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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Zusammenfassung des Urteils HE230126: Handelsgericht des Kantons Zürich

Die A. AG hat vorsorgliche Massnahmen gegen die B-Gesuchsgegner eingereicht, die angeblich unlauteres Verhalten im Bereich des Personalverleihs und der Personalvermittlung vorgeworfen wird. Es wird jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ein Anspruch verletzt wurde oder ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Das Gericht weist das Massnahmegesuch daher ab und legt der A. AG die Gerichtskosten sowie eine Parteientschädigung auf.

Urteilsdetails des Kantongerichts HE230126

Kanton:ZH
Fallnummer:HE230126
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HE230126 vom 29.12.2023 (ZH)
Datum:29.12.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Vorsorgliche Massnahmen
Schlagwörter : Gesuch; Gesuchs; Gesuchsgegner; Massnahme; Gesuchsgegnerin; Gesuchsgegnern; Gericht; Massnahmen; Streitwert; Recht; Verfügung; Einzelgericht; Handelsgericht; Verwaltungsrat; Ziffer; Streitgenossen; Rechtsbegehren; Mitglied; Androhung; Ungehorsamsstrafe; Busse; Zuwiderhandlung; Mitarbeiter; Handlung; Person; Begründung; Parteien
Rechtsnorm:Art. 106 ZPO ;Art. 13 ZPO ;Art. 15 ZPO ;Art. 219 ZPO ;Art. 261 ZPO ;Art. 292 StGB ;Art. 36 ZPO ;Art. 5 ZPO ;Art. 85 ZPO ;Art. 91 ZPO ;Art. 98 BGG ;
Referenz BGE:138 III 378; 141 III 294;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts HE230126

Handelsgericht des Kantons Zürich

Einzelgericht

Geschäfts-Nr.: HE230126-O U/mk

Mitwirkend: Oberrichter Dr. Stephan Mazan sowie der Gerichtsschreiber Dr. Severin Harisberger

Urteil vom 29. Dezember 2023

in Sachen

A. AG

Gesuchstellerin

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.

gegen

  1. B. ,
  2. C. ,
  3. D. ,
  4. E. ,
  5. F. ,
  6. G. ,
  7. H. AG,

Gesuchsgegner

1, 2, 3, 7 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.

betreffend vorsorgliche Massnahmen

Der Einzelrichter zieht in Erwägung:

  1. Parteien und Sachverhaltsüberblick

    1. Die Gesuchstellerin (A. AG) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in

      I. /AG. Gemäss Handelsregister bezweckt sie Dienstleistungen im Bereich des Personalverleihs und der Personalvermittlung.

      Der Verwaltungsrat der Gesuchstellerin setzt bzw. setzte sich gemäss Handelsregister wie folgt zusammen (vgl. act. 3/6.1 und act. 23/9.11):

      • J. , Präsident des VR,

      • K. , Delegierter des VR,

      • B. (Gesuchsgegner 1), ehemals Mitglied des VR, ab tt.mm.23 Mitglied des VR ohne Zeichnungsberechtigung, am tt.mm.23 aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden, und

      • C. (Gesuchsgegner 2), ehemals Mitglied des VR, ab tt.mm.23 ohne Zeichnungsberechtigung, am tt.mm.23 aus dem Verwaltungsrat ausgeschieden.

        Ferner waren Arbeitnehmer der Gesuchstellerin (act. 1 Rz. 3 und 7):

      • B. (Gesuchsgegner 1), fristlos gekündigt am 16.10.23,

      • C. (Gesuchsgegner 2), fristlos gekündigt am 16.10.23,

      • D. (Gesuchsgegner 3), ausgeschieden zu einem unbekannten Zeitpunkt,

      • E. (Gesuchsgegner 4), fristlos gekündigt am 16.10.23,

      • F. (Gesuchsgegner 5), fristlos gekündigt am 16.10.23, und

      • G. (Gesuchsgegner 6), fristlos gekündigt am 16.10.23.

    2. Die Gesuchsgegnerin 7 (H. AG) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in L. /ZH, die am 18. September 2023 geGründet wurde (act. 8.1). Die Gesuchstellerin macht geltend, bei der Gesuchsgegnerin 7 handle es sich um ein Konkurrenzunternehmen, welches von den Gesuchsgegnern 1 und 2 - unter Verwendung des Gesuchsgegners 3 als Strohmann geGründet worden sein soll (act. 1 Rz. 7 f.). Den Vorbringen der Parteien und dem Handelsregister kann ent- nommen werden, dass der Gesuchsgegner 3 zunächst einziges Mitglied des

      Verwaltungsrates der Gesuchsgegnerin 7 war (act. 1 Rz. 7). Heute sind die Gesuchsgegner 1 und 2 Mitglieder des Verwaltungsrates und der Gesuchgegner 3 Mitglied der Geschäftsleitung der Gesuchsgegnerin 7 (act. 21 Rz. 50).

    3. Bezüglich der Gesuchsgegner 4, 5 und 6 ist wie oben erwähnt - unbestritten, dass diese Arbeitnehmer der Gesuchstellerin waren, bevor wie am 16. Oktober 2023 fristlos entlassen wurden. Umstritten aber letztlich irrelevant, wie zu zeigen sein wird ist hingegen, ob die Gesuchsgegner 4, 5 und 6 seit ihrer Entlassung bei der Gesuchstellerin Arbeitnehmer der Gesuchsgegnerin 7 sind (so die Gesuchstellerin in act. 1 Rz. 9/3.6 S. 7 unten) ob sie seit ihrer Entlassung krank geschrieben und nicht mehr arbeitstätig sind (so die Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 in act. 21 Rz. 51, act. 25, act. 27 und act. 29).

    4. Die Gesuchstellerin macht vereinfacht gesagt geltend, dass sich die Gesuchsgegnerin 7 sowie deren Organe (die Gesuchsgegner 1-3) und Angestellte (die Gesuchsgegner 4-6) unlauter verhielten und stellt mit elektronischer Eingabe vom 25. Oktober 2023 ein vorsorgliches Massnahmebegehren mit folgenden AntRügen (act. 1 S. 2):

      1. Es sei den Gesuchsgegnern 1 bis 6 sowie der Gesuchsgegnerin 7 unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB (Busse) im Fall der Zuwiderhandlung vorsorglich gerichtlich zu untersagen, Dienste in den Bereichen Personalverleih und Personalvermittlung anzubieten, auszuführen sonst irgendwie Dritten zugänglich zu machen, bis sämtliche physischen und elektronischen Daten der Gesuchstellerin bei den Gesuchsgeg- nern nachweislich zurückgegeben bzw. nachweislich unwiderruflich gelöscht sind.

      2. Eventualiter sei den Gesuchsgegnern 1 bis 6 sowie der Gesuchsgegnerin 7 unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss

        Art. 292 StGB (Busse) im Falle der Zuwiderhandlung vorsorglich gerichtlich zu untersagen, Kunden, Einsatzbetriebe der ausgeliehenen Mitarbeiter sowie temporüre Mitarbeiter sonstige Geschöftspartner der Gesuchstellerin in irgendeiner Weise zu kontaktieren, insbesondere via Telefon, SMS, WhatsApp, E-Mail, Social Media, Schreiben, etc..

      3. Es sei den Gesuchsgegnern 1 bis 6 sowie der Gesuchsgegnerin 7 unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB (Busse) im Falle der Zuwiderhandlung vorsorglich gerichtlich zu untersagen, gegenüber Dritten irgendwelche Aussagen

        über die Gesuchstellerin zu verbreiten, insbesondere des Inhalts, dass die Gesuchstellerin vor dem Konkurs stehe dass die Gesuchstellerin keine Bewilligung habe.

      4. Es sei den Gesuchsgegnern 1 bis 6 sowie der Gesuchsgegnerin 7 unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB (Busse) im Falle der Zuwiderhandlung vorsorglich gerichtlich zu untersagen, von den Kunden- und Mitarbeiterdossiers der Anzeigestellerin Kopien, Scans ähnliches zu erstellen erstellen lassen.

      5. Es seien die Gesuchsgegner 1 bis 6 sowie die Gesuchsgegnerin 7 unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB (Busse) im Falle der Zuwiderhandlung vorsorglich gerichtlich zu verpflichten, die Kunden- und Mitarbeiterdossiers der Gesuchstellerin per sofort zurückzugeben, eventualiter gerichtlich zu hinterlegen.

      6. Es seien die Gesuchsgegner 1 bis 6 sowie die Gesuchsgegnerin 7 unter Androhung der Ungehorsamsstrafe gemäss Art. 292 StGB (Busse) im Falle der Zuwiderhandlung zu verpflichten, sämtliche Daten, die sie sich von der Gesuchstellerin elektronisch angeeignet haben sowie Allfällige Kopien und Backups hiervon durch einen unabhängigen SachVerständigen und auf eigene Kosten von ihren internen und externen DatentRügern unwiderruflich läschen zu lassen.

      7. Es seien die gerichtlichen Anordnungen gemäss den Ziffern 1 bis 5 hiervor per sofort und superprovisorisch anzuordnen.

      8. Es seien die Gesuchsgegner zur Zahlung von Schadenersatz in noch zu bestimmender Höhe zu verurteilen.

      9. Es sei der Gesuchstellerin Frist zur Bezifferung des Schadenersatzes anzusetzen.

      10. Unter vollständiger Kosten- und Entschädigungsfolge zzgl. Auslagen und MWST zu Lasten der Gesuchsgegner 1 bis 6 sowie der Gesuchsgegnerin 7 in solidarischer Verbindung.

    5. Am 26. Oktober 2023 reichte die Gesuchstellerin ein Ergänzungsschreiben zum Gesuch vom 25. Oktober 2023 ein (act. 5).

    6. Mit Verfügung vom 27. Oktober 2023 (act. 8) wies das Einzelgericht das Gesuch um Erlass superprovisorischer vorsorglicher Massnahmen ab (Dispositiv Ziffer 1), setzte der Gesuchstellerin eine Frist für die Bezahlung eines Gerichtskostenvorschusses an (Dispositiv Ziffer 2) und setzte den Gesuchsgegnern 1-7 eine Frist zur Erstattung einer Stellungnahme an (Dispositiv Ziffer 3).

    7. Mit elektronischer Eingabe vom 20. November 2023 stellten die (unterdessen anwaltlich vertretenen) Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 folgende Anträge

      (act. 21 S. 2):

      1. Es sei das Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

      2. Eventualiter sei der Erlass der von der Gesuchstellerin begehrten vorsorglichen Massnahmen von der Stellung einer Kaution in Höhe von CHF 8'000'000.00 abhängig gemacht werden.

      3. Alles unter Kosten und Entschädigungsfolgen (inkl. MwSt.) zu Lasten der Gesuchstellerin.

    8. Mit je separaten, aber weitgehend identischen Eingaben vom 20. November 2023 stellten der Gesuchsgegner 4 (act. 29 S. 2), der Gesuchsgegner 5 (act. 25

      1. 2) und der Gesuchsgegner 6 (act. 27 S. 2) folgende Anträge:

        1. Es sei auf das Gesuch vom 25. Oktober 2023 betreffend Gesuchsgegner 4/5/6 nicht einzutreten.

        2. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (inkl. MWSt.) zu Lasten der Gesuchstellerin.

    9. Die Stellungnahme der anwaltlich vertretenen Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 sowie die separaten Stellungnahmen der nicht anwaltlich vertretenen Gesuchsgegnern 4, 5 und 6 wurden der Gesuchstellerin zur Kenntnisnahme zugestellt (Prot. S. 5).

    10. Mit Eingabe vom 11. Dezember 2023 machte die Gesuchstellerin von der Möglichkeit Gebrauch, sich zu den Stellungnahmen der Gesuchsgegner zu äussern (act. 36).

    11. Die Sache ist spruchreif.

  2. Formelles

    1. Die Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 erheben die Einrede der örtlichen Unzustündigkeit des Einzelgerichts des Handelsgerichts Zürich (act. 21 Rz. 30 ff.). Auch die Gesuchsgegner 4, 5 und 6 stellen einen Nichteintretensantrag und be- Gründen diesen (wahrscheinlich) mit der angeblich fehlenden örtlichen zuständigkeit, weil sie keinen Wohnsitz im Kanton Zürich haben und das Bestehen einer

      passiven Streitgenossenschaft mit der in L. /ZH ansässigen Gesuchsgegnerin 7 in Frage stellen (act. 25, 27 und 29). Die Einrede der örtliche Unzuständigkeit ist unbegründet. Für die Anordnung vorsorglichen Massnahmen ist das Gericht am Ort der Hauptsachenzuständigkeit am Ort der Vollstreckung ürtlich zuständig (Art. 13 ZPO). Die Gesuchstellerin wirft den Gesuchsgegnern unlauteres Verhalten vor. Verletzungen des UWG werden als unerlaubte Handlungen im Sinn von Art. 36 ZPO qualifiziert (anstatt aller BSK ZPO-Hempel, 3. Auflage, Basel 2017, N 7 zu Art. 36). Gemäss dieser Bestimmung ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht am Wohnsitz Sitz der geschädigten Person der beklagten Partei am Handlungsoder Erfolgsort zuständig. Die Gesuchsgegnerin 7 hat ihren Sitz in L. /ZH, weshalb die Zürcher Gerichte für das gegen die Gesuchsgegnerin 7 gerichtete Gesuch ürtlich zuständig sind. Im übrigen ist auch die örtliche (sowie internationale) zuständigkeit für die Gesuche gegen die (nicht im Kanton Zürich wohnhaften) Gesuchsgegner 1-6 zu bejahen, weil diese Gesuchsgegner im Rahmen einer passiven, einfachen Streitgenossenschaft eingeklagt werden (zur Streitgenossenschaft nachfolgend E. 2.4) und weil der Gerichtsstand eines Streitgenossen auch für die anderen Streitgenossen gilt (Art. 15 ZPO; Art. 6 Ziff. 1 Lug?).

    2. Die Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 bestreiten auch die sachliche zuständigkeit des Einzelgerichts des Handelsgerichts Zürich (act. 21 Rz. 38 ff.). Die Gesuchsgegner 4, 5 und 6 äussern sich nicht explizit zur sachlichen zuständigkeit, was jedoch belanglos ist, weil diese vom Gericht von Amtes wegen gepröft wird. Diese Prüfung ergibt Folgendes: Für Streitigkeiten nach dem UWG ist das Han- delsgericht sachlich zuständig, wenn der Streitwert von CHF 30'000.00 überschritten wird (Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO i.V.m. 44 lit. a GOG). Wenn vorprozessual die Anordnung vorsorglicher Massnahmen verlangt wird, ist das Einzelgericht des Handelsgerichts sachlich zuständig (Art. 5 Abs. 2 ZPO i.V.m. 45 lit. b GOG). Im vorliegenden Fall wirft die Gesuchstellerin den Gesuchsgegnern ein Verletzung des UWG vor (act. 1 Rz. 1 und 2). Die sachliche zuständigkeit des Einzelgerichtes des Handelsgerichtes ist somit ohne Weiteres zu bejahen, da der Streitwert den Betrag von CHF 30'000.00 offenkundig übersteigt (zur umstrittenen Höhe des Streitwertes vgl. nachfolgend E. 2.3).

    3. Die Gesuchstellerin äussert sich nicht zum Streitwert, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (Art. 221 Abs. 1 lit. c ZPO, welche Bestimmung auch für das Summarverfahren sinngemäss gilt [Art. 219 ZPO]). Im vorliegenden Fall ist eine vermögensrechtliche Streitigkeit zu beurteilen. Wenn das Rechtsbegehren nicht auf eine bestimmte Geldsumme lautet, wird der Streitwert durch das Gericht festgesetzt (Art. 91 Abs. 2 ZPO). Dazu hat sich das Einzelgericht in der Verfügung vom 27. Oktober 2023 ausführlich geäussert (act. 8 S. 4 E. 8). Darauf ist verwiesen und daran ist festzuhalten. Der nicht näher begründete Hinweis der Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7, dass ein Streitwert von CHF 30'000.00 nicht erreicht werde

      (act. 21 Rz. 38), überzeugt nicht. Wenn die Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 für den Fall der Anordnung einer vorsorglichen Massnahme eine Sicherstellung von CHF 8 Mio. beantragen (act. 21 Rechtsbegehren Ziff. 2 mit Begründung in

      Rz. 111 ff.), ist anzunehmen, dass der Streitwert den Betrag von CHF 30'000.00 (massiv) übersteigt. Der Streitwert ist mit der in der Verfügung vom 27. Oktober 2023 angegebenen Begründung auf CHF 1 Mio. zu Schätzen.

    4. Die Gesuchsgegner bestreiten das Bestehen einer Streitgenossenschaft und führen zur Begründung vereinfacht gesagt aus, dass die Gesuchstellerin keine Ansprüche wegen angeblich unlauterem Verhalten gegen die Gesuchsgegner 1-6 geltend machen könne und dass es den Gesuchsgegnern 1-6 an der Passivlegitimation fehle (act. 21 Rz. 13 ff., act. 25, act. 27 und act. 29). Ob die Prozessführung in einfacher Streitgenossenschaft zulässig ist, ist als Prozessvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen (BSK ZPO-Ruggle, 3. Auflage, Basel 2017, N 18 zu Art. 71, mit weiteren Hinweisen). Ob eine eingeklagte Partei passivlegitimiert ist, ist hingegen eine materiellrechtliche Frage. Wenn eine Frage sowohl für die materielle begründetheit des Gesuchs (Passivlegitimation) als auch für die prozessuale Eintretensfrage (Prozessvoraussetzung) von Bedeutung ist, ist sie doppelrelevant. Nach der Rechtsprechung wird für die Beurteilung solcher doppelrelevanten Umstände grundsätzlich zunächst auf die Darstellung der gesuchstellenden Partei abgestellt und die Frage der Passivlegitimation erst bei der materiellen Beurteilung gepröft (BGE 141 III 294 E. 5.2 S. 298 ff.). Daher ist an dieser Stelle die Passivlegitimation der Gesuchsgegner 1-6 einstweilen zu unterstellen und erst weiter unten wird bei der materiellen Beurteilung darauf zurückzukommen sein.

    5. Die Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 stellen den prozessualen Antrag, dass die angeblich rechtswidrig erlangten Beilagen 9 bis 22 des Gesuchs aus dem Recht zu weisen seien (act. 21 S. 2 mit Begründung in Rz. 74 ff.). Da das Gesuch abzuweisen sein wird, erübrigt es sich, auf diesen Antrag einzugehen.

    6. Weitere Bemerkungen zum Formellen drängen sich nicht auf.

  3. Materielles

    1. Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen

      Das Gericht trifft die notwendigen vorsorglichen Massnahmen, wenn die gesuchstellende Partei glaubhaft macht, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist eine Verletzung zu befürchten ist und dass ihr aus der Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht (Art. 261 Abs. 1 ZPO). Damit vorsorgliche Massnahmen angeordnet werden können, muss zunächst der Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht werden. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht eine Hauptsachenprognose (nachfolgend E. 3.2.). Weiter muss als Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden, dass ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht eine Nachteilsprognose (nachfolgend E. 3.3.). Weiter muss das Verhältnismässigkeitsprinzip beachtet werden. In diesem Zusammenhang ist eine Abwägung der involvierten Parteiinteressen vorzunehmen. Schliesslich wird vorausgesetzt, dass eine gewisse zeitliche Dringlichkeit vorliegt. Diese wird bejaht, wenn der nicht leicht wieder gutzumachende Nachteil nicht anders als durch den Erlass vorsorglicher Massnahmen abgewendet und das Resultat des Hauptverfahrens nicht abgewartet werden kann (nachfolgend E. 3.4.).

    2. Verfügungsanspruch (Hauptsachenprognose)

      1. Die Gesuchstellerin wirft den sieben Gesuchsgegnern unlauteres Verhalten vor (act. 1 Rz. 1 und 2). Das UWG umschreibt die gesetzlich verpönten Handlungen mit einer Generalklausel (Art. 2 UWG) und mit einer beispielhaften Aufzählung von verschiedenen SpezialtätBeständen (Art. 3 Abs. 1 lit. a-w sowie Art. 4 bis 8 UWG). Im vorliegenden Fall konkretisiert die Gesuchstellerin kaum höchstens ansatzweise, welchen Gesuchsgegnern (vgl. nachfolgend lit. b) welches unlautere Verhalten vorzuwerfen sein soll (vgl. nachfolgend lit. c).

      2. Die Gesuchstellerin klagt zwar sieben Gesuchsgegner ein, doch scheinen sich die von ihr erhobenen Vorwürfe in erster Linie auf den Gesuchsgegner 1 (heute Verwaltungsrat und Geschäftsführer der Gesuchsgegnerin 7) zu beziehen. In Bezug auf die Gesuchsgegner 2 (heute Verwaltungsrat und Geschäftsführer der Gesuchsgegnerin 7) und den Gesuchsgegner 3 (heute Geschäftsführer der Gesuchsgegnerin 7) ist nur schwer zu erkennen, welche konkreten Handlungen als unlauter gerägt werden. Und die Gesuchsgegner 4-6 werden wenn überhaupt höchstens am Rande erwähnt; bezüglich diesen Gesuchsgegner scheint sich die Gesuchstellerin ohnehin nicht im Klaren zu sein, wen sie überhaupt einklagen will, spricht sie doch teilweise von den Gesuchsgegnern 4 bis 5 (act. 1 Rz. 10), ohne den Gesuchsgegner 6 zu erwähnen (vgl. auch act. 1 Rz. 3 ff.). Wenn sieben Personen eingeklagt werden, muss erwartet werden, dass wenigstens ansatzweise dargetan wird, wem was vorgeworfen wird. Da die Passivlegitimation der Gesuchsgegner 2-6 aufgrund der unbestimmten Ausführungen der Gesuchstellerin nicht glaubhaft gemacht ist, erweist sich das Gesuch betreffend die Gesuchsgegner 2-6 schon aus diesem Grund als unbegründet.

      3. Auch die angeblich unlauteren Verhaltensweisen werden vor dem Hintergrund der oben erwähnten Unlauterkeitstatbestände (vgl. lit. a) nicht bzw. unge- nügend substantiiert. Die Gesuchstellerin rägt insbesondere, dass sich der Gesuchgegner 1 Einsatzlisten mit den Angaben von Temporürmitarbeitern sowie das Budget und Vertragsvorlagen verschafft habe (act. 1 Rz. 9), führt dann aber nicht in einer rechtsgenöglichen Weise aus, aufgrund welcher (glaubhaft gemachten) Sachverhaltselemente welche Unlauterkeitsbzw. Straftatbestände erfüllt sein sollten und weshalb gestützt darauf die in den Rechtsbegehren geltend gemachten Ansprüche bestehen sollten. In Bezug auf die Gesuchsgegner 2 und 3 wird auch nicht klar, welches konkrete Handeln unlauter sein soll. Und generell mutmasst die Gesuchstellerin, dass die Gesuchsgegner 1 und 2 sowie 4 bis 6 alle physischen Kunden- und Mitarbeiterdossiers mit grösster Wahrscheinlichkeit

        behündigt hätten (act. 1 Rz. 10), womit nur Behauptungen aufgestellt, diese aber nicht glaubhaft gemacht werden.

      4. Wenn nicht glaubhaft gemacht wird, WER angeblich unlauter gehandelt haben soll (lit. b) und worin die unlauteren Handlungen bestehen sollten (lit. c), ist das Bestehen eines Hauptsachenanspruchs nicht glaubhaft gemacht. darüber hinaus drängen sich verschiedene Bemerkungen zu den einzelnen Rechtsbegehren auf:

        • Rechtsbegehren Ziffer 3: In der Begründung des Gesuchs wird nicht dargetan, wer wann gegenüber wem geäussert haben soll, dass die Gesuchstellerin vor dem Konkurs stehe ohne Bewilligung arbeite.

        • Rechtsbegehren Ziffer 4: In der Begründung des Gesuchs wird nicht dargetan, wie die Gesuchsgegner 1-6, die zwischenzeitlich die Gesuchstellerin verlassen haben, in der Lage sein sollen, von Kunden- und Mitarbeiterdossiers Scans ähnliches zu erstellen.

        • Rechtsbegehren Ziffer 8 und 9: Gegenstand des Massnahmeverfahrens sind grundsätzlich nur Regelungs- und Sicherungsmassnahmen. Leistungsmassnahmen kommen höchstens ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen in Frage (BGE 138 III 378 E. 6.4 S. 381 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall würde die Zusprechung von Schadenersatz in einem Massnahmeverfahren auf eine vorgezogene Vollstreckung hinauslaufen, was nicht möglich ist. Sofern die Gesuchstellerin eine unbezifferte Forderungsklage erheben wollte, würde es überdies an einem Mindestwert fehlen (Art. 85 Abs. 1 ZPO).

      5. Aus den genannten Gründen fehlt es an einem glaubhaft gemachten Hauptsachenanspruch. Das Massnahmegesuch ist bereits aus diesem Grund abzuweisen.

    3. Verfügungsgrund (Nachteilsprognose)

      Nebst einem Verfügungsanspruch (Hauptsachenanspruch) muss als Verfügungsgrund ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil (Nachteilsprognose) glaubhaft gemacht werden. Dazu äussert sich die Gesuchstellerin nicht ausDrücklich. Wenn aber Ausführungen zum nicht leicht widergutzumachenden Nachteil fehlen, ist ein Verfügungsgrund (eine Nachteilsprognose) nicht glaubhaft gemacht. Auch aus diesem Grund ist das Massnahmegesuch abzuweisen.

    4. Weitere Anspruchsvoraussetzungen und Fazit (Verhältnismässigkeit und Dringlichkeit)

      Da weder das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs (positive Hauptsachenprog- nose) noch eines Verfügungsgrundes (Nachteilsprognose) glaubhaft gemacht werden, erübrigt es sich, auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen einzugehen. Das Massnahmegesuch ist abzuweisen.

  4. Kosten- und Entschädigungsregelung

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Gesuchstellerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 106 ZPO). Wie erläutert ist der Streitwert auf

      CHF 1 Mio. zu Schätzen (act. 8 S. 4 und E. 2.3).

    2. Bei einem Geschützten Streitwert von CHF 1 Mio. sind die Gerichtskosten auf CHF 20'000.00 festzusetzen (? 4 und 8 Abs. 1 GebV OG).

    3. Auch die Parteientschädigung für die anwaltlich vertretenen Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7 ist auf insgesamt CHF 20'000.00 (inkl. MWST) festzusetzen (? 4 Abs. 1, 8 und 9 AnwGebV). Ferner hat die Gesuchstellerin den nicht anwaltlich vertretenen Gesuchsgegnern 4, 5 und 6 eine Umtriebsentschädigung von je

CHF 300.00 zu bezahlen.

Der Einzelrichter erkennt:

  1. Das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 20'000.00.

  3. Die Kosten werden der Gesuchstellerin auferlegt und aus dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss bezogen.

  4. Die Gesuchstellerin wird verpflichtet, den Gesuchsgegnern 1, 2, 3 und 7 ei- ne Parteientschädigung von insgesamt CHF 20'000.00 (inkl. MWST) zu bezahlen.

  5. Die Gesuchstellerin wird verpflichtet, den Gesuchsgegnern 4 bis 6 je eine Umtriebsentschädigung von CHF 300.00 (total also CHF 900.00) zu bezahlen.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Gesuchsgegner 1, 2, 3 und 7, sowie an den Gesuchsgegner 4, den Gesuchsgegner 5 und den Gesuchsgegner 6 je unter Beilage des Doppels von act. 36.

  7. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder

Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Es liegt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor. Es liegt ein Entscheid über vorsorgliche Massnahmen vor (Art. 98 BGG). Der Streitwert beträgt CHF 1 Mio. (geschätzt).

Zürich, 29. Dezember 2023

Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht

Gerichtsschreiber:

Dr. Severin Harisberger

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