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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils HG140117: Handelsgericht des Kantons Zürich

Die Kläger und Beschwerdegegner reichten beim Friedensrichteramt Oberstammheim ein Schlichtungsgesuch für eine Forderungsklage aus ungerechtfertigter Bereicherung ein. Der Beklagte erkannte den Vorwurf an und stimmte zu, den Klägern Fr. 20'000.- zurückzuzahlen. Es wurde vereinbart, dass der Betrag bis zum 15. April 2015 an die Friedensrichterin überwiesen wird. Das Verfahren wurde als durch Vergleich erledigt abgeschrieben, wobei die Prozesskosten vom Beklagten übernommen wurden. Der Beklagte erhob Beschwerde gegen den Entscheid und die Regelung der Gerichtskosten, jedoch wurde auf die Beschwerde nicht eingetreten, da die Revision das einzige zulässige Rechtsmittel war. Die Entscheidgebühr im Beschwerdeverfahren wurde auf Fr. 400.- festgelegt, die dem Beklagten auferlegt wurde.

Urteilsdetails des Kantongerichts HG140117

Kanton:ZH
Fallnummer:HG140117
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HG140117 vom 05.04.2018 (ZH)
Datum:05.04.2018
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 4A_290/2018
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Unfall; Geschwindigkeit; Verschulden; Motorrad; Haftung; Beklagte; Beklagten; Beweis; Genugtuung; Verstorbene; Parteien; Schaden; Recht; Fahrzeug; Verstorbenen; Gutachten; Kollision; Kurve; Stellung; Gericht; Gutachter; Umstände; Selbstverschulden; Halter; Aussage; Fahrfehler
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 107 ZPO ;Art. 183 ZPO ;Art. 236 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 32 SVG ;Art. 41 OR ;Art. 47 OR ;Art. 58 SVG ;Art. 59 SVG ;Art. 59 ZPO ;Art. 6 EMRK ;Art. 6 ZPO ;Art. 62 SVG ;Art. 65 SVG ;Art. 8 ZGB ;Art. 86 ZPO ;Art. 91 ZPO ;
Referenz BGE:132 II 117; 138 I 484;
Kommentar:
-, ZPO, Art. 83; Art. 59 ZPO, 2014

Entscheid des Kantongerichts HG140117

Handelsgericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr.: HG140117-O U/dz

Mitwirkend: Oberrichter Dr. George Daetwyler, Präsident, und Oberrichter Prof.

Dr. Alexander Brunner, Handelsrichterin Nathalie Lang, die Handelsrichter Patrik Howald und Dr. Thomas Lörtscher sowie der Gerichtsschreiber Dr. Benjamin Büchler

Urteil vom 5. April 2018

in Sachen

  1. A. ,

  2. B. ,

  3. C. ,

  4. D. ,

  5. E.

    Kläger

    1, 2, 3, 4, 5 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1.

    1, 2, 3, 4, 5 vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X2.

    gegen

    F. AG,

    Beklagte

    vertreten durch Fürsprecher Y.

    betreffend Forderung

    Rechtsbegehren:

    (act. 1 S. 2)

    1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin 1 für Todesfallund Bestattungskosten den Betrag von Fr. 28'696.80, für den Sachschaden den Betrag von CHF 1'300.-sowie eine angemessene Genugtuung, mindestens jedoch Fr. 65'000.--, alles zuzüglich Schadenszinsen von 5 % seit 9. Juni 2010, zu bezahlen.

    1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, den Klägerin 2 - 5 je eine angemessene Genugtuung, mindestens jedoch je Fr. 35'000.-zuzüglich Schadenszinsen von 5 % seit 9. Juni 2010, zu bezahlen.

    2. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zzgl. MWSt) zulasten der Beklagten.

Sachverhalt und Verfahren
  1. Sachverhaltsübersicht

    1. Parteien und ihre Stellung

      Bei der Klägerin 1 handelt es sich um eine Privatperson. Sie war die Ehefrau des bei einem Motorradunfall tödlich verunglückten G. . Die Kläger 2-5 sind die gemeinsamen Kinder der Klägerin 1 und von G. . Sämtliche Kläger haben ihren Wohnsitz in H. . Bei der Beklagten handelt es sich um eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Zürich.

    2. Prozessgegenstand

      Gegenstand des Verfahrens ist ein Motorradunfall, der sich am tt.mm.2010 auf der Gotthardstrasse Richtung Norden ereignet hat. Dabei ist der Lenker des Motorrads, G. , ums Leben gekommen. Für das Motorrad, ein Mietfahrzeug, bestand bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung.

      Die Kläger stellen sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, dass die Beklagte als Versicherung für ihren Schaden einzustehen habe. Demgegenüber hält die Beklagte fest, dass den verstorbenen Lenker ein schweres Selbstverschulden getroffen haben soll, weshalb ihre Haftung entfalle.

  2. Prozessverlauf

Mit Eingabe vom 30. Juni 2014 (Datum Poststempel) machten die Kläger die vorliegende (Teil-)Klage mit obgenannten Rechtsbegehren beim hiesigen Handelsgericht anhängig (act. 1). Nachdem die Kläger den mit Verfügung vom 2. Juli 2014 einverlangten Kostenvorschuss von CHF 15'000.geleistet haben (act. 4; act. 6), wurde der Beklagten Frist zur Erstattung der Klageantwort angesetzt (act. 9). Die Klageantwort der Beklagten ist am 16. Oktober 2014, innert angesetzter Frist, eingegangen (act. 11). Am 26. Februar 2015 fand eine Vergleichsverhandlung statt, an welcher sämtliche Parteien vertreten waren (Prot. S. 6 ff.). In der Sache fanden die Parteien keine Einigung, kamen aber überein, dass vor Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels eine Oberexpertise eingeholt werden solle. Ihnen wurde daher Frist angesetzt, um dem Gericht Fragen an den Experten sowie Gutachtervorschläge einzureichen (Prot. S. 7 f.).

Mit Eingaben vom 27. März 2015 (Kläger, act. 19) bzw. vom 30. März 2015 (Beklagte, act. 21) legten die Parteien ihre Fragen an den Obergutachter vor. Innert angesetzter Frist (act. 23) hielt die Beklagte sodann fest, keine Einwände gegen den von klägerischer Seite vorgeschlagenen Gutachter Prof. Dr.-Ing. I. zu haben (act. 26). Dieser wurde mit Verfügung vom 13. Mai 2015 zum Oberexperten ernannt (act. 27). Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 erfolgte die schriftliche Instruktion des Experten (act. 35). Den für die Erstellung des Gutachtens einverlangten Kostenvorschuss von CHF 12'000.leisteten die Parteien fristgerecht (act. 37; act. 39/1+2). Auf Begehren des Gutachters (act. 43) wurden sodann die Akten der Kantonspolizei Uri beigezogen (act. 44; act. 46-48). Am 9. Dezember 2015 erstattete der Oberexperte Prof. Dr.-Ing. I. das Gutachten (act. 50).

Nachdem die Parteien mitteilten, dass die Durchführung einer zweiten Vergleichsverhandlung vorerst keinen Sinn ergebe, wurde mit Verfügung vom 6. April 2016 ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet und den Klägern Frist zur Replik angesetzt (act. 55). Die Kläger erstatteten ihre Replik mit Eingabe vom 9. Juni 2016 (act. 57). Innert angesetzter Frist (act. 59) erstattete die Beklagte die Duplik (act. 61). Mit Verfügung vom 4. Oktober 2016 wurde der Klägerin sodann Frist angesetzt um zu den darin enthaltenen Noven Stellung zu nehmen (act. 63). Mit

Eingabe vom 11. November 2016 erging fristgerecht eine entsprechende Stellungnahme der Kläger (act. 66). Diese wurde der Beklagten am 29. November 2016 zugestellt (Prot. S. 23). Weitere Eingaben ergingen nicht. Am 30. Mai 2017 fand eine zweite Vergleichsverhandlung statt, an welcher wiederum sämtliche Parteien vertreten waren. Die Vergleichsgespräche führten zu keiner Einigung (Prot. S. 25 f.).

Mit Verfügung vom 6. Dezember 2017 wurde den Parteien Frist angesetzt, um zu erklären, ob sie - unter Vorbehalt der Durchführung eines Beweisverfahrens auf die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung verzichten (act. 70). Während die Kläger ihren Verzicht mit Eingabe vom 14. Dezember 2017 bekannt gaben (act. 72), verlangte die Beklagte mit Eingabe vom 22. Dezember 2017 die Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung (act. 73). Die Hauptverhandlung fand am 5. April 2018 statt (Prot. S. 30 ff.).

Der Prozess erweist sich als spruchreif, weshalb ein Urteil zu fällen ist (Art. 236 Abs. 1 ZPO). Auf die einzelnen Parteivorbringen sowie auf die Akten ist in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen, soweit sich dies zur Entscheidfindung als notwendig erweist.

Erwägungen
  1. Formelles

    1. Prozessvoraussetzungen

      Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Zürich wurde ausdrücklich anerkannt (act. 11 zu Ziff. 1 und 2) und ist gegeben (Art. 10 Abs. 1 lit. b ZPO; Art. 6 Abs. 2 und 3 ZPO i.V.m. § 44 GOG). Die weiteren Prozessvoraussetzungen (Art. 59 ZPO) sind ebenfalls erfüllt und geben keinen Anlass zu zusätzlichen Ausführungen.

    2. Teilklage

      Die Kläger erheben eine Teilklage (act. 1 Rz. 3). Sie beschränken die Klage auf die Todesfallund Bestattungskosten, den Sachschaden und die Genugtuungsforderungen der Kläger (act. 1 S. 27). Dies ist in Anwendung von Art. 86 ZPO zulässig.

    3. Stellungnahme zu den Dupliknoven

      Mit Eingabe vom 11. November 2016 (act. 66) erstatteten die Kläger eine Stellungnahme zu echten Noven. Sie halten fest, dass sie sich darin mit neuen Argumenten der Beklagten in der Duplik sowie mit den ins Recht gelegten Stel-

      lungnahmen von J.

      und der K.

      AG (fortan: K.

      AG) auseinandersetzten (act. 66 Rz. 6 ff.).

      Die bundesgerichtliche Rechtsprechung gewährt den Parteien gestützt auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 29 BV ein unbedingtes Replikrecht (BGE 138 I 484

      E. 2.1). Dieses umfasst das Recht, zu jeder Eingabe der Gegenpartei unaufgefordert Stellung zu nehmen, unabhängig davon, ob diese neue Tatsachen Behauptungen enthält. Das Replikrecht kann unabhängig von einer Fristansetzung des Gerichts ausgeübt werden. Die Anordnung eines weiteren Schriftenwechsels ist nicht erforderlich (Urteil des Bundesgerichts vom 16. Dezember 2015, 5A_553/2015 E. 4.1.1). Auch steht die Möglichkeit, sich an einer allfälligen Hauptverhandlung zu den Ausführungen der Gegenpartei zu äussern, dem Replikrecht nicht entgegen.

      Die Duplik wurde den Klägern unter gleichzeitiger Ansetzung einer Frist zur Stellungnahme mit Verfügung vom 4. Oktober 2016 zugestellt (act. 63). Fristgerecht erging am 11. November 2017 ihre Stellungnahme (act. 66). Diese ist entsprechend im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen.

  2. Haftung der Beklagten

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      Unbestritten ist, dass G. , geboren am tt. Oktober 1964, am tt.mm.2010 im L. Zürich, M. (Einzelfirma), für einen Tag das Motorrad Buell XB12 Scg Light Low mit der Kontrollschildnummer ZH gemietet hat. Für dieses Motorrad hat der Halter desselben, M. , bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen (act. 1 Ziff. 4.1; act. 11 zu Ziff. 4.1).

      Ebenfalls unbestritten ist, dass es im Verlauf der durch G. in der Folge gemeinsam mit N. unternommenen Motorradtour gleichentags um ca. 13:45 Uhr zu einem Unfall gekommen ist. Dieser ereignete sich in Göschenen auf der Gotthardstrasse Richtung Norden im Gebiet Häderlisbrücke. Dabei geriet G. , der das gemietete Motorrad lenkte, in einer Linkskurve zu weit nach rechts und prallte gegen einen ausserhalb der Fahrbahn liegenden Felskopf. Dies führte dazu, dass G. mit dem Motorrad zu Fall gekommen ist und auf die Gegenfahrbahn geschleudert wurde. Aufgrund der beim Unfall zugezogenen Verletzungen, u.a. einer schweren Schädelverletzung, ist G. noch auf der Unfallstelle verstorben (act. 1 Ziff. 4.1; act. 11 zu Ziff. 4.1).

    2. Darstellung der Parteien

      1. Kläger

        In ihrer Klage führen die Kläger aus, G.

        sei mit angepasster Ge-

        schwindigkeit und ohne Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit un-

        terwegs gewesen. Die Aussage von O. , G.

        habe die Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten, sei in sich widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Ein von der Staatsanwaltschaft Uri eröffnetes Strafverfahren gegen G. sei eingestellt worden und eine vom Universitätsspital Zürich durchgeführte Blutalkoholanalyse negativ ausgefallen. Die Staatsanwaltschaft Uri sei aufgrund der Spurenbilder, der Beschädigungen und der Endlage nicht von einer überhöhten Geschwindigkeit ausgegangen. Sie habe den Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Fahrfehler zurückgeführt. N. , der mit G. unterwegs war, habe ebenfalls bestätigt, dass sie stets mit angemessenen Geschwindigkeiten unterwegs gewesen seien. Schliesslich habe auch das Gutachten des Forensischen Instituts Zürich (fortan: FOR) keinen Hinweis auf eine überhöhte Geschwindigkeit ergeben. Der Unfall sei aufgrund eines einfachen Fehlers eines technischen Defekts geschehen und nicht auf ein grobes Selbstverschulden zurückzuführen (act. 1 Ziff. 4.2 ff.).

        In ihrer Replik halten die Kläger an ihrem Standpunkt fest. Aus dem einge-

        holten Obergutachten ergebe sich, dass G.

        die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h eingehalten habe. Auch halte es fest, dass aus technischer Sicht ein Nachweis, dass er die Kurve zu schnell gefahren sei, nicht möglich sei. Das Gutachten bestätige dabei verschiedentlich die Zahlen des klägerischen Parteigutachtens. Schliesslich könne dem Gutachten entnommen werden, dass die Unfallursache nicht konkret angegeben werden könne, wahrscheinlich komme ein Fahrfehler in Betracht, ein solcher werde aber nicht belegt. Nicht auszuschliessen sei, dass Zufall eine Rolle gespielt habe (act. 57 Rz. 22 ff.). Die gefahrene Geschwindigkeit von G. sei angemessen gewesen. Besondere Umstände, die eine weitere Reduktion der Geschwindigkeit erfordert hätten, würden nicht dargelegt und hätten keine vorgelegen. Ein Fahrfehler könne ebenfalls nicht in genügender Weise bewiesen werden. Eine elementare Sorgfaltspflichtverletzung, wie sie für ein Entfallen der Haftung erforderlich wäre, könne nicht erstellt werden. Wenn von einem Fahrfehler ausgegangen werde, könne dies lediglich als leichte Fahrlässigkeit qualifiziert werden. Zudem gelinge der Beklagten auch der Beweis der einwandfreien Beschaffenheit des Fahrzeugs nicht. Damit entfalle die Haftung der Beklagten nicht, und es gebe auch keine Gründe für eine Haftungsermässigung (act. 57 Rz. 40 ff.). Schliesslich könne ein allfälliger leichter Fahrfehler von G. eine leicht höhere als die angemessene Geschwindigkeit lediglich ein sehr leichtes Selbstverschulden darstellen, welches weit weniger als 10% ausmache. Eine Haftungsermässigung ergebe sich daraus nicht (act. 57 Rz. 50 ff.).

        In ihrer Stellungnahme zur Duplik führen die Kläger aus, dass J. aufgrund dessen Qualifikationen nicht die Stellung eines Experten hinsichtlich der

        Fahrweise von G. zukommen könne. Dessen Stellungnahme beruhe auf einer kürzlich erfolgten Besichtigung und Befahrung des Unfallortes, wobei die Strecke seit dem Unfall verändert worden sei. Sie gehe sodann von diversen umstrittenen Parteibehauptungen aus, welche mit Pauschalaussagen vermischt wür- den. Insgesamt sei die Stellungnahme nicht geeignet, die Oberexpertise zu relativieren (act. 66 Rz. 19 ff.). Inwiefern die ergänzende Stellungnahme der K. AG relevant sei, sei für die Kläger nicht ersichtlich (act. 66 Rz. 27 ff.).

      2. Beklagte

        Die Beklagte bestreitet in ihrer Klageantwort die Darstellung der Kläger. Es

        könne auf die Aussagen von O.

        abgestellt werden, ausserdem seien die

        von den Klägern gezogenen Schlüsse aus den übrigen offerierten Beweismitteln nicht dazu geeignet, eine angepasste Fahrweise und Geschwindigkeit zu belegen (act. 11 zu Ziff. 4.3 ff.). Gestützt auf die Aussage von O. stellt sich die Beklagte auf den Standpunkt, dass G. jedenfalls zu schnell unterwegs gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten der K. AG, welches eine deutlich höhere Kollisionsgeschwindigkeit ausweise als dasjenige des Forensischen Instituts Zürich. Dieses Gutachten berücksichtige auch die Querbeschleunigung, die gerade bei einem ungeübten Motorradfahrer wesentlich sei. Die Beklagte würdige die Fahrfehler als grobfahrlässig. G. habe die Geschwindigkeit nicht den Strassen-, Verkehrsund Sichtverhältnissen angepasst. Er sei mit übersetztem Tempo in die Linkskurve gefahren, so dass er das Motorrad nicht auf der Spur habe halten können und die Herrschaft über das Fahrzeug verloren habe. Dazu komme, dass er als ungeübter Fahrer gelte, dem die örtlichen Verhältnisse unbekannt gewesen seien (act. 11 Ziff. 4.11 ff.).

        Die Beklagte bleibt auch in der Duplik dabei, dass der Motorradunfall auf ein

        grobes Verschulden des verstorbenen G.

        zurückzuführen sei. Das Obergutachten beruhe auf einer rein technischen Beurteilung, weshalb es die Kernfrage, nämlich jene nach dem Fahrverhalten von G. , nicht beantworten könne. Die Beklagte habe durch J. eine eigene Analyse der Gründe für den Unfall erstellen lassen. Dieser halte fest, dass es sich beim Unfallfahrzeug um eine sportlich getrimmte Maschine gehandelt habe, die sportlich ambitionierte Fahrer

        anziehe und zum schnellen, aggressiven Fahren verleite. Bei der Beurteilung des Unfalls sei neben den technischen Aspekten die Erfahrung des Fahrers, die Gruppendynamik und die Wirkung der Umgebung mit einzubeziehen. Dabei hand-

        le es sich gemäss J.

        um eine gefährliche Kurve, die von einem geübten

        Fahrer mit bis zu 70 km/h befahren werden könne; mittlerweile sei auch die signalisierte Höchstgeschwindigkeit an der fraglichen Stelle auf 60 km/h reduziert worden. J. gehe davon aus, dass G. aufgrund der morgendlichen Fahrt über rund 180 km zum Unfallort die eigenen Fahrkünste überschätzt habe. Der Verlauf der Kurvenfahrt sei aufgrund der zu hohen Geschwindigkeit ausser Kontrolle geraten und G. sei von der Ideallinie abgekommen. Er habe wohl bemerkt, dass er zu schnell unterwegs sei und habe abgebremst. Da alleine die technische Analyse keine präzisere Aussage machen könne, sei auch diese praktische Sicht in die Würdigung einzubeziehen (act. 61 Ziff. C.1 ff.). Zu einer Haftungsermässigung macht die Beklagte keine weiteren Ausführungen (act. 61 zu B).

        Im Rahmen ihres ersten Parteivortrages in der Hauptverhandlung hat die Beklagte ergänzend vorgebracht, dass aus der Kollision mit dem Felsblock aus-

        serhalb der Fahrbahn darauf geschlossen werden könne, dass G.

        sein

        Fahrzeug nicht beherrscht habe. Für die Kollision bestehe kein anderer vernünftiger Grund. Dies stelle ein Nichtbeherrschen des Fahrzeuges und damit eine objektive Regelwidrigkeit dar. Daraus könne wiederum auf eine nicht angepasste Geschwindigkeit und entsprechend auf ein schweres Selbstverschulden geschlossen werden (act. 79 S. 6; Prot. S. 31).

    3. Rechtliches

      1. Haftungsgrundlage

        Die Haftung von Haltern von Motorfahrzeugen für Schäden, die auf deren Betrieb zurückzuführen sind, richtet sich nach den Art. 58 ff. SVG. Dabei statuiert Art. 58 Abs. 1 SVG eine Kausalhaftung für Motorfahrzeughalter, wenn der Schaden durch den Betrieb des Fahrzeuges entstanden ist. Halter eines Fahrzeugs ist die Person, in deren Interesse bzw. auf deren Rechnung und Gefahr der Betrieb

        des Motorfahrzeugs erfolgt und die über das Fahrzeug und dessen Benutzer das unmittelbare Verfügungsbzw. Bestimmungsrecht hat (THOMAS PROBST, in: NIGGLI/PROBST/WALDMANN, Basler Kommentar Strassenverkehrsgesetz, Basel 2014, N 225 ff. zu Art. 58 SVG m.w.H.; vgl. auch ROLAND BREHM, Motorfahrzeughaftpflicht, Bern 2008, N 58 ff.). Halter eines gemieteten Motorfahrzeuges ist in aller Regel der Vermieter, da dessen Interesse höher zu gewichten ist, als dasjenige des Mieters an der einmaligen Fahrt (PROBST, a.a.O., N 227 zu Art. 58 SVG; BREHM, a.a.O., N 80 f.).

      2. Haftungsbefreiung und Haftungsreduktion

        Die Haftungsbefreiung nach Art. 59 Abs. 1 SVG setzt voraus, dass der Motorfahrzeughalter einen dreifachen Beweis erbringt. Er muss beweisen, dass der Unfall durch höhere Gewalt grobes Selbstverschulden des Geschädigten grobes Verschulden eines Dritten verursacht worden ist. Weiter hat er zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Schliesslich obliegt ihm auch der Beweis, dass keine fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs zum Unfall beigetragen hat (BREHM, a.a.O., N 398; PROBST, a.a.O., N 9 ff. zu Art. 59 SVG; WALTER

        FELLMANN, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band II, Bern 2013, N 666 ff.). Misslingt einer dieser Beweise haftet der Halter für den Schaden. Liegt seitens des Geschädigten ein Verschulden vor, das eine Mitursache für den Schaden darstellt, führt dies zu einer Haftungsermässigung. Eine Reduktion erfolgt sowohl bei leichtem als auch bei mittlerem Selbstverschulden (PROBST, a.a.O., N 42 ff. zu Art. 59 SVG). Die Ersatzpflicht ist durch das Gericht in Würdigung sämtlicher Umstände festzulegen, wobei als Kriterien die Betriebsgefahr und das Verschulden der Beteiligten im Vordergrund stehen (PROBST, a.a.O., N 45 ff. zu Art. 59 SVG).

        Die Haftungsordnung des SVG beruht auf dem Gedanken, dass die Betriebsgefahr des Motorfahrzeugs für sich allein eine hinreichende Haftungsgrundlage setzt, wenn ihretwegen ein Schaden entsteht. Die Entlastung von der Halterhaftung wegen Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs zufolge höherer Gewalt, groben Verschuldens des Geschädigten eines Dritten erscheint als Ausnahme von der Regel und ist daher grundsätzlich strengen Anforderungen zu unterstellen. Voraussetzung für eine Entlastung im Sinne von Art. 59

        Abs. 1 SVG ist ein Drittverschulden, das so sehr überwiegt, dass die Beteiligung des Halterfahrzeugs, also dessen Betriebsgefahr nicht ins Gewicht fällt und deshalb als adäquate Ursache ausgeschaltet wird (FELLMANN, Band II, a.a.O, N 640 ff. m.w.H.; BREHM, a.a.O., N 425 ff.).

      3. Verschulden

        Der Verschuldensbegriff des SVG entspricht demjenigen von Art. 41 OR (BREHM, a.a.O., N 14 und N 428). Im Strassenverkehr kommt dabei in der Regel nur fahrlässiges Verhalten in Frage, wobei zwischen leichtem, mittlerem und schwerem Verschulden zu unterschieden ist (FELLMANN, Band II, a.a.O., N 512). Grobe Fahrlässigkeit und damit ein schweres Verschulden liegt vor, wenn die elementarsten Vorsichtsgebote missachtet werden. Dabei genügt, wenn der Betroffene das Risiko hätte erkennen müssen (ROLAND BREHM, Berner Kommentar, Obligationenrecht, Die Entstehung durch unerlaubte Handlung, Art. 41-61 OR, 4. Aufl., Bern 2013, N 197a f. zu Art. 41 OR; WALTER FELLMANN/ANDREA KOTTMANN,

        Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I, Bern 2012, N 563). Wird diese Intensität nicht erreicht, so ist abhängig von den konkreten Umständen von einem mittleren leichten Verschulden auszugehen (BREHM, BK, a.a.O., N 198 ff. zu Art. 41 OR; FELDMMANN/KOTTMANN, a.a.O., N 565 f.).

      4. Beweismass

        Der Beweis gilt als erbracht, wenn das Gericht vernünftigerweise und nach objektiven Gesichtspunkten von der Wahrheit der rechtserheblichen Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die Verwirklichung der Tatsache braucht indessen nicht mit Sicherheit festzustehen, sondern es genügt, wenn allfällige Zweifel als unerheblich erscheinen. Nicht ausreichend ist dagegen, wenn bloss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die behauptete Tatsache verwirklicht hat. Ausnahmen von diesem Beweismass, dem sogenannten Regelbeweismass, in denen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ein blosses Glaubhaftmachen als ausreichend betrachtet wird, ergeben sich einerseits aus dem Gesetz selbst und sind andererseits durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet worden (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Juli 2003, 4C.332/2002, E. 3).

        Der Wortlaut der Gesetzesbestimmung von Art. 59 SVG enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der verschiedenen vom Halter zu erbringenden Entlastungsbeweise eine Ausnahme vom Regelbeweismass gelten soll (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Juli 2003, 4C.332/2002, E. 3.1 mit Hinweisen).

        Das Bundesgericht hat zudem festgehalten, dass unter Umständen bei Verkehrsunfällen das in der Lehre teilweise statuierte Beweismass des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen kann (Urteil des Bundesgerichts vom 10. Oktober 2016, 4A_262/2016, E. 4.4.2.2). Vorausgesetzt wird dafür ein nach der allgemeinen Lebenserfahrung gleichförmiger Vorgang Zustand, welcher den Zusammenhang zwischen zwei Tatbestandsmerkmalen stringent aufdrängt. Abweichendes muss ausserhalb jeder vernünftigen Betrachtungsweise liegen, eine bloss überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nicht genügend (HANS PETER WALTER, in: HAUSHEER/WALTER, Berner Kommentar, Einleitung und Personenrecht, Art. 1-9 ZGB, Bern 2012, N 79 ff. zu Art. 8 ZGB; HANS PETER WALTER, Der Anscheinsbeweis im Haftpflichtrecht, in: FUHRER/CHAPPUIS, Haftpflicht- und Versicherungsrecht, Liber amicorum Roland Brehm, Bern 2012, S. 447 ff., S. 452 f.). Wie das Bundesgericht festgehalten hat, wendet der Anscheinsbeweis aber weder die Beweislast, noch bestimmt er das Beweismass. Er verschiebt lediglich das Beweisthema (a.a.O.). Der Anscheinsbeweis kann jedoch lediglich als Ausnahme zur Anwendung kommen, wobei hinsichtlich der Frage der einzig vernünftigen Erklärung ein strenger Massstab anzusetzen ist.

      5. Beweislast

        Wie ausgeführt handelt es sich bei der Haftung des Halters nach Art. 58 SVG um eine strenge Kausalhaftung. Ein eigentlicher Beweis des Unfallhergangs ist demnach nicht erforderlich. Soweit sich die Beklagte auf die Anwendbarkeit von Art. 59 Abs.1 und Abs. 2 SVG beruft, obliegt ihr der Beweis der entsprechenden Voraussetzungen. Dafür hat sie zu beweisen, dass den verstorbenen G. ein Selbstverschulden trifft, sie bzw. den bei ihr versicherten Vermieter kein Verschulden trifft und dass keine fehlerhafte Beschaffenheit des bei ihr versicherten Fahrzeugs den Unfall verursacht hat. Ein Verschulden des Verstorbenen

        hat die Beklagte sodann auch für eine allfällige Haftungsreduktion nach Art. 59 Abs. 2 SVG zu beweisen.

    4. Würdigung

      1. Haftungsgrundlage

        Der Unfallhergang ist im Wesentlichen unbestritten geblieben. Fest steht, dass G. am Morgen des tt.mm.2010 ein Motorrad gemietet hat und in der Folge gemeinsam mit N. eine Motorradtour unternommen hat. Der hier relevante Unfall ereignete sich am tt.mm.2010 um ca. 13:45 Uhr zwischen Andermatt und Göschenen in der Nähe der Häderlinsbrücke. In einer Links-Rechts-

        Kombination ist G.

        zu weit nach rechts gelangt und gegen einen rechts

        ausserhalb der Fahrbahn liegenden Felskopf geprallt. Dabei ist er mit dem Motorrad gestürzt und auf die Gegenfahrbahn gerutscht. G. ist noch auf der Unfallstelle verstorben (act. 1 Rz. 4.1; act. 11 zu Ziff. 4.1; act. 50 S. 4; act. 28 Ziff. 2).

        Der zu beurteilende Todesfall resultiert damit unbestrittenermassen aus dem Betrieb des gefahrenen Motorrads (weitere Fahrzeuge waren nicht beteiligt), womit für die Haftung der Beklagten Art. 58 SVG anwendbar ist.

      2. Grundsätzliche Haftung der Beklagten (Haltereigenschaft)

        Für den Schaden haftet in Anwendung von Art. 58 Abs. 1 SVG in erster Linie der Halter des Motorfahrzeugs. Beim Unfallfahrzeug handelt es sich um das Motorrad Buell XB 12S mit der Kontrollschildnummer ZH (act. 50 S. 4; act. 48/6

        S. 2). Dabei handelt es sich um ein Mietfahrzeug, welches der Verstorbene gleichentags beim L. Zürich, M. , gemietet hat (act. 3/2). M. war der Eigentümer des Fahrzeugs und als Vermieter auch der Halter desselben. Gründe, weshalb von dieser Regel (vorne E. 2.3.1) abzuweichen wäre, bringen die Parteien keine vor. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb gerade vorliegend das Interesse des Mieters am Betrieb des Fahrzeugs höher zu gewichten wäre als dasjenige des Vermieters. Immerhin wurde als Mietdauer gemäss Vertrag nur ein Tag festgelegt (act. 3/2 S. 1). Als Haftpflichtversicherung für das Motorrad (act. 1 Ziff. 4.1; act. 11 zu Ziff. 4.1; act. 48/6 S. 2) hat die Beklagte damit für den Schaden einzustehen (Art. 65 Abs. 1 SVG), soweit sie sich nicht wie erwähnt gestützt auf Art. 59 Abs. 1 SVG von der Haftung befreien kann.

      3. Kein Verschulden des Halters

        Dem Halter, M. , kann für den zu beurteilenden Unfall unbestrittenermassen kein Verschulden vorgeworfen werden. Dies wird auch von keiner Seite vorgebracht.

      4. Keine fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs

        Die Kläger bestreiten den einwandfreien Zustand des Unfallfahrzeugs. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass dies durch die Beklagte zu beweisen wäre, was ihr nicht gelinge (act. 1 Ziff. 4.10; act. 57 Rz. 19 und Rz. 49).

        Die Beklagte verweist zu Recht auf den Rapport der Kantonspolizei Uri (act. 61 zu Ziff. 49a f.). Darin sind keine Mängel am Unfallfahrzeug verzeichnet

        (act. 62/6 S. 2; act. 48/6 S. 3; act. 48/37). Hinzu kommt, dass G.

        bei der

        Miete des Fahrzeugs den einwandfreien Zustand bescheinigt hat (act. 3/2 S. 2). Zudem bringt die Beklagte richtigerweise vor, dass G. vor dem Unfall bereits mehrere Stunden mit demselben Motorrad unterwegs war (act. 61 zu Ziff. 49c). Wenn sich dieses tatsächlich in einem unzulänglichen Zustand befunden hätte, hätte sich dies bereits früher bemerkbar gemacht, was zumindest dem Begleiter, N. , bekannt gewesen wäre.

        Unter diesen Umständen vermag das pauschale Bestreiten der Mängelfreiheit durch die Kläger nicht genügen, um den Beweis der Beklagten zu erschüttern.

      5. Verschulden des Lenkers

        Zentraler Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens ist, ob dem verstorbenen Lenker, G. , ein Verschulden am erlittenen Unfall angelastet werden kann. Für die Beurteilung des relevanten Verhaltens des Lenkers G. steht in erster Linie das gerichtlich angeordnete Obergutachten von Prof. Dr.-Ing. I. zur Verfügung (act. 50). Daneben liegen von beiden Seiten Parteigutachten (act. 3/8;

        act. 12/2; act. 62/5) sowie die Akten der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft Uri (act. 48) vor. Zudem rufen die Parteien verschiedene Zeugen auf, welche die Fahrweise von G. beurteilen sollen.

        Die Beklagte äussert sich zu einem haftungsreduzierenden leichteren Verschulden nicht (act. 61 zu B). Dies schadet der Beklagten nicht. Die Behauptungen hinsichtlich des Verschuldens von G. wurden aufgestellt. Die Beurteilung, ob dieses Verschulden als schwer, mittel leicht einzuordnen ist, stellt eine Rechtsfrage dar und obliegt entsprechend ohnehin dem Gericht. Soweit die Behauptungen zu einem geringeren Verschulden in den Rechtsschriften enthalten sind, sind sie in die Würdigung der Umstände gemäss Art. 59 Abs. 2 SVG mit einzubeziehen.

        1. Kollisionsgeschwindigkeit

          Hinsichtlich der Kollisionsgeschwindigkeit liegen verschiedene Behauptun-

          gen vor. Vorab ist auf das Gutachten von Prof. Dr.-Ing. I.

          zu verweisen.

          Dieser führt nach eingehender Berechnung aus, dass die Kollisionsgeschwindigkeit zwischen 63.5 und 80 km/h betragen habe (act. 50 S. 14 und S. 20). Demgegenüber errechnete das FOR im Auftrag der Kläger eine Kollisionsgeschwindigkeit von 54 bis 64 km/h (act. 3/8 S. 5) und die K. AG im Parteigutachten der Beklagten eine solche von 73 bis 90 km/h (act. 12/2 S. 6). Da es sich bei den Gutachten des FOR und der K. AG um Parteigutachten und damit lediglich um Parteibehauptungen handelt, ist für die Bestimmung der Kollisionsgeschwindigkeit ohne Weiteres das gerichtliche Gutachten beizuziehen. Dieses ist sorgfältig und nachvollziehbar ausgearbeitet worden. Daran vermag auch die Kritik der

          Beklagten, gestützt auf eine Stellungnahme der K.

          AG, nichts ändern

          (act. 61 zu Ziff. 25). Daraus wird einzig ersichtlich, dass der gerichtliche Gutachter teilweise leicht andere Annahmen hinsichtlich der relevanten Geschwindigkeits- änderungen getroffen hat, als die von Seiten der Parteien beauftragten Experten. Dies kann nicht bemängelt werden, zumal anders eine Berechnung gar nicht möglich ist. So besteht keine Möglichkeit, den konkreten Unfall im Rahmen einer Versuchsanordnung exakt gleich nachzustellen, zumal verschiedene Faktoren unbekannt sind. Vielmehr hat ein Experte mit einer Annäherung und damit auch

          mit Annahmen zu arbeiten. Diese werden vom gerichtlich bestellten Gutachter schlüssig und nachvollziehbar erörtert. Alleine, weil diese nicht der Meinung einer Partei entsprechen, sind diese nicht falsch. Vielmehr ist das Gutachten in sich nachvollziehbar begründet, und es ist darauf abzustellen. Daran könnte auch eine Zeugeneinvernahme der Parteigutachter (offeriert in act. 1 Rz. 4.8) nichts ändern, womit auf diese verzichtet werden kann.

          Damit kann eine Kollisionsgeschwindigkeit von zwischen 63.5 und 80 km/h belegt werden. Unter Berücksichtigung der Beweislast zu Gunsten der hier nicht beweisbelasteten Kläger gelingt es der Beklagten nicht, zu beweisen, dass G. mit mehr als 63.5 km/h mit dem Felsblock kollidiert ist; von diesem Wert ist auszugehen.

        2. Gefahrene Geschwindigkeit

          Zutreffend ist, dass das gerichtliche Gutachten keine Aussage zur vor der Kollision gefahrenen Geschwindigkeit machen kann (act. 61 zu Ziff. 24 ff.). Immerhin scheint möglich, dass der Verunfallte, vor der Kollision noch gebremst hat, dies zumindest versucht hat. Diesen Beweis hätte die Beklagte zu erbringen, die eine höhere gefahrene Geschwindigkeit als die nachgewiesene Kollisionsgeschwindigkeit behauptet. Aufgrund der vorgefundenen Situation nach dem Unfall kann ihr dies nicht gelingen. So sind auf der Strasse vor dem Kollisionspunkt keine Bremsspuren ersichtlich. Es gibt auch keine weiteren Hinweise auf ein Bremsen des Verstorbenen. Insbesondere kann dies aus der Aussage von O.

          nicht hergeleitet werden. Dieser sagt zwar aus, dass er denke, G.

          habe

          versucht zu bremsen, dies schliesst er aber alleine daraus, dass der Verstorbene gerade auf die Steingruppe zugefahren sei (act. 3/6 Frage 3). Eine konkrete Aussage dazu konnte er jedoch nicht machen. Auch gab er an, keine Bremsgeräusche gehört zu haben (act. 3/6 Frage 11). Damit kann es der Beklagten aber nicht

          gelingen, zu beweisen, dass G.

          unmittelbar vor der Kollision tatsächlich

          noch gebremst hat und damit auch nicht, dass er schneller unterwegs gewesen wäre, als dies der Gutachter ermittelt hat.

          Als weiteres Beweismittel für die übersetzte Geschwindigkeit nennt die Beklagte die aktenkundige Befragung von O. . Dieser habe angegeben, dass

          G.

          zwischen 100 km/h und 120 km/h unterwegs gewesen sei (act. 11 zu

          Ziff. 4.3 und Ziff. 4.11). Diese Aussage hat O.

          tatsächlich so gemacht

          (act. 48/8 Frage 6). Allerdings basierte seine Antwort auf die Frage, mit welcher Geschwindigkeit G. gefahren sei, auf seinem persönlichen Empfinden und stellt damit einer reine Schätzung dar. Eine eigentliche Messung, die einen verwertbaren Beweis darstellen würde, hat O. nicht vornehmen können. Seine

          Schätzung der Geschwindigkeit von G.

          ist unter Berücksichtigung seiner

          gesamten Aussage zu würdigen. Unbestritten ist, dass G. O. in einer Kurve kurz vor dem Unfall überholt hat. Weiter führt O. aus, dass er nach der Kurve bereits rund 200 m hinter G. zurückgefallen sei (act. 3/6 Frage 3). Im Zeitpunkt der Kollision von G. gibt er seine Distanz mit noch rund 100 m an (act. 3/6 Frage 10). Zwar kann wie auch bei der Geschwindigkeit - nicht unbesehen von den vom Zeugen angegebenen Distanzen ausgegangen werden, allerdings lässt sich aus der Aussage zumindest ableiten, dass der Zeuge zwischen der Kurve und dem Unfall von G. den Abstand zwischen den beiden Motorradfahrern auf rund die Hälfte reduziert hat. Dies bedeutet aber, dass O. nach der Kurve schneller unterwegs war als der Verunfallte, nur so lässt sich diese Verringerung des Abstands erklären. Wird in Betracht gezogen, dass O. schätzt, dass er zwischen 60 km/h und 80 km/h schnell unterwegs gewesen sei (act. 3/6 Frage 5) welche Schätzung einfacher ist und mit dem eigenen Tachometer verglichen werden kann -, lässt sich daraus schliessen, dass der Verunfallte eher im Bereich der vom Gutachter errechneten 63.5 km/h bis 80 km/h unterwegs gewesen ist, als mit den von O. angegebenen 100 km/h bis 120 km/h, auch dann wenn die von O. genannte Beschleunigung berücksichtigt wird. Die genannte Geschwindigkeit hat G. wohl höchstens beim Überholvorgang selbst erreicht, also weit vor dem Unfall. Damit lässt sich auch aus der Aussage von O. kein Beweis für eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit des Verstorbenen herleiten.

        3. Angemessenheit der Geschwindigkeit

          Somit bleibt zu prüfen, ob es sich bei den nachgewiesenen 63.5 km/h um eine angemessene Geschwindigkeit gehandelt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einer übersetzten Geschwindigkeit nicht automatisch ein schweres Verschulden anzunehmen ist. Dies hängt von der Bedeutung der Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung und den gesamten Umständen ab (BREHM, a.a.O., N 452 f.). Gleichzeitig ist alleine das Einhalten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit kein Beweis für eine angemessene Geschwindigkeit. Diese darf nur bei günstigen Verhältnissen ausgefahren werden (ANDREAS ROTH, in: NIGGLI/PROBST/WALDMANN, BSK SVG, a.a.O., N 24 f. zu Art. 32 SVG).

          Die signalisierte Höchstgeschwindigkeit an der Unfallstelle lag im damaligen Zeitpunkt bei 80 km/h. Wie gezeigt, bedeutet dies nicht, dass eine solche Geschwindigkeit auch jederzeit ausgefahren werden kann. Gemäss Polizeirapport hat sich der Unfall um 13:46 Uhr ereignet, also kurz nach dem Mittag. Der Himmel war bewölkt, die Strasse trocken. Geregnet hat es nicht (act. 48/6). Aufgrund dieser Angaben sind die Verhältnisse bei der Unfallfahrt geradezu als optimal zu beurteilen was soweit auch die Beklagte bestätigt (act. 61 zu Ziff. 48). Angesichts der Tageszeit am frühen Nachmittag im Frühsommer, muss von guten Lichtverhältnissen ausgegangen werden. Weiter konnte der Lenker aufgrund des bewölkten Himmels nicht geblendet werden. Schliesslich war die Strasse trocken. Es herrschten damit Bedingungen, die eine Fahrt an der Grenze zur Höchstgeschwindigkeit erlauben würden.

          Zu berücksichtigen ist sodann die im Gutachten von Prof. Dr.-Ing. I. enthaltene Analyse der möglichen Ursachen des Unfalls. Mittels einer Simulationsberechnung konnte der Gutachter eine mögliche Kurvenfahrt darstellen. Zwar führt der Gutachter zu Recht aus, dass damit die Fahrt des Verunfallten nicht bewiesen werden könne, doch lassen sich daraus trotzdem wichtige Erkenntnisse gewinnen. So hat der Gutachter mit der Simulation berechnet, dass bei optimaler Kurvenfahrt auf der Höhe der Unfallstelle ein Tempo von rund 66 km/h möglich gewesen wäre (act. 50 S. 15 ff.). Die von den Klägern behauptete mögliche Geschwindigkeit von 100 km/h (act. 1 Rz. 4.9) ist angesichts des Gutachtens nicht

          nachvollziehbar, selbst wenn dies der als Zeuge angerufene Polizist bestätigen würde. Eine Einvernahme erübrigt sich entsprechend. Auch so lag die nachweislich gefahrene und zu Lasten der Beklagten anzunehmende Geschwindigkeit von

          63.5 km/h unter der an der Unfallstelle möglichen Geschwindigkeit. Somit kann so auch der Gutachter (act. 50 S. 16) - nicht bewiesen werden, dass G. beim Unfall mit einer generell überhöhten und damit nicht angepassten Geschwindigkeit unterwegs gewesen wäre. Dies kann folglich für sich kein Selbstverschulden darstellen.

          Die zum Gegenbeweis offerierte Befragung von N. (act. 1 Rz. 4.7) ist nicht dazu geeignet, eine angemessene Geschwindigkeit zu belegen. Dieser ist

          im Unfallzeitpunkt unbestrittenermassen vor G.

          gefahren und konnte entsprechend nicht sehen, wie und mit welcher Geschwindigkeit dieser gefahren ist. Eine Aussage dazu, wie sich die beiden an jenem Tag allgemein verhalten haben sollen, kann zur Klärung der Unfallursache ohnehin nichts beitragen.

          Aus der Tatsache, dass die signalisierte Höchstgeschwindigkeit später auf

          60 km/h reduziert worden ist, lässt sich nichts zu Lasten von G.

          ableiten.

          Diese Reduktion ist wie dies der gerichtliche Gutachter auch festhält (act. 50

          S. 5 f.) mit baulichen Massnahmen einhergegangen. Hinzu kommt, dass ein Fahrzeuglenker grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die signalisierte Höchstgeschwindigkeit für die entsprechende Strecke angemessen ist. Bei guten Bedingungen kann daher schon deshalb kein schweres Verschulden angenommen werden.

        4. Fahrfehler

          In ihrer Duplik bringt die Beklagte weiter vor, dass aufgrund der technischen

          Analysen von Prof. Dr.-Ing. I.

          und der K.

          AG einzig ein Fahrfehler

          oder allenfalls eine Fehleinschätzung für den Unfall ursächlich sei. Der Unfallhergang könne damit einzig aufgrund praktischer Erfahrung und Analyse vor Ort geklärt werden. Gestützt auf die Stellungnahme von J. geht die Beklagte davon aus, dass G. mit unangemessener Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei, dadurch von der Ideallinie abgekommen sei und im Zuge von Korrekturmanövern die Herrschaft über des Motorrad verloren habe (act. 61 Ziff. C.7). Das daraus resultierende Selbstverschulden wiege derart gravierend, dass es als alleinige Ursache des Unfalls zu gelten habe (act. 61 zu Ziff. 48).

          Zutreffend ist, dass sich in den Akten verschiedentlich Hinweise darauf finden, dass der Unfall wahrscheinlich auf einen Fahrfehler zurückzuführen sei. Auf diesen Standpunkt stellen sich etwa die Staatsanwaltschaft Uri (act. 3/7; act. 48), der gerichtliche Gutachter (act. 50 S. 21), die Beklagte, teilweise unter Bezugnahme auf J. (act. 11 Ziff. 5.2; act. 61, Ziff. C.6a ff.), und nicht zuletzt auch die Kläger zumindest in ihrer Klage (act. 1 Ziff. 4.5 und Ziff. 5.4). Allerdings ergibt sich aus den vorliegenden Akten nicht, welcher Art der potentielle Fehler

          von G.

          gewesen sein soll. Exemplarisch ist dafür auf die Aufzählung des

          Gutachters zu verweisen, der verschiedene typische Unfallursachen im Zusammenhang mit Kurvenfahrten insbesondere auch Fahrfehler aufzählt (act. 50

          S. 15). Bei der Beantwortung der Fragen hält er aber klar fest, dass die konkrete Fahrweise nicht beurteilt werden könne, da sie nicht bekannt sei (act. 50 S. 21). Die erwähnte Aufzählung zeigt aber, dass die verschiedenen möglichen Fehler und weiteren Ursachen, hinsichtlich des Verschuldens deutliche Unterschiede beinhalten. Ohne konkrete Kenntnis der tatsächlich erfolgten Fehler ist eine Beurteilung des Verhaltens auch für das Gericht nicht möglich.

          Daran vermag auch die Stellungnahme von J. nichts zu ändern. Die Beklagte versucht zu suggerieren, dass darin der tatsächliche Vorfall wiedergegeben wird (act. 61 Ziff. C.5 ff.). Dem ist jedoch nicht so. Die Stellungnahme stellt eine reine Parteibehauptung dar. Auch wenn es sich bei J. um einen langjährigen Motorradfahrer, ehemaligen Polizeibeamten und selbständigen Schadenexperten handelt, ist er kein Experte im Sinne von Art. 183 ZPO, zumal er einseitig von der Beklagten beauftragt worden ist. Entsprechend kommt seiner Einschätzung auch keine erhöhte Beweiskraft zu. Bei den Ausführungen von J. handelt es sich einerseits um reine Mutmassungen und andererseits um allgemeine Hinweise. Dieser hat den Verunfallten weder gekannt, noch war er am fraglichen Tag an der Unfallstelle zugegen. Die Ausführungen zum Motorrad und zur Strecke sind zwar naheliegend, doch kann alleine aus der Wahl des Fahrzeugs

          oder der Strecke kein schweres Verschulden hergeleitet werden. Insbesondere darf nicht alleine aufgrund des gemieteten Motorrads auf eine bestimmte Fahrweise geschlossen werden. Auch die Ausführungen zur möglichen Geschwindigkeit in der Kurve vermögen keinen Beweis für ein schweres Selbstverschulden darstellen. Es erscheint zwar nachvollziehbar - und deckt sich soweit auch mit dem Gutachten (act. 50 S. 15 ff.) - dass ein Befahren der Kurve mit bis zu 70 km/h nur für einen geübten Fahrer möglich sein soll (act. 61 Ziff. C.5b). Solange der Verstorbene aber mit einer Geschwindigkeit unterwegs gewesen ist, bei der die Kurve unfallfrei gefahren werden kann, kann ihm kein grobes Verschulden angelastet werden. Ein geringeres Verschulden, aufgrund einer allfälligen Selbst- überschätzung reicht aber nicht aus, um die Beklagte von ihrer Haftung zu befreien. Die übrigen Erkenntnisse von J. zur Unfallfahrt von G. sind reine Vermutungen, welche für sich keinen Beweis des Unfallhergangs darstellen kann.

          Daran könnte auch eine Befragung von J.

          als Zeugen (offeriert in act. 61

          Ziff. C.7) nichts ändern. Bei diesem Ergebnis kann sodann offen gelassen werden

          was die Kläger bestreiten (act. 66 Rz. 19 ff.) ob J. als Experte überhaupt geeignet ist.

          Es kann der Beklagten damit nicht gelingen, anhand eines konkreten Fahrfehlers ein Verschulden von G. zu beweisen, das derart gravierend wäre, dass dadurch ihre Haftung entfallen würde.

        5. Nichtbeherrschen des Fahrzeugs

          Die Beklagte beruft sich sodann auf einen Anscheinsbeweis, welcher durch die Kollision mit dem Felsblock neben der Strasse erbracht sei. Die Kollision kön- ne nur damit erklärt werden, dass der Verstorbene die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren habe, was wiederum vernünftigerweise nur mit einer unangepassten Geschwindigkeit erklärt werden könne. Damit sei der Beweis des Verschuldens erbracht (act. 79 S. 6; Prot. S. 31). Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Zwar ist gerade noch nachvollziehbar, dass aus der Kollision auf einen Kontrollverlust geschlossen werden soll, zumal nicht von einer freiwilligen Kollision ausgegangen werden kann. Selbst dann kann aber nicht daraus gefolgert werden, welche Ursachen diesem Kontrollverlust zu Grunde gelegen haben, zumal

          nicht von einer generell überhöhten Geschwindigkeit ausgegangen werden kann (vgl. vorne E. 2.4.5.3). Die Beklagte versucht dies auch gar nicht, sondern schliesst direkt auf ein schweres Selbstverschulden (act. 79 S. 6). Die vom Gutachter aufgeführten möglichen Fahrfehler für welche er selbst eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 50% angibt, also nicht ausschliesst, dass noch andere Gründe in Frage kommen (act. S. 15 f.) sind aber verschiedenster Art. Abhängig vom konkreten Fehler müsste auch das Verschulden des Verstorbenen anders bewertet werden. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte aus einem anscheinend vorgelegenen Nichtbeherrschen des Motorrads nichts zu ihren Gunsten ableiten kann.

        6. Weitere verschuldensrelevante Umstände

          In die Beurteilung des Verschuldens des verstorbenen G.

          sind auch

          weitere Aspekte, die mit der fraglichen Fahrt in einem Zusammenhang stehen, mit einzubeziehen.

          Im Zentrum steht die Fahrerfahrung des Verstorbenen. Die Beklagte macht geltend, dass dieser als ungeübter Lenker anzusehen sei (act. 11 Ziff. 4.15; act. 61 Ziff. C.4a), während sich die Kläger auf den Standpunkt stellen, er sei seit 1989 im Besitz des entsprechenden Fahrausweises gewesen und habe längere Zeit über ein eigenes Motorrad verfügt (act. 59 Rz. 78). Dass G. bereits seit dem 29. Dezember 1989 über einen Fahrausweis verfügte, ist nicht bestritten und durch die im Recht liegende Kopie seines deutschen Führerscheins (act. 58/76) belegt. Dies kann für die Beurteilung der Fahrerfahrung jedoch nicht entscheidend sein. Vielmehr ist auch die konkrete, insbesondere aktuelle Fahrpraxis zu berücksichtigen, die mehr über die praktische Erfahrung aussagen kann. Hierbei ist auf die Darstellung der Beklagten abzustellen, wonach der Verstorbene in den letzten 10 Jahren vor dem Unfall lediglich drei Mal ein Motorrad gemietet habe (act. 61 Ziff. C.4a). Diese Ausführungen basieren auf einer Aussage der Klägerin 1, die diese kurz nach dem Unfall, im Rahmen einer ersten Besprechung mit der Sachbearbeiterin der Klägerin, P. , gemacht hat und von letzterer so protokolliert wurde (act. 62/7). Auch wenn der Inhalt dieses Protokolls eine Parteibehauptung darstellt, basiert dieser auf der Aussage der Gegenseite und erreicht deshalb eine

          erhöhte Glaubwürdigkeit. Insbesondere machte die Klägerin 1 dieselbe Aussage gegenüber der Kantonspolizei Uri im Rahmen eines Telefongesprächs vom

          14. Juni 2010 (act. 48/1 Ziff. 3; act. 48/6 S. 6). Die Kläger bestreiten denn auch nicht substantiiert, dass G. in den letzten Jahren vor dem Unfall nur höchst selten mit einem Motorrad gefahren sei. Sie verweisen einzig auf das Datum der Erteilung des Fahrausweises und den Besitz eines Motorrades. Konkrete Angaben zur Fahrpraxis etwa zum Zeitraum, in welchem G. Eigentümer eines Motorrads gewesen sein soll machen sie dagegen nicht. Die pauschalen Ausführungen der Kläger können die Darstellung der Beklagten nicht erschüttern. Damit ist nachgewiesen, dass G._ in den zehn Jahren vor dem Unfall lediglich drei Mal mit gemieteten Motorrädern gefahren ist, womit er auch wenn er bereits seit 20 Jahren über den entsprechenden Führerschein verfügte als unerfahrener Fahrer anzusehen ist. Für sich stellt dies allerdings ebenfalls kein Verschulden dar.

          Weiter ist das Unfallfahrzeug zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um ein Mietfahrzeug. Dies alleine zeigt bereits, dass der Fahrer das Fahrzeug nicht besonders gut gekannt haben kann. Er hat es erst an jenem Tag für wenige Stunden gefahren. Beim Motorrad handelt es sich unbestrittenermassen um ein Modell, welches eine hohe Beschleunigung erreichen kann. Auch ergibt sich aus den verfügbaren Angaben, dass es sich um eine relativ starke Maschine handelt, die für sportliches, aggressives Fahren geeignet ist (act. 60 S. 10 Rz. 3; act. 66 Rz. 50). Auch wenn daraus keine Schlüsse auf die Fahrweise des Verstorbenen gezogen werden können, so ist doch festzuhalten, dass er mit der Anmiete eines solchen, ihm unbekannten Motorrads angesichts seiner eigenen Fahrpraxis ein höheres Risiko eingeht als der durchschnittliche Motorradfahrer.

          Schliesslich ist die Fahrweise von G. zu berücksichtigen, die von der Beklagten als Verschuldenselement genannt wird (act. 61 Rz. C.6). Dabei ist zu beachten, dass aus der Tatsache, dass es zu einem tödlichen Unfall gekommen ist, weder auf konkrete Fahrfehler noch auf die allgemeine Fahrweise des Verstorbenen Rückschlüsse gezogen werden können (vgl. auch vorne E. 2.4.5.5.). Eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass bei Selbstunfällen stets ein Verschulden des Betroffenen vermutet werden müsste, was der Konzeption der Haftungsnormen von Art. 58 f. SVG widerspricht. Vielmehr kann lediglich in Betracht gezogen werden, was nachweislich vorgefallen ist (in diesem Sinne auch FELLMANN, Band II, a.a.O., N 647). Nicht ins Gewicht fallen dürfen demnach die mutmasslichen Fahrfehler, die nicht konkret eruiert werden können. Hingegen ist zu berücksichtigen, dass der Verstorbene in einer Kurve kurz vor dem Unfallort einen anderen Motorradfahrer, O. , überholt hat. Ein Überholmanöver beinhaltet immer gewisse Risiken. Gerade im Verlauf einer wie allgemein bekannt im vorliegenden Fall kurvigen Bergstrecke ist ein Überholen nicht einfach zu bewerkstelligen. Da dieses bedingt, dass schneller gefahren wird als das zu überholende Fahrzeug, ist damit immer ein je nach Geschwindigkeit der beiden Fahrzeuge nicht unerhebliches - Beschleunigen und Verlangsamen erforderlich. Gerade auf einer kurvenreichen Strecke - die ohnehin als anspruchsvoll angesehen werden muss besteht dabei das Risiko, dass die nächste Kurve nicht optimal angefahren werden kann. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass dem Verstorbenen keine besondere Kenntnis der Strecke angerechnet werden kann. Zumindest mit dem Motorrad kann er die Strecke in den letzten Jahren entsprechend seiner Fahrpraxis - nicht in einer Häufigkeit befahren haben, die ein solches Wissen voraussetzen würde.

          Nicht zu beachten sind die von der Beklagten ins Spiel gebrachte Gruppendynamik und die äusseren Eindrücke (act. 61 Ziff. C.4b f.). Die Beklagte macht unter diesen Titeln verschiedene allgemeine Ausführungen, die jedoch nicht geeignet sind, die konkrete Situation darzulegen. Es ergibt sich denn auch nicht schlüssig, was dem Verstorbenen konkret vorgeworfen werden soll.

        7. Gesamtbetrachtung

Wie gezeigt, kann für sich alleine keines dieser oben dargelegten Elemente ein für einen Haftungsausschluss relevantes Verschulden des Verstorbenen nachweisen. Werden die einzelnen Aspekte in einer Gesamtbetrachtung zusammengeführt, ergibt dies jedoch ein anderes Bild. Bei G. handelte es sich um einen Motorradfahrer mit geringer Fahrpraxis. Auch wenn er bereits seit zwei Jahrzehnten über einen Führerschein der entsprechenden Kategorie verfügte, hat

er in den zehn Jahren vor dem Unfall nur vereinzelt ein Motorrad gelenkt. In dieser Situation erscheint bereits heikel, dass er ein Motorrad mit den Spezifikationen des gefahrenen anmietet. Ein Verschulden ist darin jedoch nicht zu sehen. Allerdings wäre G. verpflichtet gewesen, seinen Fahrstil sämtlichen Umstän- den anzupassen. Konkret wäre beim Befahren einer anspruchsvollen und ihm nicht bekannten Strecke mit einem unbekannten Motorrad zu erwarten gewesen, dass die Geschwindigkeit reduziert und insbesondere die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht ausgefahren wird. Auch wäre es in dieser Situation zu unterlassen, andere Verkehrsteilnehmer zu überholen, wenn nicht eindeutig ersichtlich ist, dass das Überholmanöver ohne Folgen abgeschlossen werden kann. Vorliegend hatte das Überholen zumindest indirekt zur Folge, dass der Verstorbene vor der Unfallstelle mit einem Tempo unterwegs gewesen ist, das gemessen an seiner Fahrpraxis an der oberen Grenze war.

So führt der gerichtliche Gutachter aus, dass ein geübter Fahrer die Stelle mit 66 km/h passieren könne. Bei der Einfahrt der Kurve sei gar eine Geschwindigkeit von 70 km/h möglich (act. 50 S. 15 f.). Auch wenn die konkreten Fähigkeiten von G. nicht mehr eruiert werden können, ist aufgrund der vorgenannten Umstände erstellt, dass er offensichtlich nicht über die Praxiserfahrung verfügte, die für ein solches Tempo am fraglichen Ort erforderlich gewesen wäre. Er wäre gehalten gewesen, vor dieser Kurve sein Tempo - unabhängig vom Überholmanöver so weit zu reduzieren, dass er die Kurvenkombination problemlos befahren kann. Dies hat er nicht gemacht. Darin ist ein Verschulden des Verstorbenen zu erkennen.

Auch in ihrer Gesamtheit vermögen die genannten Elemente jedoch nicht dazu führen, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Betriebsgefahr und dem Schaden unterbrochen würde. Dies würde ein Verschulden erfordern, welches deutlich über das Eingehen erhöhter Risiken und die Verkettung unglücklicher Umstände ausgehen würde. Ein solches kann dem Verstorbenen aber auch in der Kombination der gesamten Umstände nicht vorgeworfen werden.

Das Verschulden des Verstorbenen, insbesondere aufgrund der nicht an seine Fahrpraxis und dem ihm unbekannten Motorrad angepassten Geschwindigkeit und dem Überholen auf der anspruchsvollen, kurvigen Strecke, ist noch als leicht einzustufen. Insbesondere ist ihm zu Gute zu halten, dass er (zumindest soweit dies noch eruiert werden kann) keine generell überhöhte Geschwindigkeit gefahren ist. Dabei darf ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Strecke bei dieser Geschwindigkeit bewältigt werden kann. Es kann dem Verstorbenen demnach nicht vorgeworfen werden, dass er bei wie ausgeführt optimalen Verhältnissen bewusst zu schnell gefahren wäre. Vielmehr hatte er lediglich eine Geschwindigkeit, die hinsichtlich seiner persönlichen Kenntnisse geringfügig zu hoch war. Dies erlaubt lediglich eine geringe Reduktion der Haftung der Beklagten.

Weiter ist in Betracht zu ziehen, dass im vorliegenden Verfahren einzig die Todesfallkosten und die Genugtuung für die hinterbliebene Ehefrau und die Kinder des Verstorbenen im Streit stehen. Dabei handelt es sich um Beträge, die nur einen geringen Anteil am gesamten finanziellen Interesse der Kläger ausmachen (insbesondere im Vergleich zum Versorgerschaden, act. 1 Rz. 12 ff.; vgl. dazu PROBST, a.a.O., N 43 zu Art. 59 SVG), aber aufgrund der Betroffenheit für die Kläger eine grosse Bedeutung haben. Wird auch dies in die Beurteilung mit einbezogen, erscheint eine Reduktion der Haftung der Beklagten aufgrund des Selbstverschuldens des Verstorbenen um 10% angemessen.

2.4.6. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem verstorbenen G. im

Rahmen des erlittenen tödlichen Unfall nur ein geringes Selbstverschulden angelastet werden kann und muss.

Ein grobes Selbstverschulden liegt dabei nicht vor. Die nachweisbare Geschwindigkeit von 63.5 km/h lag sowohl im Rahmen der geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung als auch in einem Bereich, in dem eine unfallfreie Fahrt möglich gewesen wäre. Die weiteren konkreten Umstände und Ursachen der Unfallfahrt können nicht mehr rechtsgenügend nachgewiesen werden. Wie auch das gerichtliche Gutachten ausführt, ist der Unfall wahrscheinlich auf einen Fahrfehler des Verstorbenen zurückzuführen (act. 50 S. 16). Welcher Art dieser Fehler war, lässt

sich heute nicht mehr eruieren. Alleine aufgrund von Mutmassungen und Annahmen kann jedoch kein Beweis über ein grobes Selbstverschulden geführt werden. Die Beklagte kann sich folglich nicht von ihrer Haftung befreien.

Aufgrund des Zusammenspiels zwischen praktischer Fahrerfahrung, Kenntnis von Motorrad und Strecke, Fahrverhalten und Geschwindigkeit ist dem Verstorbenen ein geringes Verschulden anzulasten. Dies hat in Anwendung von Art. 59 Abs. 2 SVG eine Reduktion der Haftung um 10% zur Folge.

2.5. Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass dem verstorbenen G.

ein geringes

Verschulden am erlittenen Unfall vorgeworfen werden muss. Der Beklagten gelingt aber der Beweis eines schweren Verschuldens, welches den Kausalzusammenhang unterbrechen würde, nicht. Das als leicht einzustufende Verschulden rechtfertigt im konkreten Fall eine Reduktion der Haftung der Beklagten um 10%. Die Beklagte hat folglich im Umfang von 90% für den Schaden der Kläger einzustehen.

  1. Höhe

    1. Ausgangslage

      Vorliegend handelt es sich um eine Teilklage, mit welcher die Kläger die Todesfallund Bestattungskosten, Schadenersatz für den Sachschaden und jeweils eine Genugtuung geltend machen.

    2. Todesfallund Bestattungskosten sowie Sachschaden

      Unter dem Titel Todesfallund Bestattungskosten machen die Klägerin 1 Kosten von insgesamt CHF 28'969.80 geltend (act. 1 Rz. 9.2 f.). Die Beklagte hält zwar fest, dass die Höhe einzelner Positionen Fragen aufwerfe, sie die Kosten aber nicht bestreite (act. 11 zu Ziff. 9). Als Sachschaden werden insgesamt CHF 1'300.eingeklagt (act. 1 Rz. 10). Auch diese Positionen werden von der Beklagten nicht bestritten, auch wenn sie eine Haftung dafür in Frage stellt

      (act. 11 zu Ziff. 10). In den zweiten Rechtsschriften haben sich die Parteien zu diesen Positionen nicht mehr geäussert.

      Nachdem die von der Klägerin 1 geltend gemachten Schadenspositionen ausdrücklich nicht bestritten werden, sind diese als anerkannt anzusehen. Auch wenn die Beklagte Fragen nach der Höhe bzw. der grundsätzlichen Ersatzpflicht für einzelne Positionen aufwirft, ist es im Rahmen der Dispositionsmaxime, die vorliegend zur Anwendung kommt, nicht Sache des Gerichts, dies ohne konkrete Bestreitungen zu prüfen. Demnach sind der Klägerin 1 die beiden Beträge im Umfang der festgelegten Haftungsquote von 90% (vorne E. 2.5) zuzusprechen. Dies ergibt für die Todesfallund Bestattungskosten einen Betrag von CHF 26'072.82 (CHF 28'969.80 x 90%) und für den Sachschaden einen Betrag von CHF 1'170.- (CHF 1'300.x 90%).

    3. Genugtuung

      1. Parteistandpunkte

        1. Kläger

          Die Kläger, als Ehefrau (Klägerin 1) bzw. Kinder (Kläger 2-5) des verstorbenen G. , machen einen Anspruch auf eine angemessene Genugtuung geltend. Für die Klägerin 1 liege die Basisgenugtuung bei CHF 30'000.bis CHF 50'000.-. Die Klägerin 1 und G. hätten eine sehr harmonische Ehe geführt. Auch wenn er seinen Wohnsitz anfänglich in Deutschland gehabt habe, habe er häufig im ehelichen Haus in H. gearbeitet. Die Geburt der vier Söhne habe das Familienglück komplettiert. Um mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können, habe er eine neue Stelle in der Schweiz gesucht, welche er ab dem

          1. Juli 2010 hätte antreten wollen. G.

          sei stolz gewesen auf seine Söhne

          und habe zahlreiche Aktivitäten mit der Familie unternommen. Die harmonische Ehe sei durch den Unfall vom tt.mm.2010 abrupt zerstört worden. Die Klägerin 1 sei von einem Tag auf den anderen alleinverantwortlich für die Erziehung gewesen und aufgrund der fehlenden Sozialversicherungsleistungen seien grosse finanzielle Sorgen zur Trauer hinzugekommen. Daher rechtfertige sich die Erhöhung der Basisgenugtuung auf mindestens CHF 65'000.-. Die Basisgenugtuung für die Kläger 2-5 betrage CHF 10'000.bis CHF 30'000.-. G. sei ein Familienmensch gewesen, der mit den Söhnen viel Zeit verbracht habe. Er habe tatkräftig an der Erziehung der Kinder mitwirken wollen. Mit dem Tod hätten die noch kleinen Knaben ihre männliche Bezugsperson verloren. Es rechtfertige sich daher eine Erhöhung der Genugtuung auf mindestens CHF 35'000.pro Kind (act. 1 Rz. 13.1 f.).

          Replicando bringen die Kläger vor, die zahlreichen Liebesbekundungen zwischen der Klägerin 1 und G. seien sinnbildlich für die grosse Liebe, Zuneigung und den gegenseitigen Respekt. Der in der Todesnacht verfasste Brief der Klägerin 1 zeige eindrücklich, wie nahe sich die beiden gestanden hätten. Es sei entsprechend von einer besonderen Intensität der zerstörten ehelichen Beziehung auszugehen. Die Klägerin 1 sei bis heute keine neue Partnerschaft eingegangen. Der plötzliche Tod des Partners habe auch den Verlust des Vaters der gemeinsamen Kinder bedeutet, womit die Klägerin 1 die enorme Belastung der alleinigen Verantwortung für vier Kinder zu tragen habe. Schliesslich sei zu berücksichtigen, dass der Verstorbene der Versorger der Familie gewesen sei, weshalb zur emotionalen Belastung auch wirtschaftliche Verlustängste kämen. Den Klägern 2-5 werde es durch den Unfalltod verwehrt, eine innige Beziehung zu ihrem Vater aufzubauen und mit ihm als Vorbild aufzuwachsen. Gerade für Söhne sei es wichtig, eine Vaterfigur zu haben. Auch kämen sie nicht in den Genuss, den Umgang zwischen ihren Eltern zu erleben, was für ihre Beziehungsfähigkeit förderlich gewesen wäre (act. 57 Rz. 55 f.).

        2. Beklagte

Die Beklagte bestreitet die genannten Basisgenugtuungen im Grundsatz nicht. Hinsichtlich der Klägerin 1 erkenne sie keine Faktoren, die über die einem plötzlichen Ableben des Ehemannes ohnehin innewohnende Tragik hinausgehen würden. Über die Widersprüche hinsichtlich der beruflichen Situation und dem privaten Engagement des Verstorbenen könne nicht hinweggesehen werden. Es sei angesichts des behaupteten Versorgerschadens nicht sehr glaubwürdig, wenn ausgeführt werde, der Verstorbene habe sich überdurchschnittlich viel Zeit für die

Familie genommen. Für die Klägerin 1 halte sie eine Genugtuung von CHF 35'000.für angemessen. Bei der Genugtuung für die Kläger 2-5 sei zu berücksichtigen, dass diese die Beziehung zu ihrem Vater noch nicht derart lange gelebt hätten. Angemessen seien CHF 20'000.pro Kind (act. 11 Ziff. 13.1 f.).

In ihrer Duplik hält die Beklagte an ihrer Darstellung fest und verzichtet aus Pietätsgründen zu weiteren Ausführungen zu den tatsächlichen Grundlagen (act. 61 zu C).

      1. Rechtliches

        Gemäss Art. 47 OR, der nach Art. 62 Abs. 1 SVG auch bei Verkehrsunfällen zur Anwendung kommt (PROBST, a.a.O., N 5 zu Art. 62 SVG), kann das Gericht den Angehörigen des Getöteten unter Würdigung der besonderen Umstände eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Der Zweck der Genugtuungssumme besteht darin, durch eine schadenersatzunabhängige Geldleistung einen gewissen Ausgleich für den erlittenen physischen und/oder seelischen Schmerz zu schaffen (BREHM, BK, a.a.O., N 9 zu Art. 47 OR).

        Bemessungskriterien für Genugtuungsansprüche von Angehörigen sind vor allem der Verwandtschaftsgrad, das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts und das tatsächliche Nähegefühl (HARDY LANDOLT, Zürcher Kommentar, Obligationenrecht, Die Entstehung durch unerlaubte Handlung, Art. 45-49 OR, Zürich 2007, N 426 ff.). Zudem sind bei der Bestimmung des Genugtuungsbetrags etwa die Art und Schwere des Eingriffs sowie die Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit der Angehörigen zu berücksichtigen (LANDOLT, a.a.O., N 448 ff. zu Art. 47 OR m.w.H.). Die Höhe der Summe, die als Abgeltung erlittener Unbill in Frage kommt, lässt sich naturgemäss nicht errechnen, sondern nur abschätzen (BGE 132 II 117 E. 2.2.2.).

        Nach den allgemeinen Regeln von Art. 8 ZGB sind die Kläger für die vorstehenden Bemessungskriterien beweisbelastet.

      2. Würdigung

        1. Klägerin 1

          Unbestritten ist, dass der Klägerin 1 als Ehefrau des verstorbenen G. ein Anspruch auf eine Genugtuung zusteht. Ebenfalls unbestritten und zutreffend ist, dass die Basisgenugtuung für den Verlust des Ehepartners zwischen CHF 30'000.- und CHF 50'000.beträgt (LANDOLT, a.a.O., N 439 ff. zu Art. 47).

          Aus den Ausführungen der Kläger ergibt sich, dass das Ehepaar

          A. G.

          eine sehr harmonische Beziehung gelebt hat. Davon zeugen

          auch die zahlreichen eingereichten Briefe, die zwischen den Ehepartnern ausgetauscht worden sind (act. 58/61-75). Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Ehepaar A. G. vier gemeinsame Kinder hat, welche die Klägerin 1 nach dem Tod des Partners alleine betreuen musste und muss. Die Familie hat zudem ihren Hauptversorger verloren, was sich auch auf die emotionale Belastung auswirkt. Unter Berücksichtigung der genannten Umstände ist die Genugtuung für die Klägerin 1 an der oberen Grenze der Basisgenugtuung festzulegen. Immerhin ergibt sich aus den Ausführungen, dass der Tod von G. für die Klägerin eine überdurchschnittliche Härte darstellt. Elemente welche eine über den üblichen Rahmen hinausgehende Genugtuung rechtfertigen würden, bestehen nicht. Insbesondere stellt der Verlust des Lebenspartner immer eine besonders tragische Situation, dies ist bei den Basisbeträgen bereits berücksichtigt.

          Entsprechend ist die Genugtuung für die Klägerin 1 auf CHF 50'000.festzusetzen. Davon hat die Beklagte wie gezeigt (vorne E. 2.5) - 90% zu leisten. Dies ergibt eine Genugtuung von CHF 45'000.-.

        2. Kläger 2-5

Auch hinsichtlich der Kläger 2-5 ist unbestritten, dass diese für den Verlust des Vaters Anspruch auf eine Genugtuung haben, wobei die Basisgenugtuung zwischen CHF 10'000.bis CHF 30'000.liegt (LANDOLT, a.a.O., N 439 ff. zu Art. 47 OR).

Zu berücksichtigen ist, dass der Verstorbene gemäss - nicht substantiiert bestrittener - Darstellung der Kläger viel Zeit mit seiner Familie verbracht hat. Dabei haben die vier Söhne bereits in jungem Alter ihre männliche Bezugsperson verloren, was Einfluss auf ihre Entwicklung hat. Dass sie angesichts ihres Alters die Beziehung noch nicht derart lange gelebt haben, mag zwar zutreffen, wird aber durch die Tatsache, dass sie gerade keine Möglichkeit haben, diese Beziehung jemals ausbzw. aufzubauen, ausgeglichen. Auch hinsichtlich der Kläger 2- 5 sind allerdings keine Aspekte ersichtlich, die dem vorliegenden Fall eine Tragik geben würden, die über die mit dem Verlust eines Elternteils ohnehin verbundene besondere Tragik ausgehen würde. Ein Überschreiten der Basisgenugtuung ist daher nicht angezeigt. Immerhin rechtfertigt sich aufgrund des Gesagten, die Genugtuung im oberen Bereich der Basisgenugtuung festzulegen.

Zusammenfassend erscheint für die Kläger 2-5 eine Genugtuung von je CHF 25'000.- den gesamten Umstände angemessen. Entsprechend ihrer Haftungsquote von 90% (vgl. vorne E. 2.5) ist die Beklagte zu verpflichten, den Klägern 2-5 eine Genugtuung von je CHF 22'500.zu bezahlen.

    1. Zins

      Die Kläger machen hinsichtlich ihrer Schadenspositionen einen Zins zu 5% seit tt.mm.2010 geltend (act. 1 S. 2). Die Beklagte äussert sich dazu nicht.

      Für den Schadenersatz ist der Zins ab dem Zeitpunkt geschuldet in dem der Schaden eintritt (LANDOLT, a.a.O., N 204 f. vor Art. 45/46 OR). Die Genugtuung ist nach gängiger Rechtsprechung ab dem Tag des schädigenden Ereignisses zu verzinsen (LANDOLT, a.a.O., N 201 vor Art. 47/49 OR, m.w.H.).

      Die Klägerin 1 legt nicht dar, wann ihr die Todesfallund Bestattungskosten angefallen sind. Selbst wenn sich dies aus den eingereichten Beilagen ergeben würde, ist es nicht Aufgabe des Gerichts, die relevanten Daten daraus zusammenzusuchen. Dasselbe gilt für den Selbstbehalt Vollkasko F'. , den die Klägerin 1 unter dem Titel Sachschaden geltend macht. Mangels substantiierter

      Darstellung eines früheren Zinsenlaufs ist der Klägerin 1 für diese Positionen erst ab Einreichung der Klage Zins zuzusprechen.

      Hinsichtlich des Kleiderschadens und des Schadens am Helm fehlt es zwar ebenfalls an einer Darstellung des Eintritts des Schadens. Allerdings ist aus der Begründung unbestritten ersichtlich, dass der Sachschaden durch den Unfall und damit im gleichen Zeitpunkt entstanden ist. Entsprechend ist diese Forderung (90% von CHF 800 = CHF 720.-) ab dem Unfallzeitpunkt zu verzinsen.

      Schliesslich ist für die Genugtuungssummen ein Zins ab dem Unfallzeitpunkt geschuldet. Dies wird von der Beklagten nicht bestritten.

    2. Fazit

Die Beklagte ist im Umfang ihrer Haftungsquote zu verpflichten die Ausgewiesenen Schadenspositionen anteilsmässig zu bezahlen. Dies ergibt für die Todesfallund Bestattungskosten eine Forderung von CHF 26'072.82 nebst Zins zu 5% seit 30. Juni 2014 und für den Sachschaden einen klägerischen Anspruch von CHF 1'170.-, nebst Zins zu 5% auf CHF 720.seit tt.mm.2010 sowie Zins zu 5% auf CHF 450.seit 30. Juni 2014. Zudem steht der Klägerin 1 eine Genugtuung von CHF 45'000.- und den Klägern 2-5 eine solche von je CHF 22'500.zu, jeweils nebst Zins zu 5% seit tt.mm.2010.

  1. Zusammenfassung der Tatund Rechtsfragen

    Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Beurteilung der finanziellen Folgen eines tödlich verlaufenen Motorradunfalls. Dabei handelt es sich um eine Teilklage, die sich auf bestimmte Schadenspositionen beschränkt.

    Unbestritten ist, dass die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Halters des Unfallfahrzeugs nach Art. 58 SVG im Grundsatz für den Schaden der hinterbliebenen Ehefrau (Klägerin 1) und der Kinder (Kläger 2-5) des verstorbenen Motorradlenkers einzustehen hat (E. 2.4.2).

    Die Beklagte macht geltend, gestützt auf Art. 59 Abs. 1 SVG von der Haftung befreit zu sein. Es gelingt ihr allerdings nicht, ein schweres Verschulden des

    Verstorbenen zu beweisen, welches eine Haftung entfallen lassen würde. Dem verstorbenen Lenker kann aber aufgrund sämtlicher Umstände ein leichtes Verschulden vorgeworfen werden, welches gestützt auf Art. 59 Abs. 1 SVG eine Reduktion der Haftung um 10% rechtfertigt (E. 2.4.5).

    Im Quantitativ bestreitet die Klägerin weder die Todesfallund Bestattungskosten noch den Sachschaden. Entsprechend ist sie zur Zahlung von CHF 26'072.82 und von CHF 1'170.zu verpflichten. Die Höhe der jeweils geschuldeten Genugtuungen wurde von der Beklagten bestritten. Unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte sowie der Haftungsquote der Beklagten ist für die Klägerin 1 eine Genugtuung von CHF 45'000.- und für die Kläger 2-5 eine solche von jeweils CHF 22'500.angemessen (E. 3).

    Im genannten Umfang ist die Klage gutzuheissen, im Mehrbetrag ist sie abzuweisen.

  2. Kostenund Entschädigungsfolgen

    1. Streitwert

      Der Streitwert wird durch das Rechtsbegehren bestimmt (Art. 91 Abs. 1 ZPO). Vorliegend beantragen die Kläger insgesamt die Zusprechung von CHF 234'996.80. Dieser Streitwert ist für die Bemessung der Gerichtsgebühr und der Parteientschädigung massgebend.

    2. Gerichtskosten

      Die Gerichtsgebühr für das vorliegende Verfahren ist unter Berücksichtigung des am Streitwert gemessen überdurchschnittlichen Aufwands des Gerichts, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Gutachten und der Durchführung zweier Vergleichsverhandlungen, in Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 GebV OG auf rund 120% der Grundgebühr festzusetzen.

      Weiter wurde für die Beweisführung ein Gutachten in Auftrag gegeben (act. 27; act. 31; act. 35; act. 50). Die dabei entstandenen Kosten (CHF 9'757.50;

      act. 51) sind als Kosten der Beweiserhebung ebenfalls Teil der Gerichtskosten (Art. 95 Abs. 1 lit. c ZPO) und von den Parteien zu tragen.

      Bei der Verteilung der Kosten kommt vorab Art. 106 ZPO zur Anwendung, wonach die Parteien diese nach Obsiegen und Unterliegen zu tragen haben. Allerdings steht es im Ermessen des Gerichts, in besonderen Fällen die Kosten in Anwendung von Art. 107 ZPO nach Ermessen zu verteilen, insbesondere wenn die Klage zwar grundsätzlich, aber nicht in der Höhe der Forderung gutgeheissen wurde und diese Höhe vom gerichtlichen Ermessen abhängig die Bezifferung des Anspruchs schwierig war (Art. 107 Abs. 1 lit. a ZPO). Häufiges Beispiel hierfür ist der Haftpflichtprozess, wenn sowohl die Haftung als auch das Quantitativ umstritten sind.

      Vorliegend stellen die Genugtuungssummen für die verschiedenen Kläger den überwiegender Teil der Klage dar. Hier steht dem Gericht ohnehin ein grosses Ermessen zu. Die Verteilung der Gerichtskosten nach der Haftungsquote drängt sich vorliegend nicht auf.

      Die Beklagte hat den klaren Antrag gestellt, die Klage sei abzuweisen (act. 11 S. 2; act. 61 S. 2), und zwar gänzlich. Sie dringt damit nicht durch. Die Kläger obsiegen damit nicht nur im Grundsatz, sondern mehrheitlich. Das Obsiegen im Grundsatz und beim Quantitativ im überwiegenden Ausmass muss gegenüber der allgemeinen Verteilungsregel als massgebender Korrekturfaktor berücksichtigt werden (HANS SCHMID, in: OBERHAMMER/DOMEJ/HAAS, Kurzkommentar ZPO, 2. Aufl., Basel 2014, N 2 zu Art. 107 ZPO; u.a. Urteile des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 26. Januar 2016, HG120057 E. 9.1 [auch in plädoyer 3/16 S. 58] und vom 23. November 2016, HG060245 E.V.).

      Damit ist die Beklagte als alleine kostenpflichtig zu erklären.

    3. Parteientschädigungen

Die Höhe der Parteientschädigung wird nach der Anwaltsgebührenverordnung vom 8. September 2010 (AnwGebV) festgesetzt. Da sich sämtliche Kläger durch dieselben Rechtsvertreter haben vertreten lassen, ist die Parteientschädigung gesamthaft zu berechnen. Entsprechend obiger Kostenverteilung ist den Klägern eine volle Parteientschädigung zuzusprechen. In Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 sowie von § 11 AnwGebV ist die Parteientschädigung auf CHF 27'000.festzulegen.

Das Handelsgericht erkennt:
  1. a) Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin 1 für Todesfallund Bestattungskosten sowie für Sachschaden CHF 27'242.82 nebst Zins zu 5% auf CHF 720.seit tt.mm.2010 sowie auf CHF 26'522.82 seit 30. Juni 2014 zu bezahlen.

    1. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin 1 eine Genugtuung von CHF 45'000.- nebst Zins zu 5% seit tt.mm.2010 zu bezahlen.

    2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern 2-5 je eine Genugtuung von CHF 22'500.- nebst Zins zu 5% seit tt.mm.2010 zu bezahlen.

    3. Im Mehrbetrag wird die Klage abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 17'000.-.

    Die weiteren Kosten (Gutachten) betragen CHF 9'757.50.

  3. Die Kosten werden der Beklagten auferlegt.

    Die Gerichtsgebühr wird vorab zwar aus dem Kostenvorschuss der Kläger bezogen. Für die der Beklagten auferlegten Kosten wird den Klägern das Rückgriffsrecht auf die Beklagte eingeräumt.

    Die Kosten für die Beweiserhebung werden im Umfang von CHF 6'000.aus dem diesbezüglichen Vorschuss der Beklagten gedeckt und im Umfang von CHF 3'757.50 vorab aus dem dafür geleisteten Vorschuss der Kläger bezogen. Dafür wird den Klägern das Rückgriffsrecht auf die Beklagte eingeräumt.

  4. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern eine Parteientschädigung von CHF 27'000.zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  6. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 234'996.80.

Zürich, 5. April 2018

Handelsgericht des Kantons Zürich

Präsident:

Dr. George Daetwyler

Gerichtsschreiber:

Dr. Benjamin Büchler

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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