjektiver noch objektiver Hinsicht unge-

wähnlich ist. Entsprechend ist sie vom Konsens der Parteien erfasst und hat Gültigkeit.

Nachfolgend ist durch Auslegung zu ermitteln, ob Schäden unter die Ausschlussklausel fallen, die infolge der Covid-19-Pandemie entstanden sind.

  1. Auslegung der Ausschlussklausel

    1. Rechtliches

      Allgemeine Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen (BGE 142 III 671 E. 3.3. und BGE 135 III 1 E. 2.). Entscheidend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips (BGE 142 III 671 E. 3.3. und BGE 140 III 391

      E. 2.3.). Dabei sind die Erklärungen der Parteien so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut, Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden wer- den durften und mussten (BGE 138 III 659 E. 4.2.1.). Es ist danach zu fragen, was vernünftig und redlich handelnde Parteien nach Treu und Glaube unter Beachtung der konkreten Umstände gewollt und ausgedRückt hätten, respektive wie eine Partei eine Willensäusserung Verhaltensweise unter Beachtung sämtlicher Umstände nach Treu und Glaube verstehen durfte und musste (BGE 144 III 93 E. 5.2.3. = Pra 108 [2019] Nr. 40; BGE 143 III 157 E. 1.2.2. m.w.H.; BGE 142

      III 239 E. 5.2.1. m.w.H. = Pra 107 [2018] Nr. 7; BGE 138 III 659 E. 4.2.1. m.w.H.;

      BGE 131 III 606 E. 4.1. = Pra 95 [2006] Nr. 80 und BGE 127 III 444 E. 1b = Pra

      91 [2002] Nr. 22).

      Der mutmassliche Parteiwillen ist auf ein sachgerechtes Ergebnis auszurichten, weil nicht anzunehmen ist, die Parteien hätten eine unangemessene Lösung gewollt (BSK VVG - STOESSEL/STRUB, Vorbemerkung zu Art. 1/2 Rz. 17). Massgebend sind dabei nur die Umstände, die der Willensäusserung vorausgingen sie begleiteten, nicht aber spätere Ereignisse (BGE 144 III E. 5.2.3).

    2. Parteistandpunkte

      Die Klägerin macht zusammengefasst geltend, dass sie als schwächere Partei aufgrund des Wortlauts und des weiten Geltungsbereichs der Police davon ausgegangen sei, dass die abgeschlossene Epidemieversicherung immer dann Versicherungsschutz Gewähre (bzw. dann eine Epidemie vorliege), wenn innerhalb des weit umschriebenen geographischen Geltungsbereichs Erreger übertragbarer Krankheiten auftreten würden (act. 35 Rz. 8 f., Rz. 17, Rz. 19, Rz. 22, Rz. 59, Rz. 93 und Rz. 114 ff.). Sie habe die strittige Ausschlussklausel nicht dahingehend verstehen müssen, dass seitens der Beklagten beabsichtigt gewesen sei, die höchste Pandemiestufe auszuschliessen. Das Erkennen dieser Absicht hätte nicht nur fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Epidemiologie erfordert, son- dern gar ein genaues Wissen über die WHO-Pandemiepläne verlangt, die in Englisch verfasst seien und ca. 60 Seiten umfassen würden. Entsprechend habe sie nicht gewusst und nicht wissen können, dass der aus dem Jahr 2009 gültige WHO-Pandemieplan nur sechs Stufen enthalte und damit die größtmögliche Eskalationsstufe ausgeschlossen worden sei. Auch habe sie nicht davon ausgehen müssen, dass die Beklagte der Ansicht sei, die Stufen 5 und 6 seien mit der pan- demic phase gleichzusetzen (act. 35 Rz. 38 f., Rz. 71 und Rz. 100). Nach altem Stufenmodell sei die Stufe 6 bereits dann erfüllt, wenn drei Länder betroffen gewesen seien, wobei diese aus zwei unterschiedlichen WHO-Regionen zu stammen hätten. Die pandemic phase des neuen Phasenmodells sei aber erst dann erreicht, wenn die Krankheit global auftrete. Eine Gleichsetzung wie dies die Beklagte behaupte sei demzufolge aufgrund der Definition nicht möglich. Da die von der Beklagten behauptete Gleichsetzung offenkundig nicht zutreffe, habe sie diesen Willen auch nicht erkennen können. Auch sei sie nie darauf hingewiesen worden, dass eine Pandemie grundsätzlich ausgeschlossen sei (act. 35 Rz. 40 f. und Rz. 66). Die Auslegung von Ziff. 1.8.1 lit. b EZ EV führe damit zu keinem klaren Ergebnis. Entsprechend sei die Ausschlussklausel anhand der Unklarheitsregel zu prüfen (act. 35 Rz. 44).

      Weiter moniert sie in genereller Weise, dass sich die Pandemiestufen lediglich auf Influenzaviren bezogen hätten. Coronaviren seien jedoch keine Influenzaviren. Die Beklagte halte zudem nicht in bestimmter, unzweideutiger Fassung fest, ob dieser Ausschluss auch dann greifen solle, wenn andere Viren (insbesondere ein neuer Virustyp) als das Influenzavirus Auslöser einer Pandemie seien (act. 35 Rz. 50 f., Rz. 73 f. und Rz. 89). Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass je nach Ausgangsbzw. Ursprungsort einer Epidemie bzw. Pandemie die Deckung gelte nicht. Eine solch dynamische Klausel sei willkürlich, unklar und ungewöhnlich, und ihr sei der Schutz zu versagen (act. 35 Rz. 61 ff. und Rz. 75). Schliesslich hätten weder die WHO noch die nationalen Behörden je die Pandemiestufe 5 6 ausgerufen, womit diese Stufen im Sinne der Klausel auch nie gegolten hätten, was aber für die Anwendbarkeit der Ausschlussklausel notwendig wäre (act. 35 Rz. 27).

      Die Beklagte hält dem zunächst entgegen, dass die Klägerin den Geltungsbereich der Epidemieversicherung mit der Ausbreitung einer Krankheit vermische. Der Geltungsbereich über das geographische Europa inkl. ganze Türkei sei allein mit Blick auf die Rückwirkungsschadendeckung festgelegt worden. Versicherte in der Schweiz seien damit geschätzt vor der Schliessung eines Betriebs im Ausland, der als zuliefernder abnehmender Fremdbetrieb fungiere (act. 39 Rz. 1). Alsdann weist sie erneut auf die wesentliche begriffliche Unterscheidung von Epi- demie und Pandemie hin. Dieses BegriffsVerständnis könne auch von einem Laien nachvollzogen werden (act. 9 Rz. 26.1 f.). Auch in systematischer Hinsicht sei der Pandemieausschlusses klar und korrekt unter Ziff. 1.8 ZB G'. eingeordnet (act. 9 Rz. 26.3). Aus dem Wortlaut der Deckungsausschlussklausel gehe alsdann nicht hervor, dass sich der Ausschluss nur auf Influenzaviren beschränke (act. 39 Rz. 21.3). Schliesslich sei anzumerken, dass es nicht darum gehe, sich hypothetische Fälle zur Ausbreitung von Coronaviren in bestimmten Ländern in Bezug auf andere Krankheitserreger auszudenken, sondern um den konkreten Einzelfall (act. 39 Rz. 21.4).

    3. Subsumtion

      Nachdem sich keine der Parteien zu einem übereinstimmenden tatsächlichen Willen bezüglich des Inhalts der Ausschlussklausel geäussert hat, ist eine objektive Auslegung der Klausel vorzunehmen.

      Vorab ist auch diesbezüglich darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht im bereits mehrfach erwähnten Urteil 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 eine objektive Auslegung der besagten faktisch identischen Klausel vornahm und zum Schluss gelangte, dass sich die Bedeutung der Klausel (konkret die Absicht der Versicherung, die gravierendsten Pandemieereignisse von der Versicherung auszunehmen) aus dem Gesamtzusammenhang erschliesse, womit für die Anwen- dung der Unklarheitsregel kein Raum bleibe (Urteil 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.2.3.). Weshalb vorliegend von diesem Auslegungsergebnis abgewichen werden soll, legt die Klägerin indessen nicht dar. Nichtsdestotrotz ist nachfolgend der vollständigkeit halber auf die einzelnen klägerischen Argumente einzugehen:

      Die Klägerin stellt sich auch bezüglich der Auslegungsfrage insbesondere auf den Standpunkt, dass sie aufgrund des Wortlauts der ZB G'. und des in der Police definierten Geltungsbereichs davon ausgegangen sei und habe ausgehen dürfen, dass die Epidemieversicherung immer dann Schutz Gewähre (bzw. dann eine Epidemie vorliege), wenn innerhalb des weit umschriebenen geographischen Schutzbereichs Erreger übertragbarer Krankheiten auftreten und dies zu einer in den Ziff. 1.1. festgehaltenen Anordnungen führe.

      Gegenstand eines jeden Versicherungsvertrages ist ein Risiko, das zu einem Schaden beim Versicherungsnehmer führen kann. Das Risiko definiert sich dabei als ein könftiges Ereignis, dessen Eintritt sowohl möglich als auch ungewiss ist. Die Versicherung übernimmt dabei das Risiko bzw. trägt die Gefahr. Ziel der vorliegenden Versicherung war es, die finanziellen Folgen einer Epidemie im Grundsatz abzusichern. Zu diesem Zweck wird auf Seite 2 der Police unter der überschrift Leistungsübersicht nebst der Adresse der Versicherungsnehmerin unter anderem der Geltungsbereich der Epidemieversicherung geographisches Europa

      inkl. ganze Türkei festgelegt (act. 3/4 S. 2). In Ziff. 1.1 ZB G'. wird der Umfang des Versicherungsschutzes weiter wie folgt konkretisiert:

      1.1 Gegenstand der Versicherung

      Die B. Gewährt im Rahmen der versicherten Leistungen Versicherungsschutz gegen die finanziellen Folgen von

      1. Schliessung Quarantäne von Betrieben Betriebsteilen; b) i) [..]

        Für die finanziellen Folgen dieser Massnahmen besteht Versicherungsschutz, wenn eine zuständige schweizerische liechtensteinische Behörde Erreger übertragbarer Krankheiten festgestellt hat und kraft öffentlich-rechtlicher Bestimmungen Massnahmen anordnet, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern.

        [...]

        Wie bereits mehrfach ausgefährt, gilt dieser Deckungsbereich aber nicht absolut. Viele Versicherungen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie einen weiten Deckungsbereich definieren und alsdann nicht die versicherten, sondern die ausgeschlossenen Risiken explizit aufZählen. Das Vorliegen solcher Deckungsausschlüsse ist geradezu charakteristisch für VersicherungsvertRüge. Auch in systematischer Hinsicht ergibt sich ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen der

        Klausel Ziff. 1.1 ZB G'.

        mit jener von Ziff. 1.8.1 ZB G'. : Die Klausel

        Ziff. 1.1 ZB G'. bestimmt, welche Schäden bei einer Epidemie von der Versicherung grundsätzlich gedeckt sind, und die Klausel Ziff. 1.8.1 auf Seite 3 der ZB G'. statuiert unter der Rubrik Einschränkungen des Versicherungsumfangs unter dem hervorgehobenen Titel Nicht versicherte Schden, welche Schäden in diesem Bereich vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Aus der Bezeichnung als Epidemieversicherung, die weite Umschreibung des Geltungsbereichs sowie die Definition des Leistungsumfangs gemäss Ziff. 1.1 ZB G'. lässt sich nicht schliessen, dass jeder Fall innerhalb des Geltungsbzw. Deckungsbereichs versichert sein soll. Vielmehr musste die Klägerin nach Treu und Glauben verstehen, dass diesem Geltungsbzw. Deckungsbereich Ausnahmen gegenüberstehen. Dass sich die Klägerin Einschränkungen im Rahmen des Deckungsbereichs grundsätzlich bewusst war, zeigt schliesslich auch der Umstand, dass sie selbst ausführt, dass sich Versicherungsnehmer auf Ausschlüsse verlassen können müssen (vgl. act. 35 Rz. 75).

        Ferner überzeugt auch das klägerische Argument, wonach die Klägerin die Absicht der Beklagten, die höchste Pandemiestufe auszuschliessen, nicht habe erkennen können bzw. nicht habe wissen können, dass mit Pandemiestufen 5 und 6 die höchsten Pandemiestufen gemeint seien, nicht: Zunächst ist erneut daran zu erinnern, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung den Unterschied zwischen einer Epidemie und einer Pandemie als bekannt voraussetzt. Zudem ist die hinter einem Ausschluss stehende Interessenslage eindeutig: Ausschlussklauseln die- nen allein dem Interesse der Versicherer, ihr eigenes finanzielles Risiko in selte- nen, aber gravierenden Fällen zu minimieren. Vorliegend lag es im Interesse der Beklagten, aus dem grundsätzlich versicherten Risiko der Epidemie die weitreichendste Ausprägung einer Pandemie, konkret die WHO-Pandemiestufen 5 und 6, auszunehmen. Ein spezieller Hinweis ist entgegen der Auffassung der Klägerin

        • zumindest in der vorliegenden Konstellation nicht erforderlich. Vielmehr dürfte sich diese Interessenlage auch einem durchschnittlichen Kunden erschliessen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Klägerin von einer branchenerfahrenen und fachkundigen Versicherungsbrokerin beraten wurde. Um dies zu erkennen sind entgegen der Ansicht der Klägerin denn auch keine fundierten Kenntnisse auf dem Gebiet der Epidemiologie genaues Wissen über die Pandemiepläne notwendig. Anzumerken ist an dieser Stelle zudem, dass sowohl Zugänglichkeit als auch Auffindbarkeit im Internet dadurch belegt ist, dass die Klägerin selber einen Ausdruck der WHO Guidance von 2009 eingereicht hat (vgl. act. 36/20). Um anhand dieser WHO Publikation beurteilen zu können, ob es sich bei den im Deckungsausschluss genannten Stufen um die höchste Eskalationsstufe handelt, bedarf es keines spezifischen Fachwissens vertiefter Sprachkenntnisse, und es ist auch nicht erforderlich, die gesamte 60 Seiten umfassende Publikation zu studieren. Schliesslich begründet die Klägerin auch nicht näher, weshalb sie nicht habe erkennen können, dass es sich bei den Pandemiestufen 5 und 6 um die höchsten Eskalationsstufen handle bzw. was ihr Verständ- nis dieser Stufen war. Weshalb lediglich eine Zwischenstufe vom Versicherungsschutz hätte ausgenommen werden sollen, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr

          musste die Klägerin nach dem Gesagten nach Treu und Glauben verstehen, dass der weite Geltungsbzw. Deckungsbereich nicht absolut gilt, sondern die Ein-

          schr?nkungen nach Ziff. 1.8.1 ZB G'.

          zu beachten sind und dass mit den

          von der Schadensdeckung ausgenommenen Pandemiestufen 5 und 6 die höchsten Pandemiestufen gemeint sind, auch wenn sie das WHO-Pandemiesystem nicht (im Detail) kannte.

          Die Klägerin argumentiert weiter, dass die Pandemiestufen 5 und 6 nicht mit der pandemic phase des neuen Phasenmodells gleichzusetzen seien. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte in ihrer Klageantwort darüber aufklürt, dass die WHO das Stufenmodell seit 2013 nicht mehr verwende, sondern die Ausbreitung von Krankheiten in die Phasen interpandemic, alert, pandemic und transition einteile, wobei es sich bei der pandemic phase um die höchste bzw. gefährlichste Phase handle (vgl. act. 9 Rz. 9), doch macht sie damit nicht geltend, dass die Parteien in der Ausschlussklausel eigentlich auf das seit 2013 geltende Phasenmodell hätten Bezug nehmen wollen. Insofern ist das von der WHO seit 2013 angewandte Phasenmodell zur Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit irrelevant. Dass das sechsphasige Modell an welches die ZB G'. anknüpfen von der WHO nicht mehr weitergefährt wurde, bedeutet Nämlich nicht, dass es nicht mehr existiert. Vielmehr ist die zugrundeliegende Publikation im Internet nach wie vor abrufbar und kann für Zwecke wie den vorliegenden verwendet werden. Es geht überdies nicht darum, dass die Beklagte wie ein Gemeinwesen gehalten wäre, sich nach den neusten Empfehlungen der WHO zu richten. Entsprechend war sie entgegen der klägerischen Kritik (act. 35 Rz. 27 und Rz. 101) auch nicht verpflichtet, ihre Bedingungen zu ändern. Vielmehr ist lediglich von Bedeutung, dass die Klägerin in guten Treuen wusste, dass der Ausdruck WHO- Pandemiestufen 5 6 auf diese Frühere Fassung verweist und dass damit ermittelbar war, welche Sachverhalte unter den Ausschlusstatbestand fallen. Wie das Bundesgericht erwog, muss ein Versicherungsnehmer den Begriff gelten nicht ausschliesslich im Sinne von Gültigkeit haben verstehen. Vielmehr kann gelten auch so interpretiert werden, dass etwas in einer bestimmten Weise eingeschätzt beurteilt werde (Urteil des Bundesgerichts 4A_330/2021 vom

  2. Januar 2022 E. 5.2.2.3.). Entsprechend durfte und musste die Klägerin die

Formulierung so verstehen, dass der Deckungsausschluss greift, wenn eine Pan- demie nach den WHO-Pandemiestufen national international als eine Stufe 5 6 beurteilt wird, ohne dass die Pandemiestufen im fraglichen Zeitpunkt in Kraft sein müssen.

Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag die klägerische Argumentation, wonach weder die WHO noch die nationalen Behörden je die Pandemiestufen 5 6 ausgerufen hätten, womit diese Stufen im Sinne der Klausel auch nie gegolten hätten. Dass für das Vorliegen eines Deckungsausschlusses eine offizielle Verköndung durch eine Behörde notwendig wäre, lässt sich dem Wortlaut von Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. nicht entnehmen. Insbesondere sind bei der Auslegung die gesamten Umstände, namentlich auch der verfolgte Regelungszweck, zu beachten, welchen der Geschäftspartner erkennen durfte und musste. Wie bereits erwähnt dient die Ausschlussklausel der Begrenzung des finanziellen Risikos der Beklagten im Falle eines Krankheitsausbruches. Die Grösse des finanziellen Risikos hängt nicht von der Ausrufung Verköndung einer bestimmten Pandemiestufe ab, sondern vom konkreten Infektionsgeschehen bzw. der Schwere des Krankheitsausbruchs, welches sich unabhängig von behürdlichen Bekanntgaben ereignet. Hinzu kommt, dass die Auslegung von gelten im Sinne von ausgerufen verkönden im Kontext der anderen Teile der Ausschlussklausel nicht sachgerecht wäre. hätte die Klägerin beabsichtigt, dass der Deckungsausschluss voraussetzt, dass eine Behörde formell die Pandemiestufe 5 6 explizit verköndet, würde der Ausschluss gar nie zur Anwendung gelangen, da diese Pandemiestufen von der WHO, wie bereits mehrfach ausgefährt, bereits vor Vertragsschluss nicht mehr verwendet wurden und sich eine Behörde nach den aktuellen Empfehlungen richten würde, welche gerade nicht mehr dem sechsstufigen Modell folgen. Damit bliebe die Ausschlussklausel so das Bun- desgericht toter Buchstabe, weshalb dies keine sachgerechte Auslegung darstellen würde (Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.2.2.3.). Dass die Beklagte keine solche ins Leere laufende Regelung bezwecken wollte, musste auch der Klägerin klar sein. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich daher, wie der Ausdruck gelten zu verstehen ist. Dass im Zeitpunkt der bundesrätlich verordneten Schliessung am 16. März 2020 infolge des Corona-Virus die Pandemiestufe 6 erreicht war, ist offensichtlich (vgl. auch Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.3.).

Problematisch empfindet die Klägerin sodann, dass nicht mehr erkennbar sei, wo die Grenze zwischen Deckung und Ausschluss verlaufe. Eine solch dynamische Klausel sei willkürlich, unklar und ihr sei der Schutz zu versagen. Auch dieses Argument ist nicht zielführend. Im vorliegenden Prozess sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche mithin die Fragen, ob die Covid-19-Pandemie die Voraussetzungen der Stufe 5 6 gemäss WHO-Pandemiestufensystem erfüllt und demnach der Deckungsausschluss nach der Klausel Ziff. 1.8.1 lit. b ZB

G'.

greift zu beurteilen. Nicht zu entscheiden ist, ob andere Ereignisse

diese Stufe erFällen wo allgemein Grenzen zwischen Versicherungsschutz Ausschluss bei dieser Klausel zu ziehen wären. Dementsprechend bleiben die Anwendungsbeispiele der Klägerin zur Ausbreitung des Coronavirus in bestimmten Ländern, wonach eine Pandemie auch eine Epidemie sei bzw. Phase 5 gemäss WHO-Guidance von 2009 auch einer Epidemie entsprechen könne, in Bezug auf andere Krankheitserreger wie Norovirose rein hypothetischer Natur und vermögen am Auslegungsergebnis nichts zu ändern (vgl. auch Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.4.). Dass sich die Klägerin einen umfassenderen Versicherungsschutz gewänscht hätte und aufgrund des Ausschlusses der Auffassung ist, dass der Versicherungsschutz eigentlich nur dann bestehe, wenn er am wenigsten gebraucht werde, mag sein. Doch ist es bei der Auslegung grundsätzlich unerheblich, ob das Vereinbarte allen bedürfnissen des Versicherungsnehmers Rechnung trägt (vgl. auch: STEPHAN FUHRER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, N. 8.85). Aufgrund der Tatsache, dass Ausschlussklauseln üblich sind und diese naturgemäss allein dem Interesse der Versicherer dienen, führt der Ausschluss nicht zu einem unsachgerechten Auslegungsergebnis.

Schliesslich geht die Argumentation, wonach sich die Pandemiestufen nur auf Influenzaviren bezogen hätten, Coronaviren keine Influenzaviren seien und ohnehin fraglich sei, ob neuartige Virusvarianten darunter zu subsumieren seien, ins Leere. Für die Feststellung des Deckungsumfangs ist Nämlich nicht auf den Wortlaut der WHO Guidance von 2009, sondern jenen der ZB G'. abzustellen. Die

vorliegend umstrittene Bestimmung von Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. nimmt im Unterschied zu Ziff. 1.8.1. lit. a ZB G'. gerade nicht Bezug auf Influenza- Viren und Prionen, sondern generell auf Krankheisterreger. Gemäss Definition im Duden ist ein Krankheitserreger etwas, was Krankheiten verursacht (z.B. Bak-

terien, Viren etc.). In Ziff. 1.1 ZB G'.

ist demgemäss auch von Erreger

übertragbarer Krankheiten die Rede. Dass darunter nur Influenzaviren zu subsumieren wären, ist bereits aufgrund des Wortlauts nicht zutreffend und hiervon durfte die Klägerin nach Treu und Glauben nicht ausgehen, ebenso wenig wie davon, dass neuartige Viren nicht davon erfasst wären. Diese hypothetische Möglichkeit wird von der Klägerin denn auch nicht näher begründet (vgl. act. 35 Rz. 50). Dass es sich bei COVID-19 um eine durch Viren verursachte, übertragbare Krankheit i.S.v. Ziff. 1.1 ZB G'. (und mithin gemäss Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. ) handelt, hält die Klägerin selbst mehrfach fest (vgl. act. 1 Rz. 7 und act. 35 Rz. 12).

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass der Klägerin klar sein durfte und musste, dass von der grundsätzlichen Deckung der Schäden bei Epidemien (gemäss Geltungsbereich und gemäss Ziff. 1.1 ZB G'. ) die gravierendsten Risiken ausgenommen sind, Nämlich nach der Klausel Ziff. 1.8.1 ZB G'. , so unter anderem Pandemien, die als WHO-Pandemiestufen 5 6 beurteilt wer- den, und dass es sich hierbei um die höchsten Pandemiestufen handelt. Ebenfalls ergibt sich, dass der Ausschlussklausel nach Treu und Glauben nicht die Bedeutung zugemessen werden kann, dass die WHO-Pandemiestufen 5 und 6 in Kraft massgeblich sein Müssten bzw. eine Behörde eine solche hätte ausrufen müssen, damit der Deckungsausschluss greift. Schliesslich durfte die Klägerin nach Treu und Glauben auch nicht davon ausgehen, dass nur Influenza-Viren und insbesondere keine neuartigen Viren unter die Ausschlussklausel fallen würden. Damit kann nicht gesagt werden, dass die Klausel Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. nach Treu und Glauben auf verschiedene Weise verstanden werden kann. Vielmehr erschliesst sich die Bedeutung der strittigen Klausel im Gesamtzusammenhang, womit für die Anwendung der Unklarheitsregel kein Raum bleibt (vgl. auch Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.2.3.).

4.4. Fazit

Nach dem Ausgefährten gelangt die Ausschlussklausel nach Ziff. 1.8.1 lit. b ZB

G'.

zur Anwendung und ist nach dem Vertrauensprinzip so auszulegen,

dass damit die weitreichendsten Ausprägungen des Risikos der Epidemie, die zu einer Pandemie führen können sich bereits zur Pandemie entwickelt haben und inhaltlich den Merkmalen der WHO-Pandemiestufen 5 und 6 gemäss WHO Guidance von 2009 entsprechen, von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen werden. Dies hätte auch von der Klägerin so verstanden werden müssen.

Wurden inhaltlich zu kontrollierende Klauseln gültig in den Vertrag einbezogen (Geltungskontrolle) und steht ihr Inhalt klar fest (Auslegungskontrolle), unterliegen die Klauseln schliesslich einer Inhaltskontrolle.

  1. Inhaltskontrolle

    1. Parteistandpunkte

      Die Klägerin macht geltend, eine Klausel, welche einen (weil nicht näher erläuterten) verdeckten Mechanismus vorsehe, der es dem Versicherer gestatte, die Leistung zu verweigern bzw. zu Kürzen, sobald wegen des Umfangs des Gefahreneintritts die Technik der Finanzierung nicht mehr funktioniere, verstosse im Rahmen einer umfassenden Inhaltskontrolle auch gegen die guten Sitten nach Art. 19 OR (act. 1 Rz. 24).

      Die Beklagte bestreitet eine Sittenwidrigkeit der Klausel. Dass Versicherungsrisiken dynamisch abgegrenzt würden, sei nichts Aussergewöhnliches. So richte sich die Deckung nach dem Ausmass des Schadens: Bis zur Versicherungssumme bestehe Deckung; insoweit sich ein Schaden aber ausweite bzw. die Versicherungssumme übersteige, sei keine Deckung mehr gegeben (act. 9 Rz. 28).

    2. Rechtliches und Subsumtion

      Das Obligationenrecht wird vom Grundsatz der Vertragsfreiheit beherrscht. Ein Eingriff in dieses zentrale Recht bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Das Schweizerische Recht enthält in Ermangelung eines speziellen AGB-Gesetzes

      • einzig in Art. 8 UWG eine explizite Grundlage für eine offene inhaltliche Kontrolle von AGB (STEPHAN FUHRER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, N. 8.86).

      Laut Art. 8 UWG handelt insbesondere unlauter, wer AGB verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. Diese lauterkeitsrechtliche Bestimmung hat zwar erhebliche schuldrechtliche Tragweite; die statuierte offene Inhaltskontrolle von AGB ist nach ihrem klaren Wortlaut allerdings auf VertRüge zwischen gewerblichen Anbietern und privaten Nachfragern (Konsumenten) beschränkt. Auf AGB in VertRügen zwischen gewerblichen Anbietern und gewerblichen Nachfragern wie vorliegend findet sie hingegen keine Anwendung (Dike Kommentar UWG HEISS, Art. 9 N 95 und N 98 und BSK OR THOUVENIN, Art. 19 N 85).

      Das Bundesgericht lehnt die von der Klägerin geltend gemachte umfassende offene vertragliche Inhaltskontrolle, die dogmatisch auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie Art. 19 Abs. 2 OR, Art. 2 Abs. 2 Art. 27 ZGB Gründet, trotz starker Kritik der Lehre ab (BGE 135 III 1 und Urteil BGer B_160/06 vom 7. November 2007 E. 6.2.). Stattdessen nimmt es insofern eine verdeckte Inhaltskontrolle vor, als es die Ungewöhnlichkeit einer AGB-Klausel eher bejaht, je sTürker diese Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt (BSK UWG THOUVE- NIN, Art. 8 N 59).

      Wie bereits dargelegt, ist die vorliegend umstrittene Klausel weder subjektiv noch objektiv ungewöhnlich (vgl. Erwägung Ziff. II 3. vorstehend). Das Festhalten von Deckungsausschlüssen zum Schutz der Versicherer ist vielmehr charakteristisch für VersicherungsvertRüge. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn man der in der Lehre erhobenen Forderung nach einer umfassenden Inhaltskontrolle folgen wollte, verstösst die Klausel Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. doch weder gegen die öffentliche Ordnung noch gegen die guten Sitten gegen das Recht der persönlichkeit.

    3. Fazit

      Art. 8 UWG findet vorliegend keine Anwendung, zumal es sich bei der Klägerin nicht um eine private Nachfragerin (Konsumentin) handelt. Die Bestimmung von Ziff. 1.8.1. lit. b ZB G'. verstösst sodann weder gegen die öffentliche Ord- nung noch gegen die guten Sitten das Recht der persönlichkeit.

  2. Zusammenfassung der Tat- und Rechtsfragen

Die Parteien haben im Oktober 2019 eine Epidemieversicherung abgeschlossen.

Die Klägerin hat die dazuGehörigen ZB G'.

global übernommen. Sie verlangt die Deckung von ErtragsausFällen wegen der bundesrätlich angeordneten Schliessung ihres Restaurants im Zuge der Covid-19-Pandemie. In Ziff. 1.8.1 lit. b ZB G'. findet sich eine Ausschlussklausel für Schäden infolge von Krankheitserregern, für welche national international die WHO-Pandemiestufen 5 6 gelten. Dieser Deckungsausschluss ist weder subjektiv noch objektiv ungewöhnlich, weshalb die Klausel vom Konsens gedeckt ist und Geltung erlangt. Die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip ergibt, dass Schden, die durch Krankheitserreger verursacht werden, welche inhaltlich die Intensität gemäss den WHO-Pandemiestufen 5 6 der WHO Guidance von 2009 erreichen, von der Versicherung nicht gedeckt sind. Die Klausel führt zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis, weshalb die Unklarheitsregel nicht zur Anwendung gelangt. So- dann hält die Klausel auch einer Inhaltskontrolle stand. Im Zeitpunkt der bundesrätlich verordneten Schliessungen am 16. März 2020 war die WHO- Pandemiestufe 6 inhaltlich bereits erreicht (vgl. auch Urteil BGer 4A_330/2021 vom 5. Januar 2022 E. 5.3.). Damit steht der Deckungsausschluss gemäss Ziff. 1.8.1. lit. b ZB G'. einer Allfälligen Leistungspflicht der Beklagten entgegen. Ob die übrigen Deckungsvoraussetzungen erfüllt sind und ein Schaden besteht, kann somit offen gelassen werden.

Die Klage ist soweit sie nicht als durch Rückzug erledigt abzuschreiben ist abzuweisen.

III. Kosten- und Entschädigungsfolgen

  1. Gerichtskosten

    Die Höhe der Gerichtskosten bestimmt sich nach der gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG; Art. 96 ZPO i.V.m. 199 Abs. 1 GOG ZH). Sie richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert ( 2 Abs. 1 lit. a GebV OG), welcher die Basis zur Berechnung der Grundgebühr bildet ( 4 Abs. 1 GebV OG). Der Streitwert wird durch das Rechtsbegehren bestimmt (Art. 91 Abs. 1 ZPO) und Beläuft sich vorliegend auf CHF 446'312.76. Bei diesem Streitwert beträgt die Grundgebühr rund CHF 20'000. Der Aufwand für die Bearbeitung und die Schwierigkeit des vorliegenden Falles bewegen sich im üblichen Rahmen. Die Gerichtsgebühr ist folglich auf CHF 20'000 festzusetzen. Aufgrund ihres vollumfänglichen Unterliegens zufolge teilweise KlageRückzugs und im übrigen Klageabweisung sind die Gerichtskosten der Klägerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 ZPO) und aus dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss zu decken.

  2. Parteientschädigungen

Vorliegend hat die Beklagte eine Parteientschädigung beantragt, welche ihr aufgrund ihres vollumfänglichen Obsiegens zuzusprechen ist (Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 1 ZPO; ZK ZPO-JENNY, Art. 105 N 6). Bei berufsmässig vertretenen Parteien richtet sich die Höhe der Parteientschädigung nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV; Art. 95 Abs. 3 lit. b und Art. 96 ZPO i.V.m. 48 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 des Anwaltsgesetzes vom

17. November 2003). Grundlage für die Festsetzung der Höhe der Parteientschä- digung bildet in erster Linie der Streitwert ( 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV), aufgrund dessen die Grundgebühr berechnet wird ( 4 Abs. 1 AnwGebV). Die gestützt auf den vorliegenden Streitwert von CHF 446'312.76 ermittelte Grundgebühr von rund CHF 22'500 deckt den Aufwand für die Erarbeitung einer Rechtsschrift und die Teilnahme an der Hauptverhandlung ab ( 11 Abs. 1 AnwGebV). Für die zweite Rechtsschrift ist gestützt auf 11 Abs. 2 AnwGebV ein Zuschlag von insgesamt rund 25 % der Grundgebühr zu berechnen. Folglich ist die Klägerin zu verpflichten, der Beklagten eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 28'000 zu

bezahlen. Mangels Darlegung der fehlenden Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist die Parteientschädigung praxisgemäss ohne Mehrwertsteuerzuschlag zuzusprechen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_552/2015 vom 25. Mai 2016 E. 4.5).

Das Handelsgericht beschliesst:
  1. Die Klage wird im Umfang von CHF 49'570.41 zuzüglich Zins zu 5 % seit

    5. August 2020 als durch Rückzug erledigt abgeschrieben.

  2. Kosten- und Entschädigungsfolgen und schriftliche Mitteilung gemäss nachfolgendem Erkenntnis.

und erkennt sodann:
  1. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 20'000.

  3. Die Kosten werden der Klägerin auferlegt und aus dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss bezogen.

  4. Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten eine Parteientschädigung von CHF 28'000 zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  6. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 446'312.76.

Zürich, 20. September 2023

Handelsgericht des Kantons Zürich

Präsidentin: Dr. Claudia Bühler

Gerichtsschreiberin: Nadja Kiener

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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