Zusammenfassung des Urteils HG180151: Handelsgericht des Kantons Zürich
Die Klägerin und Beschwerdeführerin hat gegen eine Verfügung des Bezirksgerichts Hinwil, Arbeitsgericht, Beschwerde eingelegt, da ihre Privatadresse dem Beklagten bekannt gegeben werden sollte. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde ab, da die Klägerin kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse nachweisen konnte. Die Gerichtskosten von CHF 600 wurden der Klägerin auferlegt. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, und das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wurde ebenfalls abgelehnt. Der Richter ist Dr. L. Hunziker Schnider, und die verlierende Partei ist weiblich.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HG180151 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 07.05.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Anfechtung Generalversammlungsbeschluss |
Schlagwörter : | Beschluss; Beklagten; Parte; Generalversammlung; Statuten; Genossenschaft; Parteien; Anfechtung; Quorum; Gericht; Quorums; Genossenschafter; Handelsgericht; Klage; Klägern; Verfahren; Mitglieder; Quorumsvorschrift; Streitwert; Vergleich; Verletzung; Traktandum; Neuregelung; Frist; Kostenvorschuss; Vorsch; Beschlussfassung; Interessen; Anfechtungsklage |
Rechtsnorm: | Art. 109 ZPO ;Art. 891 OR ;Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 122 III 279; 80 I 385; 92 II 243; |
Kommentar: | -, Zürcher Kommentar Art. OR, Zürich, Art. 46 OR, Z, 2007 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Geschäfts-Nr.: HG180151-O U/ei
Mitwirkend: Oberrichterin Dr. Claudia Bühler, Vizepräsidentin, Oberrichter Prof. Dr. Alexander Brunner, die Handelsrichter Dr. Alexander Müller, Peter Leutenegger und Dr. Felix Graber sowie der Gerichtsschreiber Leonard Suter
Urteil vom 7. Mai 2019
in Sachen
Kläger
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. K.
gegen
Beklagte
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
betreffend Anfechtung Generalversammlungsbeschluss
Rechtsbegehren:
(act. 1)
1.1. Es sei der statutenwidrige Beschluss gemäss Traktandum 6 der L. Generalversammlung vom 12. Juni 2018, betreffend die Neuregelung der Quorumsvorschriften in Art. 6.3 der Statuten, aufzuheben.
1.2. Unter Kostenund Entschädigungsfolge zuzüglich MWST zulasten der Beklagten.
Das Handelsgericht zieht in Erwägung:
1. Am 7. August 2018 (Datum Poststempel) reichten die Kläger hierorts die Klage samt Beilagen ein (act. 1; act. 2/1-3). Mit Verfügung vom 13. August 2018 wurde den Klägern Frist angesetzt, einen Kostenvorschuss von CHF 11'000.zu leisten sowie die Parteibezeichnungen zu ergänzen und die erforderlichen Vollmachten einzureichen (act. 3). Nachdem die Kläger innert Frist den Kostenvorschuss geleistet und die verlangten Verbesserungen vorgenommen hatten, wurde der Beklagten Frist zur Einreichung der Klageantwort angesetzt, welche am
12. November 2018 hierorts einging und in welcher die Beklagte einen Nichteintretensantrag stellte (act. 15). Unter demselben Datum stellte die Beklagte zudem ein Gesuch um Sistierung des Verfahrens bis einstweilen am 30. Juni 2019 (act. 17). Nachdem die Kläger zu diesen Anträgen mit Eingabe vom
10. Dezember 2018 (act. 27) Stellung genommen hatten, wurden der Nichteintretensund der Sistierungsantrag der Beklagten mit Beschluss vom 31. Januar 2019 abgewiesen (act. 33). Alsdann wurden die Parteien zu einer Vergleichsverhandlung auf den 5. April 2019 vorgeladen (act. 37).
Am 1. April 2019 reichte die Beklagte, nunmehr anwaltlich vertreten (vgl. act. 46), per E-Mail einen aussergerichtlichen Vergleich der Parteien vom 1. April 2019 ein, welcher am 4. April 2019 hierorts im Original einging (act. 47). Aufgrunddessen wurde die Ladung zur Verhandlung vom 5. April 2019 abgenommen (act. 44). Der aussergerichtliche Vergleich lautet wie folgt (act. 47):
-4-
ln der Erwägung,dass
die Parteien in einer gerichUidlen Auseinandersetzung betreffend der Abänderung det Stetu len stehen,
die Partelen Obereingekommen sind,die Fragestellung nicht weiter gerichtlich geklllrt zu wis
sen und die Belci!IQie das Augenmerle auf eine :wkllnltlge LOsung der Statuten legen will,
Jle Portelen sieh Obor eine g.emeinsame Kommunikation Ober die streitige Angelegenhe!t ei
nig slnd,
die Parteien sich Ober die Kostenund EntsChädigungsfolgen ein g sind,
voreinbaren dlo Partelen was folgt
Dia Beklagte anetlcennt die Klage zur gerlchUichen Er1edlgung der Angelegenheit.Die IQQge wurde mit folgandam Begehren eingereicht: .Es sei der s/etvtenwldrlgQ 84scii/Uss gemllss Trelc/endum 6b der L Ganerelversammlung vom 12. Juni 2018 betreflfmd die Neu-
rr pelung der Quorums hn'nen in Arl. 6.3 der Statuten aufzuheben·.
2. Oie Beklagte wtrd Im Hinblick auf eine der nachsten Generalversammlungen einen anderen Vorschlag ansteDe dar angefochtenen StaMenbestimmung ausarbeiten.Oie Beklagte kann sich die EinfChrur>g einer sogenannten Urabstimmung vorstellen.
3. Oie Statutenanderung soll in einem genossenschaftlichen Meinumgsbildungsprozess eine nem p: rtfzlf)4tlven Verfahren ,welche$ sbmtliche Mitglieder M pr hen soll, ausgoartollot werden. Das Ziel der Neuregelung der Ouatumsvorschriflen muss dle unter demokra tischen Gesichtspunkten bestmögliche Lösung sein.
4. Die Klögerlinnen sehen in dleSl>m Vorgehen (Meinungsblklungsprozess} und der Möglichkeit
der Urab&t mmung ihre Interessenlagenim We&enUichen benlckaichtigt.
5. Oie Beklagte wtrd Ihre MagWeder Uber denAb$Chluss des gerichtlichen Verfahrens soviOhJ Im Nowalotter als auch auf der Hornepage mh folgender Mlttellungl11formloren:
Die Beklagte ist eine in Zürich domizilierte Genossenschaft, welche bezweckt, ihren Mitgliedern durch Bau, Finanzierung und Kauf preisgünstigen Gewerberaum zu verschaffen, diesen zu unterhalten und dauernd der Spekulation zu entziehen, um selbstverwaltete, sichere und gemeinschaftliche Wohnformen zu
verwirklichen (act. 2/2). Die Kläger sind Genossenschafter der Beklagten (act. 7/4).
Das Handelsgericht ist für die vorliegende Klage örtlich und sachlich zustän- dig (Art. 10 Abs. 1 lit. b sowie Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO i.V.m. § 44 lit. b GOG).
Die Parteien sind in der Vereinbarung vom 1. April 2019 übereingekommen, die streitgegenständliche Fragestellung nicht weiter gerichtlich klären lassen zu wollen (act. 47) und haben telefonisch bestätigt, auf weitere Parteivorträge im vorliegenden Verfahren sowie auf die Durchführung einer Hauptverhandlung zu verzichten (Prot. S. 17). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
6.1. Verstösst ein Beschluss der Generalversammlung gegen das Gesetz die Statuten, kann er gemäss Art. 891 OR von jedem Genossenschafter aufgehoben werden. Davon erfasst sind unter anderem Beschlüsse, welche nicht durch das statutengemässe Organ, nicht in der in den Statuten vorgesehenen Form unter Verletzung der Vorschriften über die Beschlussfassung gefasst worden sind. Zudem muss der Kläger ein Rechtsschutzinteresse dartun, sei es, dass der angefochtene Beschluss Auswirkungen auf seine Rechte hat, sei es, dass die Interessen der Genossenschaft durch die Anfechtung gewahrt werden (BSK OR IIMOLL, 5. Auflage, Basel 2016, Art. 891 N 15).
Die Beantwortung der Frage, ob ein Beschluss nichtig bloss anfechtbar ist, bereitet häufig erhebliche Schwierigkeiten. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Beschlüsse, welche unter Verletzung der Statuten zwingender, aber lediglich privater Interessen bezweckender Vorschriften gefasst werden, lediglich anfechtbar. Nichtigkeit liege demgegenüber vor, wenn der Beschluss unter Verletzung zwingender Bestimmungen über die Beschlussfassung zustande komme (BGE 80 II 271 E 1a; BGE 93 II 30 E. 3f; CHK-MÜLLER/FORNITO,
3. Auflage, Zürich 2016, Art. 891 OR N 11).
6.2 Neben der Verwaltung ist jeder Genossenschafter zur Anfechtung berechtigt, auch derjenige, welcher nicht an der Generalversammlung teilgenommen hat.
Gemäss Art. 891 Abs. 2 OR erlischt das Anfechtungsrecht, wenn die Klage nicht spätestens zwei Monate nach der Beschlussfassung angehoben wird.
An der Generalversammlung vom 12. Juni 2018 wurde eine Änderung der Quorumsvorschrift in Art. 6.3 der Statuten der Beklagten beschlossen (act. 16/7). Besagter Artikel lautete in der Fassung vor dem Beschluss wie folgt (act. 2/1 S. 9):
6.3
Die Art. 1.3 bis 1.7, 6.3, 6.4 und 6.6 können durch einen Beschluss abgeändert aufgehoben werden, dem 4/5 aller Mitglieder zustimmen.
Am 12. Juni 2018 beschloss die Generalversammlung der Beklagten, die genannte Quorumsvorschrift abzuändern und neu unter Art. 6.1 Abs. 2 mit folgendem Wortlaut zu führen (act. 16/7 S. 4 ff.):
6.1
Abs. 2
Eine Abänderung Aufhebung von Art. 1.3 bis 1.7, Art. 6.4 und Art. 6.6 erfordern eine Mehrheit von 4/5 aller abgegebenen Stimmen.
Die Kläger führen aus, an der Generalversammlung vom 12. Juni 2018 hätte nur eine kleine Minderheit von etwa 130 der insgesamt über 4000 Mitglieder der Beklagten teilgenommen. Somit sei die Änderung der Quorumsvorschrift nicht wie in Art. 6.3 der Statuten vorgesehen von 4/5 sämtlicher Genossenschafterinnen und Genossenschafter gefasst worden, weshalb der Beschluss gegen die Statuten der Beklagten verstosse und aufzuheben sei (act. 1 Rz 8 ff.).
Diese Sachdarstellung der Kläger wird von der Beklagten anerkannt. Am 10. April 2019 stellte nunmehr auch die Beklagte den Antrag auf Aufhebung des Beschlusses gemäss Traktandum 6 der Generalversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2018 (vgl. Prot. S. 17). Dies vor dem Hintergrund, dass die Anerkennung einer genossenschaftsrechtlichen Anfechtungsklage nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht zulässig ist und ein fehlerhafter Beschluss nur durch Urteil, nicht aber durch gerichtlichen aussergerichtlichen Vergleich aufgehoben werden kann (BGE 80 I 385 E. 4; vgl. auch BGE 122 III 279; BSK OR II-MOLL, a.a.O., Art. 891 N 28).
Aus den Akten insbesondere dem Protokoll der Generalversammlung vom
12. Juni 2018 (act. 16/7) geht hervor, dass an der Generalversammlung nur 123 Stimmberechtigte der Beklagten teilnahmen und der streitgegenständliche Beschluss mit 106 Jazu 9 Nein-Stimmen gefasst wurde. Mit Blick auf die gesamthaft über 4'000 Mitglieder der Beklagten (act. 1 Rz 8; act. 15 Rz ; act. 16/1 S. 4) ist offensichtlich, dass das Quorum von 4/5 aller Genossenschafter bei der Änderung von Art. 6.3 der Statuten der Beklagten nicht eingehalten wurde. Damit wurde der Beschluss unter Verletzung der Statuten der Beklagten gefasst. Der Beschluss hat zudem klarerweise Einfluss auf die Rechte der Kläger, weshalb ihr Rechtsschutzinteresse gewahrt ist. Auch wurde die Anfechtungsklage innert der zweimonatigen Verwirkungsfrist gemäss Art. 891 Abs. 2 OR, nämlich am
August 2018, erhoben. Den übereinstimmenden Anträgen der Parteien ist daher stattzugeben und der Beschluss gemäss Traktdandum 6 der Generalversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2018 aufzuheben.
Die Höhe der Gerichtsgebühr bestimmt sich nach der Gebührenverordnung des Obergerichts (Art. 96 ZPO i.V.m. § 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach dem tatsächlichen Streitinteresse (§ 2 Abs. 1 lit. a GebV OG). Bei der Anfechtungsklage richtet sich der Streitwert nach dem Gesamtinteresse der beklagten Gesellschaft (BGE 92 II 243 E. 1b). Dieses wurde vom hiesigen Gericht mit Verfügung vom 13. August 2018 und Beschluss vom
31. Januar 2019 (einstweilen) mit CHF 100'000.beziffert (act. 3; act. 33 S. 5), wobei die Kläger den vom Gericht angenommenen Streitwert als durchaus realistisch bezeichneten (act. 6). Es ist daher vorliegend von einem Streitwert von CHF 100'000.auszugehen.
In Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 GebV OG ist - unter Berücksichtigung des Zeitaufwands des Gerichts sowie des Äquivalenzprinzips - die Gerichtsgebühr auf CHF 4'000.festzusetzen und gemäss Ziffer 6 der Parteivereinbarung vom
1. April 2019 der Beklagten aufzuerlegen (Art. 109 Abs. 1 ZPO). Gemäss Ziffer 6 der Vereinbarung hat sich die Beklagte zudem dazu verpflichtet, den Klägern eine Parteientschädigung von gesamthaft CHF 8'000.zzgl. MwSt. zu bezahlen (act. 47). Davon ist vormerk zu nehmen.
Das Handelsgericht erkennt:
Der Beschluss gemäss Traktandum 6 der Generalversammlung der Beklagten vom 12. Juni 2018 betreffend die Neuregelung der Quorumsvorschriften in Art. 6.3 der Statuten der Beklagten wird aufgehoben.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 4'000.-.
Die Kosten werden der Beklagten auferlegt und aus dem von den Klägern geleisteten Kostenvorschuss gedeckt. Den Klägern wird das Rückgriffsrecht auf die Beklagte eingeräumt.
Es wird vorgemerkt, dass sich die Beklagte verpflichtet hat, den Klägern eine Parteientschädigung von CHF 8'000.-- (zuzüglich 7.7% MWST) zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, unter Beilage einer Kopie von Seite 17 des Protokolls.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 100'000.-.
Zürich, 7. Mai 2019
Handelsgericht des Kantons Zürich
Die Vorsitzende:
Dr. Claudia Bühler
Der Gerichtsschreiber:
Leonard Suter
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