Zusammenfassung des Urteils HG200193: Handelsgericht des Kantons Zürich
In dem vorliegenden Fall ging es um ein Ausstandsbegehren, das von A.________ gegen die verfahrensleitende Staatsanwältin eingereicht wurde. Der Beschuldigte monierte verschiedene Verfahrensfehler und beantragte unentgeltliche Rechtspflege. Nach Prüfung des Gesuchs wurde entschieden, dass das Ausstandsbegehren unbegründet ist und abgewiesen wird. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von CHF 800.00 wurden dem Gesuchsteller auferlegt. Die Möglichkeit einer Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne wurde eingeräumt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG200193 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 26.07.2022 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_403/2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Klägerin; Klägerinnen; Vereinbarung; Garant; Beklagten; Vertrag; Recht; Zahlung; Schuld; Garantie; Urteil; Sicherung; Vertrags; Sicherungs; Konkurs; Parteien; Forderung; Rechnung; Parteivorbringen; Bundesgericht; Rechtliches; Würdigung; Gesellschaft; Höhe; Gläubiger; Leistung; Hotel; Bundesgerichts |
Rechtsnorm: | Art. 102 OR ;Art. 106 ZPO ;Art. 111 OR ;Art. 111 ZPO ;Art. 115 KG ;Art. 124 OR ;Art. 143 OR ;Art. 149 KG ;Art. 1529 OR ;Art. 17 ZPO ;Art. 18 OR ;Art. 18 ZPO ;Art. 236 ZPO ;Art. 29 OR ;Art. 30 OR ;Art. 31 OR ;Art. 363 OR ;Art. 492 OR ;Art. 493 OR ;Art. 530 OR ;Art. 544 OR ;Art. 6 ZPO ;Art. 70 ZPO ;Art. 82 OR ; |
Referenz BGE: | 101 II 323; 103 II 102; 113 II 434; 116 II 707; 118 II 157; 122 III 321; 124 III 363; 128 III 70; 129 III 702; 131 III 511; 131 III 528; 131 III 606; 132 III 626; 137 III 444; 137 III 455; 138 III 241; 139 III 49; 140 III 598; 142 III 782; |
Kommentar: | Schweizer, Zürcher Kommentar. Das Erlöschen der Obligationen: Art. 114–126 OR. Kom- mentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch. Obligationenrecht: 1. und 2. Abteilung [Art. 1–529 OR], Zürich, Art. 114; Art. 1 OR ZGB, 1991 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG200193-O U/dz
Mitwirkend: Oberrichterin Dr. Claudia Bühler, Vizepräsidentin, Oberrichterin Judith Haus Stebler, die Handelsrichter Dr. Stefan Gerster, Christoph Pfenninger und Jakob Haag sowie die Gerichtsschreiberin Dr. Corina Bötschi
in Sachen
A. AG,
B. AG,
Klägerinnen
1, 2 vertreten durch Rechtsanwalt MLaw X.
gegen
C. AG,
Beklagte
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.
betreffend Forderung
(act. 1 S. 2; act. 20 S. 2)
1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, den Klägerinnen 1 und 2 den Betrag von CHF 11'756.15 zzgl. Zins von 5% p.a. seit dem
10. Juni 2019, den Betrag von CHF 17'481.15 zzgl. Zins von 5%
p.a. seit dem 27. Januar 2019 und den Betrag von CHF 68'214.85 zzgl. Zins von 5% p.a. seit dem Juni 2019 zu bezahlen;
2. unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.
Sachverhalt und Verfahren: 3
Sachverhaltsübersicht 3
Parteien und ihre Stellung 3
Prozessgegenstand 4
Prozessverlauf 4
Erwägungen: 5
Formelles 5
Örtliche und sachliche Zuständigkeit 5
Notwendige Streitgenossenschaft 5
Materielles 6
Ausgangslage 6
Sachverhaltsübersicht 6
Hauptstreitpunkte 7
Aktivlegitimation 8
Parteivorbringen 8
Rechtliches 9
Würdigung 9
Werkvertrag 11
Parteivorbringen 11
Rechtliches 12
Würdigung 12
Sicherungsvereinbarung vom 18. März 2019 13
Vorbemerkung 13
Vertragsauslegung 13
Parteivorbringen 13
Rechtliches 14
Würdigung 16
Objektivierte Vertragsauslegung 18
Subjektive Vertragsauslegung 21
Zwischenfazit 22
Vertragsqualifikation 23
Parteivorbringen 23
Rechtliches 23
Würdigung 24
Zwischenfazit 26
Furchterregung (Drohung) 26
Parteivorbringen 26
Rechtliches 27
Würdigung 27
Zwischenfazit 29
Eintritt des Garantiefalles 30
Parteivorbringen 30
Rechtliches 30
Würdigung 32
Zwischenfazit 33
Quantitativ 33
Parteivorbringen 33
Rechtliches 34
Würdigung 34
Zwischenfazit 37
Verzugszins 38
Parteivorbringen 38
Rechtliches 38
Würdigung 38
Verrechnungsforderung 39
Parteivorbringen 39
Rechtliches 40
Würdigung 40
Fazit 40
Kosten- und Entschädigungsfolgen 41
Gerichtskosten 41
Parteientschädigungen 41
Sachverhaltsübersicht
Parteien und ihre Stellung
Die Klägerin 1 ist eine Aktiengesellschaft. Sie erbringt Dienstleistungen für … und ist spezialisiert auf den Betrieb von … (act. 1 N. 5; act. 3/4).
Die Klägerin 2 ist eine Aktiengesellschaft und bezweckt u.a. die … (act. 1 N. 6; act. 3/5).
Die Beklagte ist ebenfalls eine Aktiengesellschaft und bezweckt u.a. den Kauf, das Halten und den Verkauf von Liegenschaften sowie die Verwaltung und Überbauung von Liegenschaften für eigene und fremde Rechnung (act. 1 N. 7; act. 3/3).
Prozessgegenstand
Die Beklagte war Bauherrin des Bauprojekts Hotel D. . Die Klägerinnen 1 und 2 (fortan: Klägerinnen) machen geltend, im Rahmen dieses Projekts diverse Leistungen betreffend Erwerb, Einbau und Installation einer Satellitenanlage, ei- nes TV-Systems, einer Telefonanlage etc. erbracht zu haben. Die Klägerinnen fordern von der Beklagten für diese Leistungen insgesamt CHF 97'452.15 inkl. MwSt. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Klage, soweit darauf einzutreten ist.
Prozessverlauf
Die Klägerinnen reichten die vorliegende Klage am 27. Oktober 2020 (Datum Poststempel) ein (act. 1). Den geforderten Vorschuss für die mutmasslichen Gerichtskosten von CHF 8'600.– leisteten sie fristgerecht (act. 4; act. 6). In der Folge reichte die Beklagte innert Nachfrist die Klageantwort vom 24. Februar 2021 ein (act. 7; act. 9; act. 11). Mit Verfügung vom 8. März 2021 wurde die Leitung des vorliegenden Prozesses an Oberrichterin Dr. Helen Kneubühler Dienst als Instruktionsrichterin delegiert (act. 14). Am 3. Juni 2021 fand eine Vergleichsverhandlung statt, anlässlich welcher keine Einigung erzielt werden konnte (act. 16; Prot. S. 8 f.). Sowohl die Replik vom 10. September 2021 als auch die Duplik vom 23. November 2021 ergingen rechtzeitig (act. 18; act. 20; act. 22; act. 24). Mit Verfügung vom 29. November 2021 wurde den Parteien der Aktenschluss angezeigt (act. 27). Mit Verfügung vom 20. Januar 2022 wurde den Parteien sodann mitgeteilt, dass die bisher als Instruktionsrichterin tätige Oberrichterin Dr. Helen Kneubühler Dienst per Ende Januar 2022 pensioniert und der vorliegende Prozess nunmehr Oberrichterin Judith Haus Stebler als Instruktionsrichterin zugeteilt werde (act. 29).
Mit Verfügung vom 6. April 2022 wurde den Parteien Frist angesetzt zur Erklärung, ob sie auf die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung unter
Vorbehalt der Durchführung eines Beweisverfahrens verzichteten (act. 31). Die Klägerinnen haben nach Vorladung zur mündlichen Verhandlung vom 6. September 2022 nachträglich auf die Hauptverhandlung verzichtet (act. 33; act. 34; act. 36; act. 37; act. 38). Das Verfahren ist spruchreif, weshalb ein Urteil zu ergehen hat (Art. 236 ZPO). Auf die Parteivorbringen wird in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen, soweit sich dies als zur Entscheidfindung notwendig erweist.
Formelles
Örtliche und sachliche Zuständigkeit
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Zürich ist vorliegend unbestritten und richten sich nach Art. 17 ZPO i.V.m. Art. 18 ZPO sowie Art. 6 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 44 lit. b GOG ZH (vgl. act. 1 Ziff. 2 f.; act. 11 N. 4; act. 3/10 Ziff. 12).
Notwendige Streitgenossenschaft
Die Klägerinnen machen geltend, für die streitgegenständliche Forderung eine notwendige Streitgenossenschaft zu bilden (act. 20 N. 16 ff.). Die Beklagte bestreitet dies (act. 24 N. 7 ff.).
Sind mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen o- der beklagt werden (Art. 70 Abs. 1 ZPO; sogenannte notwendige Streitgenossenschaft). Sie müssen zwingend gemeinsam handeln, und es ergeht ein einziges Urteil, das für und gegen alle (notwendigen) Streitgenossen wirkt (Urteil 4A_497/2020 des Bundesgerichts vom 19. Oktober 2021, E. 4.2, zur Publikation vorgesehen; BGE 140 III 598 E. 3.2 S. 600). Wird die Klage nicht von allen Beteiligten erhoben (oder nicht gegen alle Verpflichteten gerichtet), so fehlt die Aktivbzw. die Passivlegitimation und die Klage wird als unbegründet abgewiesen (BGE 142 III 782 E. 3.1.4 S. 786 m.w.H.). Ein Anwendungsfall ist namentlich die Klage, mit der die gesamthänderisch am Gesellschaftsvermögen berechtigten Gesellschafter einer einfachen Gesellschaft eine Forderung geltend machen, welche der Gesellschaft gegenüber Dritten zusteht (Art. 544 Abs. 1 OR) (BGE 142 III 782 E. 3.1.1 S. 783; BGE 137 III 455 E. 3.4 f. S. 458 f.; Urteil 4A_487/2021 des Bundesgerichts vom 14. Dezember 2021, E. 5.1).
Die Klägerinnen machen geltend, in Form einer einfachen Gesellschaft gesamthänderisch an der Forderung beteiligt zu sein (act. 20 N. 6 ff.). Wie nachstehend unter Ziff. 2.2 zu zeigen sein wird, sind sie durch ein Gesamthandverhältnis verbunden. Demzufolge bilden die Klägerinnen eine notwendige Streitgenossenschaft.
Materielles
Ausgangslage
Sachverhaltsübersicht
Die Beklagte war Bauherrin des Projekts Hotel D. (act. 1 N. 12). Die Parteien führten Vertragsverhandlungen über den Erwerb, Einbau und die Installation einer Satellitenanlage, eines TV-Systems, einer Telefonanlage etc. (act. 1 N. 13). Die Klägerinnen schlossen indessen die entsprechenden schriftlichen Werkverträge bezeichnet als Auftrag TV System/IPTV (Hauptauftrag) vom 12./30.11.2018 (Klägerin 2), Auftrag Digitale Anzeige vom 15./30.11.2018 (Klägerin 2) und Auftrag IP Netzwerk LAN/WLAN für HSIA & IPTV (Klägerin 1) (act. 3/79) mit der E. GmbH (mittlerweile aus dem Handelsregister ge-
löscht, der Einfachheit halber fortan dennoch E.
GmbH genannt) (act. 1
N. 14) (siehe dazu im Einzelnen sogleich unter Ziff. 2.3). Über die E. GmbH wurde am tt.mm.2018 der Konkurs eröffnet. Das Obergericht des Kantons Zürich hob indessen mit Urteil vom 11. Oktober 2018 den Konkurs wieder auf (act. 1
N. 15; act. 3/1920). Am tt.mm.2019 wurde sodann erneut der Konkurs über die E. GmbH eröffnet. Dieses Konkursverfahren wurde in der Folge mit Urteil vom 19. November 2019 mangels Aktiven eingestellt (act. 1 N. 26; act. 3/3134). Mit Urteil vom 7. September 2020 ordnete der Konkursrichter schliesslich die
Wiedereröffnung eines summarischen Verfahrens an, dessen Abschluss am
4. Dezember 2020 publiziert wurde (20 N. 38; act. 21/61).
Mit Vereinbarung vom 18. März 2019 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber den Klägerinnen, das Risiko eines Leistungsausfalles der E. GmbH finanziell abzusichern (act. 3/10). Umstritten ist nun, in welchem Umfang diese Sicherheit greift (siehe dazu unter Ziff. 2.4).
Die E.
GmbH bezahlte sodann abgesehen von zwei Akontozahlungen
(siehe im Einzelnen unter Ziff. 2.4.6) die von den Klägerinnen an sie versandten Rechnungen auch nach mehrfacher Abmahnung nicht (act. 1 N. 17 f.; act. 3/22 24).
Entsprechend interessieren hier zwei Vertragsverhältnisse: zunächst das Verhält- nis zwischen den Klägerinnen und der E. GmbH (siehe dazu unter Ziff. 2.3) und sodann das hier zentrale Verhältnis zwischen den Klägerinnen und der Beklagten (siehe dazu unter Ziff. 2.4).
Hauptstreitpunkte
Die Klägerinnen machen geltend, dass sich die Beklagte mit Vereinbarung vom
18. März 2019 verpflichtet habe, eine einmalige Sofortzahlung in Höhe von CHF 100'000. zu leisten und zusätzlich für sämtliche offenen Rechnungen aus dem Werkvertragsverhältnis mit der E. GmbH aufzukommen (act. 20 N. 39 ff.). Per 30. Mai 2019 habe sich der Saldo der offenen Rechnungen auf CHF 97'452.15 belaufen. Trotz Abmahnungen seien diese Zahlungsausstände weder von der E. GmbH noch von der Beklagten beglichen worden (act. 1
N. 37). Die Klägerinnen vertreten den Standpunkt, dass die Beklagte ihnen für diesen Betrag solidarisch hafte (act. 20 N. 37 ff.).
Die Beklagte wendet zunächst ein, dass die Vereinbarung vom 18. März 2019 zufolge Furchterregung (Drohung) (Art. 29 f. OR) für sie (die Beklagte) unverbindlich sei (act. 11 N. 17 ff.). Die Klägerinnen hätten sie (die Beklagte) dazu genötigt, diese äusserst nachteilige Vereinbarung abzuschliessen. Andernfalls hätten die
Klägerinnen ihre Arbeit niedergelegt und damit die dannzumal unmittelbar bevorstehende Hoteleröffnung am tt.mm.2019 gefährdet, was mit grossen finanziellen Nachteilen verbunden gewesen wäre (act. 11 N. 18). Falls das Gericht die Vereinbarung wider Erwarten als gültig erachten würde, so habe sie (die Beklagte) sich nur für eine einmalige Sofortzahlung in der Höhe von CHF 100'000. verpflichtet. Diese Zahlung sei vollumfänglich erfolgt (act. 20 N. 88). Eine zusätzliche Verpflichtung zur Bezahlung sämtlicher offenen Werklohnforderungen bestehe hingegen nicht (act. 11 N. 35 ff.). Zudem hätten die Klägerinnen ihre Leistungen mangelhaft und nur unvollständig erbracht (act. 11 N. 49).
Aktivlegitimation
Parteivorbringen
Die Klägerinnen machen geltend, im Rahmen des Bauprojekts stets als Einheit aufgetreten zu sein, also eine einfache Gesellschaft bzw. Arbeitsgemeinschaft (ARGE) gebildet zu haben. Entsprechend stehe ihnen (den Klägerinnen) die For- derung gegenüber der Beklagten gesamthänderisch zu (act. 1 N. 8; act. 20 N. 6). Das Projektmanagement und die technische Planung habe weitestgehend die Klägerin 2 geleistet und die Umsetzung und Montage vor Ort sei durch die Klägerin 1 erfolgt. Die Klägerin 1 habe die Rolle des Joint Venture Leader gegen aussen übernommen. Ebenfalls sei die Klägerin 1 für die Abrechnung und Rech- nungsstellung zuständig gewesen (act. 20 N. 7, N. 10; act. 3/6). Auch das Kick- Off-Meeting vom 29. Januar 2019 und sämtliche weiteren Sitzungen seien für alle Aufträge der Klägerinnen gemeinschaftlich erfolgt (act. 20 N. 10).
Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerinnen eine Arbeitsgemeinschaft bzw. eine einfache Gesellschaft gebildet hätten (act. 11 N. 8). Es treffe nicht zu, dass die Klägerin 2 das Projektmanagement sowie die technische Planung der Arbeiten übernommen habe und die Klägerin 1 für die Umsetzung und Montage vor Ort bemüht gewesen sei (act. 24 N. 9). Aus der reinen Anwesenheit der Klägerinnen am Kick-Off-Meeting vom 29. Januar 2019 könnten diese schliesslich nichts für ihren Standpunkt ableiten (act. 11 N. 13).
Rechtliches
Einfache Gesellschaft: Eine einfache Gesellschaft liegt vor, wenn sich zwei mehrere Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Mitteln und Kräften vertragsmässig verbinden und nicht die Voraussetzungen ei- ner anderen Gesellschaftsform gegeben sind (Art. 530 OR). Eine einfache Gesellschaft kann auch konkludent entstehen und sich namentlich aus dem Verhalten der Gesellschafter ergeben, ohne dass ihnen diese Rechtsfolge bewusst sein muss (BGE 124 III 363 E. II/2a S. 365; BGE 116 II 707 E. 2a S. 710; BGE 108 II
204 E. 4 S. 208 m.H.; Urteil 4C.24/2000 des Bundesgerichts vom 28. März 2000,
E. 3ad).
Teilgläubigerschaft vs. Gesamtgläubigerschaft: Bei einer Teilgläubigerschaft sind mehrere Gläubiger pro rata und unabhängig voneinander an einer teilbaren For- derung berechtigt, wobei die Leistung nur einmal zu erbringen ist (BUCHER, Obligationenrecht: Allgemeiner Teil, Zürich 1988, S. 487; HUGUENIN, Obligationenrecht. Allgemeiner und besonderer Teil, 3. Aufl., Zürich 2019, N. 2319). Teilgläubigerschaft entsteht insbesondere bei einem gemeinsamen Vertrag, d.h. wenn mehrere Vertragsgenossen, unter denen kein Gesamthandverhältnis besteht, auf einer Vertragsseite kontrahieren (Urteil 4A_465 des Bundesgerichts vom 3. März 2014, E. 2.2.3). Bei der gemeinschaftlichen Gläubigerschaft steht indessen die gesamte Forderung den Gläubigern ungeteilt zu, und zwar so, dass alle Gläubiger die Forderung nur gemeinsam geltend machen können. Dies ist dann der Fall, wenn unter den Gläubigern ein Gesamthandverhältnis besteht (Urteil 4A_465 des Bundesgerichts vom 3. März 2014, E. 2.2.1; VON TUHR, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, II. Halbband, Tübingen 1952, S. 682; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht. Allgemeiner Teil, 11. Aufl., Zürich 2020, N. 3861).
Würdigung
Vorbemerkung: Die Klägerinnen stützen ihre Forderungen auf die Vereinbarung vom 18. März 2019. Darin sind sie als Gläubigerin 1 und Gläubigerin 2 aufgeführt. Dementsprechend liegt eine Mehrheit von Gläubigern vor. Im Rahmen der Aktivlegitimation gilt es zu prüfen, welche Art der Gläubigermehrheit vorliegt.
Vorliegen einer einfachen Gesellschaft: Die Klägerinnen behaupten, eine einfache Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zu bilden. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag liegt
wie die Beklagte zurecht anführt (act. 24 N. 23) nicht vor. Indessen ist die Gründung einer einfachen Gesellschaft an kein Schriftformerfordernis gebunden. Der Zweck einer einfachen Gesellschaft kann auch im gemeinschaftlichen Abschluss eines Werkvertrags bestehen. Der Wille, einen gemeinsamen Zweck mit gemeinsamen Mitteln zu verfolgen, ist eine innere Tatsache, die bei dieser Ausgangslage nicht direkt bewiesen werden kann. Die Klägerinnen führen indessen zahlreiche Indizien an, die Rückschlüsse auf diesen inneren Bindungswillen zulassen, und die durch Urkunden gestützt werden. So erfolgten seit Beginn der Arbeiten die von der E. GmbH und der Beklagten angewiesenen Zahlungen auf eine Bankverbindung der Klägerin 1, obwohl die Werkverträge teilweise auf die Klägerin 2 lauteten (act. 20 N. 10; act. 3/79; act. 3/4345). Die Rechnungsstellung erfolgte zudem stets seitens der Klägerin 1 (act. 3/3741). Zudem erfolgten die Verhandlungen u.a. durch O. , der jeweils im E-Mailverkehr im Namen beider Klägerinnen aufgetreten war (act. 20 N. 10; act. 21/5051). Dies spricht in der Tat für ein organisatorisches Zusammenwirken und das Vorhandensein von gemeinsamen Mitteln. Zudem zeichnen die Klägerinnen ein detailliertes Bild hinsichtlich ihrer internen Arbeitsteilung auf. So habe etwa die Klägerin 2 das Projektmanagement und die technische Planung der Arbeiten übernommen und sei die Klägerin 1 für die Umsetzung und Montage vor Ort zuständig gewesen. Die Klägerin 1 habe die Rolle des Joint Venture Leader und der Ansprechsperson für das streitgegenständliche Bauprojekt übernommen (act. 20 N. 7). Die Beklagte kann diesen Ausführungen nichts Substantielles entgegensetzen. Sie stellt diese Vorbringen lediglich pauschal in Abrede (act. 24 N. 8 f.), sodass eine Beweisabnahme (Parteibefragung/Zeugenaussage) von vornherein unterbleiben kann, und die entsprechenden Tatsachen als zugestanden gelten. Diese Umstän- de indizieren mit hinreichender Deutlichkeit eine Vereinigung von Fähigkeiten, Kompetenzen und Arbeitskräften. Angesichts des Gesagten konnten die Klägerinnen zumindest, was das streitgegenständliche Bauprojekt Hotel D.
anbelangt rechtsgenügend dartun und belegen, dass sie sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen hatten. Eine solche Verbindung ist als einfache Gesellschaft zu qualifizieren (vgl. Art. 530 OR).
Gesamtgläubigerschaft: Wie soeben festgehalten, sind die Klägerinnen in Bezug auf das streitgegenständliche Bauprojekt durch ein Gesamthandverhältnis verbunden (Art. 530 ff. OR). Mangels anderslautender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass diese Arbeitsgemeinschaft im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 18. März 2019, die sich auf das strittige Bauprojekt bezieht, immer noch Bestand hatte. Die von den Klägerinnen aus der genannten Vereinbarung gegenüber der Beklagten geltend gemachte Forderung steht ihnen entsprechend ungeteilt zu. Damit sind sowohl die Klägerin 1 als auch die Klägerin 2 aktivlegitimiert.
Werkvertrag
Parteivorbringen
Die Klägerinnen machen geltend, dass die E. GmbH im Rahmen des Projekts Hotel D. drei Werkbestellungen an sie erteilt habe. Die ersten beiden Werkbestellungen hätten auf die Klägerin 2 gelautet. Die dritte Werkbestellung habe auf die Klägerin 1 gelautet. Die Offerten seien indessen zunächst an die Beklagte adressiert gewesen. In der Folge habe die Beklagte die E. GmbH in das Vertragsverhältnis dazwischen geschaltet (act. 1 N. 13 f.). Gemeinsam hätten diese drei von der E. GmbH akzeptierten Offerten den Werkvertrag gebildet (act. 1 N. 16; act. 20 N. 5; act. 3/79).
Die Beklagten bestreiten, dass die vorgenannten Offerten von der E. GmbH akzeptiert worden seien (act. 24 N. 8, N. 69, N. 79). Insbesondere die Offerte Auftrag IP Netzwerk LAN/WLAN für HISA & IPTV vom 22. Januar 2019 sei von
der F.
AG (Betreibergesellschaft der Hotelanlage) und nicht von der
E. GmbH unterzeichnet worden (act. 24 N. 6).
Rechtliches
Durch den Werkvertrag verpflichtet sich der Unternehmer zur Herstellung eines Werkes und der Besteller zur Leistung einer Vergütung (Art. 363 OR).
Würdigung
Es liegen drei unterzeichnete Offerten im Recht: Der Auftrag TV System/IPTV (Hauptauftrag) vom 12./30.11.2018 (Offerte der Klägerin 2, act. 3/7), der Auftrag Digitale Anzeige vom 15./30.11.2018 (Offerte der Klägerin 2, act. 3/8) und der Auftrag IP Netzwerk für HSIA & IPTV vom 22.01.2019 (Offerte der Klägerin 1,
act. 3/9). Die ersten beiden Offerten wurden von der E.
GmbH visiert
(act. 3/78). Die dritte Offerte wurde zwar der E. GmbH unterbreitet, letztlich aber lediglich von der F. AG (Betreibergesellschaft der Hotelanlage) unterzeichnet (act. 3/10).
Zunächst nehmen die Parteien mitunter die Beklagte in der (Sicherungs)- Vereinbarung vom 18. März 2019 ausdrücklich Bezug auf diverse Offerten der Gläubigerinnen 1 und 2, die von der Schuldnerin bzw. von der E. GmbH akzeptiert worden seien (act. 3/10 S. 1). Als Schuldnerin wird lediglich die
E.
GmbH aufgeführt; die F.
AG wird an keiner Stelle erwähnt
(act. 3/10 S. 2). Nur schon daraus ergibt sich, dass sowohl die Klägerinnen als auch die Beklagte davon ausgingen, dass alle Offerten von der E. GmbH akzeptiert worden sind. Sodann wurden auch die Rechnungen betreffend den Auftrag IP Netzwerk für HSIA & IPTV vom 22.01.2019 jeweils an die E. GmbH geschickt bzw. diese darauf als Kunde vermerkt (act. 3/2930, act. 3/42). Im Weiteren geht die Beklagte in ihren Sachvorbringen abgesehen von diesen einzelnen, widersprüchlichen Bestreitungen in act. 24 N. 6 und N. 8 regelmässig selbst davon aus, dass die E. GmbH und nicht die F. AG die Vertragspartnerin der Klägerinnen gewesen sei (act. 11 N. 7, N. 10, N. 13, N. 65; act. 24 N. 51, N. 59). Demzufolge ist davon auszugehen, dass die E. GmbH ihre Zustimmung zu sämtlichen drei Offerten rechtsgültig erteilt hatte, auch wenn sie die dritte Offerte Auftrag IP Netzwerk für HSIA & IPTV vom 22.01.2019 (Offerte der Klägerin 1, act. 3/9) nicht selbst unterzeichnet hat.
Anders als die Bezeichnung verlauten mag, handelt es sich bei den drei visierten Offerten indessen nicht um Aufträge, sondern um Werkverträge. Ob es sich dabei um einen zusammengesetzten Werkvertrag um drei einzelne Werkverträge handelt, ist letztlich ohne Belang.
Sicherungsvereinbarung vom 18. März 2019
Vorbemerkung
Die Parteien haben am 18. März 2019 eine Sicherungsvereinbarung geschlossen (act. 3/10). Zur Abfederung des Risikos eines Leistungsausfalles stellt das Privatrecht verschiedene Sicherungsformen zur Verfügung. Dazu gehören die Bürgschaft (Art. 492 ff. OR), der Schuldbeitritt und die Garantie (Art. 111 OR) (EMME- NEGGER, Garantie, Schuldbeitritt und Bürgschaft vom bundesgerichtlichen Umgang mit gesetzgeberischen Inkohärenzen, ZBJV 143/2007, S. 561) (siehe dazu im Einzelnen unter Ziff. 2.4.3.2).
Die Qualifikation des Vertragsverhältnisses erfolgt auf Basis der gegenseitigen Rechte und Pflichten, die sich aus der Vereinbarung vom 18. März 2019 ergeben. Welche Art der Sicherung im konkreten Fall vorliegt, ist demzufolge in einem ersten Schritt mittels Auslegung des Sicherungsvertrags zu ermitteln (siehe dazu unter Ziff. 2.4.2). Im Anschluss daran erfolgt die Vertragsqualifikation (siehe dazu unter Ziff. 2.4.3).
Vertragsauslegung
Parteivorbringen
Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten mit der Beklagten zur Abfederung des Risikos eines Leistungsausfalles eine Vereinbarung geschlossen. Namentlich habe die Beklagte ihnen (den Klägerinnen) mit Vereinbarung vom 18. März 2019 zugesichert, für die Bezahlung der Forderungen aus dem Werkvertragsverhältnis im Rahmen des Bauprojekts Hotel D. vollumfänglich aufzukommen, sollte die E. GmbH ihrerseits ihren Pflichten nicht mehr nachkommen (act. 20 N. 19). Die Beklagte sei der Schuld der E. GmbH beigetreten und hafte entsprechend solidarisch (act. 20 N. 61). Da Letztere nicht bezahlt habe, müsse nun die Beklagte für die Restforderung vollumfänglich aufkommen (act. 20 N. 38).
Über die E.
GmbH sei mehrfach der Konkurs eröffnet worden. Der Abschluss des Konkursverfahrens sei schliesslich am tt.mm.2020 publiziert worden (act. 20 N. 38).
Die Beklagte macht dagegen geltend, dass sie sich in der Vereinbarung vom
18. März 2019 lediglich verpflichtet habe, eine einmalige Sofortzahlung in der Höhe von CHF 100'000. zu leisten (act. 1 N. 27; act. 24 N. 26). Diese Vereinbarung sei indessen ungültig zufolge Furchterregung (siehe zum Ganzen unter Ziff. 2.4.4) (act. 24 N. 26 f.). Selbst wenn die streitgegenständliche Vereinbarung gültig wäre, wäre die Haftung der Beklagten lediglich subsidiär und nicht solidarisch (act. 1 N. 39; act. 24 N. 61).
Rechtliches
Der Inhalt eines Vertrages ist durch Auslegung der Willensäusserungen der Parteien zu bestimmen. Ziel der Vertragsauslegung ist es, in erster Linie den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzustellen (Art. 18 Abs. 1 OR). Steht ei- ne tatsächliche Willensübereinstimmung fest, bleibt für eine Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz kein Raum (BGE 128 III 70 E. 1a S. 73) (subjektive Auslegung). Erst wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (objektivierte Auslegung). Massgebend ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Nachträgliches Parteiverhalten ist bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nicht von Bedeutung; es kann berücksichtigt werden, wenn es Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen der Parteien zulässt (BGE 132 III 626
E. 3.1 S. 632 m.w.H.). Die objektivierte Vertragsauslegung ergibt sich nicht allein aus dem Wortlaut, sondern kann sich auch aus anderen Elementen ergeben wie aus dem Vertragszweck, der Systematik des Vertrages, der Interessenlage der Parteien aus den Gesamtumständen. Von einem klaren Vertragswortlaut ist jedoch nur abzuweichen, wenn sich ernsthafte Anhaltspunkte dafür ergeben, dass
dieser nicht dem Willen der Parteien entspricht (statt vieler: BGE 137 III 444 E.
4.2.4 S. 451; siehe auch das Urteil HG160214 des Handelsgerichts Zürich vom 7. Juni 2019, E. 3.1 ff.).
Auch wenn dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien materiellrechtlich der Vorrang zukommt, kann es bei der objektivierten Auslegung bleiben, sobald kein davon abweichender übereinstimmender wirklicher Wille behauptet bewiesen wird (Urteile des Bundesgerichts 4A_571/2012 und 4A_579/2012 vom
18. März 2013, E. 4.2.2; JÄGGI/GAUCH/HARTMANN, in: Zürcher Kommentar zu Art. 18 OR: Auslegung, Ergänzung und Anpassung der Verträge; Simulation, 4. Aufl., Zürich 2014, a.a.O., N. 358).
Würdigung
Die Vereinbarung vom 18. März 2019 lautet wie folgt (act. 3/10):
Objektivierte Vertragsauslegung
Wortlaut und Systematik: Die Vereinbarung vom 18. März 2019 trägt die fettge- druckte Überschrift Vereinbarung. Direkt darunter steht ebenfalls in fettge- druckter Schrift Folgendes geschrieben (act. 3/10 S. 1):
zur Zahlung der Forderung aus Verträgen gemäss Beilage 1 zwischen E.
GmbH und
A. AG und B. AG gem. nachfolgender Erläuterung, sofern die E. GmbH ihren Zahlungen nicht mehr nachkommen kann, für das Hotel J. .
In der Präambel wird sodann festgehalten, dass die E. GmbH den Kläge-
rinnen Aufträge erteilt habe. Es wird ferner erwähnt, dass die E.
GmbH
mit Akontozahlungen in Verzug sei und gegenüber den Klägerinnen ausstehende Schulden habe (act. 3/10 S. 2).
Ziff. 1 hält fest, dass die E.
GmbH weiterhin gegenüber den Klägerinnen
aus den Aufträgen verpflichtet bleibe. Ziff. 2 hält fest, dass die Beklagte als Schuldbeitreter eine Zahlung in der Höhe von CHF 100'000. an die Klägerin 1 leisten müsse, damit die Arbeiten abgeschlossen würden. Damit reduziere sich
der offene Betrag der E.
GmbH um diesen Betrag (Ziff. 3). Die Beklagte
verpflichtete sich sodann in Ziff. 4, mit der E.
GmbH einen verbindlichen
Abzahlungsplan zu erstellen und diesen den Klägerinnen auszuhändigen (act. 3/10 S. 2).
Der Wortlaut ist hinsichtlich des Umfangs der Haftung der Beklagten nicht klar. Der Terminus zur Zahlung der Forderung aus Verträgen […], sofern die E. GmbH ihren Zahlungen nicht mehr nachkommen kann […] indiziert einerseits, dass sich die Beklagte verpflichtet hat, für sämtliche ausstehenden Forderungen einzustehen. Diese Klausel ist sodann fettgedruckt und unmittelbar unter dem Titel der Vereinbarung platziert. Diese Systematik legt nahe, dass es sich dabei um ein für die Parteien zentrales Element der Vereinbarung handelt. Auf Seite 2 wird in der Präambel und in Ziff. 2 dagegen im Widerspruch zum Untertitel statuiert, dass die Beklagte per sofort eine Akontozahlung in Höhe von CHF 100'000. leisten müsse. Dies impliziert wiederum, dass sich die Haftung der Beklagten auf lediglich CHF 100'000. beschränkt. Der Wortlaut äussert sich nicht klar zur Tragung von allfälligen Zahlungsausständen, die CHF 100'000. übersteigen.
In der fettgedruckten Einleitung wird hingegen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Haftung der Beklagten erst greife, wenn die E. GmbH ihren Pflichten nicht mehr nachkommen kann. Damit spricht sich der Wortlaut deutlich für ei- ne subsidiäre Haftung der Beklagten aus.
Zusammenfassend führt der Wortlaut des Vertrages hinsichtlich des Umfangs der Haftung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Namentlich geht aus dem Wortlaut nicht klar hervor, ob sich die Beklagte zur Bezahlung der gesamten Restschuld
verpflichtet hat. Dagegen statuiert er klar, dass die Haftung der Beklagten eine subsidiäre ist.
Vertragszweck und Interessenlage: Ziel und Zweck der Sicherungsvereinbarung war es, die Fertigstellung der Arbeiten durch die Klägerinnen und damit die geplante Eröffnung des Hotels Ende mm.2019 sicherzustellen. Dieser Zweck wird auch in der Präambel verdeutlicht (Damit die Gläubigerin 1 und 2 weiterhin vertragsgemäss tätig werden kann und die geplante Eröffnung des Hotels nicht gefährdet wird […]). Damit verfügte die Beklagte über ein erkennbares wirtschaftliches Eigeninteresse am Abschluss dieser Vereinbarung. Diesem Interesse diente einerseits die sofortige Zahlung in Höhe CHF 100'000.. Andererseits liegt es auf der Hand, dass die Klägerinnen die Fertigstellung der Arbeiten nur im Gegenzug für eine über die Sofortzahlung hinausgehende zusätzliche Sicherheit für die Restforderungen gewährleisten wollten. Die Vereinbarung nimmt denn auch ausdrücklich Bezug auf eine den Betrag CHF 100'000. übersteigende Endforderung (act. 3/10 S. 2 Präambel: Endforderung von ca. CHF 204'723.20) und auf einen Abzahlungsplan (act. 3/10 Ziff. 4 S. 2). Auch die im Untertitel statuierte subsidiäre Haftung der Beklagten, die sich auf einen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch ungewissen
Umstand bezieht die Zahlungsfähigkeit der E.
GmbH im Zeitpunkt der
Fälligkeit der gesamten Werklohnforderung , würde keinen Sinn ergeben, wenn sich die Verpflichtung der Beklagten lediglich auf eine einmalige Zahlung in der Höhe von CHF 100'000. beschränken würde.
Begleitumstände: Auch die Entstehungsgeschichte des Vertrages muss bei der objektivierten Auslegung berücksichtigt werden. Die Klägerinnen berufen sich diesbezüglich auf ein E-Mail von K. (Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin 1) an L. (Mitglied des Verwaltungsrats der Beklagten) vom 15. März 2019, 9.50 Uhr (act. 3/21). Darin steht unter anderem geschrieben: Zu diesem Zeit-
punkt hatten wir bereits auf die mangelnde Sicherheit und Zahlungskraft gemäss M.
der
E. GmbH hingewiesen. Und weiter unten: Den Vertrag den wir euch gesendet haben ist einen Schuldenbeitritt und nicht schulden Übernahme, So ist die ursprüngliche Schuldnerin weiterhin verpflichtet aber die C. AG Schuldenübernehmerin haftet solidarisch mit bis vollständige kosten Deckung aus diesem Vertrag. L. antwortete gleichentags um 10.35 Uhr,
also kurze Zeit später, Folgendes (act. 3/25): Wir als Eigentümer sind rechtlich und auch moralisch verpflichtet sämtliche Unternehmer die an unserem Bau tätig sind zu bezahlen, auch wenn wir Doppelzahlungen leisten müssen. Dazu brauchen Sie keine zusätzliche Schuldanerken- nung.
Die Klägerinnen äusserten unmittelbar vor Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung ausdrücklich ihre Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit der E. GmbH. Diese Bedenken waren nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass über die E. GmbH bereits im mm.2018 zum ersten Mal der Konkurs eröffnet worden war (act. 1 N. 15; act. 3/1920). Angesichts dieser Umstände war auch für die Beklagte erkennbar, dass die Klägerinnen ihre Leistungen vollumfänglich absichern wollten. Die Beklagte entgegnete dazu rund 45 Minuten später, dass sie sich verpflichtet fühle, die Bezahlung sämtlicher Unternehmer sicherzu-
stellen. Das geht auch aus einem weiteren E-Mail von N.
(Leiter Bauma-
nagement der Beklagten) hervor, das bereits im Vorfeld der oben abgebildeten E- Mailkorrespondenz, also am 14. März 2019, an die Klägerinnen gesendet wurde: Wir halten unsere Vereinbarung die Ihnen zugesicherte Zahlung sofort anzuweisen und den Vertrag, der Ihre Unternehmung absichert von uns bzw. von Herrn L. morgen unterschrieben zu retournieren. (act. 3/25). Die Beklagte nimmt ausdrücklich Bezug auf den Vertrag, der die Unternehmung absichert.
Angesichts dieser Äusserungen von L. Einzelzeichnungsberechtigung) und N.
(Mitglied des Verwaltungsrats mit (Leiter Baumanagement), die kurz
vor Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung erfolgten, durften und mussten die Klägerinnen nach Massgabe von Treu und Glauben davon ausgehen, dass sich die Beklagte zusätzlich zu einer Sofortzahlung in der Höhe von CHF 100'000. zur Schadloshaltung im vollen Umfang verpflichtet hat.
Subjektive Vertragsauslegung
Die Parteien machen keine substantiierten Ausführungen zum Vorliegen eines tatsächlichen Konsens. Namentlich hat die Beklagte keinen von der objektivierten Auslegung abweichenden tatsächlichen Parteiwillen rechtsgenügend behauptet. Die Klägerinnen berufen sich diesbezüglich lediglich auf das Verhalten der Beklagten nach Abschluss der Vereinbarung vom 18. März 2019. Indessen stellen auch sie keine ausdrücklichen, konkreten Behauptungen zum Vorliegen von gegenseitigen übereinstimmenden Willensäusserungen auf, weshalb ein tatsächlicher Konsens nicht dargetan ist.
Der Vollständigkeit halber ist im Sinne einer Eventualbegründung Folgendes nachzutragen: Zwar konnten die Klägerinnen wie eben gezeigt keinen tatsächlichen Konsens substantiiert behaupten. Indessen würden auch ihre vereinzelten Ausführungen zum nachträglichen Parteiverhalten (act. 20 N. 42 ff.) ein nur bei der subjektiven Auslegung zulässiges Auslegungsmittel, das Rückschlüsse auf den wirklichen Willen der Parteien geben kann das Ergebnis der objektivierten Auslegung stützen. Am Folgetag der Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung vom 18. März 2019, also am 19. März 2019, bestätigte N. per E-Mail (im Cc u.a. an L. ) den Klägerinnen Folgendes: Vereinbarungsgemäss, bestätigen wir Ihnen die Zahlungsmodalitäten nach interner Absprache für die Restzahlung aus Ihrem Vertrag gem. Vereinbarung zwischen Ihnen und der E. GmbH. Da wir, C. AG, Ihrer Unternehmung 100'000 anstelle der 50'000 sFr. bezahlt haben, werden wir die Restzahlung gem. Vereinbarung per 30. Mai 2019 bezahlen, sofern, die E. GmbH Ihren Zahlungen nicht nachkommen kann. Sollte die E. GmbH Teilzahlungen leisten reduziert sich der Betrag um diese Beträge. (act. 21/62). Darin nimmt die Beklagte ausdrücklich Bezug auf die Sofortzahlung in der Höhe von CHF 100'000. sowie auf die Bezahlung einer allfälligen Restforderung. Auch nach Abschluss der Arbeiten der Klägerinnen bekräftigte die Beklagte ihre Zusicherungen erneut (act. 20 N. 73). Dies kommt im E-Mail vom
13. Mai 2019 von N. an K. zum Ausdruck: Sie wollten von uns eine Vorauszahlung, was uns insofern verärgerte, als dass wir bereits Euch in einem grossen Entgegenkommen signalisierten, dass wir sie nicht im Regen stehen lassen und die Problematik aus dem Auftrag im Hotel und wir bereits eine Anzahlung geleistet und die Schlusszahlung bestätigt haben. (act. 21/63). Diese Äusserungen indizieren, dass die Beklagte sich verpflichtet fühlte, auch für allfällige Restforderungen aufzukommen.
Zwischenfazit
Die objektivierte Auslegung der Vereinbarung vom 18. März 2019 ergibt, dass sich die Beklagte sowohl für eine einmalige Sofortzahlung in Höhe CHF 100'000.
als auch für die Bezahlung einer allfälligen Restforderung verpflichtet hat. Die Beklagte konnte keinen davon abweichenden übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen nachweisen.
Vertragsqualifikation
Parteivorbringen
Die Klägerinnen machen geltend, dass es sich bei der Vereinbarung vom 18. März 2019 um einen Schuldbeitritt bzw. um eine kumulative Schuldübernahme handle (act. 20 N. 18 ff., 28 ff., N. 37 ff.). Die Beklagte bestreitet zwar, dass ein Schuldbeitritt bzw. eine kumulative Schuldübernahme vorliege, äussert sich in- dessen zur Vertragsqualifikation nicht weiter (act. 24 N. 38, N. 42).
Rechtliches
Bei der Bürgschaft verspricht der Bürge dem Gläubiger, für die Erfüllung der Schuld des Hauptschuldners einzustehen (Art. 492 Abs. 1 OR). Es wird keine eigene Schuld begründet, sondern eine fremde Schuld gesichert. Die Bürgschaft ist akzessorisch; sie hängt in ihrem Bestand und Inhalt von der Hauptschuld ab (Art. 492 Abs. 2 OR). Art. 493 OR stellt für die Bürgschaft besondere Formvorschriften auf.
Die kumulative Schuldübernahme (auch Schuldbeitritt) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldübernehmer eine eigene, zur Verpflichtung eines Schuldners hinzutretende, selbständige Verpflichtung begründet, somit die Drittschuld persönlich und direkt mitübernimmt (BGE 129 III 702 E. 2.1 S. 702, BGE 113 II 434 E. 2 S. 453 f.; Urteil 4C.191/1999 vom 22. September 1999, E. 1a). Sie ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber als rechtliche Gestaltungsmöglichkeit aus Art. 143 OR (Solidarhaftung) (BGE 129 III 702 E. 2.1 S. 702). Der Schuldbeitritt begründet eine selbständige Verpflichtung. Der Schuldbeitritt ist nicht streng akzessorisch. Er wirkt auch nicht subsidiär: Die Solidarverpflichtung erlaubt dem Gläubiger den direkten Zugriff auf den Übernehmer (Art.
144 OR) (EMMENEGGER, a.a.O., S. 562). Indiz für eine kumulative Schuldüber- nahme ist, wenn der Dritte u.a. ein erkennbares eigenes wirtschaftliches eigenes Interesse am Geschäft hat (BGE 129 III 702 E. 2.6 S. 710; BGE 101 II 323
E. 1 S. 325; Urteil 4A_235/2012 des Bundesgerichts vom 26. Oktober 2012, E.
2.1; Urteil 4A_420/2007 des Bundesgerichts vom 19. Dezember 2007, E. 2.2.3; HUGUENIN, a.a.O., N. 1433).
Beim Garantievertrag verspricht der Garant dem Versprechensempfänger, für die Leistung eines vertragsfremden Dritten einzustehen. Der Garant verpflichtet sich in der Regel zu einer (Schaden-)Ersatzleistung im Umfang des positiven Interesses, falls die Leistung des Dritten ausbleibt (Art. 111 OR) (HUGUENIN, a.a.O.,
N. 1167). Sie ist nicht akzessorisch. Sie ist sodann insoweit subsidiär, als der Garant erst in Anspruch genommen werden darf, wenn feststeht, ob und in welchem Umfang die Leistung des Dritten entfällt (BGE 101 II 323 E. 1c S. 327; E MMENEG- GER, a.a.O., S. 563). Das Eigeninteresse der sich verpflichtenden Partei spricht ebenfalls für das Vorliegen eines Garantievertrags (Urteil 4C_154/2002 des Bun- desgerichts vom 10./17. Dezember 2002, E. 3.1; HUGUENIN, a.a.O., N. 1174). Eine reine Garantie liegt vor, wenn der Garant für einen bestimmten Erfolg einsteht, unabhängig von einem konkreten Schuldverhältnis (BGE 113 II 434 E. 2a S. 436; Urteil 4A_279/2009 des Bundesgerichts vom 14. September 2009, E. 3.1). Bei der bürgschaftsähnlichen Garantie bezieht sich das Versprechen dagegen auf ein konkretes Schuldverhältnis, aus welchem der Versprechensempfänger einen Anspruch gegenüber dem Dritten hat (Urteil 4A_279/2009 vom 14. September 2009, E. 3.1; HUGUENIN, a.a.O., N. 1172).
Würdigung
Zunächst ist die Vertragsqualifikation dem Parteiwillen entzogen (vgl. Art. 18 OR). Es handelt sich um eine vom Gericht zu beurteilende Rechtsfrage. Daher ist es einstweilen ohne Bedeutung, dass die Klägerin die Vereinbarung vom 18. März 2019 als Schuldbeitritt bzw. kumulative Schuldübernahme bezeichnet (vgl. act. 1 N. 11; act. 20 N. 19 ff.).
Wie gezeigt, setzt sich die Vereinbarung vom 18. März 2019 aus einer Verpflichtung zur Leistung einer Sofortzahlung von CHF 100'000. und aus einem Sicherungsversprechen das Einstehen für eine allfällige Restschuld zusammen. Entsprechend sind hier zwei verschiedene Parteivereinbarungen miteinander verknüpft, weshalb ein zusammengesetzter Vertrag vorliegt (BGE 139 III 49 E. 3.3 S. 52; BGE 131 III 528 E. 7.1.1 S. 531; BGE 118 II 157 E. 3a S. 162.). Bei zusam mengesetzten Verträgen ist für jede Rechtsfrage der vertragliche Regelungsschwerpunkt zu finden (BGE 131 III 528 E. 7.1.1 S. 532). Von Interesse ist hier die Qualifikation des Sicherungsversprechens.
Ein Indiz für das Vorliegen eines eigenständigen Sicherungsversprechens in Form einer (bürgschaftsähnlichen) Garantie einer kumulativen Schuldübernahme ist, dass der Sicherungsgeber ein eigenständiges Interesse am Geschäft hat (Urteil 4C.154/2002 des Bundesgerichts vom 10./17. Dezember 2002, E. 3.1). Wie gezeigt, verfügte die Beklagte nicht über ein rein altruistisch motiviertes Interesse am Sicherungsgeschäft, sondern vielmehr über ein erkennbares wirtschaftliches Eigeninteresse, das auf die zeitnahe Fertigstellung der Arbeiten abzielte. Aufgrund des offensichtlichen Eigeninteresses der Beklagten entfällt denn auch eine Qualifikation des Sicherungsversprechens als Bürgschaft (Art. 492 ff. OR). Die Bürgschaft ist im Übrigen ein formbedürftiges Rechtsgeschäft. Es bestehen besondere Anforderungen an die Schriftform, die allein dem Zweck dienen, den Bürgen vor einem übereilten Sicherungsversprechen zu schützen (Art. 493 OR). Die Beklagte ist im Immobilienbereich, und damit in einem geschäftlichen Umfeld, tätig (vgl. act. 3/3). Es handelt sich bei ihr nicht um eine Person aus dem Bereich Friends and Family in der Terminologie des deutschen Bundesgerichtshofs ausgedrückt um eine sog. Nahbereichsperson (EMMENEGGER, a.a.O., S. 560 mit Verweis auf BGH NJW 2000, 1158), die vor einem formfreien Sicherungsversprechen zu schützen wäre. Schliesslich wird auch nicht geltend gemacht, dass der Sicherungsvertrag als formnichtige Bürgschaft zu qualifizieren wäre.
Bei einer kumulativen Schuldübernahme verspricht ein Dritter dem Gläubiger, als zusätzlicher Schuldner für die Erfüllung der Verpflichtung solidarisch (Art. 143 ff.
OR) einzustehen. Die vorstehende Auslegung hat ergeben, dass die Beklagte
nicht solidarisch neben der E.
GmbH haftet, sondern bloss subsidiär belangbar ist. Damit ist das Sicherungsversprechen auch nicht als kumulative Schuldübernahme zu qualifizieren.
In Anbetracht des evidenten Eigeninteresses der Beklagten ist das streitgegenständliche Sicherungsgeschäft hinsichtlich des Einstehens für die Restforderung als bürgschaftsähnliche Garantie zu qualifizieren, zumal sich das Sicherungsversprechen auf das Vertragsverhältnis zwischen den Klägerinnen und der E. GmbH bezieht (act. 13/10 S. 1).
Zwischenfazit
Die Vereinbarung vom 18. März 2019 ist hinsichtlich der Sicherstellung der Restforderung als bürgschaftsähnliche Garantie zu qualifizieren.
Furchterregung (Drohung)
Parteivorbringen
Die Beklagte macht geltend, dass die Klägerinnen sie dazu genötigt hätten, die Sicherungsvereinbarung vom 18. März 2019 abzuschliessen (act. 24 N. 26). Um die kurz bevorstehende Eröffnung der Hotelanlage am tt.mm.2019 mit über 200 Gästen nicht zu gefährden, habe sie (die Beklagte) die genannte Vereinbarung sofort unterzeichnen müssen (act. 11 N. 18 f.). Falls das Hotel nicht hätte plangemäss eröffnet werden können, hätte sich der Schaden auf CHF 25'000. pro Tag der Nichteröffnung belaufen (act. 24 N. 41). Zudem hätten die Klägerinnen mit einem Gang an die Presse gedroht (act. 11 N. 93; act. 24 N. 109). K. (Verwaltungsrat der Klägerin 1) habe ihr (der Beklagten) mit E-Mail vom 15. März 2019 eine Frist von lediglich einer Stunde angesetzt, um das unvorteilhafte Angebot zu akzeptieren (act. 11 N. 21). Mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 habe sie (die Beklagte) die Unverbindlichkeit der Vereinbarung vom 18. März 2019 rechtzeitig geltend gemacht (act. 11 N. 95). Sie (die Beklagte) habe zudem ein Strafverfahren gegen die Klägerinnen eingeleitet, das sich zurzeit in Bearbeitung befinde (act. 11 N. 17). Entsprechend sei die Vereinbarung nichtig und entfalte kei- nerlei Rechtswirkungen (act. 11 N. 23).
Die Klägerinnen bestreiten das Vorliegen eines Ungültigkeitsgrundes betreffend die Sicherungsvereinbarung vom 18. März 2019. Die Beklagte sei stets zufrieden mit ihrer Arbeit gewesen. Dies habe sich auch daran gezeigt, dass die Beklagte sechs Kalendertage vor Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung mit ihnen (den Klägerinnen) einen zusätzlichen Werkvertrag diesmal in eigenem Namen und auf eigene Rechnung abgeschlossen habe. Die Probleme betreffend die Zahlungsausstände der E. GmbH seien zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen. Zudem seien die Zusicherungen der Beklagten aus einem wirtschaftlichen Eigeninteresse heraus erfolgt (act. 20 N. 20, N. 57). Nachdem die Abmahnungen gegenüber der E. GmbH wirkungslos geblieben seien, hätten sie (die Klägerinnen) sich sodann zurecht auf ihr Leistungsverweigerungsrecht
i.S.v. Art. 82 OR berufen (act. 20 N. 23 f.). Entsprechend liege kein Ungültigkeitsgrund vor (act. 20 N. 57).
Rechtliches
Ist ein Vertragsschliessender von dem anderen von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich (Art. 29 Abs. 1 OR). Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen an- nehmen muss, dass er eine ihm nahestehende Person an Leib und Leben, Ehre Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei (Art. 30 Abs. 1 OR). Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen (Art. 30 Abs. 2 OR). Die Geltendmachung der einseitigen Unverbindlichkeit des Vertrags muss innert Jahresfrist seit Entdeckung des Willensmangels erfolgen (Art. 31 OR).
Würdigung
Die Beklagte macht geltend, dass die Vereinbarung vom 18. März 2019 unter Einfluss eines Willensmangels, der Furchterregung i.S.v. Art. 29 f. OR, abgeschlossen worden sei. Sie (die Beklagte) sei von den Klägerinnen in ihrem Vermögen bedroht worden.
Furchterregung / Drohung: Es ist unbestritten, dass die E.
GmbH gegen-
über den Klägerinnen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachgekommen ist (vgl. act. 11 N. 27). Die Klägerinnen erklärten daraufhin, die Arbeiten erst wie-
der aufzunehmen, sobald die von der E.
GmbH ausstehenden Zahlungsausstände beglichen seien, und verlangten diesbezüglich von der Beklagten eine Sicherheit (vgl. act. 1 N. 18; act. 11 N. 18). Vor diesem Hintergrund kam die Sicherungsvereinbarung vom 18. März 2019 zustande. Es ist nachvollziehbar, dass die Beklagte die drohende Nichteröffnung der Hotelanlage als (Vermögens)Nachteil sah, und die streitgegenständliche Sicherungsvereinbarung deshalb unterzeichnete. Ob ihre Entschlussfreiheit durch ernsthaftes in Aussichtstellen eines künftigen Übels seitens der Klägerinnen beeinflusst wurde, ist indessen fraglich. Vielmehr bestehen gute Gründe dafür, dass es sich bei der Abgabe des Sicherungsversprechens um eine Erklärung handelte, die sich für die Beklagte im eige- nen Interesse einer guten Geschäftsführung anerboten hat (siehe hierzu sogleich). Im Weiteren liegt auf der Hand, dass die Klägerinnen die mündlichen Zusicherungen der Beklagten in einer schriftlichen Vereinbarung festhalten wollten. Da wie zu zeigen sind wird auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Furchterregung (Art. 29 f. OR) nicht erfüllt sind, muss auf diesen Punkt nicht mehr weiter eingegangen werden.
Begründete Furcht: Die Drohung muss zudem beim Bedrohten eine begründete Furcht hervorrufen. Der Beklagten obliegt diesbezüglich der Beweis. Dem Prozessstoff lässt sich nichts entnehmen, das indizierte, dass sich die Beklagte von einem subjektiven Standpunkt aus betrachtet in einem Zustand der begründeten Furcht befunden haben soll. Vielmehr spricht auch die bereits vorstehend behandelte dokumentierte Entstehungsgeschichte der Sicherungsvereinbarung dafür, dass die Beklagte sich aus eigenem Interesse und eigener Initiative vertraglich binden wollte. So erklärte die Beklagte mit E-Mail vom 15. März 2019
noch vor der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 18. März 2019 , dass sie […] als Eigentümer rechtlich und auch moralisch verpflichtet [sei], sämtliche Unternehmer […] zu bezahlen […]. (act. 3/25). Im gleichen E-Mail liess sie verlauten: Wir sind mit Ihren Leistungen am Bau sehr zufrieden und schätzen diese Zusammenarbeit. (act. 3/25). Diese urkundlich belegten Umstände sprechen gegen das Vorliegen einer begründeten Furcht aus dem subjektiven Standpunkt der Beklagten.
Widerrechtlichkeit: Sodann fehlt es auch an der Widerrechtlichkeit des in Aussicht gestellten Verhaltens. Die Drohung mit der Geltendmachung eines Rechts ist an sich nicht widerrechtlich (Urteil 4A_726/2016 des Bundesgerichts vom 15. Mai 2017, E. 5.2). Es ist unbestritten, dass die E. GmbH gegenüber den Klägerinnen ihren Zahlungspflichten nicht nachgekommen ist. Entsprechend waren die Klägerinnen berechtigt, ihre Arbeitsleistung i.S.v. Art. 82 OR zurückzuhalten. Die Weigerung der Klägerinnen, ihre Arbeitsleistung für die E. GmbH weiterhin zu erbringen, war demzufolge nicht zweckfremd. Die Beklagte wirft den Klägerin- nen sodann pauschal vor, in den Medien eine Verleumdungskampagne gestartet zu haben bzw. mit einer solchen gedroht zu haben (act. 11 N. 89 f., N. 93; act. 24
N. 9). Dies wird von den Klägerinnen bestritten (act. 20 N. 100). Derart rudimentäre Behauptungen sind einem Beweisverfahren nicht zugänglich, weshalb sich Weiterungen erübrigen. Im Übrigen wurde der Beklagten durch den Abschluss der Sicherungsvereinbarung vom 18. März 2019 auch nicht die Einräumung übermässiger Vorteile abgenötigt (Urteil 4A_78/2017 des Bundesgerichts vom 20. Juli 2017, E. 5.2). Zusammenfassend lässt sich keine Widerrechtlichkeit des Verhaltens der Klägerinnen erstellen.
In Anbetracht des Gesagten müssen die weiteren Tatbestandselemente Kausalität, Drohungsabsicht, Verwirkungsfrist nicht mehr geprüft werden.
Zwischenfazit
Dem Abschluss der Sicherungsvereinbarung vom 18. März 2019 liegt kein Willensmangel (Furchterregung, Art. 29 f. OR) zugrunde. Sie ist entsprechend gültig zustande gekommen.
Eintritt des Garantiefalles
Parteivorbringen
Die Klägerinnen machen geltend, dass über die E. GmbH am tt.mm.2018 zum ersten Mal der Konkurs eröffnet, indessen mit Urteil des Obergerichts vom
11. Oktober 2018 wieder aufgehoben worden sei (act. 1 N. 15). Am tt.mm.2019 sei sodann erneut der Konkurs über die E. GmbH eröffnet worden. Dieses Konkursverfahren sei wiederum mit Urteil vom 19. November 2019 mangels Aktiven eingestellt worden (act. 1 N. 26). Mit Urteil vom 7. September 2020 habe der Konkursrichter schliesslich die Wiedereröffnung eines summarischen Verfahrens angeordnet, dessen Abschluss am 4. Dezember 2020 publiziert worden sei (20 N. 38). Der in der Vereinbarung vom 18. März 2019 statuierte Zahlungstermin vom
30. Mai 2019 sei längst verstrichen. Es könne unter diesen Umständen nicht mehr
erwartet werden, dass die E. kommen werde (act. 20 N. 38).
GmbH ihren Zahlungsverpflichtungen nachDie Beklagte macht geltend, dass die Klägerinnen nicht dargetan hätten, was sie aus dem Konkurs der E. GmbH bzw. aus dem Nachkonkurs hätten erhältlich machen können (act. 24 N. 88). Sie (die Beklagte) könne wenn überhaupt erst bei Vorliegen eines allfälligen Verlustscheins belangt werden (act. 1 N. 39). Schliesslich lägen Eigentumsvorbehalte im Wert von CHF 161'075.95 vor, welche nicht doppelt geltend gemacht werden dürften (act. 24 N. 64).
Rechtliches
Wird eine Garantie i.S. von Art. 111 OR ausgestellt, so ist der Garant unbesehen eines allfälligen Streites über den Grundvertrag zur Zahlung verpflichtet, sofern die im Garantieversprechen umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 138 III 241 E. 3.2 S. 244; BGE 131 III 511 E. 4.2 S. 524; BGE 122 III 321 E. 4a S.
322). Die Unabhängigkeit der Garantie findet ihre Grenzen dort, wo sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich beansprucht wird (BGE 131 III 511 E. 4.6).
In Bezug auf den Eintritt des Garantiefalles gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine streng formalisierte Betrachtungsweise, die allein auf den Wort laut der Garantieklausel abstellt. Der Versprechensempfänger muss dem Garanten gegenüber nur diejenigen Voraussetzungen erfüllen, die in der jeweiligen Garantieklausel als Bedingung für das Entstehen der Zahlungspflicht des Garanten festgelegt worden sind (BGE 138 III 241 E. 4.3 S. 244; BGE 122 III 321 E. 4a
S. 322).
Würdigung
Die Klägerin möchte die Garantieleistung in Anspruch nehmen. Sie trägt die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen. Wie gezeigt, sind auf den Teil der Vereinbarung vom 18. März 2019 betreffend die ausstehende Restzahlung die Bestimmungen der (bürgschaftsähnlichen) Garantie anzuwenden. Das Bundesgericht stellt hinsichtlich des Abrufs der Garantiesumme auf eine streng formalisierte Betrachtungsweise ab. Massgeblich ist ausschliesslich der Wortlaut der Garantieklausel. Es liegt in der Verantwortung der Garantin also der Beklagten sämtliche Voraussetzungen für die Auszahlung der Garantiesumme im Vertrag aufzuführen. Der Wortlaut lautet vorliegend […] sofern die E. GmbH ihren Zahlungen nicht mehr nachkommen kann […]. Über die E. GmbH wurde am tt.mm.2018 erstmals der Konkurs eröffnet, indessen im Rechtsmittelverfahren wieder aufgehoben. Am tt.mm.2019 wurde erneut der Konkurs über sie eröffnet; das Konkursverfahren wurde mit Urteil vom 19. November 2019 mangels Aktiven wiederum eingestellt. Der mit Urteil vom 7. September 2020 eröffnete Nachkonkurs wurde sodann am 4. Dezember 2020 abgeschlossen. Dies ist im Grundsatz unbestritten geblieben und ergibt sich auch aus den
Akten (act. 3/1920; act. 3/3134; act. 21/61). Die E.
GmbH leistete denn
auch innert der in der Vereinbarung vom 18. März 2019 statuierten Zahlungsfrist bis 30. Mai 2019 (Abzahlungsplan) keine Zahlungen mehr (act. 3/10 Ziff. 4 S. 2).
Angesichts dieser Sachlage ist erstellt, dass die E.
GmbH spätestens ab
dem tt.mm.2019 (Eröffnung des zweiten Konkurses über die E. GmbH) ihren Zahlungspflichten im Sinne der Vereinbarung vom 18. März 2019 nicht mehr nachkommen konnte. Die Klägerinnen konnten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einer Zahlung seitens der E. GmbH rechnen. Der Wortlaut der Sicherungsvereinbarung statuiert alsdann keine weiteren Bedingungen; namentlich wird die Ausstellung eines definitiven provisorischen Verlustscheins (Art. 149 SchKG bzw. Art. 115 Abs. 2 SchKG) nicht verlangt.
Die Beklagte macht schliesslich pauschal geltend, dass der klägerischen Forderung Eigentumsvorbehalte der Klägerin 2 im Wert von CHF 161'075.95 entgegenstünden (act. 24 N. 64, N. 88; act. 21/66). Ein Eigentumsvorbehalt dient vornehmlich zur Sicherung der Kaufpreisforderung beim Kauf von beweglichen Sachen. Die Beklagte legt mit keinem Wort dar, auf welche beweglichen Sachen sich die Eigentumsvorbehalte der Klägerin 2 beziehen sollen; ein Verweis auf die Beilage act. 21/66 ist diesbezüglich jedenfalls nicht hinreichend. Weitere klärende Ausführungen sind in ihren Rechtsschriften nicht zu finden. Es kann somit nicht beurteilt werden, ob die geltend gemachten Eigentumsvorbehalte mit den dieser Streitigkeit zugrundeliegenden Werkverträgen zwischen den Klägerinnen und der E. GmbH zusammenhängen. Im Übrigen äussert sich auch der Wortlaut der Vereinbarung vom 18. März 2019 nicht zu einem Eigentumsvorbehalt. Allfällige
Eigentumsvorbehalte der Klägerin 2 gegenüber der E.
GmbH stehen der
Abrufung der Garantie im konkreten Fall entsprechend nicht entgegen.
Zusammenfassend sind die Voraussetzungen für die Abrufung der Garantie erfüllt.
Zwischenfazit
Die Klägerinnen haben rechtsgenügend dargetan und nachgewiesen, dass der Garantiefall eingetreten ist.
Quantitativ
Parteivorbringen
Die Klägerinnen machen geltend, dass der E. GmbH ein Gesamtbetrag von CHF 337'976.90 inkl. MWST in Rechnung gestellt worden sei. Die E. GmbH habe davon CHF 49'120.30 und CHF 83'704.45 bezahlt (act. 1 N. 34 ff.). Basierend auf der Vereinbarung vom 18. März 2019 habe die Beklagte ihnen (den Klägerinnen) den Betrag von CHF 107'700. bezahlt (act. 1 N. 36). Die Schlussrech- nung sei am 13. August 2019 von der E. GmbH unterzeichnet worden (act. 1 N. 25). Trotz Mahnung sei nach wie vor die Summe von CHF 97'452.15 inkl. MWST ausstehend (act. 1 N. 33, N. 37).
Die Beklagte bestreitet den Inhalt und die Höhe der von den Klägerinnen ins Recht gereichten Rechnungen. Sie (die Beklagte) habe diese Rechnungen nie
geprüft anerkannt (act. 11 N. 60). Sie (die Beklagte) sei nicht verpflichtet, Doppelzahlungen zu leisten (act. 11 N. 61). Bei der Zahlung von CHF 100'000. handle es sich sodann nicht um eine Anerkennung einer Rechtspflicht; diese sei im Gegenteil rechtsgrundlos erfolgt (act. 11 N. 71, N. 76). Zudem treffe es nicht zu, dass die Klägerinnen ihren vertraglichen Pflichten gegenüber der E. GmbH nachgekommen seien (act. 11 N. 67). Ferner sei das klägerische Werk noch nicht vollendet, weshalb die Forderung nicht fällig sei (act. 11 N. 84). Die Klägerinnen hätten schliesslich ihre Schadensminderungspflicht verletzt, zumal sie nicht dargetan hätten, ob sie eine Konkursdividende erzielt hätten (act. 24 N. 82).
Rechtliches
Der Garant kann dem Versprechensempfänger nur Einreden Einwendungen entgegenhalten, die entweder die Gültigkeit der Garantie als solche betreffen (z.B. Widerrechtlichkeit) sich aus dem Inhalt der Garantie ergeben. Einreden Einwendungen, die unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten entspringen, kann der Garant gegenüber dem Versprechensempfänger nicht erheben (GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, a.a.O., N. 3936; HUGUENIN, a.a.O., N. 1181; siehe das Urteil 4C.150/2006 des Bundesgerichts vom 29. Juni 2006, E. 3.1; BGE 131 III 511 E. 4.2 S. 524 f.). Vorbehalten ist stets der Rechtsmissbrauch (GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, a.a.O., N. 3936).
Würdigung
Ausstehende Restforderung: Gemäss klägerischer Darstellung seien Rechnungen im Umfang von CHF 337'976.90 gestellt worden. Die E. GmbH habe zwei Zahlungen in Höhe von jeweils CHF 49'120.30 und CHF 83'704.45 geleistet. Die Beklagte habe ihrerseits CHF 107'700. bezahlt. Die Klägerinnen machen nun ei- nen ausstehenden Restbetrag in der Höhe von CHF 97'462.15 inkl. MWST geltend (act. 1 N. 33):
Die Rechnungen und Zahlungen gemäss obenstehender Tabelle sind ausgewiesen (act. 3/2830; act. 3745). Zudem visierte der einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführer der E. GmbH die Schlussrechnungen für die Werkverträge am 13. August 2019 (Schlussrechnungen Nr. 103212, Nr. 103215, und Nr. 103216) (act. 3/2830). Die Unterzeichnung der Schlussrechnungen durch die E. GmbH wird von der Beklagten nicht bestritten (act. 11 N. 78; act. 24 N. 80); ob die Beklagte dannzumal selbst die Rechnungen anerkannt hat, ist nicht rechtserheblich (act. 24 N. 86). Es wird nicht geltend gemacht, dass die E. GmbH Einreden und Einwände gegenüber den von der Klägerin 1 gestellten Rechnungen erhoben bzw. Mängel hinsichtlich der verrichteten Arbeiten geltend gemacht hat. Die geltend gemachte Forderung ist auf Basis der tabellarischen Darstellung und Belege auch im Quantitativ nachvollziehbar. Die von der Klägerin 1 erstellten Schlussrechnungen wurden sodann der Beklagten mit E-Mail vom 14. August 2019 unbestrittenermassen zugestellt, mit dem erneuten Ersuchen um Erstellung einer verbindlichen Abzahlungsvereinbarung (act. 1 N. 25; act. 3/27; act. 11 N. 60).
Die Beklagte macht geltend, dass die Klägerinnen ihre Arbeiten nicht vollendet hätten (act. 11 N. 15, N. 84) und die Gewerke mangelhaft gewesen seien (act. 24
N. 30, N. 55, N. 69). Ferner moniert sie in nur schwer nachvollziehbarer Weise
einzelne Positionen der Schlussrechnungen und deren Zusammensetzung (act.
24 N. 93 ff.). Den Inhalt der von den Klägerinnen ins Recht gelegten Rechnungen bestreitet sie im Weiteren pauschal (act. 11 N. 60). Eine nähere Prüfung dieser Vorbringen kann jedoch wie sogleich zu zeigen ist unterbleiben. Die Beklagte kann den Klägerinnen gegenüber nämlich wie eingangs ausgeführt keine Einreden und Einwendungen erheben, die das Rechtsverhältnis zwischen den Klägerinnen und der E. GmbH betreffen. So ist nicht rechtserheblich, ob die Klägerinnen gegenüber der E. GmbH ihre Leistungen mangelhaft erbracht haben (vgl. act. 11 N. 47). Die diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten sind denn auch nicht genügend substantiiert, weshalb eine Beweisabnahme auch aus diesem Grund unterbleiben kann (act. 24 N. 30, N. 55, N. 69). Gleiches gilt für die pauschalen Behauptungen hinsichtlich unvollendeter Arbeiten (Fehlen einer vollständigen TV- und Internet-Installation) (act. 11 N. 15). In diesem Zusammenhang bleibt nachzutragen, dass das Hotel D. am tt.mm.2019 eröffnet wurde und seither unbestrittenermassen in Betrieb ist (act. 20 N. 54; act. 24 N. 55). Auch aus diesem Grund ist die Behauptung, wonach die zentralen Arbeiten der Klägerinnen noch nicht vollendet sein sollen, nicht nachvollziehbar. Zur Behauptung und zum Nachweis der geltend gemachten Garantiesumme ist es statthaft, auf die von der E. GmbH unterzeichneten Schlussrechnungen zu verweisen (act. 3/2830). Eine weitergehende Substantiierung der einzelnen Arbeiten und der damit verknüpften Rechnungen wie von der Beklagten gefordert (act. 11 N. 72; act. 24 N.
23) ist nicht erforderlich.
Die Beklagte macht ferner nicht geltend, dass die E. GmbH mehr Zahlungen geleistet hat als von der Klägerin berücksichtigt (vgl. act. 1 N. 38). Die Behauptungs- und Beweislast für Tilgungen obliegt der Beklagten. Sie beschränkt sich diesbezüglich lediglich auf den pauschalen Einwand, dass es für sie nicht möglich gewesen sei, die exakten Zahlungen der E. GmbH in Erfahrung zu bringen (vgl. act. 11 N. 72). Damit kommt sie ihren prozessualen Obliegenheiten nicht hinreichend nach, weshalb sich Weiterungen erübrigen.
Zusammengefasst erweisen sich sämtliche Einwände bzw. Einreden der Beklagten als nicht rechtserheblich. Eine rechtsmissbräuchliche Abrufung der Garantieleistung seitens der Klägerinnen ist schliesslich weder dargetan noch ersichtlich.
Damit ist das Quantitativ der eingeklagten Forderung rechtsgenügend behauptet und nachgewiesen.
Schadensminderungsobliegenheit: Die Beklagte macht sodann geltend, dass die Klägerinnen ihrer Schadensminderungsobliegenheit nicht nachgekommen seien, da sie nicht dargetan hätten, ob sie eine Konkursdividende erzielt hätten (act. 24
N. 82). Die Klägerinnen entgegnen diesbezüglich, dass die Wiedereröffnung des Konkurses mit Urteil vom 7. September 2020 erforderlich gewesen sei, da Restguthaben der E. GmbH bei ihrer ehemaligen Pensionskasse gefunden wor- den seien. Als Gläubigerinnen einer Drittklasseforderung hätten sie (die Klägerin- nen) indessen keine Konkursdividende erzielen können (act. 20 N. 82). Es obliegt der Beklagten, dazutun sowie nachzuweisen, ob und inwiefern die Klägerinnen ihrer Schadensminderungsobliegenheit nicht nachgekommen sind. Die Beklagte beschränkt sich in dieser Hinsicht auf die Äusserung von vagen Vermutungen. Sie ersucht das Gericht darum, die Konkursakten zu edieren (act. 11 N. 62). Zu- nächst kann auf der Basis eines solchen dünnen Behauptungssubstrats kein Beweisverfahren geführt werden. Sodann ist es nicht Aufgabe des Gerichts, diese Unterlagen beim Konkursamt zu edieren. Vielmehr handelt es sich bei einem Editionsbegehren um einen Beweisantrag. Die Beklagte hätte genau anzugeben, was für Tatsachen sich aus welchen Unterlagen, die sich in den «Konkursakten» befinden, ergeben sollen. Dies ergibt sich aus dem Erfordernis der Beweisverbin- dung (Art. 221 Abs. 1 lit. e ZPO). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts und schon gar nicht der Gegenpartei, sich aus den Akten eines anderen Verfahrens herauszusuchen, was für den Standpunkt der Beklagten sprechen könnte. Insgesamt ist die Beklagte ihren prozessualen Obliegenheiten nicht hinreichend nachgekommen, weshalb sich Weiterungen erübrigen.
Zwischenfazit
Die Klägerinnen konnten rechtsgenügend behaupten und nachweisen, dass sich die Garantiesumme auf CHF 97'462.15 beläuft. Gleichzeitig ist weder dargetan noch nachgewiesen, dass die Klägerinnen ihrer Schadensminderungsobliegenheit nicht nachgekommen sind.
Verzugszins
Parteivorbringen
Die Klägerinnen verweisen auf die noch offenen Schlussrechnungen vom 17. Ja- nuar 2019 (Nr. 103215) und vom 30. Mai 2019 (Nr. 103212; Nr. 103216). Diese seien mit einer zehntägigen Zahlungsfrist versehen gewesen. Diese Fristen seien jeweils am 27. Januar 2019 bzw. am 10. Juni 2019 verstrichen (act. 1 N. 40; act. 3/28-30), weshalb ab diesem Zeitpunkt Verzugszins geschuldet sei.
Die Beklagte macht geltend, dass die Arbeiten der Klägerinnen noch nicht vollen- det seien. Entsprechend seien ihre Forderungen auch noch nicht fällig (act. 11 N. 80, N. 84). Sodann seien die Forderungen gegenüber der E. GmbH nicht rechtsgenügend in Verzug gesetzt (act. 24 N. 29).
Rechtliches
Fälligkeit der Garantieleistung: Tritt der Garantiefall ein, muss der Garant den Schaden des Versprechensempfängers ersetzen. Der Anspruch wird regelmässig sofort fällig, wenn die garantierte Leistung des Dritten zum vereinbarten Zeitpunkt ausbleibt. Eine Inverzugsetzung des Dritten ist vorbehältlich einer entsprechen- den Abrede nicht erforderlich (Urteil 4A_220/2013 des Bundesgerichts vom 30. September 2013, E. 5.2; BGE 131 III 606 E. 4.2.2 S. 613 = Pra 2006 Nr. 80;
HUGUENIN, a.a.O., N. 1179a; PESTALOZZI, in: Basler Kommentar zum Obligationenrecht I. Art. 1529 OR, 7. Aufl., Basel 2020, N. 12 m.w.H.).
Verzug: Ist eine Verbindlichkeit fällig, so wird der Schuldner durch Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt. Wurde für die Erfüllung ein bestimmter Verfalltag verabredet, so kommt der Schuldner schon mit Ablauf dieses Tages in Verzug (Art. 102 Abs. 1 und 2 OR).
Würdigung
Die drei Schlussrechnungen datieren vom 17. Januar 2019 (Nr. 103215) und vom
30. Mai 2019 (Nr. 103212; Nr. 103216). Vorgesehen ist jeweils eine Zahlungsfrist
von zehn Tagen (act. 3/2830). Die Klägerinnen fordern demzufolge Verzugszinsen seit dem 10. Juni 2019 auf den Betrag von CHF 11'756.15 (act. 3/28, Rech- nung Nr. 103212), seit dem 27. Januar 2019 auf den Betrag von CHF 17'481.15 (act. 3/29, Rechnung Nr. 103215) und seit dem 10. Juni 2019 auf den Betrag von CHF 68'214.85 (act. 3/30, Rechnung Nr. 103216) (act. 1 S. 2; act. 1 N. 40).
Die Garantieleistung war vorliegend gemäss Wortlaut der Vereinbarung vom
18. März 2019 ab dem Zeitpunkt fällig, in dem die E. GmbH ihrer Zahlungspflicht nicht mehr nachkommen konnte (act. 3/10 Untertitel S. 1). Wie vorstehend gezeigt, konnten die Klägerinnen spätestens ab dem 26. August 2019 (Eröffnung des Konkurs über die E. GmbH) nicht mehr mit einer Zahlung seitens der
E.
GmbH rechnen (siehe dazu unter Ziff. 2.4.5.3). Entsprechend war die
Garantieleistung ab diesem Zeitpunkt fällig. Die Klägerinnen machen geltend, die Beklagte bereits mit E-Mail vom 1. Juli 2019 und erneut mit E-Mail vom 10. Juli 2019 zur Bezahlung der ausstehenden Forderung aufgefordert zu haben (act. 1
N. 37; act. 3/4647). Die Beklagte bestreitet dieses Tatsachenvorbringen nicht (vgl. act. 11 N. 77). Zwar sind diese Mahnungen vor dem Fälligkeitszeitpunkt erfolgt. Dies schadet indessen nicht, der Gläubiger kann den Schuldner bereits vorsorglich mahnen. In diesem Fall wird die Mahnung auf den Tag der Fälligkeit wirksam (BGE 103 II 102 E. 1a S. 105 f.; HUGUENIN, a.a.O., N: 920 m.w.H.). Damit
ist die Beklagte spätestens ab dem 26. August 2019 in Verzug geraten und es ist ab diesem Zeitpunkt ein Verzugszins von 5% geschuldet.
Verrechnungsforderung
Parteivorbringen
Die Beklagte macht geltend, dass die Klägerin 1 sich an die Presse gewandt habe. Aufgrund dieser Schmutzkampagne habe (sie) die Beklagte einen Reputationsschaden und einen entgangenen Gewinn in der Höhe von CHF 200'000. erlitten (act. 11 N. 89 f.). Zudem habe sie (die Beklagte) CHF 107'700. anstatt der ungültig vereinbarten CHF 100'000. bezahlt (act. 24 N. 114). Entsprechend stellesie (die Beklagte) eine Forderung in der Höhe von insgesamt CHF 207'700. zur Verrechnung.
Die Klägerinnen bestreiten die geltend gemachten Verrechnungsforderungen (act. 20 N. 100 f.).
Rechtliches
Infolge Verrechnung (Art. 120 ff. OR) wird eine fremde Forderung durch das Opfern einer eigenen getilgt. Der Verrechnende muss der Verrechnungsgegnerin durch eine einseitige Gestaltungserklärung (Art. 124 Abs. 1 OR) bekannt geben, dass er die Hauptforderung mit einer Verrechnungsforderung kompensiert (AEPLI, Zürcher Kommentar. Das Erlöschen der Obligationen: Art. 114–126 OR. Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch. Obligationenrecht: 1. und
2. Abteilung [Art. 1–529 OR], Zürich 1991, Vorb. zu Art. 120–126 OR N. 22).
Würdigung
In Anbetracht des vorstehend Gesagten (siehe unter Ziff. 2.4.6) besteht zunächst keine Rechtsgrundlage dafür, die CHF 7'700. (den CHF 100'000. übersteigen- den Betrag) zurückzufordern. Vielmehr bezahlte die Beklagte auch die CHF 7'700. zu Recht an die Klägerinnen. Nachzutragen bleibt, dass es sich beim Betrag von CHF 7'700. wohl um die auf CHF 100'000. entfallende Mehrwertsteuer gehandelt hat.
Was den von der Beklagten geltend gemachten Reputationsverlust und den damit einhergehenden entgangenen Gewinn in Höhe von CHF 200'000. betrifft, so sind diese Schadenspositionen weder substantiiert noch mit Beweisofferten unterlegt (vgl. act. 11 N. 89 f.). Die Verrechnungsforderungen werden von den Klägerinnen hinsichtlich Bestand und Umfang denn auch bestritten (act. 20 N. 100 f.). Mangels rechtsgenügender Behauptungen erübrigt sich eine Beweisabnahme. Die Verrechnungsforderung der Beklagten ist entsprechend abzuweisen.
Fazit
Die Beklagte ist zu verpflichten, den Klägerinnen den Betrag von CHF 97'452.15 nebst Zins zu 5% seit dem 26. August 2019 zu bezahlen. Im Mehrbetrag (Zins) ist
die Klage abzuweisen. Die Beklagte kann mit ihrer Verrechnungsforderung gegenüber den Klägerinnen nicht durchdringen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Gerichtskosten
Beim vorliegenden Streitwert (CHF 97'452.15; vgl. act. 1 N. 3, N. 33) beträgt die ordentliche Gerichtsgebühr rund CHF 8'600. und erweist sich als angemessen (§ 4 GebV OG).
Die Verteilung der Gerichtskosten erfolgt im Grundsatz nach Obsiegen und Unterliegen der Parteien (Art. 106 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 95 Abs. 1 lit. a ZPO). Die Klägerinnen obsiegten abgesehen von dem (hier vernachlässigbaren) minimalen Unterliegen hinsichtlich der Verzugszinse vollumfänglich. Entsprechend sind die Kosten vollumfänglich der Beklagten aufzuerlegen.
Die Kosten sind aus dem von den Klägerinnen geleisteten Kostenvorschuss (CHF 8'600.–) (act. 6) zu decken (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Für die der Beklagten auferlegten Kosten ist den Klägerinnen das Rückgriffsrecht auf die Beklagte einzuräumen (Art. 111 Abs. 2 ZPO).
Parteientschädigungen
Ausgangsgemäss ist die Beklagte zu verpflichten, den Klägerinnen eine Prozessentschädigung zu bezahlen (Art. 106 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 95 Abs. 1 lit. b ZPO).
Vorliegend beträgt die ordentliche Anwaltsgebühr rund CHF 10'700. (§ 4 Anw- GebV OG). Für die Vergleichsverhandlung und die zweite Rechtsschrift ist gestützt auf § 11 Abs. 2 AnwGebV OG ein Zuschlag von 40% zu berechnen. Beide
Klägerinnen wurden von Rechtsanwalt X1.
und /oder Rechtsanwalt
X. vertreten, weshalb nur eine Parteientschädigung anfällt. Folglich ist die Beklagte zu verpflichten, den Klägerinnen eine Parteientschädigung in der Höhe von rund CHF 15'000. zu bezahlen.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägerinnen 1 und 2 CHF 97'452.15 nebst Zins zu 5% seit dem 26. August 2019 zu bezahlen.
Im Mehrbetrag (Zins) wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 8'600..
Die Kosten werden der Beklagten auferlegt und aus dem von den Klägerin- nen 1 und 2 geleisteten Kostenvorschuss bezogen. Für die der Beklagten auferlegten Kosten wird den Klägerinnen das Rückgriffsrecht auf die Beklagte eingeräumt.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägerinnen 1 und 2 eine Parteientschä- digung in Höhe von CHF 15'000. zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 97'452.15.
Zürich, 26. Juli 2022
Handelsgericht des Kantons Zürich
Die Vizepräsidentin:
Dr. Claudia Bühler
Die Gerichtsschreiberin:
Dr. Corina Bötschi
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