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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:HG100052
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HG100052 vom 07.03.2013 (ZH)
Datum:07.03.2013
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Forderung
Schlagwörter : Trading; Holding; Sanierung; Konkurs; Gruppe; Rungen; Verwaltung; Verwaltungsrat; Über; Forderung; Recht; Konzern; Biger; Banken; Klagten; Beklagten; Ausführung; Ausführungen; Gesellschaft; Schuld; Lichen; Wäre; Gläubiger; Recht; Gungen; SchKG; Überschuldung; Hafte; Aktie
Rechtsnorm: Art. 240 KG ; Art. 285 KG ; Art. 286 KG ; Art. 288 KG ; Art. 292 KG ; Art. 331 KG ; Art. 404 ZPO ; Art. 405 ZPO ; Art. 43 OR ; Art. 725 OR ; Art. 740 OR ; Art. 754 OR ; Art. 760 OR ; Art. 8 ZGB ;
Referenz BGE:108 V 188; 116 II 533; 116 II 541; 130 III 213; 132 II 572; 132 III 564; 135 III 276; 135 III 670; 49 III 30; 57 III 142; 76 I 167; 95 III 47; 95 III 83;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Adrian Staehelin;
Entscheid

Handelsgericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr.: HG100052-O

Mitwirkend: die Oberrichter Peter Helm, Präsident, und Dr. George Daetwyler, die Handelsrichter Hans Moser, Ivo Eltschinger und Prof. Dr. Peter Nobel sowie der Gerichtsschreiber Christian Fischbacher

Urteil vom 7. März 2013

in Sachen

  1. Trading AG in Liquidation,

    Klägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X2.

    gegen

  2. ,

Beklagter

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.

betreffend Forderung

Ursprüngliches Rechtsbegehren:

(act. 1 S. 2)

1. Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin CHF 30 Mio. nebst Zins zu 5% seit dem 1. Januar 2002 zu bezahlen.

2. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (inkl. Mehrwertsteuerzusatz) zu Lasten des Beklagten.

In der Replikschrift abgeändertes Rechtsbegehren:

(act. 34 S. 2)

1. Es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin aus Konkursverschleppung einen Schadenersatz von CHF 30 Mio. nebst Zins zu 5% seit dem 1. Januar 2002 zu bezahlen.

  1. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (inkl. Mehrwertsteuerzusatz) zu Lasten des Beklagten.

    Das Gericht zieht in Erwägung:
    1. Sachverhalt

      Die A. Trading AG (nachfolgend: A. Trading), deren Konkursmasse vorliegend klagt, war eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht mit Sitz in , über die mit Konkurserkenntnis des Konkursrichters des Bezirks Baden vom 30. Dezember 2002 der Konkurs eröffnet wurde. Die A. Trading war Teil der A. Gruppe, einer Gruppe von Unternehmen, welche auf dem Gebiet der Bildverarbeitung (Imaging, Photofinishing) tätig und weltweit in über 20 Län- dern mit eigenen Gesellschaften oder Sales Offices präsent war. Der Beklagte war in der Zeit vom 11. Dezember 1998 bis 31. Oktober 2002 resp. 14. November 2002 (der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien umstritten) Verwaltungsrat der A. Trading.

      Die Klägerin erhebt gegen den Beklagten in der Hauptsache den Vorwurf der Konkursverschleppung. Die A. Trading sei bereits am 31. Dezember 2001 sowohl zu Fortführungswie auch zu Liquidationswerten massiv überschuldet

      gewesen. Der Verwaltungsrat habe die Überschuldungsanzeige jedoch erst am

      24. Dezember 2002 beim Konkursrichter eingereicht. Im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 24. Dezember 2002 habe sich die Überschuldung der A. Trading um rund CHF 84 Mio. vergrössert. Im Sinne einer Teilklage fordert die Klägerin nunmehr CHF 30 Mio. nebst Zins vom Beklagten in dessen Funktion als Verwaltungsrat (act. 1 Rz. 7 ff., 15, 61, 63 ff. und 122 ff.; act. 22 Rz. 17 ff. und

      Rz. 157 ff.; act. 34 Rz. 88 ff.; act. 37 Rz. 205).

    2. Prozessuales

1. Prozessverlauf

Die Klägerin reichte die Weisung des Friedensrichteramtes C. vom

5. Februar 2010 samt dazugehöriger Klageschrift am 10. Februar 2010 (Datum Poststempel) hierorts ein (act. 1 und 3). Nach fristgerechter Bezahlung der mit Verfügung vom 17. Februar 2010 (Prot. S. 3) auferlegten Prozesskaution und nach Eingang der Klageantwort vom 30. August 2010 (act. 22) fand am 5. Juli 2011 eine Referentenaudienz und Vergleichsverhandlung statt (Prot. S. 8-10), an der sich die Parteien vorderhand nicht einigen konnten. Die Klägerin stellte aber in Aussicht, dem Gläubigerausschuss den Vergleichsvorschlag des Beklagten zu unterbreiten. Am 5. September 2011 teilte die Klägerin alsdann mit, dass der Gläubigerausschuss den dort gemachten Vergleichsvorschlag des Beklagten abgelehnt habe (act. 32). Das Verfahren wurde deshalb fortgesetzt mit der Replikschrift vom 8. November 2011 (act. 34), der Duplikschrift vom 13. März 2012 (act.

37), der Stellungnahme zur Duplik vom 26. April 2012 (act. 42) und schliesslich einer weiteren Eingabe des Beklagten vom 11. Mai 2012 (act. 45), worin dieser zum vorangegangenen Schreiben der Gegenpartei letztmals Stellung nahm. Auch diese Eingabe wurde von der Klägerin unaufgefordert noch einmal mit Eingabe vom 24. Mai 2012 (act. 47) kommentiert.

Der Prozess ist spruchreif, ohne dass ein Beweisverfahren durchgeführt werden müsste (§ 118 Zivilprozessordnung des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976; ZPO/ZH; siehe dazu nachfolgend Ziffer II.2. der Erwägungen).

  1. Anwendbares Prozessrecht

    Am 1. Januar 2011 ist die eidgenössische Zivilprozessordnung (ZPO) in Kraft getreten. Nach deren Art. 404 Abs. 1 gilt für Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtshängig sind, das bisherige Verfahrensrecht bis zum Abschluss vor der betroffenen Instanz. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem neuen Recht, wobei eine bestehende Zuständigkeit nach dem alten Recht erhalten bleibt (Art. 404 Abs. 2 ZPO). Für das vorliegende Verfahren ist demnach das frühere kantonale Prozessrecht (ZPO/ZH und GVG/ZH) massgebend. Das Rechtsmittel richtet sich hingegen nach dem Recht, das bei der Eröffnung des Entscheides in Kraft ist, mithin nach dem neuen Prozessrecht (Art. 405 Abs. 1 ZPO).

  2. Zuständigkeit

    Gemäss unbestrittener Sachdarstellung einigten sich die Parteien am 3./5. Februar 2010 dahingehend, dass der vorliegende Prozess durch das Handelsgericht des Kantons Zürich behandelt werden soll (Zuständigkeitsvereinbarung; act. 4/C; act. 1 Rz. 5; act. 22 Rz. 3). Darin ist eine Gerichtsstandsvereinbarung sowohl in örtlicher Hinsicht im Sinne von Art. 9 Abs. 1 GestG als auch in sachlicher Hinsicht im Sinne von § 64 Ziff. 1 GVG/ZH zu erkennen. Da kein zwingender Gerichtsstand einer Parteivereinbarung entgegensteht, das zu beurteilende Streitthema eine Handelssache umfasst und der Streitwert für die Begründung der Zuständigkeit des Handelsgerichts ausreicht, erweist sich letzteres als örtlich und sachlich zuständig.

  3. Aktivlegitimation resp. Prozessführungsbefugnis

    1. Parteistandpunkte

      Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung, diese habe den Beschluss des Gläubigerausschusses, mit dem dieser seine Zustimmung zur Klageeinleitung erklärte, nicht eingereicht (act. 22 Rz. 156).

      Die Klägerin hält dagegen, dass die Konkursverwaltung im Aussenverhältnis gestützt auf Art. 240 SchKG von Gesetzes wegen zur Prozessführung befugt sei

      und die Ermächtigung der Konkursverwaltung durch den Gläubigerausschuss zur Führung von Prozessen gemäss Art. 237 Abs. 3 Ziff. 3 SchKG lediglich das interne Verhältnis zwischen den Konkursorganen beschlage. Unabhängig davon habe der Gläubigerausschuss anlässlich der Sitzung vom 27. Oktober 2008 die Konkursverwaltung damit beauftragt, gegen den Beklagten eine Verantwortlichkeitsklage anzustrengen (act. 34 Rz. 343 ff.).

    2. Rechtliches

      Die Ermächtigung zur Führung von Prozessen beschlägt ausschliesslich das interne Verhältnis zwischen den Konkursorganen; im Aussenverhältnis, gegenüber Dritten, gilt die Konkursverwaltung gestützt auf Art. 240 SchKG von Gesetzes wegen als zur Prozessführung befugt und braucht sich nicht durch einen entsprechenden Beschluss des Gläubigerausschusses auszuweisen (THOMAS SPRECHER, Der Gläubigerausschuss im schweizerischen Konkursverfahren und im Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung, Zürich 2003, Rz. 597; in diesem Sinne auch: MARC RUSSENBERGER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, 2. Aufl. 2010, N 13 zu Art. 240; KUKO SchKG-Bürgi,

      Art. 240 N 8). Dabei sind die amtliche und die ausseramtliche Konkursverwaltung einander gleichgestellt (MARC RUSSENBERGER, a.a.O., N 3 zu Art. 241; KUKO SchKG-Bürgi, Art. 241 N 2).

    3. Subsumption

      Der Klarheit halber ist zunächst festzustellen, dass der Beklagte genau genommen nicht die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin behauptet, sondern die Prozessführungsbefugnis (Postulationsfähigkeit) der Konkursverwaltung in Frage stellt (zur Unterscheidung siehe MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, S. 124-143). Nach dem Gesagten steht die Prozessführungsbefugnis der Konkursverwaltung von Gesetzes wegen zu. Dabei ist sie auch befugt, einen Anwalt zu mandatieren (MARC RUSSENBERGER, a.a.O., N 12 zu Art. 240). Ungeachtet dessen hat die Klägerin dargelegt, dass der Gläubigerausschuss die Konkursverwaltung mit Beschluss vom 27. Oktober 2008 zur Prozessführung gegen den Beklagten ermächtigt hat (act. 31). Die Gültigkeit dieses Beschlusses wurde vom Beklagten nicht, zumindest nicht rechtsgenügend bestritten (siehe act. 37 Rz. 526). Die Konkursverwaltung, D. AG, ist folglich zur Prozessführung befugt.

  4. Parteigutachten

Die Parteien haben zur Untermauerung ihrer Standpunkte diverse Rechtsgutachten zu den Akten gegeben: Nach ständiger Rechtsprechung sind Privatgutachten keine Beweismittel, sondern haben nur die Bedeutung von Parteibehauptungen; das Gericht hat sich in gleicher Weise mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie haben kein grösseres Gewicht als die rechtlichen Erörterungen der betreffenden Partei (BGE 135 III 670, E.3.3.1, S. 677, m.w.H.; ZR 70 [1971] Nr. 128 S. 343 ff., S. 348;

FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung,

3. Aufl. 1997, N 4 zu Vorbemerkungen zu § 171 ff.). Dementsprechend sind die erwähnten Parteigutachten wie die Vorbringen der Parteien in ihren Rechtsschriften zu behandeln.

6. Zulassung der Eingabe vom 26. April 2012

Die Klägerin hat sich nach Erhalt der Duplik vom 13. März 2012 auf ihr Recht auf Stellungnahme zu den Noven berufen und reichte innert der ihr mit Verfügung vom 23. März 2012 angesetzten Frist die Stellungnahme vom 26. April 2012 zu den Akten (act. 40; Prot. S. 14; act. 42). Der Beklagte führte dagegen mit Eingabe vom 11. Mai 2012 aus, dass die klägerische Eingabe lediglich ein unzulässiger Versuch sei, ihre unzulänglichen Sachdarstellungen in Klageschrift und Replik nachzubessern. Die Eingabe sei nicht zulässig und damit unbeachtlich (act. 45 Abs. 8).

Die Prozessparteien haben im Hauptverfahren grundsätzlich zwei Parteivorträge zugute (Klage und Replik resp. Klageantwort und Duplik). Mit Tatsachenbehauptungen, Einreden und Bestreitungen, die sie nicht in ihrem letzten Parteivortrag geltend gemacht haben, sind sie - vorbehältlich der Bestimmungen nach § 115 ZPO/ZH - grundsätzlich ausgeschlossen (§ 114 ZPO/ZH). Soweit der Beklagte allerdings duplicando neue Behauptungen aufstellte, ist der Gegenpartei in Erwahrung des rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu bieten, hierzu Stellung zu nehmen.

In act. 42 Rz. 2 ff. nimmt die Klägerin zu den Vorbringen des Beklagten hinsichtlich der finanziellen Situation der A. Trading im Jahr 2002 Stellung. Wie die Klägerin selbst ausführt, ist sie der Ansicht, dass sich die Unrichtigkeit der beklagtischen Behauptungen ohne Weiteres aus ihren früheren Ausführungen ergibt. Wenn dem so ist, brauchen die diesbezüglichen Ausführungen nicht mehr berücksichtigt zu werden. Denn unter diesen Umständen handelt es sich dabei entweder um Wiederholungen oder um nachträgliche Substanziierungen. Beides ist unbeachtlich. Ab Rz. 25 nimmt die Klägerin Stellung zu den Ausführungen des Beklagten im Zusammenhang mit der Anfechtung der Verrechnungsliberierung vom 16. Dezember 2002. Dabei nimmt sie in erster Linie Stellung zu einem vom Beklagten mit der Duplikschrift eingereichten Gutachten von PROF. DR. E. . Der Beklagte macht geltend, es handle sich dabei um ein Gutachten zu einer Rechtsfrage (act. 37 Rz. 15). Rechtsfragen sind vom Gericht frei zu prüfen und zu beantworten. Die Parteien brauchen sich hierzu (abgesehen von wenigen Ausnahmen) nicht vernehmen zu lassen. Es steht ihnen indes jederzeit frei, sich zu Rechtsfragen zu äussern. Soweit die Klägerin in ihrer Eingabe vom 26. April 2012 lediglich zu diesen Rechtsfragen Stellung nimmt, kann ihr dies nicht nachgetragen werden. Soweit sie dabei aber weitere Ausführungen zum Sachverhalt macht, zu denen sie nicht erst durch die Duplikschrift veranlasst wurde, sind ihre diesbezüg- lichen Ausführungen nur bei Erfüllung einer Voraussetzung nach § 115 ZPO/ZH zu hören. Ob dies im Einzelnen der Fall ist, wird nachfolgend zu prüfen sein, soweit die Ausführungen für die Entscheidfindung überhaupt von Bedeutung sind. Selbiges gilt in Zusammenhang mit den Ausführungen zum Gutachten von DR.

F. (act. 42 Rz. 43 ff.). Die Ausführungen der Klägerin zur bundesgerichtlichen Toleranzfrist betreffen schliesslich ebenfalls eine Rechtsfrage und sind im Sinne des Gesagten nicht zu beanstanden.

III. Materielles
  1. Übersicht über die Parteistandpunkte

    1. Klägerin

      Die Klägerin macht geltend, dass die G. AG (nachfolgend: G. ) bereits mit einem Memorandum vom 8. Oktober 2001 eröffnet habe, dass die

      A. Holding AG (nachfolgend: A. Holding) wie einige andere wichtige Tochtergesellschaften [darunter die A. Trading] zu Fortführungswie auch zu Liquidationswerten überschuldet seien. Dieses Memorandum sei dem Beklagten bekannt gewesen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2002 habe sodann der damalige CFO der A. Trading, H. , den Verwaltungsrat auf die Überschuldung hingewiesen und diesen aufgefordert, seine Verantwortung wahrzunehmen, die nötigen Erwägungen zu machen und die erforderlichen Massnahmen zu treffen bzw. deren Umsetzung zu überwachen. Anstatt die Bilanz der A. Trading zu deponieren, habe der Verwaltungsrat die Forderungen gegenüber den überschuldeten Konzerngesellschaften mit der Payout-Methode bewertet und Rangrücktritte der A. Group Inc. und der A. AG eingeholt. Die Wertberichtigungen seien aber ungenügend vorgenommen worden und die Rangrücktritte seien ungültig bzw. unwirksam. Am 16. Dezember 2002 habe die ausserordentliche Generalversammlung der A. Trading das Aktienkapital um CHF 95 Mio. erhöht. Die Aktien seien durch die Alleinaktionärin A. Holding gezeichnet worden. Die Liberierung sei durch Verrechnung mit einer (angesichts der massiven Überschuldung der A. Trading nicht werthaltigen) Darlehensforderung der A. Holding erfolgt. Die Kapitalerhöhung sei später erfolgreich angefochten und damit hinfällig geworden. Die vom Verwaltungsrat am

      24. Dezember 2002 schliesslich deponierte Bilanz habe eine Überschuldung von CHF 134 Mio. zu Fortführungswerten bzw. CHF 188 Mio. zu Veräusserungswerten ausgewiesen (act. 1 Rz. 32 ff.).

      Der Beklagte habe den Konkurs verschleppt, indem er trotz Überschuldung der A. Trading gemäss Abschlussbilanz per Ende 2001 keine Anzeige beim

      Konkursrichter gemacht habe. Ferner habe er in grober Missachtung der Grunds- ätze der ordnungsmässigen Rechnungslegung und der Bewertungsvorschriften auf den per Ende 2001 ausgewiesenen Forderungen auf Lieferungen und Leistungen gegenüber Gruppengesellschaften nicht die notwendigen Wertberichtigungen vorgenommen. Trotz hälftigem Kapitalverlust habe er keine Generalversammlung einberufen und keine Sanierungsmassnahmen beantragt, trotz Bestehens einer begründeten Besorgnis einer Überschuldung nicht bereits im Oktober 2001 bzw. per Ende 2001 auf eine Bilanzierung zu Liquidationswerten umgestellt. Praktisch das gesamte Vermögen habe er bei finanziell angeschlagenen Konzerngesellschaften angelegt, was zur Bildung von Klumpenrisiken geführt habe und einen klaren Verstoss gegen die Pflicht zur sorgfältigen Anlage des Gesellschaftsvermögens darstelle. Durch die Gewährung von ungesicherten Darlehen an Konzerngesellschaften in Form von cross-stream-Finanzierungen habe er schliesslich fast im gesamten Umfang der Aktiven gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstossen (act. 1 Rz. 62 - 67).

      Zu unterscheiden sei zwischen dem durch die Konkursverschleppung verursachten Verspätungsschaden und dem - eventualiter geltend gemachten - durch die Pflichtwidrigkeiten des Beklagten im Zusammenhang mit den hohen Ausständen gegenüber den Schwestergesellschaften verursachten Schaden. Die verspätete Benachrichtigung des Richters habe zu einem Verspätungsschaden von CHF 83.921 Mio. geführt. Bei pflichtgemässem Verhalten im Zusammenhang mit den hohen Ausständen gegenüber den Schwestergesellschaften hätte die Klägerin insbesondere Einstandskosten in der Höhe von CHF 68 Mio. einsparen können (act. 1 Rz. 212 ff., 237 ff.).

    2. Beklagter

      Der Beklagte hält dagegen, dass die Geschäfte der A. Gruppe bis Mitte 2000 sehr erfreulich verlaufen seien. Im zweiten Halbjahr 2000 seien jedoch Qualitätsprobleme bei einem Minilabormodell aufgetreten. Diese Probleme, getrübte wirtschaftliche Aussichten, das Zögern der Kunden beim Wechsel in eine digitale Produktgeneration und der gleichzeitige Rückgang der Nachfrage nach den bisherigen Produkten habe im Jahre 2001 zu starken Umsatzrückgängen geführt.

      Dies habe eine angespannte Liquiditätssituation der A. Gruppe bewirkt. Als Folge habe die Überschuldung gedroht. Aufgrund verschiedener Massnahmen habe sich der Zustand der A. Gruppe bis Ende 2001 stabilisiert und habe man mit Zuversicht in die weitere Zukunft blicken können (act. 22 Rz. 19)

      Als die A. Gruppe 2001 in Schwierigkeiten geraten sei, sei klar gewesen, dass die Gruppe nur überleben würde, wenn es auch für die A. Trading ein Überleben gebe. Auf der anderen Seite sei aber auch klar gewesen, dass die

      A. Trading nur gerettet werden könne, wenn es gelänge, die Gruppe zu retten. Jeder Versuch, die A. Holding bzw. die A. Gruppe zu sanieren, habe damit klarerweise auch die Absicht und Notwendigkeit einer Sanierung und Rettung der A. Trading beinhaltet. Dies habe der Verwaltungsrat der

      A. Trading gewusst. Aufgrund dieser Abhängigkeit der A. Gruppe vom Überleben der A. Trading habe der Verwaltungsrat der A. Trading von einer Sanierung ausgehen dürfen, solange die A. Gruppe Bestand gehabt habe und eine Sanierung möglich gewesen sei (act. 22 Rz. 27 und 31).

      Er - der Beklagte - sei zudem nicht der einzige Verwaltungsrat der A. Trading gewesen. Er habe somit die Bilanz der A. Trading gar nicht deponieren und die behauptete Pflichtverletzung damit auch gar nicht begehen können. Ferner sei er bereits per 31. Oktober 2002 aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden, womit seine Verantwortung ohnehin aufgehört habe. Am 31. Dezember 2001 habe er noch gar nicht gewusst, dass die A. Trading überschuldet gewesen sei. Selbst wenn, hätte die Bilanz der A. Trading nicht deponiert werden dürfen. Der Verwaltungsrat einer überschuldeten Gesellschaft habe abzuwägen, ob das Risiko eines Sanierungsversuchs durch den ökonomischen Wert der Chance einer erfolgreichen Sanierung aufgewogen werde. Wenn der Verwaltungsrat aufgrund einer solchen Analyse den Gang zum Richter unterlasse und die Sanierung an die Hand nehme, könne er nicht verantwortlich werden; selbst dann nicht, wenn sich die Beurteilung nachträglich als falsch erweise. Am 31. Dezember 2001 habe jedenfalls durchaus Aussicht auf Sanierung bestanden. Die Sanierungsbemühungen bei der A. Gruppe seien äusserst umfangreich gewesen und hätten auch Erfolg gezeigt. Bis zum 24. Dezember 2002 habe tatsächlich von einer Sanierung der A. Gruppe und damit auch der A. Trading ausgegangen werden dürfen. Mit Sicherheit sei dies aber Ende Oktober 2002 noch der Fall gewesen, als er - der Beklagte - aus dem Verwaltungsrat der A. Trading ausgeschieden sei. Auch Experten wie die G. , welche alle Szenarien für die A. Gruppe durchgespielt hätten, hätten festgehalten, dass ohne weiteres bis mindestens 30. Oktober 2002 kein Handlungsbedarf bestanden habe. Dass Aussicht auf Sanierung der A. Gruppe und damit der A. Trading bestanden habe, zeige sich an verschiedenen Tatsachen. Die Sanierung sei sicherlich ein ambitiöses Unterfangen gewesen. Es gelte aber zu bedenken, dass es weit über tausend Arbeitsplätze zu verteidigen gegolten habe und dass die A. Gruppe durchaus eine Chance gehabt habe, zu überleben. Dass auch er - der Beklagte - an die Rettung geglaubt habe, zeige sich nicht zuletzt daran, dass er bis kurz vor Schluss selber Geld für die Sanierung zur Verfügung gestellt habe und auch bereit gewesen wäre, weiteres Geld für eine endgültige Sanierung zur Verfügung zu stellen, wenn sich gewisse Voraussetzungen hätten erfüllen lassen (act. 22 Rz. 33 ff.).

      Im Übrigen treffe ihn - den Beklagten - kein Verschulden. Er sei überzeugt gewesen, dass die A. Gruppe, und damit die A. Trading, saniert werden könnte und saniert würden. Erst mit Schreiben vom 20. Februar 2002 sei der Verwaltungsrat der A. Trading durch H. darauf aufmerksam gemacht worden, dass aufgrund des am 19. Februar 2002 festgestellten provisorischen Jahresabschlusses bei der A. Trading ein negatives Eigenkapital von CHF

      200.3 Mio. bestehe. Der Verwaltungsrat habe sofort reagiert und nach Massnahmen gesucht, die an die Hand genommen werden sollten. Während der ganzen Sanierungsphase hätten der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der

      A. Trading sich von ausgewiesenen Spezialisten beraten lassen.

      Selbst wenn ihm eine fahrlässige Pflichtverletzung vorgeworfen werden könnte, welche adäquat-kausal einen Schaden verursacht hätte, wäre zu berücksichtigen, dass er in einem Konzernverbund tätig gewesen sei. Der Konzern sei zentral geleitet worden und strategische Entscheide seien auf der Stufe der Konzernfüh- rung, hier der A. Holding, gefällt worden. Nach dem Grundsatz der differenzierten Solidarität wäre deshalb das Verschulden des Beklagten im Verhältnis zum Verschulden der A. Holding, welche den Konzern und damit auch die A. Trading gelenkt habe, als gering einzustufen. Die A. Trading habe zudem keine Drittaktionäre gehabt. Nebst den Konzerninteressen habe es deshalb vor allem gegolten, den konzernfremden Gläubigern Rechnung zu tragen. Auch hier habe der Verwaltungsrat ausserordentlich gute Arbeit geleistet, indem sich die Forderungen von Drittgläubigern bis zur Bilanzdeponierung um CHF 60 Mio. reduziert hätten. Schliesslich wäre in Anwendung von Art. 43 und 44 OR eine allfällige Schadenersatzpflicht des Beklagten massiv zu reduzieren (act. 22 Rz. 109 f. und115 ff.).

      Der Beklagte macht überdies geltend, dass überhaupt kein Verspätungsschaden entstanden und ein solcher auch nicht genügend substanziiert worden sei. Gegenteils habe das Zuwarten mit der Bilanzdeponierung die Situation der A. Trading und deren Gläubiger massiv verbessert. Schliesslich fehle auch ein adä- quater Kausalzusammenhang. Die Klägerin habe darzulegen, welche individuelle Pflichtwidrigkeit von ihm adäquat kausal zu welchem Schaden geführt habe. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen. Hätte er im Dezember 2001 auf eine Deponierung der Bilanz gedrängt, wäre er mit Sicherheit von der A. Holding als faktischem Organ zum Rücktritt aufgefordert worden. Unabhängig davon wäre es ihm auch nicht gelungen, seine Mitverwaltungsräte von einer Bilanzdeponierung zu überzeugen (act. 22 Rz. 127 ff. und 141 ff.).

    3. Weitere Ausführungen

      Auf die weiteren Parteiausführungen wird nachfolgend - soweit notwendig - eingegangen.

  2. Überblick über die Anspruchsgrundlage

    Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als auch den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen (Art. 754 Abs. 1 OR). Die Haftung der Organe setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung, einen Schaden und den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden voraus. Entsprechend der allgemeinen Regel des Haftpflichtrechts, zu welchem die Art. 754 ff. OR gehören, obliegt dem Verantwortlichkeitskläger, die Elemente des Verantwortlichkeitsanspruchs, namentlich des Schadens und der Pflichtverletzung, zu substanziieren und zu beweisen (Urteil des Bundesgerichts 4A_410/2011 vom 11. Juli 2012, E. 3.1; Urteil des Bundesgerichts 4A_462/2009 vom 16. März 2010).

  3. Pflichtverletzung

    1. Allgemeines zum Rechtlichen

      Beim Eintritt der Überschuldung einer Gesellschaft, d.h. wenn die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführungsnoch zu Veräusserungswerten gedeckt sind, hat der Verwaltungsrat den Richter zu benachrichtigen (Art. 725 Abs. 2 OR). Von diesem Grundsatz kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung aber abgesehen werden, falls konkrete Aussichten auf eine Sanierung bestehen (BGE 132 II 572 ff.; BGE 116 II 541; BGE 108 V 188; BGE 76 I 167; Urteil

      des Bundesgerichts 4C.436/2006 vom 18. April 2007; ferner BSK OR II - WÜSTINER, 4. Aufl. 2012, Art. 725 Rz. 40a). Diese müssen indes realistisch und zielfüh- rend sein (siehe WALTER A. STOFFEL, SZW 1/2008, r37 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 4C.436/2006 vom 18. April 2007). Kann nicht ernsthaft mit einem Sanierungserfolg gerechnet werden, muss die Bilanz beim Konkursrichter deponiert werden. In der Lehre wird sodann die Meinung vertreten, dass der Verwaltungsrat nicht nur ein Recht hat, bei konkreten Sanierungsaussichten auf die Bilanzdeponierung zu verzichten, sondern dass dies vielmehr eine Pflicht darstellt (siehe PETER FORSTMOSER, Der Richter als Krisenmanager, in FS für Hans Peter Walter, Richterliche Rechtsfortbildung in Theorie und Praxis, Bern 2005, S. 276; LUKAS HANDSCHIN, Die Pflichten und die Verantwortlichkeit des Verwaltungsrats im Sanierungsfall, in ZBJV 136/2000 S. 439; in die gleiche Richtung: BSK OR IIWidmer/Dieter/Gericke/Waller, 3. Aufl. 2008, Art. 754 N 28). In seinen Entscheidungen kommt dem Verwaltungsrat ein grosses Ermessen zu, welches er pflichtgemäss ausüben muss. Er trägt das Risiko, dass beim Scheitern der Sanierung in

      einem allfälligen Verantwortlichkeitsprozess der Nachweis erbracht werden kann, dass die Sanierungschancen die Sanierungsrisiken überwogen und die materiellen Voraussetzungen für einen Konkursaufschub gemäss Art. 725a durch den Konkursrichter gegeben waren (BSK OR IIWüstiner, a.a.O., Art. 725 N 40a). Aufgrund der Komplexität der sich stellenden Fragen und des Risikos, das ein einzelner Entscheid in dieser prekären finanziellen Lage mit sich bringt, muss es dem Verwaltungsrat erlaubt sein, qualifizierte Berater beizuziehen, zumal von ihm nicht erwartet werden kann, dass er Spezialist in der Unternehmenssanierung ist. Vertraut er auf deren Einschätzung der Sachlage und ist diese nicht erkennbar fehlerhaft, handelt er pflichtgemäss, auch wenn sich die Entscheide im Nachhinein als falsch erweisen sollten.

      Welche Sanierungshandlungen der Verwaltungsrat unternommen hat und welche Erfolgsaussichten diesen zuzubilligen waren, sind tatsächliche Feststellungen. Die Beweislast hierfür trägt diejenige Partei, welche sich darauf beruft, vorliegend mithin der Beklagte (Art. 8 ZGB). Als Rechtsfrage zu überprüfen ist hingegen, ob die Massnahmen zeitgerecht erfolgten, was insbesondere davon abhängt, ab welchem Zeitpunkt vom Verwaltungsrat die Einleitung entsprechender Schritte erwartet werden musste (siehe Urteil des Bundesgerichts 4C.366/2000 vom

      19. Juni 2001 E. 4c).

      Die Qualifikation einer einzelnen Handlung als Sanierungshandlung hängt zum Teil davon ab, ob sie in ein ganzheitliches Sanierungskonzept eingebettet war. Dies gilt namentlich für Massnahmen zur Liquiditätsbeschaffung. Die Beschaffung neuer liquider Mittel während einer Phase innert der durch die Betriebsführung Verluste erwirtschaftet werden, kann als Teil eines Sanierungskonzeptes gerechtfertigt sein (siehe dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.366/2000 vom 19. Juni 2001

      E. 5a). Gleiches gilt für die Frage, welche Erfolgsaussichten den Massnahmen zuzubilligen waren: Diese Frage lässt sich nur in der Gesamtschau der einzelnen Massnahmen beantworten. Dies gilt namentlich bei einem Konzerngebilde, in dem die isolierte Betrachtung einer einzelnen Sanierungsmassnahme den Eindruck erwecken kann, diese sei nichts weiter als ein Tropfen auf den heissen

      Stein und damit aussichtslos gewesen. Betrachtet man aber die Sanierungsmassnahmen als Ganzes, kann sich das Bild durchaus ändern.

      Diesem Umstand trug namentlich die Klägerin kaum Rechnung, was mutmasslich daher rührt, dass sie jede einzelne der vom Beklagten dargelegten Massnahmen in irgend einer Form bestritten hat. Die Bestreitungen richten sich dabei nicht gegen die tatsächliche Ausführung der behaupteten Handlungen. Eingewendet wurde vielmehr, dass die Handlungen als Sanierungsmassnahmen zu qualifizieren, dass sie als Sanierungsmassnahmen zugunsten der A. Trading zu erkennen oder dass ihnen Erfolgsaussichten beschieden gewesen seien. Vereinzelt hat die Klägerin die Beweisbarkeit der behaupteten Massnahme bestritten.

    2. Relevanter Zeitraum

      Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte seit Oktober 2001 gewusst habe, dass die A. Trading überschuldet gewesen sei. Deshalb hätte er resp. der Verwaltungsrat der A. Trading spätestens per 31. Dezember 2001 die Bilanz der A. Trading deponieren müssen. Nunmehr hafte der Beklagte für die Konkursverschleppung bis zur Bilanzdeponierung am 24. Dezember 2002 (act. 1 Rz. 61; act. 34 Rz. 88 ff.). Der Beklagte hält dagegen, dass er per 31. Oktober 2002 aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden sei (act. 22 Rz. 157).

      Das Amt eines Verwaltungsrats endet mit dem Rücktritt oder mit dem Ende der Amtsdauer. Der Rücktritt kann grundsätzlich jederzeit erklärt werden. Es handelt sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die ihre Wirkung unmittelbar nach Empfang der Erklärung entfaltet. Ist das Amt zu seinem Ende gekommen, so enden sofort die körperschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten (siehe P ETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 13 Rz. 56 ff.).

      Nun ist es zwar grundsätzlich möglich, dass ein Verwaltungsratsmitglied auch nach seinem Austritt aus dem Verwaltungsrat gestützt auf Art. 754 Abs. 1 OR zur Verantwortung gezogen wird. Es haftet für den während der Amtsdauer verursachten Schaden, auch wenn dieser erst nach Ablauf der Amtsdauer eintritt (eine zeitliche Schranke findet sich in Art. 760 OR). Der Konkursverschleppungsschaden zeichnet sich aber im Gegensatz zu anderen Schäden dadurch aus, dass er umgehend anfällt und stetig, mit jedem Tag, anwächst. Das Anwachsen kann jederzeit durch die Deponierung der Bilanz beendet werden. Es verhält sich demnach im konkreten Fall nicht so, dass eine Handlung des Beklagten während seiner Amtsdauer unwiderruflich zur Folge hatte, dass die Überschuldung nach dem

      31. Oktober 2002 weiter anwuchs.

      Nachdem der Beklagte nach seinem Austritt aus dem Verwaltungsrat gar nicht mehr in der Lage war, auf den Verwaltungsrat einzuwirken und durch aktives Zutun die Deponierung der Bilanz beim Konkursrichter in die Wege zu leiten, kann man ihn deshalb auch nicht zur Verantwortung ziehen für den Schaden, der in der darauffolgenden Zeit bis zur Bilanzdeponierung entstanden ist.

      Damit ist eine Haftung des Beklagten für den Schuldenzuwachs nach dem

      31. Oktober 2002 ohnehin ausgeschlossen. Dementsprechend stellt sich die nachfolgend zu prüfende Frage, ob der Beklagte seine Verwaltungsratspflichten verletzt hat, auch nur bis zum 31. Oktober 2002. Für die danach getroffenen Entscheide trägt er keine Verantwortung mehr, weshalb sie ihm auch nicht mehr zur Last gelegt werden können.

    3. Sanierungsbemühungen im Einzelnen

      Die Vielzahl der Einwände macht es notwendig, die einzelnen Parteiausführungen Punkt für Punkt aufzuführen und dazu Stellung zu nehmen. Die Beurteilung, ob die einzelnen Massnahmen als Teil eines konzisen, erfolgsversprechenden Sanierungskonzeptes zu erkennen sind, ist im Anschluss daran vorzunehmen.

      Der Beklagte hat die einzelnen Sanierungsbemühungen in seiner Klageantwort (act. 22 Rz. 37-108) aufgeführt und durch eine Vielzahl von Beilagen bekräftigt. Die Klägerin hat replicando zu den Vorbringen des Beklagten Stellung genommen (act. 34 Rz. 159 - 278). Nachfolgend wird zunächst jeweils die beklagtische Behauptung und danach der dazugehörige klägerische Einwand wiedergegeben. Als Drittes folgt die Stellungnahme zu den Parteivorbringen, soweit es sich nicht um eine Frage handelt, die erst in der Gesamtschau zu beantworten ist.

      1. Nach einem erfolgreichen Start der A. Gruppe sei diese im Jahre 2001 aufgrund von Qualitätsproblemen und Umsatzeinbrüchen infolge neuer Technologien in Schwierigkeiten geraten. Die Liquidität sei knapp geworden und es habe eine Überschuldung gedroht. Entschlossen seien Sanierungsbemühungen an die Hand genommen worden. So hätten Vertreter der A. Gruppe anlässlich einer Sitzung vom 3. Oktober 2001 den Banken dargelegt, dass ein Mitteleinschuss von CHF 20 Mio. benötigt werde. Zu diesem Zweck hätte ein Darlehen von CHF 20 Mio. aufgenommen werden müssen, das durch Abtretung eines Teils des Erlöses aus dem geplanten Verkauf der Division hätte sichergestellt werden sollen. Zwar hätten sich die A. Holding sowie die A. Trading bzw. die A. AG im Rahmen eines Konsortialkreditvertrages vom 11. Juni 2001 bzw. im Rahmen eines Stillhalteabkommens vom 11. Juni 2001 unter anderem verpflichtet, keine zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen, insbesondere in der Form von Darlehen, Krediten, Anleihen und Leasingverpflichtungen, einzugehen. Trotzdem hätten die Banken sich anlässlich der Sitzung vom 3. Oktober 2001 unter bestimmten Bedingungen bereit erklärt, der A. Holding die Aufnahme eines gegenüber den Kreditforderungen der Banken nachrangigen Darlehens von CHF 20 Mio. zu gestatten (act. 22 Rz. 38; act. 23/8-9).

        Die Klägerin wendet dagegen ein, dass es sich um eine Massnahme auf Stufe der Muttergesellschaft handle, welche der A. Trading nicht zugerechnet werden dürfe. Im Übrigen sei Ziel der Massnahme die Verbesserung der Liquidität gewesen. Dies könne zwar Voraussetzung für die Fortführung der Geschäftstätigkeit bilden und insofern im Rahmen von Sanierungsbemühungen geboten sein. Sie sei indessen nur dann unproblematisch, wenn den Gläubigern das Haftungssubstrat erhalten bleibe. Dies sei nur dann der Fall, wenn die neu gewonnenen Mittel gewinnbringend verwendet würden, was im vorliegenden Fall gerade nicht zugetroffen habe. Hier sei es einzig darum gegangen, Zeit zu gewinnen (act. 34

        Rz. 162 ff.).

        Zum Einwand, dass es sich um eine Sanierungsmassnahme auf Stufe der Muttergesellschaft gehandelt habe, welche der A. Trading nicht angerechnet werden könne, ist Folgendes zu sagen: In BGE 130 III 213 E. 2.2.2 hat das Bundesgericht zwar festgehalten, dass ein Verwaltungsratsmitglied als Organ einer Gesellschaft von Gesetzes wegen verpflichtet ist, allein deren Interessen und nicht dasjenige anderer Konzerngesellschaften zu wahren. Damit ist aus bundesgerichtlicher Sicht klargestellt, dass auch die Interessen einer Konzernmuttergesellschaft für den Verwaltungsrat der Tochtergesellschaft nachrangig zu den Interessen der Tochtergesellschaft zu behandeln sind. In der wirtschaftlichen Faktizität verstärkt sich indessen die Interessensverschmelzung von Mutterund Tochter-Gesellschaft mit dem Mass der betrieblichen Einordnung der Tochter in den Konzern. Jede Form der Dauerverbindung bringt, wachsend mit deren Intensität, den Gesichtspunkt ins Spiel, dass die Interessenwürdigung sich nicht auf den einzelnen Akt oder die einzelne Angelegenheit beschränken darf, sondern dass die Vorteile aus der Dauerbeziehung als solcher zu berücksichtigen sind. Deshalb kann der einzelne Vorgang für eine Tochter nachteilig sein, lässt sich aber als strategisches Kalkül innerhalb des ganzen Verhältnisses begründen, weil Kompensation erwartet werden kann oder einfach, weil sich das Wohl des übrigen Konzerns wegen der bestehenden Verflechtungen reflektiv auch als Nutzen der Einzelgesellschaft auswirkt (ZR 98 [1999] Nr. 52 S. 242; siehe auch S. 249).

        In diesem Sinne argumentiert letztlich auch der Beklagte. Am 3. Oktober 2001, als dem Verwaltungsrat der A. Holding eröffnet wurde, dass eine Konkurserklä- rung im damaligen Zeitpunkt die sofortige Zerstörung von Werten in Höhe von CHF 300 bis 500 Mio. zur Folge hätte und ein Turnaround-Versuch das Risiko vergleichsweise nur marginal erhöhen würde, entschied die Konzernleitung, die Bilanz nicht zu deponieren (act. 22 Rz. 39). Nach dem Gesagten hätte der Verwaltungsrat der A. Trading diesem Entscheid nicht zu folgen brauchen und auch nicht dürfen, sofern dieser nicht auch im Interesse der A. Trading war. Im damaligen Zeitpunkt waren die A. Holding und die A. Trading aber derart eng miteinander verflochten, dass kurzfristig ein Überleben einer jeden Gesellschaft ohne die andere ausgeschlossen erschien. Hätte die A. Trading folglich eigenhändig den Konkurs angemeldet, hätte davon ausgegangen werden müssen, dass der gesamte Konzern nicht weiter hätte überleben können. Von den massiven Werteinbussen, die angesichts der Vielzahl der Forderungen gegenüber anderen Konzerngesellschaften (act. 1 Rz. 223) mit dem Konkurs der

        A. Gruppe im Oktober 2001 drohten, wäre auch die A. Trading betroffen gewesen. Die Konkursanmeldung im damaligen Zeitpunkt wäre somit angesichts des vergleichsweise geringen Kostenrisikos eines Turnarounds nicht im besten Interesse der Gesellschaft gewesen. Die Klägerin bestreitet die dannzumalige Abhängigkeit zwischen der A. Holding und der A. Trading auch nicht. Ihre Bestreitung in act. 34 Rz. 34 ff. bezieht sich auf die Frage, ob die A. Holding auch längerfristig nur mit der A. Trading ausgekommen wäre oder nicht. Dazu führt sie aus, dass ein Sanierungskonzept der G. die weitere Existenz der A. Trading gerade nicht vorgesehen habe. Die von der A. Trading übernommenen Hilfsfunktionen sowie das Liquiditätsmanagement hätten von den produktiv tätigen Gruppengesellschaften innert einer Frist von zwei bis vier Monaten übernommen werden können. Dies mag zwar zutreffen, ist jedoch nicht von Bedeutung, denn solange die für die Übernahme notwendigen Vorbereitungen nicht aufgenommen wurden, bestand die Abhängigkeit zwischen A. Holding und A. Trading fort.

        Für die Dauer des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen der A. Holding und der A. Trading durfte der Verwaltungsrat der A. Trading deshalb mit kritischem Blick auf die Sanierungsbemühungen der A. Holding mit der Bilanzdeponierung zuwarten und die eigenen Sanierungsmassnahmen mit denjenigen der Konzernmutter abgleichen. Solange beiderseits ernsthafte Sanierungsbemühungen unternommen wurden, die insgesamt als erfolgversprechend zu taxieren waren, hat der Verwaltungsrat der A. Trading damit seine Pflichten nicht verletzt.

        Zum Einwand, dass die erhaltenen Mittel nicht gewinnbringend verwendet worden seien, ist festzuhalten, dass es grundsätzlich zwar zutrifft, dass Sanierungsbemü- hungen unter der Prämisse stehen müssen, dass das Haftungssubstrat der Gläu- biger nicht weiter verschlechtert wird. Die Erhöhung der Liquidität bei einer Gesellschaft, die Verluste erwirtschaftet, ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung (siehe Urteil des Bundesgerichtes 4C.366/2000 vom 19. Juni 2000 E. 5a) deshalb nur dann zulässig, wenn sie eingebettet in ein insgesamt erfolgverheis-

        sendes Sanierungskonzept erfolgt. Ob dies in casu der Fall war, wird im Gesamt- überblick zu beurteilen sein (siehe Ziffer III.3.3.28. der Erwägungen).

      2. An einer Verwaltungsratssitzung am 3. Oktober 2001 sei angesichts der Berichte von V. und G. , welche festhielten, dass eine Konkurserklä- rung die sofortige Zerstörung von Werten in Höhe von CHF 300 bis 500 Mio. zur Folge hätte, währenddem ein erfolgloser Turnaround-Versuch das Risiko um etwa CHF 20-30 Mio. erhöhte, beschlossen worden, dass der Konkurs nicht erklärt werde, solange der Verwaltungsrat, externe Berater sowie die Banken der Überzeugung seien, dass ein neuer Business Plan echte Erfolgschancen habe (act. 22 Rz. 39).

        Die Klägerin wendet dagegen ein, dass es hier einzig um die A. Holding gehe und in Bezug auf die A. Trading unbedeutend sei. Zudem sei ein Business Plan kein Sanierungskonzept (act. 34 Rz. 167).

        In Bezug auf die Abgrenzung zwischen A. Holding und A. Trading kann auf die obigen Erwägungen in Ziffer III.3.3.1. verwiesen werden.

        Der Einwand, dass ein Business Plan kein Sanierungskonzept darstelle, ist Wortklauberei. Wesentlich ist nicht, wie der Plan betitelt war. Im Zentrum steht, dass im Business Plan die Probleme, Aussichten, Pläne detailliert aufgeführt wurden (act. 23/19). Ferner wurde die weitere Vorgehensweise dargelegt. Der Business Plan war von den Banken verlangt worden (act. 23/10 S. 2: They will not help us at all without having a convincing business plan. They have given us four weeks to build that and will then decide within short time.). Die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit sollte davon abhängig gemacht werden, ob die Banken damit einverstanden waren. Somit wies der Business Plan vom November 2001 sämtliche Eigenschaften eines Sanierungsplans auf und wurde von den Banken zudem auch unter diesem Titel geprüft. Dass die Banken alsdann bei den Sanierungsbemühungen mitwirkten, lässt keinen anderen Schluss zu, als dass sie den Business Plan als überzeugend erachteten.

      3. Anfangs Oktober 2001 habe man vereinbart, die Division für USD 61 Mi-

        o. zu verkaufen. Der Kaufpreiserlös hätte zur Aushandlung eines kurzfristigen Darlehens seitens der I. verwendet werden sollen (act. 22 Rz. 40). Die Teilbeträge hätten spätestens am 6. Dezember 2001 beim Bankenkonsortium eintreffen sollen (act. 22 Rz. 46).

        Die Klägerin wendet dagegen ein, dass es beim erwähnten short term loan um das bereits thematisierte Darlehen (siehe Ziffer III.3.3.1. der Erwägungen) gegangen sei, weshalb auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werde (act. 34 Rz. 168).

        Woraus die Klägerin schliesst, dass es bei diesem short term loan um das beabsichtigte Darlehen über CHF 20 Mio. ging, bleibt ungeklärt, ist aber auch irrelevant. Wesentlich ist, dass der Verkauf von Vermögensteilen das Haftungssubstrat erhöhte, sofern dabei ein Gewinn erzielt werden konnte, wovon auszugehen ist, zumal ansonsten nicht nachvollziehbar wäre, weshalb die Banken die Kreditgewährung davon abhängig machten. Überdies wirkte sich der Verkauf auch verlustmindernd aus, weil damit die Voraussetzungen geschaffen worden waren, um eine Vereinbarung mit den Konsortialbanken wirksam werden zu lassen, womit Schulden in der Höhe von CHF 271 Mio. abgebaut werden konnten (act. 22 Rz. 53; act. 23/24 S. 18; letztlich nicht bestritten in act. 34 Rz. 189; act. 37 Rz. 322). Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass es sich um eine Sanierungsmassnahme handelt. Der Hinweis auf ihre vorangegangenen Ausführungen kann nicht als Bestreitung erkannt werden, denn in diesen ging es um die Aufnahme eines Kredites, nicht um den Verkauf von Vermögenswerten.

      4. Bis zum 2. November 2001 habe man von den Konsortialbanken die Bereitschaft errungen, nach den im Schreiben vom 2. November 2001 aufgeführten Kreditrückzahlungen auf Restforderungen in Höhe von CHF 70 Mio. zu verzichten. Weiter hätten sich die Banken bereit erklärt, auf ihre sämtlichen Forderungen gegen die A. Holding aus Kompensationszahlungen zur Abgeltung der Differenz zwischen dem vereinbarten Mindestwert der auszugebenden Optionen und deren tatsächlichem Wert zu verzichten, die Laufzeit des nach der aufgeführten Kreditrückzahlung verbleibenden Konsortialkredits von CHF 20 Mio. bis zum 31.

        Januar 2003 zu verlängern und einer Subordination der den Banken als Sicherheit für den Konsortialkredit zedierten Forderungen der A. Trading gegen- über der A. UK Ltd. in dem Umfang zuzustimmen, als dies zur Behebung der Überschuldung der A. UK Ltd. per 30. November 2001 notwendig werden werde (act. 22 Rz. 44).

        Die Klägerin wendet ein, dass gemäss diesem Schreiben vom 2. November 2001 die A. Trading und die A. Holding insgesamt Kredite über CHF 100 Mio. hätten zurückbezahlen sollen, damit die Banken gegenüber der A. Holding Forderungsverzichte erklärten. Die A. Trading habe nicht über die Mittel zur Bezahlung ihres Anteils verfügt. Diese Mittel hätten ihr von ihrer Schwestergesellschaft A. Group Inc. (USA) zur Verfügung gestellt werden sollen, die diese Mittel aus dem Verkauf der Division erhältlich machen sollte. Im Resultat hätte auf der Passivseite der Bilanz der A. Trading eine Schuld gegenüber den Banken durch eine Schuld gegenüber einer Schwestergesellschaft ersetzt werden sollen. Dies hätte auf die Überschuldungssituation keinerlei Auswirkung gehabt. Aus dem Schreiben ergebe sich des weiteren, dass die Banken wie auch der Beklagte von der Überschuldung gewusst hätten (act. 34

        Rz. 173 ff.).

        Wie bereits in Ziffer III.3.3.1. der Erwägungen ausgeführt, waren Sanierungsmassnahmen für den Konzern auch im Interesse der A. Trading. Wenn die Umwälzung von Schulden der A. Trading gegenüber der Bank zu Schulden der A. Trading gegenüber der Schwestergesellschaft dazu beitragen konnte, dass der Konzernmutter Schulden in der Höhe von CHF 70 Mio. erlassen werden sollten, dann stellt dies eine höchst effektive Konzern-Sanierungsmassnahme dar, die wie gesagt (auch) im Interesse der A. Trading selber war. Dass die Parteien sodann über die Überschuldung der Gesellschaften im Bild waren, spielt vorliegend keine Rolle. Darauf wird im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Toleranzfrist zurückzukommen sein (Ziffer III.3.3.29. der Erwägungen).

      5. Im November 2001 sei ein Business Plan für die Jahre 2002 bis 2004 vorgelegt worden (act. 22 Rz. 48).

        Die Klägerin entgegnet, dass ein Business Plan weder eine Sanierungsmassnahme noch ein Sanierungskonzept darstelle. Überdies sei die A. Trading damals bereits seit mindestens sechs Wochen überschuldet gewesen, was auch ihrem Verwaltungsrat und insbesondere dem Beklagten bekannt gewesen sei. Die Toleranzfrist sei damit abgelaufen gewesen (act. 34 Rz. 179 f.).

        In Zusammenhang mit den Ausführungen zum Business Plan kann auf die obigen Erwägungen in Ziffer III.3.3.1. verwiesen werden. Auf die Frage der Toleranzfrist wird später zurückzukommen sein (Ziffer III.3.3.29. der Erwägungen).

      6. Am 4. Dezember 2001 habe sich die I. bereit erklärt, sich bei einer Vereinbarung mit allen Banken quotenmässig zu beteiligen. Statt einer Kreditrückführung von CHF 70 Mio. bei der A. Holding und CHF 30 Mio. bei der

        A. Trading würde man bereits bei einer Kreditrückführung von CHF 70 Mio. bei der A. Holding und CHF 15 Mio. bei der A. Trading bis spätestens am 6. Dezember 2001 einen Forderungsverzicht bei der A. Holding akzeptieren. Die dannzumal noch fehlenden CHF 25 Mio. Liquidität könnten somit auf CHF 10 Mio. reduziert werden. Diese CHF 10 Mio. müssten durch die Altaktionäre bzw. Dritte zur Verfügung gestellt werden (act. 22 Rz. 49).

        Die Klägerin wendet ein, dass die A. [gemeint ist damit wohl die A. Gruppe] mit dem Rücken zur Wand gestanden sei. Die A. Trading sei nicht in der Lage gewesen, den vorgesehenen Betrag von CHF 30 Mio. zurückzubezahlen. Dass die I. der A. Holding habe entgegen kommen wollen, lasse keine Rückschlüsse auf die Sanierungsfähigkeit der betroffenen Gesellschaften zu. Dass die Banken bei der gegebenen Finanzlage um jeden Betrag froh gewesen seien, den sie noch hätten erhältlich machen können, liege auf der Hand. Der Forderungsverzicht habe der A. Trading nichts gebracht und die Toleranzfrist sei bereits abgelaufen gewesen (act. 34 Rz. 181 f.).

        Dass die A. Gruppe mit dem Rücken zur Wand stand, steht ausser Frage. Deshalb waren auch die entsprechenden Massnahmen notwendig. Zur Frage der Zahlungsfähigkeit und dem Nutzen der Schuldenumwälzung wurde bereits in Ziffer III.3.3.4. Stellung genommen. Offensichtlich ist auch, dass die Banken nicht

        ohne Grund auf CHF 70 Mio. verzichteten. Der Umstand, dass sie zu einem Verzicht bereit waren, zeigt aber gerade deutlich auf, dass sie Hoffnung in das Überleben der A. Gruppe hatten. Auf die Frage der Toleranzfrist wird später zurückgekommen (Ziffer III.3.3.29. der Erwägungen).

      7. In der Generalversammlung der A. Holding vom 4. Dezember 2001, welche gemäss Art. 725 Abs. 1 OR einberufen worden sei, seien die bereits durchgeführten Restrukturierungsmassnahmen erläutert und Informationen über beabsichtigte Sanierungsmassnahmen der A. Holding im Sinne von Art. 725 Abs. 1 OR abgegeben worden. Sodann habe die Generalversammlung der A. Holding entschieden, das genehmigte Aktienkapital zur Refinanzierung unter Ausschluss des Bezugsrechtes der Aktionäre auf CHF 40 Mio. zu erhöhen (act. 22 Rz. 50).

        Die Klägerin hält dem entgegen, dass die Ausführungen des Beklagten die

        A. Holding betreffen würden und der Beklagte überdies nicht ausführe, was dies für Restrukturierungsmassnahmen bzw. Sanierungsmassnahmen gewesen sein sollen. Betreffend die A. Trading sei sodann pflichtwidrigerweise keine Generalversammlung durchgeführt worden (act. 34 Rz. 183).

        Es ist zunächst auf die Ausführungen in Ziffer III.3.3.1. der Erwägungen zu verweisen. Betrachtet man den Aufbau der beklagtischen Rechtsschrift wird ohne weiteres ersichtlich, welche Sanierungresp. Restrukturierungsmassnahmen der Beklagte meint. Hierzu brauchte er in diesem Abschnitt nicht zu wiederholen, was er ohnehin im Begriff war, ausführlich darzulegen. In Bezug auf den Umstand, dass die A. Trading trotz Überschuldung keine ausserordentliche Generalversammlung einberief, ist der Klägerin zwar recht zu geben. Angesichts der personellen Verflechtung zwischen dem Verwaltungsrat der A. Trading und der A. Holding und der unbestrittenen Tatsache, dass die A. Holding alleinige Aktionärin der A. Trading war, stellt sich aber die Frage, welchen Nutzen eine Generalversammlung mit sich gebracht hätte. Schliesslich ist auch nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Klägerin aus diesem Einwand abzuleiten gedenkt, führte diese formelle Pflichtverletzung doch nicht zu einem zusätzlichen Schaden.

      8. Mit Brief vom 7. Dezember 2001 hätten sich die Banken gegenüber der

        A. Holding zu Forderungsverzichten für ihre verbleibenden Restforderungen von rund CHF 144 Mio. gegenüber der A. Holding verpflichtet. Sodann hät- ten die Banken auf ihre sämtlichen Forderungen gegen die A. Holding aus Kompensationszahlungen gemäss Vereinbarung vom 10. August 2001 verzichten wollen. Die Laufzeit des noch verbleibenden Konsortialkredits von CHF 35 Mio. an die A. Trading gemäss Konsortialkreditvertrag vom 11. Juni 2001 habe bis zum 31. Januar 2003 verlängert werden sollen, wobei bis spätestens 31. März 2002 Amortisationen in Höhe von CHF 15 Mio. zu leisten gewesen seien. Für den Fall einer fristgerechten Leistung dieser Amortisationen hätten sich die Banken sodann bereit erklärt, zusätzlich zu den bereits genannten Teilforderungsverzichten Verzichte für Forderungen gegen die A. Holding aus den unter den Kreditlimiten gemäss Anhang 1 zum Stillhalteabkommen vom 11. Juni 2001 gewährten Krediten auszusprechen (act. 22 Rz. 51).

        Die Klägerin wendet ein, dass es sich um die bereits thematisierten Forderungsverzichte gegenüber der A. Holding handle, und für die A. Trading unbedeutend sei. Der A. Trading sei nur teilweise Stundung gewährt worden. Eine Stundung mache überdies nur dann Sinn, wenn sie eingebettet in ein konzises Sanierungskonzept sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Schliesslich verweist die Klägerin auf die abgelaufene Toleranzfrist (act. 34 Rz. 184 ff.).

        Betreffend Forderungsverzichte kann auf die Ausführungen in Ziffer III.3.3.4. der Erwägungen verwiesen werden. Ob ein konzises Sanierungskonzept vorhanden war, ist in der Übersicht zu prüfen (siehe Ziffer III.3.3.28. der Erwägungen). Betreffend Toleranzfrist siehe die Ausführungen in Ziffer III.3.3.29. der Erwägungen.

      9. Am 21. Dezember 2001/12. Januar 2002 seien die A. Trading und J. Company (nachfolgend: J. ) übereingekommen, das Rückzahlungsdatum für die der A. Trading gemäss dem Loan Agreement vom

        1. ai 2001 gewährten Darlehen auf den 31. Dezember 2002 zu verschieben

          (act. 22 Rz. 52).

          Die Klägerin verweist auf das bisher Gesagte zur Stundung (Ziffer 3.3.8. der Erwägungen) und verweist wiederum auf die abgelaufene Toleranzfrist (act. 34 Rz. 187).

          Es kann auf die Ausführungen in Ziffer III.3.3.28. und III.3.3.29. der Erwägungen verwiesen werden.

      10. Mit Vereinbarung vom 25. Januar 2002 seien zwischen der A. Holding und dem Bankenkonsortium zum einen die der A. Holding von den einzelnen Banken unter dem Stillhalteabkommen vom 11. Juni 2001 zur Verfü- gung zu haltenden Kreditlimiten geändert worden. Sodann sei die Höhe der von den einzelnen Banken gemäss Brief vom 7. Dezember 2001 bei Leistung von Amortisationszahlungen seitens der A. Holding zu leistenden zusätzlichen Forderungsverzichte festgelegt worden (act. 22 Rz. 54).

        Die Klägerin macht wiederum geltend, dass die Forderungsverzichte nur gegen- über der A. Holding erklärt worden seien. Die Banken seien froh gewesen über jeden Franken, den sie noch hätten erhältlich machen können. Die Forderungsverzichte würden zeigen, dass die Banken nicht mehr an das Überleben der A. Gruppe glaubten. Die Toleranzfrist sei überdies längst abgelaufen

        (act. 34 Rz. 193 f.)

        Betreffend Forderungsverzicht kann auf die Ausführungen in Ziffer III.3.3.4. verwiesen werden. Dass die Banken zum Verzicht bereit waren, heisst mitnichten, dass sie die A. Gruppe aufgegeben hatten. Andernfalls wären sie nicht bereit gewesen, weitere Kredite zu bewilligen, sondern hätten - wie die Banken es Ende 2002 taten - jede Mitwirkung unterlassen, was die A. Gruppe in den Konkurs gezwungen hätte. Die Verzichtserklärungen sind vielmehr deutliches Indiz dafür, dass sie das Überleben der Gruppe für denkbar hielten. Zur Toleranzfrist siehe nachfolgend (Ziffer III.3.3.29. der Erwägungen).

      11. Am 30. Januar 2002 sei zwischen der A. Trading und der A. Holding einerseits sowie dem Bankenkonsortium andererseits ein neuer Konsortialkreditvertrag abgeschlossen worden. Darin habe das Bankenkonsortium der

        A. Trading den gewährten Kredit von CHF 35 Mio. erneuert, wobei CHF 15 Mio. bis zum 31. März 2002 und der Rest bis zum 31. Januar 2003 hätten zurückbezahlt werden sollen. Der Kredit habe zur Abdeckung der betriebsnotwendigen Liquidität dienen sollen (act. 22 Rz. 55).

        Die Klägerin behauptet, dass die Banken den Kredit nur deshalb verlängert hät- ten, weil sie froh über jeden Betrag gewesen seien, den sie noch hätten erhältlich machen können. Der Konsortialkreditvertrag habe nichts zu einer nachhaltigen Sanierung der A. Trading beigetragen. Im Übrigen hätten die A. Trading als Kreditnehmerin und die A. Holding als Garantin gewisse EBITDAKennzahlen nicht unterschreiten dürfen, andernfalls das Bankenkonsortium den Kreditvertrag sofort hätte kündigen können. Die A. Gruppe habe diese Vorgaben nicht erreicht, weshalb das Bankenkonsortium jederzeit mit sofortiger Wirkung hätte kündigen können (act. 34 Rz. 195 ff.).

        Die klägerische Argumentation ist zu hinterfragen: Wären die Banken - wie von der Klägerin behauptet - tatsächlich der Auffassung gewesen, dass die A. Gruppe nicht mehr zu retten war und hätten sie sich nur noch darum bemüht, so viel Geld wie möglich erhältlich zu machen, wäre es nicht logisch gewesen, einen neuen Konsortialkreditvertrag abzuschliessen. Sie hätten davon ausgehen müs- sen, dass das Geld, dass sie der A. Trading resp. der A. Gruppe gewährten, verloren sei und angesichts des negativen Cash-Flows das Haftungssubstrat nur noch schlechter würde. Dennoch haben sie sich zum Abschluss des Vertrages entschlossen und diesen auch nicht gekündigt, als sie gemäss klägerischer Darstellung die Gelegenheit dazu hatten. Dies zeigt deutlich, dass die Gläubigerbanken der A. Gruppe ebenfalls davon ausgingen, die Gruppe könne gerettet werden, und die Kreditgewährung auch als sinnvolle Massnahme im eingeschlagenen Sanierungskonzept erachteten.

      12. Ebenfalls am 30. Januar 2002 sei zwischen dem Bankenkonsortium einerseits sowie der A. Holding und der A. AG andererseits ein neues Stillhalteabkommen abgeschlossen worden, welches das am 31. Januar 2002 ablaufende Stillhalteabkommen vom 11. Juni 2001 ersetzt habe. In diesem neuen Stillhalteabkommen hätten sich die Banken verpflichtet, der A. Holding bzw.

        der A. AG sämtliche Kreditlimiten zur freien und vollumfänglichen Benüt- zung für betriebliche Zwecke zur Verfügung zu halten, sämtliche fällig werdenden Kredite, Kredittranchen sowie Amortisationsraten bis zum 31. März 2002 zu stunden und ihre Forderungen bis zu diesem Zeitpunkt weder fällig zu stellen noch auf dem Weg der Zwangsvollstreckung oder gerichtlich geltend zu machen (act. 22 Rz. 56).

        Die Klägerin verweist auf die vorangegangenen Ausführungen (act. 34 Rz. 198; siehe Ziffer III.3.3.11. der Erwägungen). In Bezug auf den Einwand, dass nicht die finanzielle Situation der A. Trading beschlagen sei, kann auf Ziffer III.3.3.1. der Erwägungen verwiesen werden.

      13. Am tt.mm.2002 habe im Rahmen einer Medieninformation darüber informiert werden können, dass J. bei der A. Holding einsteigen werde. Durch diese Transaktion hätten der A. Gruppe die erforderlichen Mittel zufliessen sollen, um die Liquiditätsprobleme zu überwinden. Die durch J. zu diesem Zweck übernommenen Aktien der A. Holding hätten aus der am 4. Dezember 2001 bewilligten Kapitalerhöhung über 6 Mio. Namenaktien gestammt. Die verbleibenden Titel hätten durch den Verwaltungsrat der A. Holding bei strategischen Partnern platziert werden sollen, um die Bilanzstruktur weiter zu verbessern. J. und A. hätten eng zusammenarbeiten sollen, um verschiedene neue A. Produkte am Markt zu fördern (act. 22 Rz. 57).

        Die Klägerin wendet ein, dass noch immer massive Liquiditätsprobleme bestanden hätten und keine Anhaltspunkte ersichtlich gewesen seien, welche auf einen möglichen Turnaround zur Profitabilität hätten hoffen lassen. Von einer Sanierung sei die A. Gruppe weit entfernt gewesen. Die im Geschäftsjahr 2002 gesteckten Ziele seien illusorisch gewesen. Der Beklagte habe nicht dargelegt, wie dieses Ziel hätte erreicht werden sollen. Es sei im Übrigen auch nicht erreicht worden (act. 34 Rz. 199).

        Die Klägerin setzt sich nicht mit den beklagtischen Vorbringen auseinander. Der Beklagte erklärt sehr wohl, dass durch den Einstieg von J. mit der Übernahme der A. Holding-Aktien die Liquiditätsprobleme hätten gelöst werden

        sollen. Ferner führt er aus, dass durch die enge Zusammenarbeit der Produkteabsatz hätte gefördert werden sollen. Mit diesen Ausführungen setzt sich die Klä- gerin nicht auseinander. Stattdessen führt sie aus, es hätten keine Aussichten für einen Turnaround bestanden. Dies sahen die Beteiligten offenbar anders. Siehe dazu die Ausführungen in Ziffer III.3.3.11.

      14. lm Subordination Agreement Supplement sei am 25. März 2002 vereinbart worden, dass J. darauf verzichten würde, dass die Verpflichtungen der A. Holding und/oder der A. Trading, die vom Beklagten und den Herren K. und L. gewährten Bridge Loans zurückzuzahlen, den Verpflichtungen der A. Holding und/oder der A. Trading gegenüber

        J. im Range nachgehen sollten. Im Gegenzug hätten der Beklagte, Herr L. und Herr K. das erste Zahlungsdatum der Bridge Loans auf den ersten Jahrestag des Subordination Agreement Supplement ausgedehnt. Die drei Herren hätten sodann bestätigt, dass all ihre übrigen Ansprüche gegenüber der A. Holding und der A. Trading denjenigen von J. gegen- über der A. Holding, der A. Trading und den entsprechenden Töchtern nachgehen würden (act. 22 Rz. 58).

        Die Klägerin macht dazu geltend, dass die Erklärungen sich zugunsten der

        J. und nicht zugunsten der A. Trading ausgewirkt hätten. Im Nachhinein sei man im Übrigen zum Schluss gelangt, dass das Engagement der

        J. für die A. Gruppe nicht vorteilhaft war, weil es die A. nicht nur in eine fatale Abhängigkeit von dieser Gesellschaft gebracht habe, sondern auch bezüglich Produktesortiment in eine Richtung gesteuert habe, die sich spä- ter als nicht wettbewerbsfähig erwiesen habe (act. 34 Rz. 200 ff.).

        Der Klägerin kann nicht zugestimmt werden. Kern der Massnahme war, die Erstreckung der Rückzahlungsfrist der Bridge Loans zu erwirken. Damit die Darlehensgeber L. und K. einwilligten, brauchte es offenbar die Mitwirkung der J. . Sämtliche Beteiligten konnten sich zu einer Vereinbarung durchringen, was der A. Trading wieder Spielraum verschaffte, um die vorhandenen liquiden Mittel nicht für die Rückzahlung der Bridge Loans, sondern die Bezahlung der laufenden Kosten verwenden zu können. Zudem zeigt es, dass J.

        sowie die Herren L. und K. nach wie vor Hoffnung in die A. Gruppe hatten.

      15. ln der Verwaltungsratssitzung der A. Holding vom 25. März 2002 sei festgehalten worden, dass J. 675'000 Aktien zu einem Stückpreis von CHF 10.-- kaufen und zusätzlich eine Wandelanleihe in Höhe von CHF 6,75 Mio. gewähren werde. Auch die finanzielle Situation sei besprochen worden und es sei vom Verwaltungsrat einstimmig festgehalten worden, dass sich die A. Holding nicht im Zustand der Überschuldung gemäss Art. 725 Abs. 2 OR befinde (act. 22 Rz. 59).

        Die Klägerin wendet ein, dass sich aus dem Protokoll der Verwaltungsratssitzung vom 25. März 2002 (act. 23/30) nichts zum Engagement von J. ergebe. Im Nachhinein sei man im Übrigen zur Erkenntnis gelangt, dass das Engagement nicht vorteilhaft war. Das Ergebnisprotokoll gebe sodann keinen Aufschluss dar- über, wie die Verwaltungsratsmitglieder der A. Holding zum Schluss gekommen waren, die A. Trading sei nicht überschuldet. Es müsse stattdessen von einer Überschuldung per März 2002 ausgegangen werden. Immerhin zeige der Umstand, dass der Verwaltungsrat der A. Holding eine ausserordentliche Verwaltungsratssitzung zu diesem Thema einberief, dass es hier Klä- rungsbedarf bzw. eine Unsicherheit gegeben habe. Die Frage sei aber irrelevant, denn die A. Trading hätte in diesem Zeitpunkt längst nicht mehr geschäften dürfen (act. 34 Rz. 204 f.).

        Die Klägerin bestreitet damit die Ausführungen des Beklagten nicht. Es mag zwar zutreffen, dass sich nichts zum Engagement der J. aus dem Protokoll ergibt. Die Klägerin gesteht aber selbst ein, dass es ein solches Engagement gab, wenn sie ausführt, dass sich das Engagement im Nachhinein als nicht vorteilhaft erwiesen habe. Dass dieser Nachteil bereits im Zeitpunkt der Übereinkunft zwischen der A. Gruppe und der J. ersichtlich war, wurde von der Klägerin nicht behauptet. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur Toleranzfrist verwiesen werden (Ziffer III.3.3.29. der Erwägungen). Mit Blick auf diese Ausführungen kann offenbleiben, ob die A. Gruppe per März 2002 überschuldet war.

      16. Am 3. April 2002 hätten die A. Holding sowie die A. Trading mit J. das Consolidated Loan Agreement abgeschlossen. Gemäss diesem Übereinkommen habe die A. Holding von der A. Trading deren Verpflichtungen gegenüber J. aus dem im Loan Agreement vom 21. Mai 2001 von J. der A. Trading gewährten Darlehen in Höhe von USD 20 Mio. übernommen (act. 22 Rz. 60).

        Die Klägerin führt hierzu aus, dass sich das Bilanzbild der A. Trading dadurch nicht geändert habe. Die Forderung von J. sei lediglich durch eine Forderung der A. Holding ersetzt worden. Das Consolidated Loan Agreement vom 3. April 2002 sei damit entgegen der Darstellung des Beklagten nicht ein Beweis dafür, dass bei allen Sanierungsbemühungen um die A. Gruppe immer auch die A. Trading ein Thema war und dass kontinuierlich auch an einer Verbesserung der Situation der A. Trading gearbeitet wurde. Die J. habe sich ihr Engagement im Übrigen umfassend absichern und sich ein Pfandrecht über alle noch nicht verpfändeten Vermögenswerte der A. einräumen lassen (act. 34 Rz. 206 f.).

        Es ist zwar zutreffend, dass die Schuldübernahme durch die A. Holding keine Änderung in der Bilanz zur Folge hatte. Gleichwohl ist es ein Unterschied, ob eine Gesellschaft ein Schuldverhältnis zu einer von ihr unabhängigen Dritten oder ein Schuldverhältnis zu einer von ihr abhängigen Konzerngesellschaft hat. Gegenüber letzterer wäre die A. Trading in einer wesentlich stärkeren Verhandlungsposition gewesen, hätte sich die Notwendigkeit ergeben, solche Verhandlungen zu führen. In dem Sinne war die Schuldenumwälzung für die A. Trading durchaus von Vorteil. Entgegen der Auffassung der Klägerin beweist die Massnahme überdies, dass die A. Holding die A. Trading gegenüber Dritten entlasten wollte. Selbstverständlich ist schliesslich, dass J. abgesichert sein wollte. Dies entspricht natürlichem Geschäftsgebaren und es ist nicht ersichtlich, was die Klägerin sich daraus abzuleiten verhofft.

      17. Am 4. April 2002 sei mit J. die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft namens M. LLP vereinbart worden. An dieser Gesellschaft hätten sowohl die A. Holding als auch J. beteiligt sein sollen. Die A.

        Holding hätte die Gesellschaft gründen und einen Anteil von 51% zum Preis von USD 15 Mio. an J. verkaufen sollen. In die M. LLP sei geistiges Eigentum von Gesellschaften der A. Gruppe eingebracht worden. A. Holding habe das Recht besessen, den von J. gehaltenen Anteil an der M. LLP nach fünf bzw. zehn Jahren zurückzukaufen (Call Option). Die Fäl- ligkeit des Darlehens sei bis zum 31. Oktober 2003 erstreckt worden (act. 22

        Rz. 61).

        Die Klägerin führt hierzu zusammengefasst aus, dass die J. auch hier mit ihrem Engagement kein Risiko eingegangen sei (act. 34 Rz. 208).

        Es bleibt unklar, was die Klägerin aus ihrem Einwand ableiten will. Es entspricht dem üblichen Geschäftsgebaren, dass eine Partei sich absichern will, wenn sie Geschäfte mit einer Gesellschaft resp. einem Konzern abschliesst, der in einer finanziellen Schieflage steht. Es ist damit völlig normal, dass die sich in einer finanziell schwierigen Lage befindliche Gesellschaft weitgehende Sicherheiten gewäh- ren muss, um überhaupt Geschäfte abschliessen zu können. Das ändert nichts daran, dass J. gewillt war, erhebliche Investitionen zu tätigen, indem sie von der A. Gruppe einen Aktienanteil der M. LLP für den Betrag von USD 15 Mio. kaufen wollte. Dies verschaffte der A. Gruppe wiederum einen Wertzuwachs, was als Sanierungsmassnahme zu erkennen ist.

      18. Am 21. März 2002 seien 1,2 Mio. und am 11. April 2002 seien weitere 2'287'865 neue Namenaktien platziert worden. Per 17. April 2002 habe die

        A. Holding 13'684'070 Namenaktien ausstehend gehabt, was einem Aktienkapital von CHF 136'840'700.- entsprochen habe. Im Rahmen der Rückerstattung von CHF 25 Mio. Bankschulden sei der A. AG sodann ein weiterer Forderungsverzicht durch das Bankenkonsortium in Höhe von CHF 25,7 Mio. gewährt worden (act. 22 Rz. 64).

        Die Klägerin streitet eine Relevanz dieser Ausführungen für die A. Trading ab (act. 34 Rz. 211). Hierzu ist auf die Ausführungen in Ziffer III. 3.3.1. der Erwä- gungen zu verweisen.

      19. Bei den Produktionskosten habe die Gewinnmarge gesteigert werden können. Aufgrund des Verkaufs eines Anteils von 51% an der von A. gegründeten M. LLP an J. sowie aufgrund des bereits geschilderten Forderungsverzichtes des Bankenkonsortiums habe auch ein Betriebsgewinn von CHF 4 Mio. erzielt werden können. Auch der Cash-Flow im ersten Halbjahr sei positiv gewesen. Nebst den Schulden hätten auch die Lagerbestände abgebaut werden können (act. 22 Rz. 64).

        Die Klägerin streitet eine Relevanz dieser Ausführungen für die A. Trading ab (act. 34 Rz. 211). Hierzu ist auf die Ausführungen in ZIffer III. 3.3.1. der Erwä- gungen zu verweisen.

      20. Für den Verwaltungsrat der A. Holding hätten Rechtsanwalt Dr.

        N. , der mit seiner Kanzlei die Sanierung der A. Gruppe begleitet habe, Dr. O. , ein angesehener Unternehmer, und Herr P. , bis Ende 2001 Chef Schweiz und Mitglied der Geschäftsleitung der [Bank], gewonnen werden können (act. 22 Rz. 65).

        Die Klägerin macht dazu geltend, dass der Umstand, dass die A. Holding für ihren Verwaltungsrat Personen mit Sanierungserfahrung rekrutiert habe, zeige, dass die Sanierung im Mai 2002 nicht als vollzogen betrachtet wurde (act. 34 Rz. 212).

        Hierzu ist festzuhalten, dass etwas anderes vom Beklagten nicht behauptet wird. Wenn er ausführt, dass Erfolge erzielt worden seien, erklärt er damit nicht, dass die Sanierungsbemühungen abgeschlossen waren. Das Gegenteil war offensichtlich der Fall, wie auch die Vorgehensweise der Beteiligten zeigt. Bereits aus dem Business Plan vom November 2001 war klar, dass die Sanierung kaum vor dem Jahr 2004 abgeschlossen sein würde (act. 23/19 S. 86). Man ruhte sich offensichtlich nicht auf den erreichten Zwischenzielen aus, sondern arbeitete stetig darauf hin, eine nachhaltige Sanierung zu erreichen. Was die Klägerin folglich aus ihrem Einwand ableiten will, bleibt unklar.

      21. Im September 2002 habe der Entwurf eines neuen Business Plans für die Gruppe vorgelegen. Gemäss dem neuen Business Plan hätte die Gruppe reorganisiert werden und einen klaren strategischen Fokus allein auf Consumer Märkte erhalten sollen. Man habe vier verschiedene Geschäftsbereiche entwickelt: , Retail, Kiosk und Service. Auf diese Weise hätte die organisatorische Struktur besser fokussiert, weniger komplex und damit effizienter werden und die Basis für grosse Kostenreduktionen bilden sollen. Die Restrukturierungsphase hätte Ende 2002 beendet und die Schulden hätten bis dann halbiert sein sollen. Ferner sei eine Kapitalherabsetzung und anschliessende Wiederaufstockung des Kapitals vorgesehen gewesen. Bei Umsetzung dieses Business Plans sei man davon ausgegangen und habe man davon ausgehen dürfen, dass schwarze Zahlen möglich sein würden (act. 22 Rz. 68).

        Die Klägerin wendet dazu ein, die A. Gruppe habe schon im November 2001 einen Business Plan vorgelegt gehabt, den sie nun offenbar im September 2002 verworfen und durch einen neuen ersetzt habe. Nach dem neuen Business Plan hätte die Gruppe reorganisiert und damit (erst) die Basis für Kostenreduktionen gebildet werden sollen. Die Restrukturierung habe (erst) Ende 2002 beendet sein sollen, bis dann (erst) hätten die Schulden halbiert sein sollen, und es sei weiter eine Kapitalherabsetzung und anschliessende Wiederaufstockung des Kapitals vorgesehen gewesen. Kurzum: Im September 2002 sei man mit der Sanierung der A. Gruppe auf Feld eins gestanden. Die A. Gruppe habe sich damit viel zu spät mit ihrer zukünftigen Ausrichtung auseinandergesetzt.

        Weshalb man davon hätte ausgehen dürfen, dass schwarze Zahlen möglich sein würden, lege der Beklagte nicht dar. Die Behauptung werde bestritten. Dass man sich nunmehr auf das Consumer konzentrieren wollte, hänge im Übrigen mit der Macht des Faktischen zusammen. Der entsprechende Entscheid sei nicht aus einer sorgfältigen und rechtzeitigen Evaluation von verschiedenen Möglichkeiten hervorgegangen. Für die überschuldete A. Trading sei der Business Plan irrelevant. Die Zeitperiode, welche dem Verwaltungsrat der A. Trading zu deren Sanierung zur Verfügung gestanden sei, sei im Übrigen bereits Ende Dezember 2001 abgelaufen (act. 34 Rz. 215 ff.).

        Der Klägerin ist zunächst entgegen zu halten, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn sich die Sanierungspläne resp. Business-Konzepte im Laufe einer Sanierungsphase ändern. Dies widerspiegelt, dass die Beteiligten die Wirkungen ihrer Massnahmen beobachteten und anpassten. Entsprechend erwähnt der Beklagte duplicando, was ohnehin anzunehmen war, dass der neue Business Plan auf dem Plan vom November 2001 aufbaute (act. 37 Rz. 364). Dass man deshalb auf Feld 1 war, ergibt sich daraus mitnichten. Die Sanierung eines Grosskonzerns, wie die A. Gruppe einer war, bedingt eine ständige Anpassung der Pläne an die neuen Umstände und ist notorischerweise ein langwieriger Prozess. Die Tatsache, dass die A. Trading im September 2002 einen neuen Businessplan vorlegte, zeigt auf, dass man konkrete Pläne hatte, wie die weitere Sanierung von statten gehen sollte. Beispielhaft kann auf die Einleitung des Planes verwiesen werden, in der erwähnt wird, dass die Belegschaft von ursprünglich 3'000 Personen bereits auf 1'200 Personen reduziert worden und eine weitere Reduktion bis im ersten Quartal 2003 auf 850 Personen vorgesehen sei

        (act. 23/37 S. 3). Dies verdeutlicht, dass massive Massnahmen zur Kostenersparnis getroffen worden waren und weiterhin getroffen werden sollten und dass man konkrete Pläne und Absichten hatte, wie die Gruppe in Zukunft wieder auf stabile Füsse gestellt werden sollte.

        Selbstverständlich ging man davon aus, dass nach der Umsetzung des Plans wieder schwarze Zahlen möglich sein würden. Andernfalls wäre der Plan mangelhaft gewesen und hätte überarbeitet werden müssen. Nur ein Plan mit einem positiven Ausgang war geeignet, sämtliche Beteiligten davon zu überzeugen, die Sanierungsbemühungen weiter voran zu treiben. Es ist auch nicht entscheidend, dass die Klägerin retrospektiv bestreitet, dass schwarze Zahlen hätten erreicht werden können. Wesentlich ist, dass die Beteiligten den Plan dannzumal berechtigt für realistisch und umsetzbar hielten. Wie das Geschäftsgebaren zeigte, war dies durchaus der Fall.

        In Bezug auf die Relevanz für die A. Trading sei auf die Ausführungen in Ziffer III.3.3.1. der Erwägungen verwiesen.

      22. Als sich im Sommer 2002 wieder die Liquiditätsknappheit abgezeichnet habe, sei die G. beauftragt worden, verschiedene Szenarien zu prüfen und zu entwickeln. Es seien die Projekte und entstanden. Das Projekt 2002 sei am 19. September 2002 dem Verwaltungsrat der A. Holding vorgestellt worden; das Project , z.T. auch als Project bezeichnet, am

        1. September 2002. In beiden Szenarios hätte die A. Trading überleben sollen (act. 22 Rz. 70 ff.).

        Die Klägerin führt aus, dass die Sicht der G. nicht vor dem Hintergrund der gesetzlichen Bestimmungen von Art. 725 OR zu sehen sei. Q. habe hier die Brille des Ökonomen und nicht diejenige des Juristen getragen. Was ihn in erster Linie interessiert habe, sei die für die Weiterführung der Gesellschaften notwendige Liquidität gewesen. Zur Pflicht des Verwaltungsrats zur Überschuldungsanzeige habe sich Q. nicht geäussert. Die G. habe festgehalten, dass die A. Trading sowohl zu Fortführungsals auch zu Liquidationswerten überschuldet gewesen sei und dies bereits per 31. Dezember 2001. Allein dieser Umstand sei für die Frage der Pflichtverletzung relevant. Die G. habe der

        A. Gruppe überdies keine Sanierungschancen eingeräumt (act. 34 Rz. 220 ff.).

        Zunächst ist der Klägerin entgegenzuhalten, dass sie sich selbst widerspricht, wenn sie einerseits behauptet, die G. habe die Bestimmung von Art. 725 OR nicht in ihre Erwägungen mit einbezogen, und andererseits eine Textstelle zitiert, worin die G. was folgt ausführte:

        Without the wide-ranging and coordinated agreement of most involved stakeholders (e.g. banks, J. , suppliers, major shareholders) a realization of Project

        is impossible to implement out of court.

        Frei übersetzt bedeutet dies, dass nach Ansicht der G. die Realisation des von ihr vorgeschlagenen Projekts nur dann ohne Mitwirkung eines Gerichts (aussergerichtlich) gelingen könne, wenn die meisten Anspruchsgruppen (letztlich Gläubiger und Aktionäre) mitwirken würden. Daraus wird aber ersichtlich, dass die G. das Gericht sehr wohl in ihre Überlegungen mit einbezog. Es wäre auch

        höchst fragwürdig, wenn eine Beraterin dieses Formats eine solche Überlegung in ihrer Planung unberücksichtigt gelassen hätte. Es trifft ferner nicht zu, dass die G._ mit den von der Klägerin wiedergegebenen Zitatstellen der A. Gruppe keine Überlebenschancen einräumte. Sie äusserte lediglich grosse Bedenken an der Durchführbarkeit der vorgeschlagenen Projekte.

        Im Übrigen kann auf die Ausführungen in Ziffer III.3.3.1. der Erwägungen verwiesen werden.

      23. Die Investorensuche sei intensiv vorangetrieben worden. So sei es gelungen, verschiedene erfolgversprechende Kontakte mit möglichen Investoren, darunter Investoren aus Italien und Dänemark, zu knüpfen. , eine dänische Gruppe, habe zunächst Interesse an gezeigt, sei dann aber auch interessiert gewesen, als lnvestorin direkt CHF 15-20 Mio. in die A. Holding und damit in die A. Gruppe zu investieren. Zur weiteren Reduktion der Kosten sei eine Massenentlassung beschlossen worden (act. 22 Rz. 76).

        Die Klägerin erwidert (act. 34 Rz. 232 ff.), dass mehr als zehn potentielle Investoren kontaktiert worden seien, jedoch keiner von ihnen sich bereit erklärt habe, in die A. Gruppe zu investieren. Dem Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats der A. Holding vom 3. Oktober 2002 lasse sich entnehmen, dass die Verwaltungsräte den Ernst der Lage nicht erkennen wollten. Der externe Berater R. habe anlässlich dieser Sitzung folgende Bemerkungen zu dem vom Verwaltungsrat geplanten Vorgehen auf den Punkt gebracht.

        R. recommends that

        • we have to speed up

        • the business has to be changed dramatically

        • the plans should be materialised.

          Aus dem Einwand der Klägerin lässt sich nichts zu Ungunsten des Beklagten ableiten. Die Klägerin gesteht ein, dass der Verwaltungsrat der A. Trading intensiv bemüht war, Investoren zu finden und damit die Sanierung weiter voranzutreiben. R. hat dem Verwaltungsrat offenbar gerade nicht geraten, den Konkurs anzumelden, sondern ausgeführt, dass man sich beeilen müsse, dass

          das Geschäft dramatisch geändert und die Pläne realisiert werden müssten. Daraus lässt sich einzig ableiten, dass die Konzernleitung Pläne hatte und diese rasch umsetzen sollte. Etwas anderes wird auch vom Beklagten nicht behauptet.

      24. Am 16. Oktober 2002 seien Vorschläge für Forderungsverzichte an die italienischen Banken versandt worden (act. 22 Rz. 78). Am 18. Oktober 2002 habe ein Entwurf für ein A. Holding Pool Agreement zwischen dänischen, italienischen und Schweizer Pool-Mitgliedern vorgelegen (act. 22 Rz. 79).

        Die Klägerin wendet ein, dass man nicht an Vereinbarungen gearbeitet, sondern Vorschläge unterbreitet habe (act. 34 Rz. 234). Zum Entwurf führt sie aus, dass es sich dabei lediglich um einen Entwurf der A. Holding gehandelt habe (act. 34 Rz. 235). Zusagen seien nicht vorgelegen. Und es sei auch nicht klar gewesen, wer die Vertragspartner sein sollten.

        Die Klägerin betreibt Wortklauberei, wenn sie die Unterbreitung von Vorschlä- gen von der Arbeit an Vereinbarungen unterschieden wissen will. Es ist selbsterklärend, dass eine Unternehmung, die als Bittstellerin auf die Gunst ihrer Vertragspartner angewiesen ist, in erster Linie die Entwürfe (Vorschläge) ausarbeiten und aushandeln muss. Auch dem zweiten Argument der Klägerin ist nichts abzugewinnen. Der Entwurf eines Vertrags ist die Grundlage einer Vereinbarung, die letztlich der Sanierung einer Gesellschaft oder gar eines Konzerns dienen kann.

      25. ln der Verwaltungsratssitzung der A. Holding vom 22. Oktober 2002 sei festgehalten worden, dass bisher kein Letter of lntent von einem Investor vorgewiesen werden könne. Die Chance, dass die dänische Gruppe in die

        A. Gruppe investieren werde, liege bei 50-60%. Die Oktoberlöhne seien ebenso wie die Sozialabgaben und die Zahlungen an den Pensionsfonds gesichert. Der benötigte Cash, um den November zu überleben, betrage CHF 6 Mio., derjenige für den Dezember CHF 5 Mio. S. , ein möglicher italienischer Investor, sei immer noch interessiert. Als potentielle Co-Investoren würden Group, Foundation sowie die dänische Gruppe verbleiben. Es sei weiter festgehalten worden, dass es zwei Optionen gebe: man könne eine Auffanggesellschaft gründen, welche von S. geführt würde und eine gewisse Zahl an

        Angestellten übernehmen könnte, oder man könne die Gesellschaft weiterführen und Darlehensgeber für die Novemberlöhne suchen. Es gebe sodann Interessenten für einen Kauf von und dem Shop. Management buy-outs würden mit zwei der Verkaufsgesellschaften (Spanien und Deutschland) besprochen. überlege sich eine Übernahme des Spare-part Business in den USA. Es sei entschieden worden, dass eine Gruppe von Darlehensgebern bis zum 31. Oktober 2002 ein Darlehen in Höhe von CHF 6 Mio. zusichern sollte, welches bis zum 20. November 2002 für die Bezahlung der Novemberlöhne bereitgestellt sein müsste. Sollte am 31. Oktober 2002 der Bridge Loan in Höhe von CHF 6 Mio. nicht gesichert sein und S. keinen Plan und keine Verpflichtungserklärung zur Durchführung einer Due Diligence aufgezeigt haben, würde der Verwaltungsrat den Richter informieren (act. 22 Rz. 80).

        Die Klägerin führt dazu aus, dass aus dem Protokoll wieder einmal der Überoptimismus der Führungscrew hervorgehe. Es sei im damaligen Zeitpunkt keine einzige Zusicherung eines Investors vorgelegen. Zu S. sei im Protokoll Folgendes festgehalten:

        S. has made it clear that he mistrusts the figures who were presented to him. He wants to do a neutral due diligence which should show whether the case is confirmed as it is presented on the paper. He thinks that the due diligence would only be finished by November 15. S. stated that the payment of the November salaries is not his problem. He also stated that he is only willing to analyse without commitment.

        Interessant sei überdies, dass N. in den Raum gestellt habe, dass K. und der Beklagte nicht am Entscheid betreffend Bilanzdeponierung teilhaben können sollten, weil sie ein persönliches Interesse am Fortbestand der Gesellschaft hätten.

        Objektiv betrachtet habe keine Hoffnung mehr auf einen Turnaround der A. Gruppe bestanden. Das Protokoll zeige die Orientierungsund Ratlosigkeit des Verwaltungsrats der A. Holding. Man habe sich primär darum bemüht, die Liquidität für die Novemberlöhne aufzutreiben. Ein konkretes Konzept, wie man

        weitergehen sollte, habe man nicht gehabt. So sei etwa die Rede gewesen von einer Auffanggesellschaft bzw. der Weiterführung der Gesellschaft und von einem allfälligen Verkauf von , und bzw. von Management-buy-outs, wobei bei beidem die Zustimmung von J. nötig gewesen wäre und zudem Investoren für den nötigen Überbrückungskredit hätten gefunden werden müssen. Daneben hätten die Steuerbehörden auf die geschuldeten Steuern und die Arbeitnehmer auf den 13. Monatslohn verzichten müssen. Diesen geplanten Schritten seien keine grossen Erfolgsaussichten zuzubilligen gewesen. Man sei auf verlorenem Posten gestanden und habe lediglich zu Lasten der Gläubiger die Liquidation verzögert (act. 34 Rz. 234 ff.).

        Auch die Klägerin bestätigt folglich die Ausführungen des Beklagten, wonach

        S. nach wie vor an Geschäften mit der A. Holding interessiert gewesen sei. Zwar hatte sie offenbar Zweifel an den ihr vorgelegten Zahlen. Gleichwohl war sie bereit, eine neutrale due diligence durchzuführen, was nicht zu erwarten gewesen wäre, wäre sie davon ausgegangen, der A. -Konzern sei nicht mehr zu retten. Unbestritten geblieben ist die Behauptung, es habe noch weitere Interessenten für andere Gesellschaftsteile gegeben. Ebenfalls unbestritten geblieben ist, dass es neben S. noch andere potentielle Co-Investoren gegeben hat. Ferner behauptet die Klägerin zwar, die Führungscrew habe ihre Einschätzungen allzu optimistisch gemacht. Sie bestreitet aber nicht, dass die Chancen für eine Investition der dänischen Gruppe bei 50-60% gelegen sei. Zum Entscheid, dass bis zum 31. Oktober 2002 der Bridge Loan gesichert sein und S. zumindest eine Verpflichtungserklärung zur due diligence abgegeben haben müsse, andernfalls man den Richter informieren werde, macht die Klägerin keine Ausführungen. Dieser Entscheid erscheint aber wesentlich bei der Frage, ob die Führungscrew tatsächlich durch die rosarote Brille sah. Diese kurze Fristansetzung zeigt auf, dass sich der Verwaltungsrat der prekären Lage bewusst war und nicht unbesehen zuwarten wollte. Entgegen der klägerischen Darstellung wird mit diesem Entscheid aber das Bild eines vernünftig handelnden Verwaltungsrates geschaffen, der seine Chancen und Risiken zeitgerecht und ernsthaft zu beurteilen suchte, um sich keine Pflichtverletzung zu Schulden kommen zu lassen.

      26. ln einer Email vom 31. Oktober 2002 habe Herr L. an die Verwaltungsräte der A. Holding geschrieben, dass er grundsätzlich bereit sei, CHF 9 Mio. Cash für eine Lösung beizutragen. CHF 5 Mio. sollten eine direkte Investition in Form einer Wandelleihe an A. Holding darstellen und CHF 4 Mio. sollten in Form eines gesicherten, verzinslichen Darlehens an Herrn K. erfolgen, so dass auch dieser an der Investition der notwendigen CHF 15 Mio. teilnehmen könnte. Der Beklagte würde Herrn K. ebenfalls CHF 1 Mio. gegen Sicherheit leihen, so dass die drei Herren je CHF 5 Mio. beitragen würden. Auch habe Herr L. sich grundsätzlich bereit erklärt, für seine eigenen Forderungen unter bestimmten Voraussetzungen Verzichte abzugeben (act. 22 Rz. 83).

        Die Klägerin führt hierzu aus, dass sich aus der Email von L. entnehmen lasse, dass er nur unter gewissen ganz konkreten Bedingungen bereit gewesen sei, nochmals Geld in die A. Gruppe zu stecken. So habe er unter anderem die Erneuerung des Management Teams und die Beschränkung der Löhne auf maximal CHF 250'000 angeregt. Er habe demnach auf die Belange der A. Gruppe Einfluss nehmen wollen (act. 34 Rz. 241).

        Wesentlich ist vorliegend, dass L. , der selbst Gründungsaktionär der

        A. Trading und Gründer des Unternehmens A. war (act. 1 Rz. 17; act. 34 Rz. 108) und damit bestens im Bild über die finanzielle Lage des Konzerns sein musste, bereit war, unter gewissen Bedingungen weitere Beträge in Millionenhöhe in den Konzern zu investieren. Wäre er davon ausgegangen, dass die A. Gruppe nicht mehr zu retten sei, wäre diese Bereitschaft vernünftigerweise kaum zu erwarten gewesen. Selbstverständlich knüpfte er seine Bereitschaft an Bedingungen, wie dies jede vernünftig handelnde Person in seiner Position getan hätte; schliesslich war das Geld alles andere als gesichert.

      27. In der Verwaltungsratssitzung der A. Holding vom 31. Oktober 2002 sei mitgeteilt worden, dass man mit den italienischen Banken ein gutes Meeting gehabt habe und die Banken innert der nächsten 10 Tage Bescheid geben wür- den. J. habe signalisiert, dass sie Gründe für einen Forderungsverzicht sä- hen. S. werde sich bis am 18. November 2002 entscheiden. Die dänische Gruppe wolle etwa CHF 3-4 Mio. als Co-lnvestorin beitragen. Mit der Foundation und der Group solle momentan nicht mehr weiter verhandelt werden. Eine Schweizer Investorengruppe wolle den Swing Loan gewähren, um die Novemberlöhne zu sichern (act. 22 Rz. 84).

        Die Klägerin führt dazu aus, dass es Tatsache sei, dass die italienischen Banken bis am 31. Oktober 2001 [recte wohl: 2002] noch nicht über einen Forderungsverzicht entschieden hätten. Betreffend Bereitschaft von J. stehe im Protokoll lediglich J. has signaled that they see the reason for a forgiveness Daraus lasse sich kein Einverständnis mit einem Forderungsverzicht ableiten. Die Schweizer Investorengruppe habe aus dem Beklagten und L. bestanden. Diese hätten sich den Überbrückungskredit durch Debitorenzession absichern lassen wollen. Dazu hätten die Banken zustimmen müssen. Dass diese nicht gewillt gewesen wären, eine solche Zustimmung abzugeben, sei absehbar gewesen. Sie hätten in der Folge tatsächlich die Zustimmung verweigert. Der andiskutierte Überbrückungskredit sei nie Realität geworden (act. 34 Rz. 242 ff.).

        Die Klägerin bestreitet damit die Behauptungen des Beklagten nicht oder zumindest nicht ausreichend substanziiert. Sie führt nicht aus, dass die Absichtserklä- rungen nicht vorgelegen hätten, sondern betont, dass die potentiellen Investoren sich noch nicht entschieden hätten resp. dass die Erklärung nicht aus dem vom Beklagten eingereichten Beweismittel hervorgehe. Der Beklagte behauptet aber nichts Gegenteiliges. Damit sind die Ausführungen nicht bestritten und demnach ist irrelevant, ob die genannten Beweismittel zum Beweis taugen. Dass der Beklagte und L. ihre Forderungen absichern wollten, schmälert den Wert des Angebots nicht. Schliesslich waren die Banken nicht bereit, in das Geschäft einzuwilligen. Retrospektiv betrachtet mag dies offensichtlich gewesen sein. Berücksichtigt man aber, dass die Banken bis zum damaligen Zeitpunkt bei der Sanierung vergleichsweise grosszügig mitwirkten und sie aufgrund erheblicher Investitionen ein grosses Interesse am Überleben der A. Gruppe hatten, konnte durchaus nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch dieses eine Mal mitmachen würden. Selbst am 18. November 2002 waren die Banken unter bestimmten Bedingungen somit zu weiteren unterstützenden Massnahmen gegenüber der

        A. Gruppe bereit.

      28. Zusammenfassung und Gesamtschau

        Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten: Die Klägerin wirft dem Beklagten resp. dem Verwaltungsrat der A. Trading vor, über ein Jahr lang planlos einzelne Sanierungsbemühungen getroffen zu haben. Die einzelnen Massnahmen seien im Wesentlichen darauf ausgerichtet gewesen, die Liquidität zu erhö- hen, was zu nichts weiter geführt habe, als dass der Konkurs hinausgezögert worden sei. Die meisten Massnahmen seien sodann nicht auf Stufe der A. Trading erfolgt und wären in casu demnach irrelevant (act. 34 Rz. 279 ff.).

        Wie vorab aufgezeigt wurde, versuchte die Konzernleitung der A. Gruppe ihr Möglichstes, um den Konzern zu retten. Dies wurde von L. in seiner Email vom 31. Oktober 2002 auch einmal treffend erwähnt mit den Worten: Thank you are [recte wohl: all] for your engagement which is certainly above what can be expected from a board (act. 23/49). Es ist kein Zeitraum ersichtlich, in dem die Verantwortlichen die Zügel locker liessen, sodass sie sich heute dem Vorwurf der Untätigkeit stellen müssten. Dies wurde notabene auch bereits in den Urteilen des Handelsgerichts vom 14. Januar 2008 festgestellt (HG050151 und HG050179 [act. 27/1-2]).

        In der Gesamtschau wird ersichtlich, dass die Konzernleitung sehr wohl ein ernsthaftes und realistisches Sanierungskonzept verfolgte. Dieses zieht sich wie ein roter Faden durch die Sanierungsgeschichte und wurde unter anderem in den Business Plänen vom November 2001 resp. September 2002 sowie in den Geschäftsberichten klar hervorgehoben. Primäres Ziel war die Anpassung der Kostenstruktur (act. 22 Rz. 65; act. 23/24; act. 37 Rz. 313); diese sollte durch eine massive Personalreduktion (act. 22 Rz. 76; act.23/19 S. 5; act. 23/24; act. 37 Rz. 88 und 172) und dem Verkauf verschiedener Gesellschaften resp. Gesellschaftsanteile (act. 22 Rz. 40; act. 37 Rz. 313), der Stilllegung von Produktionsstätten (act. 37 Rz. 313), dem Abbau des Warenvorrats (act. 22 Rz.64; act. 23/34 S. 8 f.), der Konzentration der Forschungsausgaben und der Umstrukturierung des Konzerns in vier Geschäftsbereiche (act. 22 Rz. 68 und 72; act. 37 Rz. 313) erreicht werden. Zur Umsatzsteigerung wurden im Gegenzug verschiedene neue Produkte auf dem Markt lanciert (act. 22 Rz. 57 und 62) und Allianzen mit ehemaligen

        Konkurrenten (J. ; act. 22 Rz. 57) gebildet. Zudem wurden Forderungsverzichte in dreistelliger Millionenhöhe eingeholt (act. 22 Rz. 51). Es trifft somit offensichtlich nicht zu, dass die A. Gruppe - wie von der Klägerin behauptet - planlos einzelne Sanierungsbemühungen getroffen hat, welche im Wesentlichen darauf ausgerichtet gewesen seien, die Liquidität zu erhöhen, was zu nichts weiter geführt habe, als dass der Konkurs hinausgezögert worden sei. Zwar trifft es zu, dass eine Vielzahl der vom Beklagten aufgeführten Massnahmen in erster Linie der Erhöhung der Liquidität dienten. Dies ist aber nicht zu beanstanden. Naturgemäss benötigt die rigorose Reorganisation eines Konzerns, wohlverstanden mit mehreren tausend Mitarbeitern, verteilt auf über 20 Länder (act. 22 Rz. 17), viel Zeit. Ein Konzern mit hohen Fixkosten kommt damit notgedrungen in Liquiditätsengpässe, die es zu überbrücken gilt, bis die Umstrukturierungsmassnahmen Wirkung zeigen. Ein Zeitraum von zwei Jahren erscheint dabei nicht übermässig lang. Dieser Umstände waren sich alle Beteiligten bewusst, wie sich beispielsweise aus dem Business Plan vom November 2001 ergibt, worin festgehalten wurde, dass die A. Gruppe nicht vor dem Jahr 2004 zu einer wettbewerbsfähigen Profitabilität zurückfinden würde (Before 2004 A. will not return to a competitive profitability; act. 23/19 S. 82). Die Erhöhung der Liquidität ist indes auch während einer Verlustphase als bundesgerichtskonforme Massnahme (siehe dazu das Urteil des Bundesgerichts 4C.366/2000 vom 19. Juni 2000 E. 5a ) zu bezeichnen, wenn sie in ein aussichtsreiches Sanierungskonzept eingebettet ist. Dass die Massnahmen in ein Sanierungskonzept eingebettet waren, wird aus der Gesamtschau, wie gesagt, ohne weiteres ersichtlich.

        Zur Frage, ob das Sanierungskonzept aussichtsreich war, gilt es Folgendes festzuhalten: Es war den Beteiligten von Anfang an klar, dass die Sanierung des Konzerns ein höchst schwieriges Unterfangen würde und nur gelingen würde, wenn zahlreiche Bedingungen erfüllt würden, namentlich die Mitwirkung der beteiligten Banken gewährleistet war; dies insbesondere deshalb, weil nur ein knappes Zeitfenster zur Verfügung stand, innert dem die Sanierungsmassnahmen Wirkung zeigen mussten und während dem der massive Liquiditätsbedarf gedeckt werden musste. Die Konzernleitung umgab sich durchwegs mit fachkundigen Beratern (act. 22 Rz. 39 und 211; act. 23/10; act. 23/38; act. 23/41; act. 34 Rz. 92; act. 37

        Rz. 233). Diese wiesen zwar namentlich in den Projekten 2002 und auf die Überschuldung der A. Trading hin (act. 23/39 S. 6; act. 23/40 S. 7;

        act. 41), schlossen jedoch - und dies ist entscheidend - die Möglichkeit einer Sanierung nicht aus. Dies gilt auch für das Projekt resp. . Zwar wies die

        G. darauf hin, dass die Machbarkeit dieses Projektes nur mit einer weiträu- migen Vereinbarung mit den meisten Gläubigern möglich sein würde (Without the wide-ranging and coordinated agreement of most involved stakeholders [e.g. banks, J. , suppliers, major shareholders] a realization of Project is impossible to implement out of court.). Damit sagte sie aber gerade nicht - wie es die Klägerin behauptet (act. 34 Rz. 220 ff.) - dass die Umsetzung des Projekts unmöglich wäre. Angesichts des bis zu diesem Zeitpunkt Erreichten, schien das Ziel nicht unerreichbar. Auch die Zahlen erweckten den Anschein, als könnte die Abwärtsspirale, in der sich die A. Gruppe seit Anfang 2001 befand, gestoppt werden: Die Bruttogewinnmarge konnte gesteigert, der Betriebsverlust und der Reinverlust massiv reduziert werden (act. 23/34 S. 6). Am 18. November 2002 erklärte sich die I. sogar noch dazu bereit, mit den übrigen Mitgliedern des Bankenkonsortiums eine Verlängerung der unter dem Konsortialkreditvertrag bis am 31. Januar 2003 der A. Trading zur Verfügung gestellten Kreditfazilität zu prüfen (act. 22 Rz. 90; act. 23/56; nicht bestritten in act. 34 Rz. 253). Diese Bereitschaft war selbst am 18. Dezember 2002 noch vorhanden (act. 22 Rz. 103; act. 23/72; nicht bestritten in act. 34 Rz. 270). Damit ist erstellt, dass selbst die unmittelbar betroffenen Gläubiger nicht ausschlossen, dass der Turnaround noch geschafft werden konnte. Dies lässt sich nur damit erklären, dass die Banken von den bisherigen Sanierungsbemühungen überzeugt waren. Hätten diese den Eindruck gewonnen, die Konzernleitung handle planlos, wären sie mit Sicherheit nicht bereit gewesen, die Frist für die Rückzahlung unter bestimmten Umständen weiter zu erstrecken. Damit erweist sich als erstellt, dass die Sanierungsmassnahmen zumindest im relevanten Zeitraum, d.h. bis zum 31. Oktober 2002, durchaus erfolgversprechend waren. Die Einwendungen der Klägerin zu den einzelnen Massnahmen greifen damit nicht.

      29. Toleranzfrist

In Bezug auf die Toleranzfrist führt die Klägerin aus, dass die A. Trading während beinahe einem Jahr überschuldet gewesen sei, womit die bundesgerichtliche Toleranzfrist von wenigen Wochen bis zur Konkursanmeldung im Sinne von Art. 725 Abs. 2 OR massiv überschritten worden sei (act. 34 Rz. 7 und 154). Der Beklagte bestreitet, dass es eine derartige bundesgerichtliche Praxis geben soll und macht geltend, dass die zeitweise erwähnte Frist von 4-6 Wochen lediglich die Frist darstelle, innert der Sanierungsmassnahmen ergriffen werden müssten. Keinesfalls müsse innert dieser Frist die Sanierung erfolgreich abgeschlossen werden (act. 37 Rz. 69 ff.).

Vorab ist festzuhalten, dass auch hier gilt, dass die A. Trading angesichts der engen Verflechtung mit der A. Holding nicht gesondert zu berücksichtigen, sondern eine konsolidierte Betrachtung des Konzerns notwendig ist (zur Begründung siehe dazu die Ausführungen in Ziffer III.3.3.1. der Erwägungen).

Das Bundesgericht hat sich zur Frage der Toleranzfrist mehrfach geäussert (siehe dazu Urteil 9C_463/2011 vom 14. Juli 2011 E. 6.2; Urteil 9C_330/2010 vom

18. Januar 2011 E. 5.2; BGE 132 III 564 E. 5.1[=Pra 96 {2007} Nr. 57]; Urteil

6B_492/2009 vom 18. Januar 2010 E. 2.2; Urteil 4C.366/2000 vom 19. Juni 2001

E. 4b; siehe auch RICO A. CAMPONOVO, Benachrichtigung des Konkursrichters durch die Revisionsstelle, Rückblick auf 20 Jahre - offene Fragen, in: Der Schweizer Treuhänder 2012|6-7, S. 400 ff.). Eine verbindliche Richtlinie zur Dauer der Toleranzfrist hat sich daraus indessen nicht entwickelt. Das Bundesgericht schwankt zwischen unbeschränkter Zeitgewährung und engster Fristanwendung, wobei Letztere namentlich bei kleinen Gesellschaften, übersichtlichen Verhältnissen und bei völliger Inaktivität in punkto Sanierung angewandt wurde. In Bezug auf den vorliegenden Fall rechtfertigt sich die Hervorhebung von E. 4b aus dem Urteil 4C.366/2000 vom 19. Juni 2001, worin das Bundesgericht festhielt was folgt (Hervorhebung nicht im Original):

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können bei Überschuldung der Aktiengesellschaft konkrete Aussichten auf Sanierung rechtfertigen, von einer sofortigen Benachrichtigung des Richters gemäss Art. 725 Abs. 2 OR abzusehen, sofern die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger nicht durch eine neuerliche Verschlechterung der finanziellen Lage gefährdet werden. Die Verwaltung handelt nicht schuldhaft, wenn sie unverzüglich saniert,

statt sich an den Richter zu wenden, und in einer schwierigen Lage tut, was vernünftigerweise von einem Unternehmer erwartet werden darf (BGE 116 II 533 E. 5a S. 541; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 50 Rz. 212; Senn, Die Haftung des Verwaltungsrates bei der Sanierung der AG, Diss. Basel 2001, S. 88 f.; Koeferli, Der Sanierer einer Aktiengesellschaft, Diss. Zürich 1994, S. 159 f., je mit Hinweisen, zweifelnd Homburger, Zürcher Kommentar, N. 1255 ff. zu Art. 725 OR; Witmer, Der Rangrücktritt im schweizerischen Aktienrecht, Diss. St. Gallen 1999, S. 120 ff. mit Hinweisen).

Im vorliegenden Fall erscheint es primär angebracht, die Grösse des Konzerns und die damit verbundene Komplexität im Rahmen der Umstrukturierung mit zu berücksichtigen. Die A. Gruppe war anfangs 2000 ein Konzern mit 3'000 Mitarbeitern. Nachdem die Geschäfte der A. Gruppe bis Mitte 2000 sehr erfreulich verlaufen waren, traten im zweiten Halbjahr 2000 Qualitätsprobleme bei einem Minilabormodell auf. Dies, getrübte wirtschaftliche Aussichten, insbesondere in den USA, das Zögern der Kunden beim Wechsel in eine digitale Produktgeneration und der gleichzeitige Rückgang der Nachfrage nach den bisherigen analogen Produkten führten im Jahre 2001 zu starken Umsatzrückgängen von über 50% (act. 22 Rz. 19; act. 23/19 S. 5). Weil man zuvor auch von der just in timeProduktion abgekommen war, waren die Fixkosten der A. Gruppe innert kürzester Zeit massiv zu hoch und mussten abgebaut werden. Dass dieser Abbau bei einer derartigen Konzerngrösse Zeit in Anspruch nimmt, liegt auf der Hand. Die Konzernleitung leitete umgehend einschneidende Massnahmen ein. So reduzierte sie den Personalbestand innerhalb eines Jahres um rund 60% und stellte per November 2001 bereits ein neues Konzept, einen Business Plan, auf. In diesem analysierte sie Stärken und Schwächen des Konzerns und zeigte gestützt darauf auf, wie der Konzern wieder wettbewerbsfähig und gewinnbringend strukturiert werden sollte (siehe dazu die Ausführungen in Ziffer III.3.3.28. der Erwä- gungen). Es wirkte realitätsfremd, hätte man der Konzernleitung der A. Gruppe dannzumal, als die Gesellschaft nach klägerischen Angaben zwischenzeitlich überschuldet war, nur noch eine sechswöchige Frist eingeräumt, um den Konzern zu sanieren. Diese Auffassung deckt sich mit einem Grossteil der Lehre (siehe dazu PETER FORSTMOSER, Der Richter als Krisenmanager, a.a.O., S. 280 f.; FoRSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996 § 50 N. 212; ALEXANDER DUBACH, Handlungsalternativen des Verwaltungsrates bei

Überschuldung der AG, ST 1997/1-2, S. 55 ff.; TERCIER/STOFFEL Das Gesellschaftsrecht 2000/2001, SZW 73 (2001), S. 284; LUKAS GLANZMANN Die Pflichten des Verwaltungsrates und der Geschäftsführung in finanziellen Krisensituationen, in: Vito Roberto (Hrsg.), Sanierung der AG, Ausgewählte Rechtsfragen für die Unternehmenspraxis, Zürich 2003, S. 53; RALPH MALACRIDA Neuer Wind im Restrukturierungsrecht, Kurswechsel im Gläubigerschutz, GesKR 2 (2007), S. 255; HANSPETER WÜSTINER, a.a.O., Art. 725 N. 40a.). Es ist deshalb im Sinne der Rechtsprechung im Urteil 4C.366/2000 vom 19. Juni 2001 darauf abzustellen, was vom vernünftig handelnden Unternehmer erwartet werden kann. Folgerichtig kommt man zum Schluss, dass die Sanierungsfrist solange Bestand haben musste, als ernsthafte und aussichtsreiche Sanierungsbemühungen erfolgten. Dies war nach dem Gesagten mindestens aber bis zum 31. Oktober 2002, d.h. bis zum Austrittsdatum des Beklagten aus dem Verwaltungsrat, der Fall. Der Vorwurf, dass der Beklagte resp. die Konzernleitung eine Toleranzfrist verpasst habe, greift folglich nicht.

    1. Fazit

      Es ist somit erstellt, dass die Konzernleitung der A. Gruppe mindestens bis zum 31. Oktober 2002 sachdienliche Sanierungsbemühungen zeitgerecht unternahm und deren Erfolgsaussichten intakt waren, sodass sich eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs aus unternehmerischer Sicht ohne weiteres rechtfertigte, weil die Sanierungschancen die -risiken deutlich überwogen.

      Solange aber realistische Aussicht auf eine Sanierung des gesamten Konzerns und mit ihm der A. Trading bestand, durfte der Verwaltungsrat der A. Trading mit der Bilanzdeponierung zuwarten, ungeachtet der Frage, ob die

      A. Trading zwischen Oktober 2001 und Oktober 2002 ständig im Sinne von Art. 725 Abs. 2 OR überschuldet war.

      Eine Pflichtverletzung des Beklagten liegt damit nicht vor.

    2. Weitere Pflichtverletzungen des Beklagten

Die Klägerin hat ihr Rechtsbegehren in der Replik dahingehend abgeändert bzw. präzisiert, dass sie nur noch Schadenersatz aus Konkursverschleppung fordert (act. 34 S. 2). Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie nicht an den in der Klageschrift geltend gemachten weiteren Pflichtverletzungen (act. 1 Rz. 61 ff. und 242 ff.) festhält. Überdies hätte sie diese Pflichtwidrigkeiten keinen konkreten Schadenspositionen zugeordnet. Damit würde sich das Begehren in diesem Umfang ohnehin als unsubstanziiert erweisen. Wie nachfolgend zu zeigen sein wird, ist das Begehren auch mangels Schaden abzuweisen, was die Ausführungen zu angeblichen Pflichtverletzungen ebenfalls als irrelevant erscheinen lässt.

  1. Schaden im Besonderen

    Wollte man entgegen den voran stehenden Erwägungen von einer Pflichtverletzung des Beklagten ausgehen, wäre die Schadenersatzklage gleichwohl abzuweisen. In diesem Fall würde Folgendes gelten:

    1. Allgemeines zum Rechtlichen

      Besteht der Schaden - wie hier in der Hauptsache behauptet - in der Vergrösserung der Verschuldung der Konkursitin, welche durch eine verspätete Konkurserklärung entstanden ist (vgl. Art. 725 Abs. 2 und 729b Abs. 2 OR), im sogenannten Fortführungsschaden zufolge Konkursverschleppung, so ist die tatsächlich eingetretene Überschuldung der Konkursitin mit jener zu vergleichen, die bei einem Konkurs zum früheren Zeitpunkt bestanden hätte. Der Schaden, der durch eine verzögerte Konkurseröffnung entstanden ist, kann bundesrechtskonform in der Weise festgestellt werden, dass der aus den Buchhaltungsunterlagen ersichtliche Saldo im Zeitpunkt der Verletzung der Benachrichtigungspflicht mit dem (höheren) Verlust im Zeitpunkt der tatsächlich erfolgten Konkurseröffnung verglichen wird. Es gilt also, den Vermögensstand der Gesellschaft bei Konkurseröffnung mit dem Vermögen zu jenem Zeitpunkt zu vergleichen, auf welchen die eingeklagten Organe bzw. die Revisionsgesellschaft nach klägerischer Behauptung die Konkurseröffnung bei pflichtgemässem Handeln hätten herbeiführen müssen. Zu diesem Zweck kann der Überschuldungsgrad einzig gestützt auf Liquidationswerte ermittelt werden, denn die Konkurseröffnung zieht die Auflösung der Gesellschaft

      nach sich (Art. 736 Ziff. 3 OR) und deren Liquidation nach den Regeln des Konkursrechts (Art. 740 Abs. 5 OR). In diesem Stadium hat der Fortführungswert, da der gewöhnliche Geschäftsbetrieb eingestellt wird, diesbezüglich seine Bedeutung verloren. Wenn der Vorwurf dahin geht, der Konkurs sei verzögert worden, darf der Schaden nach dem Gesagten nicht als Differenz zwischen dem Liquidationswert bei effektiver und dem Fortführungswert zum Zeitpunkt der pflichtwidrig unterlassenen Benachrichtigung des Richters definiert werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_462/2009 vom 16. März 2010 E. 3.2 und 3.2.2; siehe auch Urteil

      des Bundesgerichts 4A_324/2011 vom 16. Januar 2012 E. 2.1).

    2. Entscheidrelevante Frage

      Zwischen den Parteien ist unter anderem umstritten, ob die Verrechnungsliberierung vom 16. Dezember 2002 bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen ist oder ob diese erfolgreich angefochten wurde und deshalb ungültig ist. Am

      16. Dezember 2002 erhöhte die A. Trading ihr Aktienkapital um CHF 95 Mio. Gezeichnet wurden die Aktien durch die A. Holding. Die Liberierung erfolgte durch Verrechnung mit einer Darlehensforderung der A. Holding gegenüber der A. Trading (act. 1 Rz. 49).

      Die Klägerin stellt sich auf den Standpunkt, dass die Verrechungsliberierung sowohl nach Art. 286 SchKG wie auch nach Art. 288 SchKG anfechtbare Rechtshandlungen darstellen würden, der Anfechtungsanspruch rechtsgültig und rechtzeitig geltend gemacht worden und der nunmehr kollozierte Betrag von CHF 95 Mio. deshalb bei der Berechnung des Fortführungsschadens zu berücksichtigen sei (act. 34 Rz. 63 ff.).

      Der Beklagte wendet dagegen ein, die Klägerin gehe zu Unrecht über diese Kapitalerhöhung hinweg und mache fälschlicherweise geltend, die Kapitalerhöhung sei erfolgreich angefochten worden und entsprechend ungültig. Zwar habe die Konkursverwaltung der A. Holding einmal in einem Schreiben eine paulianische Anfechtung vorbehalten, doch sei innert der zweijährigen Verwirkungsfrist keine Klage eingereicht worden. Eine Klage oder Einrede in einem Gerichtsoder sonstigen Verfahren nach SchKG wäre aber nötig gewesen, um die Verwirkungsfrist

      von Art. 292 SchKG zu wahren. Ungenügend und unzulässig zur Wahrung der Verwirkungsfrist sei nach herrschender Lehre eine Anfechtungserklärung, die aussergerichtlich und einseitig seitens einer Konkursverwaltung ergehe. Die Forderungseingabe vom 3. November 2003 habe deshalb die Verwirkungsfrist von Art. 292 SchKG nicht zu wahren vermocht. Überdies wäre eine Schenkungspauliana ohnehin am fehlenden erheblichen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung gescheitert; auch die Voraussetzungen für die Absichtspauliana wären nicht erfüllt gewesen. Selbst wenn die Konkursverwaltung die nicht bestehende Forderung der A. Holding kolloziert habe, dürfe diese bei der Ermittlung der Überschuldung nicht berücksichtigt werden (act. 22 Rz. 130 ff.; act. 37 Rz. 36 ff. und 52 ff.).

      Es stellt sich nachfolgend die Frage, ob der Forderungsverzicht der A. Holding resp. die Verrechnungsliberierung erfolgreich angefochten und die Forderung der A. Holding von CHF 95 Mio. bei der heutigen Schadensberechnung zu berücksichtigen ist oder ob von dem von der Klägerin errechneten Fortführungsschaden die Forderung von CHF 95 Mio. in Abzug zu bringen ist, was zur Folge hätte, dass die Klage auch mangels Fortführungsschaden abzuweisen wäre.

    3. Gegenstand der Anfechtung im Sinne von Art. 285 ff. SchKG

      Anfechtbar sind nur Rechtshandlungen, die vom anfechtenden Schuldner (in casu die A. Holding) vorgenommen worden sind. Der Begriff der Rechtshandlung ist dabei im weitesten Sinne des Wortes zu verstehen und geht wesentlich weiter als etwa der Begriff des Rechtsgeschäftes. Es muss jedoch stets ein Verhalten des Schuldners selbst oder eines von ihm bestellten Vertreters im Spiele sein, damit Anfechtungsansprüche im Sinne der Art. 285 ff. SchKG entstehen können. Handlungen von Dritten, die ohne jede Mitwirkung des Betreibungsschuldners erfolgen, bilden nach schweizerischem Recht keine genügende Voraussetzung für die Erhebung einer Anfechtungsklage (BGE 95 III 83 E. 4a). Eine von der Klägerin erklärte Verrechnung ist also auf diesem Wege nicht anfechtbar. Hingegen kann die Klage die Handlung des Schuldners zum Gegenstande haben, durch welche

      er die Gegenpartei in die Lage versetzte, die Verrechnung vorzunehmen (BGE 57 III 142 E. 2).

      Soweit die Verrechnungserklärung im vorliegenden Fall folglich durch die A. Trading und nicht die A. Holding erfolgte, ändert dies nichts daran, dass die Konkursverwaltung der A. Holding das Rechtsgeschäft anfechten konnte. Ihre Anfechtung richtete sich gegen die Aktienliberierung, welche die Verrechnung überhaupt erst ermöglichte (siehe act. 23/79). Damit ist der diesbezügliche Einwand des Beklagten in act. 37 Rz. 31 f. entkräftet.

    4. Rechtsnatur der Frist nach Art. 292 SchKG

      Mit der Anfechtungsklage sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind (Art. 285 Abs. 1 SchKG). Das Anfechtungsrecht ist verwirkt nach Ablauf von zwei Jahren seit Zustellung des Pfändungsverlustscheins resp. seit der Konkurseröffnung (Art. 292 SchKG). Dabei handelt es sich um eine Verwirkungsfrist, die nicht unterbrochen werden kann (Urteil des Bundesgerichts 5A_359/2010 vom 23. August 2010).

    5. Wahrung der Verwirkungsfrist

      Über die A. Trading wurde am 30. Dezember 2002 der Konkurs eröffnet (act. 22 Rz. 7). Damit begann die zweijährige Verwirkungsfrist nach Art. 292 SchKG am 31. Dezember 2002 zu laufen. Innert dieser zweijährigen Frist wurde unbestrittenermassen keine Anfechtungsklage eingeleitet, noch wurde ein Anfechtungsanspruch einredeweise in einem anderen betreibungsrechtlichen Prozess geltend gemacht. Allerdings erklärte die AG als Hilfsperson des Konkursamtes im Konkurs der A. Holding am 3. November 2003, sie fechte den Verzicht auf die Darlehensforderung im Rahmen der Kapitalerhöhung vom

      16. Dezember 2002 wie auch die damit verbundene Begründung einer Verbindlichkeit (Liberierung von Eigenkapital) im Sinne von Art. 285 ff. SchKG an und melde dementsprechend eine Forderung in der Höhe von CHF 95 Mio. zzgl. Zins zur Kollokation an. Die Konkursverwaltung der A. Trading liess die Forderung zu und nahm sie in der 2. Ergänzung des Kollokationsplans vom 28. August 2006 in den Plan auf (act. 22 Rz. 133; act. 23/79; act. 34 Rz. 75). Dieses Schreiben erging innerhalb der zweijährigen Verwirkungsfrist. Es stellt sich die Frage, ob die Frist mit dieser Rechtshandlung gewahrt wurde. Der Beklagte verneint diese Frage und reicht zur Begründung ein Privatgutachten von Dr. F. zu den Akten (act. 38/3); die Klägerin dagegen stellt sich unter Berufung auf ein Privatgutachten von Prof. Dr. T. auf den Standpunkt, dass eine Klage gegen die Konkursmasse vor Auflage des Kollokationsplans weder möglich noch erforderlich sei. Deshalb sei die Verwirkungsfrist mit Eingabe des Anfechtungsanspruchs im Konkurs des Anfechtungsgegners gewahrt und gehemmt, solange keine Kollokation erfolge und damit eine Kollokationsklage ausgeschlossen sei (act. 34 Rz. 81 ff.).

      In der Lehre besteht Einigkeit, dass neben der klageweisen Geltendmachung auch die einredeweise Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen zulässig ist. Umstritten ist, ob die einredeweise Geltendmachung auch noch nach Ablauf der zweijährigen Verwirkungsfrist von Art. 292 SchKG zulässig ist. Diese Frage ist im Einklang mit der überwiegenden Lehrmeinung (BSK SchKG II-BAUER, Art. 292

      N. 17, KUKO SchKG-UMBACH-SPAHN, Art. 292 N. 7, GILLIÉRON, Commentaire de

      Ia loi fédérale sur Ia poursuite pour dettes et Ia faillite, Lausanne 2003, Remarques introductives aux art. 285-292, N. 25, JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, SchKG, 4. Auflage, Zürich 1997/1999, Art. 292 N. 3, SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires, Basel 1997, Art. 292 N. 129, LORANDI, Prozessuale Aspekte der paulianischen Anfechtung (Art. 285 ff. SchKG) - Ausgewählte Fragen, ZZZ 2006,

      S. 167 f., REBSAMEN, Die Gleichbehandlung der Gläubiger durch die Aktiengesellschaft, Zürich 2004, N. 318, WALTHER, Neue und angepasste Fristen im revidierten Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG), AJP 1996,

      S. 1386, ZOBL Fragen zur paulianischen Anfechtung, SJZ 2000, S.29) zu bejahen. Zur Begründung kann auf die überzeugenden Ausführungen WALTHERs verwiesen werden, wonach bereits aus der einschlägigen Botschaft ersichtlich werde, dass man mit der SchKG-Revision 1994 den Schutz der Gläubiger verbessern wollte und es noch im Vorentwurf hiess: Die Anfechtung kann jederzeit als Einrede geltend gemacht werden (siehe act. 38/3 Rz. 24 f.).

      Beide Varianten wurden von der A. Holding nicht ergriffen. Dies obschon es

      - wie Gutachter F. darlegt - der A. Holding durchaus möglich gewesen wäre, die Anfechtungsansprüche einredeweise geltend zu machen (act. 38/3 Rz. 42). Damit sind die Anfechtungsansprüche verwirkt.

      Die Ausführungen von Gutachter T. , der nach Auslegung von Art. 292 SchKG zum Schluss gelangt, dass auch die Eingabe des Anfechtungsanspruchs im Konkurs fristwahrend gewesen sei, überzeugen nicht, gerade weil im vorliegenden Fall die Möglichkeit zur einredeweisen Geltendmachung bestand.

      Demgegenüber überzeugen die Argumente von F. (act. 38/3), der sich mit einem Grossteil der Lehre dagegen ausspricht, dass die Verwirkungsfrist gemäss Art. 292 SchKG auch durch eine aussergerichtliche Willenserklärung (namentlich die Forderungsanmeldung) gewahrt werden kann (act. 38/3 Rz. 28 f.):

      Nicht genügend und daher unzulässig ist hingegen eine bloss einseitige aussergerichtliche Anfechtungserklärung seitens einer Konkursverwaltung. [E]ine aussergerichtliche «Anfechtungserklärung» [genügt] auf keinen Fall, um die Verwirkungsfrist

      gernäss Art. 292 SchKG zu wahren. 22 [A]ussergerichtliche Geltendmachung, etwa

      durch Einleitung einer Betreibung gegen den Begünstigen, reicht im Gegensatz zur Verjährung (...) nicht aus. Dies gilt auch für die Konkursverwaltung (...).23 Wer eine Rechtshandlung eines Schuldners anfechten will, kann das nicht durch aussergerichtliche Erklärung tun. Eine solche hat keine rechtsgestaltende Wirkung. Vielmehr muss

      ... der Weg einer gerichtlichen Klage oder Einrede beschritten werden.24

      Zwischenfazit

      Die Auffassung im Gutachten T. , Rz. 52 ff., wonach ein Anfechtungsanspruch lediglich durch einseitige Anfechtungserklärung seitens der Konkursverwaltung, insbesondere durch eine Forderungseingabe im Konkurs des Begünstigten ausgeübt werden kann, steht weder im Einklang mit der Qualifikation der Zweijahresfrist gernäss Art. 292 SchKG als Verwirkungsfrist noch entspricht sie der herrschenden Lehre.

      1. LORANDI (Fn. 9), S. 166.

      2. ADRIAN STAEHELIN (Fn. 9), S. 1092.

      3. FRITZSCHE/WALDER (Fn. 20), § 67 N. 1.

      Dem ist an sich nichts beizufügen. Es könnte damit sein Bewenden haben, da von einer Verwirkung der Ansprüche auszugehen wäre.

      Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen rein eventualiter und nur für den Fall, dass man der klägerischen Argumentation hätte folgen müssen, dass die Verwirkungsfrist gewahrt wäre.

    6. Schenkungspauliana

      1. Parteiausführungen

        Die Klägerin behauptet, die von der A. Holding liberierten Aktien der

        A. Trading seien wertlos gewesen. Die Forderung der A. Holding gegenüber der A. Trading sei aufgrund der Überschuldung zwar ebenfalls nicht mehr voll werthaltig gewesen, habe aber in jedem Fall den Wert der mutmasslichen Konkursdividende gehabt, welche beispielsweise im Falle einer erfolgreichen Verantwortlichkeitsklage erheblich wäre. Wirtschaftlich sei daher der Forderungsverzicht der A. Holding über CHF 95 Mio. infolge Verrechnungsliberierung erheblich wertvoller als die erhaltenen Aktien der A. Trading gewesen. Eine Verpflichtung zur Zeichnung der Aktien mit anschliessender Verrechnungsliberierung habe seitens der A. Holding nicht bestanden. Entsprechend sei die Kapitalerhöhung vom 16. Dezember 2002 nach Art. 286 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG anfechtbar (act. 34 Rz. 63 ff.). In der Eingabe vom 26. April 2012 macht die Klägerin sodann geltend, dass mit einer Konkursdividende in der Grössenordnung von 1% gerechnet werden dürfe. Was die Forderung der A. Holding betreffe, so handle es sich dabei um einen sechsstelligen Betrag (act. 42 Rz. 26 ff.).

        Der Beklagte bestreitet ein Missverhältnis zwischen dem damaligen Wert der Forderung der A. Holding und dem dafür der A. Holding zugesprochenen Aktienkapital der A. Trading. Bei einer Verrechnungsliberierung bestehe stets zumindest eine Adäquanz der Leistungen, weil die um die verrechnete Forderung erleichterte Gesellschaft immer einen höheren Wert habe, als sie vor der Verrechungsliberierung gehabt habe, und weil dieser höhere Wert zumindest dem Wert der Forderung entspreche, um die die Gesellschaft entlastet wurde. Zudem könnte im vorliegenden Fall dem Wert der Forderung der A. Holding im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung selbst dann kein wesentlich höherer Wert zugeschrieben werden als dem erhaltenen Aktienkapital der A. Trading, wenn der Wert des Aktienkapitals der A. Trading mit Null bewertet werden würde. Noch heute werde nämlich, wie gezeigt, die Konkursdividende, welche die

        A. Trading möglicherweise dereinst ihren Drittklassgläubigern werde auszahlen können, mit Null bewertet. Auch auf Seiten der A. Holding werde, wie gezeigt, davon ausgegangen, dass die Gläubiger der dritten Klasse mit einer Nulldividende rechnen müssten. Dies trotz vollständiger Kollozierung der Forderung der A. Holding gegenüber der A. Trading und trotz der Tatsache, dass die kollozierte Forderung der A. Holding gegenüber der A. Trading bestimmt nicht die einzige Forderung bzw. das einzige Aktivum der

        A. Holding sei. Ein nur geringes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung reiche aber nicht aus, um sich auf eine Schenkungsanfechtung berufen zu können. Es bedürfe vielmehr einer erheblichen Gleichgewichtsstörung der Leistungen. Insbesondere in Konzernverhältnissen könne und dürfe ein Missverhältnis zweier Leistungen von verbundenen Gesellschaften nicht ohne weiteres angenommen werden. Es müssten vielmehr die Konzerninteressen in ihrer Gesamtheit mit in Betracht gezogen werden. Aus diesem Grund sei das Missverhältnis zweier Leistungen im Konzernverhältnis kaum je gegeben. Dies gelte umso mehr im vorliegenden Fall, wo das Überleben des Konzerns ja nur möglich gewesen sei, wenn auch die A. Trading überlebte (act. 37 Rz. 36 ff.). Die Ausfüh- rungen der Klägerin vom 26. April 2012 will der Beklagte infolge verspäteten Vorbringens aus dem Recht gewiesen wissen (siehe act. 45).

      2. Zulässigkeit der Parteiausführungen

        Die Behauptung, dass aus dem Konkurs der A. Trading eine Dividende für die Gläubiger der 3. Klasse zu erwarten sei, ist ein Novum (act. 42 Rz. 34). Die Klägerin beruft sich dabei auf das 12. Zirkularschreiben an die Gläubiger der

        A. Trading vom 26. Mai 2011 (act. 43/1). Nachdem die Klägerin selbst Verfasserin des Zirkularschreibens war, sind ihr die darin geschilderten Tatsachen spätestens seit Erlass des Schreibens bekannt. Das Schreiben wurde nach klägerischen Angaben lange vor der Replikschrift vom 8. November 2011 verfasst. Damit wäre die Klägerin grundsätzlich in der Lage gewesen, die Behauptung bereits replicando vorzubringen. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang auf § 115 Ziff. 2 ZPO/ZH, wonach Behauptungen, Bestreitungen und Einreden, deren Richtigkeit sich aus den Prozessakten ergibt oder die durch neu eingereichte Urkunden sofort bewiesen werden können, zulässig sind (siehe act. 47). Im genannten Zirkulationsschreiben heisst es wie folgt (act. 43/1 S. 2, Ziff. 5, 2. Absatz):

        Eine allfällige Dividende für die Gläubiger der III. Klasse fällt ohne Berücksichtigung des Verantwortlichkeitsprozesses sehr gering aus (< 1%). Da jedoch der Ausgang des Verantwortlichkeitsprozesses massgeblich die Höhe der Dividende beeinflussen wird, sind nähere Angaben dazu im heutigen Zeitpunkt nicht möglich.

        Wie die Klägerin daraus ableitet, dass die Gläubiger mit einer Konkursdividende in der Grössenordnung von 1% rechnen dürfen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr geht aus dem Schreiben hervor, dass Gläubiger der 3. Klasse sich - den Ausgang des Verantwortlichkeitsprozesses ungeachtet - voraussichtlich mit einer sehr geringen, unter einem Prozent liegenden Konkursdividende zufrieden geben müssen. Damit ist die klägerische Behauptung, wonach mit einer Konkursdividende in der Grössenordnung von 1 % gerechnet werden könne, nicht sofort beweisbar, weshalb die Behauptung auch nicht gestützt auf § 115 Ziff. 2 ZPO/ZH zugelassen werden kann. Die neu vorgebrachte Behauptung darf folglich keinen Eingang in die Beurteilung finden. Es verhält sich auch nicht so, dass die Klägerin erst nach ergangener Duplik zu diesen Ausführungen veranlasst worden wäre, denn bereits in der Klageantwort hat der Beklagte die erfolgreiche Anfechtung der Verrechnungsliberierung bestritten und somit den Anlass für die Klägerin gesetzt, sämtliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Anfechtung substanziiert zu behaupten. Dies hat die Klägerin im Grundsatz auch erkannt, als sie replicando ausführte, die Forderung der A. Holding sei gegenüber der A. Trading aufgrund der Überschuldung zwar ebenfalls nicht mehr voll werthaltig gewesen, habe aber in jedem Fall den Wert der mutmasslichen Konkursdividende, welche beispielsweise im Fall einer erfolgreichen Verantwortlichkeitsklage erheblich wäre (act. 34 Rz. 67). In diesem Zeitpunkt hätte sie ihre Behauptung substanziieren müssen. Die Eingabe vom 26. April 2012 ist hierfür zu spät.

      3. Rechtliches

        Gemäss Art. 286 Abs. 1 SchKG sind mit Ausnahme üblicher Gelegenheitsgeschenke alle Schenkungen und unentgeltlichen Verfügungen anfechtbar, die der Schuldner innerhalb des letzten Jahres vor der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat. Den Schenkungen gleichgestellt sind Rechtsgeschäfte, bei denen der Schuldner eine Gegenleistung angenommen hat, die zu seiner eigenen Leistung in einem Missverhältnisse steht, und Rechtsgeschäfte, durch die der Schuldner für sich oder für einen Dritten eine Leibrente, eine Pfrund, eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht erworben hat (Art. 286 Abs. 2 SchKG).

        Ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von Art. 286 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG liegt vor, wenn die Leistung, die der Schuldner erhält, erheblich geringer ist als seine eigene Leistung (vgl. den französischen Text: les actes par lesquels le débiteur a accepté un prix notablement inférieur à la valeur de sa prestation; BGE 49 III 30). Ob ein solches Missverhältnis besteht, beurteilt sich nach dem wirtschaftlichen Wert der Leistungen. Ist die Leistung des Schuldners wirtschaftlich erheblich mehr wert als die Gegenleistung, so ist das Geschäft nach Art. 286 anfechtbar, wenn der Schuldner seine Mehrleistung ohne rechtliche Verpflichtung hiezu erbrachte. Ob das Missverhältnis der Leistungen und die Gefahr einer Schädigung der Gläubiger für den Empfänger der Leistung des Schuldners erkennbar waren, ist unerheblich. Ebenso kommt nach der herrschenden Lehre nichts darauf an, ob der Schuldner selbst das Missverhältnis kannte oder erkennen konnte (BGE 95 III 47 E. 2). Massgebend kann allerdings nur der Verkehrswert bei Abschluss des Rechtsgeschäftes sein (siehe KUKO SchKGUmbachSpahn, Art. 286 N 4).

      4. Subsumption

        Wie gesagt, kommt es auf den Wert an, der den Leistungen am 16. Dezember 2002 aufgrund einer objektiven Bewertung zugemessen wurde. Es darf angenommen werden, dass die Klägerin resp. die Konkursverwalterin D. AG eine solche Bewertung vorgenommen hatte, als die Forderung bei ihr angemeldet wurde. Wie aus den Zirkularschreiben aus den Jahren 2004 und 2006 hervorgeht,

        ging sie während mehrerer Jahre davon aus, dass die Gläubiger der A. Trading mit drittklassigen Forderungen im Konkurs leer ausgehen würden (siehe dazu die entsprechenden Zirkularschreiben vom 24. Februar 2004 [act. 38/4 S. 4] und vom 24. August 2006 [act. 38/5 S. 5]). Wenn die Klägerin (verspätet) behauptet, es sei in der Praxis üblich, äusserst konservative Angaben zu machen (act. 42 Rz. 35), sagt sie damit nicht aus, dass sie nicht den Totalverlust für die Gläubiger der 3. Gläubigerklasse erwartete. Somit wurde auch die Forderung der A. Holding über CHF 95 Mio. als wertlos eingeschätzt. Es gingen offensichtlich alle Beteiligten davon aus, dass den Forderungen der Drittklassgläubiger überhaupt nur dann noch ein Wert zugemessen werden konnte, wenn der Konzern zumindest aber die A. Trading überleben sollte. Ohne Verrechnungsliberierung wäre eine Unternehmenssanierung aber ohnehin aussichtslos gewesen. Die Klä- gerin stellt sich gar auf den Standpunkt, dass die Sanierung auch mit der Verrechnungsliberierung aussichtslos geblieben sei. Mithin kann die Verrechnungsliberierung nur als letzter Versuch gesehen werden, den Konzern zu retten mit der längerfristigen Absicht, den Aktienwert - und damit die für die wertlose Forderung erhaltene Gegenleistung - wieder zu steigern. Wenn die Klägerin behauptet, die Aktien seien am 16. Dezember 2002 wertlos gewesen, so muss sie sich auch entgegenhalten lassen, dass es nach ihrer eigenen Einschätzung auch die Forderung der A. Holding gegenüber der A. Trading war, womit ein erhebliches Missverhältnis im Sinne von Art. 286 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG ausgeschlossen ist und kein Anfechtungsanspruch besteht.

        Geht man dahingegen davon aus, den Zirkularschreiben der Konkursverwalterin der A. Trading sei keine objektive Bewertung der Verhältnisse zugrunde gelegt worden, präsentiert sich die Lage wie folgt: Die Höhe der jeweiligen Verkehrswerte am 16. Dezember 2002 stellt eine Tatfrage dar. Eine Rechtsfrage ist die Frage nach dem Vorliegen eines Missverhältnisses. Der Verkehrswert kann deshalb, soweit er umstritten ist, nur durch ein Beweisverfahren ermittelt werden. Als taugliches Beweismittel kommt einzig ein Gutachten in Frage. Die retrospektive Bewertung ist stets mit Ungenauigkeiten behaftet. Dies gilt auch, wenn Bruchteile eines Nennwertes zu ermitteln sind. Bei den Schätzungen ist sodann darauf zu achten, dass Ereignisse, die nach dem für die Bewertung massgebenden Zeitpunkt erfolgten, nicht in die Bewertung mit einfliessen dürfen. Der durch die jeweils angewandte Methode ermittelte Wert widerspiegelt somit stets eine Scheingenauigkeit, die nicht zwingend den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Diese Tatsache muss bei der Gegenüberstellung der Verkehrswerte Beachtung finden. Bei einer retrospektiven Bewertung kann deshalb realistischerweise nur eine Bandbreite bestimmt werden, innert der sich der tatsächliche Wert der Leistung befunden haben muss. Diese Bandbreite bewegt sich, wenn man die Bewertung sehr genau vornehmen kann, im Bereich von wenigen Prozenten des Nennwertes. Dies gilt insbesondere, wenn Leistungen auf einen Zeitpunkt hin zu bewerten sind, der beinahe zehn Jahre zurück liegt. Der Leistung einen fixen Wert innerhalb dieser Bandbreite zuzuordnen und gestützt darauf eine Schenkungsanfechtung zu bejahen oder zu verneinen, wäre willkürlich. Gegenüber gestellt werden dürfen folglich nur die jeweiligen Bandbreiten.

        Im vorliegenden Fall behauptet aber die Klägerin selbst nicht mehr als einen Wertunterschied von höchstens einem Prozent des Nennwerts. Nicht zu berücksichtigen sind die unsubstanziierten Ausführungen der Klägerin im Hinblick auf den Wertzuwachs nach (allenfalls) erfolgreicher Verantwortlichkeitsklage, zum einen weil sie nicht substanziiert sind, zum anderen weil dieser Wertzuwachs ohnehin nicht zu berücksichtigen wäre, nachdem - wie gesagt - der Wert im Zeitpunkt der Verrechnungsliberierung massgebend ist. Die Aktien können auch nicht von vornherein als wertlos taxiert werden, weil die A. Trading vor und nach der Verrechnungsliberierung überschuldet war. Der Verkehrswert einer Aktie ergibt sich nicht ausschliesslich aus der Bilanz einer Unternehmung sondern entspricht einem Bruchteil des Gesellschaftswertes. Auch eine überschuldete Gesellschaft kann auf dem Markt nach wie vor einen Wert aufweisen. Der Beklagte behauptet denn auch eine Werthaltigkeit der Aktien. Selbst wenn sich die Behauptungen der Klägerin im Beweisverfahren bestätigen würden, wäre damit der Beweis des erheblichen Missverhältnisses nicht erbracht, weil eine ermittelte Zahl nicht den exakten Verkehrswert, sondern lediglich den Ausgangspunkt für die Absteckung einer Bandbreite von wenigen Prozenten darstellen würde und diese Bandbreiten miteinander zu vergleichen wären. Nach dem Gesagten wären diese weitgehend überlappend, woraus erhellt, dass sich der Beweis des erheblichen Missverhältnisses im vorliegenden Fall zu Lasten der Klägerin überhaupt nicht erbringen liesse. Nicht massgebend wäre dabei der absolute Wert eines Prozentes.

    7. Absichtspauliana

      1. Parteivorbringen

        Die Klägerin führt aus, dass im Zeitpunkt der Vornahme der Verrechnungsliberierung sowohl die A. Holding wie auch die A. Trading in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt seien. Dieser Umstand sei allgemein und insbesondere auch den Organen der A. Holding sowie der A. Trading bekannt gewesen. Insbesondere müsse dem den Zeichnungsschein zu Handen der A. Trading mitunterzeichnenden Dr. U. die finanzielle desolate Lage der A. Trading, deren Direktor er gewesen sei, bekannt und bewusst gewesen sein. Und dass als Folge der Umwandlung der Darlehensforderung der A. Holding in Eigenkapital der A. Trading die Exekutionsrechte der Gläubiger der A. Holding geschmälert würden, sei von der A. Holding als natürliche Konsequenz der Verrechnungsliberierung voraussehbar gewesen. Die Erkennbarkeit der Schädigungsabsicht sei dann gegeben, wenn Anzeichen für eine schlechte Vermögenslage des Schuldners vorliegen oder der Begünstigte offensichtlich über die ungünstigen Vermögensverhältnisse des Schuldners informiert sei. Bei nahen Verbindungen zwischen dem Schuldner und dem Begünstigen würde eine natürliche Vermutung bestehen, dass der Begünstigte die effektiv vorhandene schlechte Vermögenslage des Schuldners gekannt habe. Vorliegend hätten und , welche als Verwaltungsräte der A. Trading die Kapitalerhöhung durchgeführt hätten, bei der A. Holding als Direktoren Organfunktion gehabt. Schon aus diesem Grund sei die Voraussetzung der Erkennbarkeit gegeben (act. 34 Rz. 68 ff.).

        Der Beklagte führt aus, dass man im Zeitpunkt der Verrechnungsliberierung immer noch davon ausgegangen sei, dass die A. Gruppe gerettet werden könne. Die Verrechnungsliberierung stelle eine Sanierungsmassnahme dar, mit der man die A. Trading zu retten versucht habe, im Wissen darum, dass die gesamte Gruppe nur überleben konnte, wenn auch die A. Trading überlebte. Überdies sei man im damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass im Konkursfall der A. Trading keine Konkursdividende für die A. Holding resultiere (act. 37 Rz. 44 ff.). Zu den Ausführungen der Klägerin in ihrer Eingabe vom 26. April 2012 siehe Ziffer III.4.6.2 hiervor.

      2. Rechtliches

        Gemäss Art. 288 in Verbindung mit Art. 331 Abs. 2 SchKG sind alle Rechtshandlungen anfechtbar, welche der Schuldner innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Bestätigung des Nachlassvertrages in der dem anderen Teil erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. Diese Bestimmung setzt somit die Erfül- lung von drei Bedingungen voraus: das Bestehen eines dem Gläubiger (Kläger) verursachten Nachteils, die Absicht des Schuldners, diesen Nachteil zu verursachen (Täuschungsabsicht) und die Möglichkeit für den Begünstigten der Handlung, diese Absicht zu erkennen (erkennbarer Charakter der Täuschungsabsicht) (BGE 135 III 276 E. 5 [=Pra 98 (2009) Nr. 112]). Im Allgemeinen fehlt es an einer (objektiven) Schädigung, wenn der Schuldner ohne weitere, zusätzliche Rechtshandlungen für seine Sachleistung gleichzeitig oder allenfalls nachträglich eine gleichwertige verwertbare Gegenleistung erhält, da in diesem Fall das den Gläu- bigern haftende Vermögen nicht vermindert wird. Eine Schädigung kann allerdings durch besondere Ausgestaltung des Geschäfts oder durch zusätzliche Rechtshandlungen des Schuldners, die mit dem Austauschgeschäft sachlich zusammenhängen und mit demselben als Einheit vom erforderlichen Schädigungsvorsatz des Schuldners erfasst werden müssen, eintreten. Ferner kann trotz Austausch gleichwertiger Vermögensleistungen mit Umschichtung der Aktiven eine Schädigung der Gläubiger eintreten, wenn das betreffende Rechtsgeschäft in einer anfechtbaren Verfügung des finanziell bedrängten Schuldners über seine letzten Aktiven besteht, insb. wenn der Schuldner in diesem Stadium Zahlungen nur an bestimmte Gläubiger zum Nachteil der übrigen Gläubiger leistet (BSK SchKG II-Staehelin, Art. 288 Rz. 11 ff.).

      3. Subsumption

        Dass die A. Holding wie auch die A. Trading resp. deren Organe über die desolate Lage beider Unternehmungen im Bild waren, liegt angesichts der engen personellen Verflechtung auf der Hand. Fraglich erscheint hingegen, ob die handelnden Organe auch eine Schädigungsabsicht im erforderlichen Sinne hatten. Hierfür wäre vorauszusetzen, dass sie (zumindest) voraussehen konnten und mussten, dass die Rechtshandlung Gläubiger benachteiligte oder einzelne Gläu- biger bevorzugte. Massgebend für die Beurteilung ist der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Vornahme der umstrittenen Rechtshandlung, mithin am 16. Dezember 2002. Damals und offenbar auch nach Eröffnung des Konkurses ging man davon aus, dass Drittklassgläubiger keine Konkursdividende mehr erwarten dürften. Dies wird vom Beklagten behauptet (act. 37 Rz. 23) und geht nicht zuletzt auch aus den vorgelegten Zirkularschreiben hervor: So schrieb die Klägerin im 3. wie auch noch im 7. Zirkularschreiben an die Gläubiger der A. Trading, dass davon ausgegangen werden müsse, dass den Gläubigern der 3. Klasse keine Dividende ausgerichtet werden könne (act. 38/4 S. 4, act. 38/5 S. 5). Dass die Verrechnungsliberierung vom 16. Dezember 2002 eine Sanierungsbemühung darstellte, wird von der Klägerin nicht bestritten. Ihre Bestreitung beschränkt sich auf die Tauglichkeit der Bemühungen (act. 34 Rz. 281). Ob die konkrete Sanierungsbemühung den erwarteten Effekt brachte, kann in diesem Zusammenhang jedoch offen bleiben. Wesentlich ist, dass es sich um eine ernsthafte Sanierungsbemü- hung handelte. Gegenteiliges wird von der Klägerin nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Stattdessen wird aus den eingereichten Unterlagen aus dem Dezember 2002 ersichtlich (siehe act. 23/62-76), dass die Verwaltungsratsmitglieder bis zuletzt emsig bemüht waren, die A. Holding und den gesamten Konzern zu retten. Die Verrechnungsliberierung erfolgte somit im Zuge einer gross angelegten (letztlich dennoch gescheiterten) Sanierungsaktion. Eine Schädigung der Gläubiger war nicht vorhersehbar, zumal man für den Fall des Scheiterns der Sanierungsbemühungen davon ausging, dass die Drittklassgläubiger keine Konkursdividende erwarten dürften. Es ist somit keine Schädigungsabsicht ersichtlich, weshalb die Konkursverwaltung der A. Holding die Verrechungsliberierung auch nicht gestützt auf Art. 288 SchKG geltend machen kann.

    8. Schlussfolgerung

      Im Lichte der vorstehenden Erwägungen erhellt, dass die Klägerin zu Unrecht eine Forderung der A. Holding gegenüber der A. Trading in der Höhe von CHF 95 Mio. kolloziert hat. Wenn die Forderung nicht als FremdkapitalPosten in der Bilanz der A. Trading Eingang findet, so fällt die Überschuldung entsprechend tiefer aus, als von der Klägerin geltend gemacht. Vom geltend gemachten Fortführungsschaden ist deshalb der Betrag von CHF 95 Mio. in Abzug zu bringen. Es resultiert daraus ein negativer Fortführungsschaden, was nichts anderes bedeutet, als dass die A. Trading im Zeitpunkt der Bilanzdeponierung am 24. Dezember 2002 weniger überschuldet war, als sie es per 31. Dezember 2001 gewesen wäre. Der Vorwurf der Konkursverschleppung verfängt deshalb nebst der fehlenden Pflichtverletzung auch mangels Fortführungsschaden nicht, weshalb die Klage auch unter diesem Gesichtspunkt abzuweisen ist.

  2. Eventualstandpunkt - Schaden in Höhe von CHF 7.721 Mio.

    1. Parteivorbringen

      Die Klägerin macht für den Fall, dass die Forderung von CHF 95 Mio. in der Liquidationsbilanz nicht berücksichtigt werden sollte, eventualiter geltend, dass dennoch ein Fortführungsschaden von CHF 7.721 Mio. entstanden sei. Hierbei stütze sie sich auf den Standpunkt des Beklagten betreffend die Bewertung der Konzernforderungen per Ende 2001. Folglich habe die Überschuldung per

      31. Dezember 2001 CHF 177.528 Mio. betragen; am 23. Dezember 2002 habe die Überschuldung CHF 185.249 Mio. betragen. Die Differenz entspreche dem genannten Schaden (act. 34 Rz. 377).

      Der Beklagte bestreitet die klägerischen Ausführungen als unverständlich und unsinnig. Wie die Klägerin auf einen Überschuldungswert per 31. Dezember 2001 von CHF 177.528 Mio. komme, sei schleierhaft. Die Klägerin wende unterschiedliche Abschreibungsvarianten an; damit würden sich die beiden Beträge aber gar nicht vergleichen lassen (act. 37 Rz. 561 ff.).

    2. Subsumption

Die Frage, ob die Klägerin bei ihrer Berechnung die richtige Abschreibungsvariante wählte, kann mit Blick auf den Kausalzusammenhang offenbleiben.

Die Klägerin behauptet, dass die Überschuldung zwischen dem 31. Oktober 2002 und der Bilanzdeponierung um CHF 28.921 Mio. angewachsen sei (act. 34

Rz. 501). Angesichts des Umstands, dass der Beklagte per 31. Oktober 2002 aus dem Verwaltungsrat austrat, ist dieser Betrag von der behaupteten Überschuldung in Abzug zu bringen. Damit ergibt sich per 31. Dezember 2001 eine Überschuldung von CHF 177.528 Mio. und per 31. Oktober 2002 eine solche von

CHF 156.328 Mio. (CHF 185.249 Mio./. CHF 28.921 Mio.). Die Differenz beträgt - CHF 21.200 Mio., was nichts anderes bedeutet, als dass die Überschuldung um rund CHF 20 Mio. abgenommen hat. Unter diesen Umständen wäre das klägerische Eventualbegehren - selbst bei Vorliegen einer Pflichtverletzung - mangels Schaden abzuweisen.

6.

Damit ist die Klage abzuweisen.

IV. Kostenund Entschädigungsfolgen

Ausgangsgemäss wird die Klägerin kostenund entschädigungspflichtig (§§ 64 Abs. 2 und 68 Abs. 1 ZPO/ZH). Dabei ist der anwaltlichen Vertretung der Beklagten unter Berücksichtigung von § 25 der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 und somit gestützt auf § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 aAnwGebV angemessen Rechnung zu tragen. Der Beklagte stellt einen Antrag auf Ersatz der Mehrwertsteuer. Wird Ersatz der Mehrwertsteuer verlangt und von der Gegenpartei - wie vorliegend - nicht bestritten, ist dieser ohne weiteres zuzusprechen. Per 1. Januar 2011 wurde der Mehrwertsteuersatz von 7.6% auf 8% erhöht. Massgebend für den anzuwendenden Steuersatz ist der Zeitpunkt resp. der Zeitraum der Leistungserbringung (Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Mai 2006 sowie die

dazugehörige Ergänzung vom 17. September 2010). Vorliegend erscheint eine Prozessentschädigung von 140% der ordentlichen Gebühr als angemessen, wobei 100% auf die Zeit vor dem 1. Januar 2011 anfallen. Der Streitwert beträgt CHF 30 Mio.

Das Gericht erkennt:
  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 300'000.-.

  3. Die Kosten werden der Klägerin auferlegt.

  4. Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten eine Prozessentschädigung von CHF 290'000.- zuzüglich Mehrwertsteuer zu 7.6% auf CHF 220'000.- und 8% auf CHF 70'000.- zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  6. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 30 Mio.

Zürich, 7. März 2013

HANDELSGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Der Präsident:

lic.iur. Peter Helm

Der Gerichtsschreiber:

lic.iur. Christian Fischbacher

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