Zusammenfassung des Urteils HE220099: Handelsgericht des Kantons Zürich
Die Gesuchstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X., hat die Beklagte AG vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich verklagt, um Auskünfte zur Erfolgsrechnung und Bilanz des laufenden Geschäftsjahres 2022 zu erhalten. Die Richterin, Oberrichterin Nicole Klausner, hat entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, bestimmte Auskünfte zu erteilen, darunter Informationen zu den Nettoerlösen, Erlösminderungen, Personalaufwand, Verbindlichkeiten und weiteren betrieblichen Aufwendungen. Die Kosten des Verfahrens werden zu zwei Dritteln der Beklagten und zu einem Drittel der Klägerin auferlegt. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 6'500.-. Die Beklagte muss der Klägerin eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 2'000.- zahlen. Es wurde keine Vollstreckungsmassnahme beantragt. Die Entscheidung kann beim Schweizerischen Bundesgericht innerhalb von 30 Tagen angefochten werden.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HE220099 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 21.12.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Informationsrecht des Verwaltungsrats |
Schlagwörter : | Geschäft; Gesuch; Geschäfts; Gesuchs; Verwaltungs; Gesuchsgegnerin; Verwaltungsrat; Geschäftsjahr; Verwaltungsrats; Gesellschaft; Recht; Auskunft; Einsicht; Verfahren; Informationen; Geschäftsgang; Fragen; Akten; Auskünfte; Aufgabe; Höhe; Beweis; Auskunfts; Verbindlichkeiten; Generalversammlung; Rechtsbegehren; Verwaltungsratsmitglied; Verwaltungsratssitzung; öglich |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 219 ZPO ;Art. 229 ZPO ;Art. 253 ZPO ;Art. 706a OR ;Art. 715a OR ;Art. 725 OR ;Art. 754 OR ; |
Referenz BGE: | 129 III 499; 133 III 133; 144 III 100; |
Kommentar: | Sutter-Somm, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessord- nung [ZPO], Art. 228 OR ZPO, 2016 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Einzelgericht
Geschäfts-Nr.: HE220099-O U/pz
Mitwirkend: Oberrichterin Nicole Klausner sowie der Gerichtsschreiber Dr. Severin Harisberger
in Sachen
,
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X. ,
gegen
Gesuchsgegnerin
betreffend Informationsrecht des Verwaltungsrats
(act. 1 S. 2 ff.)
1. Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin folgende Auskünfte zur Erfolgsrechnung des laufenden Geschäftsjahres 2022 der Beklagten zu erteilen:
Wie hoch sind die Nettoerlöse der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 und wie setzen sie sich zusammen?
Wie hoch sind die Erlösminderungen der B. AG per
31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 und worauf sind diese zurückzuführen?
Wie hoch sind der Warenaufwand und die Fremdleistungen der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022
Wie hoch ist der Personalaufwand der B. AG per 31.
August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022
Wie hoch ist der Personalbestand der B. AG per 31.
August 2022 und wie verteilt er sich auf die verschiedenen Bereiche?
Welchen Personen wurden zu welchen Konditionen im laufenden Geschäftsjahr 2022 eingestellt? Welchen Personen wurde im laufenden Geschäftsjahr 2022 gekündigt?
Welche übrigen betrieblichen Aufwendungen wurden für die B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 getätigt und wie setzen sich diese zusammen?
Gab es im laufenden Geschäftsjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr 2021 relevante Änderungen beim Raumaufwand der B. AG (Aktiengesellschaft)
Wie hoch ist der Verwaltungs- und Informatikaufwand der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 Aus welchen Positionen setzt sich dieser zusammen?
Wurden Entwicklungsausgaben im laufenden Geschäftsjahr getätigt? Falls ja, in welcher Höhe
Wie hoch ist der EBITDA der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022
Wurden im laufenden Geschäftsjahr 2022 bis zum 31. August 2022 Dividenden der B. AG ausgeschüttet? Falls ja, in welcher Höhe
Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin folgende Auskünfte zur Bilanz des laufenden Geschäftsjahres 2022 der Beklagten zu erteilen:
Wie hoch sind die flüssigen Mittel der B. AG per 31.
August 2022 Wie verteilen sich die flüssigen Mittel der B. AG per 31. August 2022 auf die verschiedenen Bankkonti der B. AG (Aktiengesellschaft)
Wie hoch ist der Forderungsbestand der B. AG aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Dritten per 31. August 2022
Wie hoch ist der Bestand an Vorräten der B. AG per
31. August 2022 Gab es seit dem 31. Dezember 2021 relevante Änderungen in Bezug auf das Anlagevermögen der Gesellschaft?
Wie hoch ist der Bestand an kurzfristigen Verbindlichkeiten der B. AG per 31. August 2022 und wie setzt sich dieser zusammen?
Wie hoch ist der Bestand an langfristigen Verbindlichkeiten der B. AG per 31. August 2022 und wie setzt sich dieser zusammen?
Besteht per 31. August 2022 ein offener COVID-Kredit?
Falls ja, in welcher Höhe
Bestehen per 31. August 2022 zinstragende Verbindlichkeiten? Falls ja, in welcher Höhe
Gibt es per 31. August 2022 Rangrücktritte auf bestehende Verbindlichkeiten der B. AG (Aktiengesellschaft) Falls ja, auf welchen Verbindlichkeiten der B. AG und in welcher Höhe
Wie hoch ist das Eigenkapital der B. AG per 31. August 2022
Es sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin folgende weiteren Auskünfte zu erteilen:
Wie viele KiTa-Verträge bestehen per 31. August 2022 und was kostet ein KiTa-Platz aktuell?
Welche Rechtsstreitigkeiten bestehen per 30. September 2021 Wie hoch ist der jeweilige Streitwert?
Sind per 31. August 2022 alle Löhne der Mitarbeiter bezahlt
Bestehen per 31. August 2022 Vereinbarungen der B. AG mit nahestehenden Personen Dalls [recte: Falls] ja, mit wem, in welchem Zusammenhang und in welcher Höhe
Bei welcher Pensionskasse sind die Mitarbeiter der B. AG angeschlossen?
Bestehen per 31. August 2022 Ausstände der B. AG gegenüber der zuständigen Ausgleichskasse?
Wie hoch ist die gesamte Lohnsumme, welche der Ausgleichskasse mit der letzten Meldung gemeldet wurde und wann fand diese letzte Meldung statt?
Wann erfolgte die letzte Steuerrevision durch die zuständige kantonale Steuerverwaltung? Gab es in diesem Zusammenhang irgendwelche Beanstandungen?
Wann erfolgte die letzte AHV-Revision durch die zuständige Ausgleichskasse?
Gab es in diesem Zusammenhang irgendwelche Beanstan- dungen?
Wann erfolgte die letzte MWST-Revision durch ESTV? Gab es in diesem Zusammenhang irgendwelche Beanstandungen?
Weshalb wurde im handelsgerichtlichen Verfahren betreffend Organmangel der B. AG von der B. AG ein anderer Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2020 zu den Verfahrensakten gereicht, als er der Aktionärin A. am
18. März 2021 zur Verfügung gestellt wurde Weshalb weisen diesen beiden Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr 2020 unterschiedliche Verluste der Gesellschaft aus
Welche Zahlungen wurden von der B. AG in den letzten 10 Jahren an Herrn C. ihm nahestehenden Personen getätigt, wie hoch sind diese im Einzelnen und wie hoch ist das Gesamttotal dieser Zahlungen?
Welche Beträge weisen die an Herrn C. ausgestellten Lohnausweise der letzten 10 Jahre aus
Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.
Ausgangslage und Prozesslauf
Bei der Gesuchsgegnerin handelt es sich um eine 2012 von C. gegründete Aktiengesellschaft mit Sitz in D. , welche im Wesentlichen eine KiTa und ein Kinderparadies betreibt. Seit Anfang 2013 sind C. und die Gesuchstellerin zu je 50% Aktionäre der Gesuchsgegnerin.
Nach einem im April 2022 eingeleiteten und im Juni 2022 abgeschlossenen Verfahren vor dem hiesigen Einzelgericht wegen eines Organisationsmangels der Gesuchsgegnerin wurden im Nachgang des entsprechenden gerichtlichen Entscheides am 23. Juni 2022 eine ausserordentliche Generalversammlung und eine Verwaltungsratssitzung durchgeführt, anlässlich welcher die Gesuchstellerin zur Präsidentin des Verwaltungsrats und C. zum Verwaltungsrat gewählt wur- den (act. 3/5-7).
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Informationsrecht der Gesuchstellerin als Verwaltungsrätin gemäss Art. 715a OR. Die Gesuchstellerin führt aus, C. als faktischer Geschäftsführer der Gesuchsgegnerin mit alleiniger Zugriffsmöglichkeit auf Informationen verwehre ihr (der Gesuchstellerin) jegliche Auskunft und Information zum Geschäftsgang der Gesuchsgegnerin bzw. wolle ihr diese nur unter willkürlichen und unzulässigen Bedingungen gewähren. Aufgrund der Verweigerung der Gesuchsgegnerin sei es ihr (der Gesuchstellerin) nicht möglich, ihre Pflichten als Verwaltungsrätin ordnungsgemäss zu erfüllen, weil es ihr nicht möglich sei, sich ein Bild über deren finanzielle Situation zu verschaffen (act. 1 Rz. 8).
Vor diesem Hintergrund stellte die Gesuchstellerin mit Gesuch vom 24. Oktober 2022 die vorgenannten Rechtsbegehren, mit welchen sie Auskunft über verschiedene Positionen der Erfolgsrechnung und der Bilanz der Gesuchsgegerin des Geschäftsjahres 2022 (bis und mit August) sowie über diverse weitere Belange verlangt (act. 1). Die im vorliegenden Verfahren gestellten Fragen seien der Gesuchstellerin in Form eines Fragenkataloges vor und anlässlich der Generalversammlungen vom 20. September 2022 unterbreitet worden, doch seien keine tauglichen Auskünfte geliefert und Einsichtnahmen stets verweigert worden (act. 1 Rz. 13 f.; act. 3/13).
Nach Eingang des Gesuchs wurde der Gesuchstellerin mit Verfügung vom
26. Oktober 2022 Frist zur Leistung eines Vorschusses für die Gerichtskosten und gleichzeitig der Gesuchsgegnerin Frist zur Erstattung einer Stellungnahme zum Gesuch angesetzt (act. 4). Die Gesuchstellerin leistete den Gerichtskostenvorschuss fristgerecht (act. 9). Innert erstreckter Frist (act. 10) wurde mit Eingabe
vom 28. November 2022 (Datum Poststempel) eine Gesuchsantwort eingereicht (act. 12), die alsdann der Gesuchstellerin zur Kenntnisnahme zugestellt wurde (Prot. S. 5). Am 15. Dezember 2022 (Datum Poststempel) nahm die Gesuchstellerin Stellung zu dieser Gesuchsantwort (act. 16).
Die letzte Eingabe der Gesuchstellerin enthält Ausführungen betreffend die Zulässigkeit der Gesuchsantwort der Gesuchsgegnerin, welche bei der – in diesem Punkt zu Gunsten der Gesuchsgegnerin ausfallenden – Entscheidfindung zu berücksichtigen sind (vgl. E. 2.2). Im Übrigen enthält diese Stellungnahme keine eigenständigen, entscheidrelevanten Inhalte, weshalb es sich rechtfertigt, der Gesuchsgegnerin die letzte Eingabe der Gesuchstellerin mit dem vorliegenden Entscheid zuzustellen. Da das Verfahren spruchreif ist, hat jetzt ein Urteil zu ergehen.
Formelles
Das Einzelgericht des Handelsgerichts des Kantons Zürich ist für die Beurteilung dieses Gesuchs örtlich zuständig (Art. 10 Abs. 1 lit. b ZPO). Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich analog aus Art. 250 lit. c Ziff. 7 ZPO (vgl. BGE 144 III
100) in Verbindung mit § 45 lit. c GOG. Die Zuständigkeit wurde zu Recht auch nicht bestritten.
Die Gesuchsantwort der Gesuchsgegnerin vom 28. November 2022 wurde einzig durch C. unterzeichnet. Sie enthält das Ersuchen, die Eingabe als Rechtsschrift der Gesuchsgegnerin zuzulassen, obwohl sie lediglich durch einen kollektiv zeichnungsberechtigten Verwaltungsrat unterzeichnet sei (act. 12 Rz. 1 ff.). Die Gesuchstellerin ist der Auffassung, die Gesuchsantwort sei nicht rechtsgenügend unterzeichnet, damit unbeachtlich und als nie geschehen bzw. als nie zur Kenntnis des Gerichts gelangt zu betrachten (act. 16 Rz. 1 f., Rz. 8 ff.).
Nachdem erst aufgrund eines bundesgerichtlichen Entscheids aus dem Jahr 2018 (BGE 144 III 100) überhaupt klar feststeht, dass Auskunftsrechte des eines Verwaltungsrats bzw. einer Verwaltungsrätin einer Aktiengesellschaft gemäss
Art. 715a OR mittels Leistungsklage gerichtlich durchgesetzt werden können, d.h. eine entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung – auch des entsprechenden Verfahrens – fehlt, rechtfertigt es sich, mittels Analogien auf andere gesetzliche Bestimmungen zurückzugreifen. Ein Verfahren wie das vorliegende weist gewisse Parallelen zu Prozessen betreffend Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen auf. Dort kann es zur Situation kommen, dass der Verwaltungsrat als Gesamtorgan einen Generalversammlungsbeschluss anficht und das Gericht der Gesellschaft einen Vertreter zu bestellen hat (Art. 706a Abs. 2 OR). Jedoch kann auch ein Verwaltungsrat alleine bzw. können einzelne Verwaltungsräte eine entsprechende Anfechtungsklage erheben. In solchen Fällen wird die Gesellschaft vom Verwaltungsrat vertreten, wobei die anfechtenden Kläger in den Ausstand zu treten haben (BSK OR II-Dubs/Truffer, Art. 706a Rz. 8). Vorliegend präsentiert sich eine mit dieser letzten vergleichbare Konstellation, in welcher die Gesuchstellerin als Verwaltungsrätin ein Auskunftsgesuch gegen die Gesellschaft stellt. Diese Situation ist analog zum gerade für die Anfechtungsklage Gesagten zu lösen: Mithin wird die Gesuchsgegnerin vom (restlichen) Verwaltungsrat vertreten, wobei die Gesuchstellerin in den Ausstand zu treten hat. Dies bedeutet, dass die von C. als einem von zwei Verwaltungsratsmitgliedern unterzeichnete Gesuchsantwort als rechtsgültig erstattet zu betrachten und somit zu beachten ist. Der Vollständigkeit halber ist hier ferner zu ergänzen, dass eine solche Lösung den Bedürfnissen nach einer raschen Verfahrensführung im summarischen Verfahren sowie nach Wahrung des rechtlichen Gehörs in einem kontradiktorischen Prozess am besten Rechnung trägt.
Wie erwähnt, ist das Recht eines Verwaltungsratsmitglieds auf Auskunft und Einsicht nach Art. 715a OR gerichtlich klagbar (BGE 144 III 100 E 5).
Grundsätze des summarischen Verfahrens / Novenrecht
Wiederum in analoger Anwendung von Art. 250 lit. c Ziff. 7 ZPO kommt hier das summarische Verfahren gemäss Art. 252 ff. ZPO zum Zug, wobei Glaubhaftmachen nicht genügt, sondern das Regelbeweismass gilt (BGE 144 III 100 E. 6); mithin muss der volle Beweis erbracht werden. Ferner gelten sinngemäss die Bestimmungen des ordentlichen Verfahrens, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 219 ZPO). Das Gesetz sieht im summarischen Verfahren keinen doppelten Schriftenwechsel vor (Art. 253 ZPO). Der Gesuchsteller muss das gesamte Klagefundament (substantiierter Parteivortrag, Beweismittelnennung und – soweit möglich – Beweismittelvorlegung) mit dem Gesuch liefern. Davon ausge- nommen sind Tatsachenbehauptungen und Beweismittel, bei denen es sich um Noven im Sinn von Art. 229 Abs. 1 ZPO handelt. Als echte Noven gelten Tatsachen und Beweismittel, die erst nach Abschluss des Schriftenwechsels nach einer (letzten) Instruktionsverhandlung entstanden sind (Art. 229 Abs. 1
lit. a ZPO). Unechte Noven, d.h. Tatsachen und Beweismittel, die bereits vor Aktenschluss bestanden, können nachträglich in den Prozess eingeführt werden, sofern ein vorheriges Einbringen trotz zumutbarer Sorgfalt nicht möglich war
(Art. 229 Abs. 1 lit. b ZPO). Letzteres setzt voraus, dass der betreffenden Partei keine Nachlässigkeit in der Behauptungs- und Beweisführungslast vorgeworfen werden kann (Leuenberger, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessord- nung [ZPO], Sutter-Somm/ Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl., Zürich 2016, Art. 228 N 6). Eine Stellungnahme nach Aktenschluss darf namentlich nicht der blossen Nachbesserung des Gesuchs dienen. Diejenige Partei, die der Mei- nung ist, sie könne sich auf neue Tatsachen und/oder Beweismittel stützen, muss für jede neue Tatsache und jedes neue Beweismittel substantiiert dartun, dass erwähnte Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind (Leuenberger, a.a.O., Art. 229 N 10). Bestreitungen durch den Prozessgegner müssen von der gesuchstellenden Partei bis zu einem gewissen Grad vorausgesetzt und insoweit in ihrem Gesuch vorweggenommen werden.
Auskunftsanspruch
Rechtliche Grundlagen
Das Recht auf Auskunft und Einsicht der Verwaltungsräte wird in
Art. 715a OR geregelt. Diese Bestimmung statuiert als Grundsatz, dass jedes Mitglied des Verwaltungsrats Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen kann (Abs. 1). Im Einzelnen ist vorgesehen, dass jedes Mitglied des Verwaltungsrats ausserhalb der Sitzungen von den mit der Geschäftsführung betrauten Personen Auskunft über den Geschäftsgang verlangen (Abs. 3) und, soweit es für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich ist, dem Präsidenten beantragen kann, dass ihm Bücher und Akten vorgelegt werden (Abs. 4). Art. 715a OR
hat den Zweck sicherzustellen, dass der Verwaltungsrat seine Aufgaben als Führungs- und Aufsichtsgremium wirksam und effizient wahrnehmen kann, und die Bestimmung ist auch das Gegenstück zur individuellen Verantwortlichkeit der Verwaltungsratsmitglieder (BGE 144 III 100 E. 5.2.2; BGE 133 III 133; BGE 129 III 499 E. 3.3). Während gemäss Abs. 4 von Art. 715a OR die Ausübung des Einsichtsrechts in Bücher und Akten der Gesellschaft davon abhängen soll, dass ei- ne solche Einsicht für die Erfüllung einer Aufgabe des Verwaltungsratsmitglieds erforderlich ist, sieht Abs. 3 keine derartige Voraussetzung vor. Damit stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber (nur) beim Einsichtsrecht eine zusätzliche sachliche Schranke festlegen wollte. Dies ist zu verneinen, da Informationsansprüchen, welche nicht der Erfüllung einer verwaltungsrätlichen Aufgabe dienen, per se die Schranke der fehlenden Funktionalität zu setzen ist (Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl., Zürich 2009, §13 Rz. 170; Moschen/von der Crone, Gerichtliche Durchsetzung der Informationsrechte nach Art. 715a OR, SZW 2018, S. 304 ff., S. 308 f.; offensichtlich a.M. aber kritisch BSK OR II, Wernli/Rizzi, Art. 715a Rz. 11 und Rz. 4). Mithin setzen auch (blosse) Auskunftsansprüche eines Verwaltungsratsmitglieds gemäss Art. 715a OR voraus, dass sie für die Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich sind. Ferner muss sich das Rechtsbegehren auf eine bestimmte Zeitspanne sowie auf einen Zweck beschränken. Angesichts der (anfänglich) beim Auskunft begehrenden Verwaltungsratsmitglied liegenden Beweislast hat dieses den Beweis für das Nichtvorhandensein einer Beeinträchtigung von Gesellschaftsinteressen zu erbringen. Wegen der mit dieser Position verbundenen Schwierigkeiten hat die Gesellschaft bei der Abklärung der sachlichen Gründe für die Verweigerung der Informationserteilung jedoch mitzuwirken. Die Anforderungen an die Substantiierung hängen davon ab, wie die Gesellschaft mit einem Informationsgesuch eines Verwaltungsratsmitglieds umgegangen ist. Wurde es oh- ne Begründung abgewiesen, müsste der Gesellschaft – welche mit der Abweisung einen Ausnahmefall des grundsätzlich unbeschränkten Auskunfts- und Einsichtsrechts gemäss Art. 715a Abs. 1 OR geltend macht – der Beweis obliegen, inwiefern durch eine Informationserteilung Gesellschaftsinteressen gefährdet würden (Moschen/von der Crone, a.a.O., S. 311). Zudem ist es Sache der Gesuchsgegnerin, in nachvollziehbarer Art und Weise aufzuzeigen, dass, in welcher
Form und in welchem Ausmass die von einem Verwaltungsratsmitglied anbegehrten Informationsansprüche bereits erfüllt worden sind.
Zu beachten ist, dass grundsätzlich die Verwaltungsratssitzungen der Sicherstellung des Informationsflusses zu Gunsten der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder sowie ihrer Einsichtsmöglichkeiten dienen. Im Rahmen dieser Sitzungen kann Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft verlangt werden. Das Recht des einzelnen Verwaltungsrates, ausserhalb von Verwaltungsratssitzungen Auskunft zu verlangen, beschränkt sich dagegen auf Auskünfte über den Geschäftsgang und – Genehmigung der Verwaltungsratspräsidentin vorausgesetzt – über einzelne Geschäfte (Art. 715a Abs. 3 OR; Müller/Lipp/Plüss, Der Verwaltungsrat, Rz. 2.47). Worum es sich bei einem einzelnen Geschäft handelt, braucht nicht weiter erläutert zu werden. Unter Geschäftsgang ist sodann ein Bericht dessen zu verstehen, was letzthin im Geschäft gegangen ist, ein Bericht über die unmittelbar zuvor zurückgelegte Geschäftstätigkeit, über Veränderungen und aussergewöhnliche Ereignisse, eine Differenzanalyse, die Anhaltspunkte über Erfüllung Nichterfüllung der Geschäftsaussichten in der letzten Zeitperiode gibt. Nicht zum Geschäftsgang gehören Einzelheiten über Einzelfälle, Datensammlungen als solche, Personalakten der Mitglieder der Geschäftsleitung, Informationen über weit zurückliegende Vorgänge sowie die Bücher und Akten. Vom Begriff Geschäftsgang wird ein Auskunftsbegehren ausserhalb der Sitzung dann nicht mehr gedeckt, wenn es sich auf Fakten bezieht, die nicht die Entwicklung des Geschäfts in der letzten Zeitperiode betreffen, sondern einzelne Detailangaben und Serien von Angaben (Böckli, a.a.O., § 13 Rz. 201 ff.).
Die Gesuchstellerin legt dar, C. verwehre ihr, seitdem sie Einsitz in den Verwaltungsrat der Gesuchsgegnerin genommen habe, jegliche Auskunft und Information zum Geschäftsgang der Gesuchsgegnerin. C. habe in seiner Funktion als faktischer Geschäftsführer alleinige Zugriffsmöglichkeit auf die Informationen, weigere sich jedoch, ihr diese auszuhändigen, bzw. wolle dies nur unter willkürlichen und unzulässigen Bedingungen tun. Als Mitglied des Verwaltungsrats und insbesondere als dessen Präsidentin obliege ihr die Pflicht zur gehörigen Erfüllung ihrer Aufgaben in aller Sorgfalt und im Interesse der Gesellschaft. Dazu benötige sie Einsicht in sämtliche die Geschäftsführung betreffenden Dokumente. Aufgrund der Verweigerung der Gesuchsgegnerin sei es ihr nicht möglich, sich ein Bild über deren finanzielle Situation zu machen. Sie könne deswegen ihre Pflicht als Verwaltungsrätin nicht ordnungsgemäss erfüllen. Sie habe wiederholt versucht, die von ihr benötigten Auskünfte von der Gesuchsgegnerin einzufordern. Anlässlich der ausserordentlichen Generalversammlung vom 23. Juni 2022 seien ihr von C. mündlich umfassende Informationen und Dokumentationen zum Geschäftsgang der Gesuchsgegnerin zugesichert worden. Unter Bezugnahme auf diese Zusicherungen sei C. am 27. Juni 2022 aufgefordert worden, ihr die versprochenen Informationen zukommen zu lassen, jedoch sei dieser seinen mündlichen Zugeständnissen bislang nicht nachgekommen (act. 1 Rz. 8 ff.). Sie legt dar, dass sie zweimal am Geschäftssitz der Gesuchsgegnerin erschienen sei, u.a. um Zugang zu den von ihr benötigten Informationen zu verlangen bzw. Einsicht in die Akten zu erhalten, was ihr verweigert worden sei (act. 1 Rz. 10, Rz. 15). Weiter erörtert sie, C. als faktischen Geschäftsführer der Gesuchsgegnerin zweimal schriftlich aufgefordert zu haben, ihr Zugang zu den von ihr benötigten Informationen zu gewähren (act. 1 Rz. 11, Rz. 12) bzw. dreimal schriftlich zur Herausgabe der Informationen aufgefordert zu haben (act. 1 Rz. 13, Rz. 16, Rz. 17) bzw. anlässlich der ordentlichen Generalversammlung in Ausübung des Auskunftsrechts als Aktionärin zur Beantwortung der Fragen über einzelne Geschäftsfelder und Geschäftsvorfälle aufgefordert zu haben (act. 1 Rz. 14). Trotz zahlreicher Aufforderungen an den faktisch Geschäftsführenden, sei- nen Pflichten nachzukommen und ihr (der Gesuchstellerin) die benötigten Informationen auszuhändigen, weigere sich dieser vehement. Daher sei sie hinsichtlich der finanziellen Situation und der Geschäfte der Gesuchsgegnerin völlig im Dunkeln (act. 1 Rz. 18).
Die Gesuchsgegnerin führt aus, der Gesuchstellerin sei nie verwehrt wor- den, Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu erhalten, und C. sei dieser auch immer für Fragen zur Verfügung gestanden. Die Einsichtnahme sei jedoch von ihr (der Gesuchsgegnerin) zunächst davon abhängig gemacht worden, dass die Einsichtnahme persönlich vor Ort am Sitz der Gesellschaft stattfinde, dies aus praktischen Gründen. Die Gesuchstellerin wolle nämlich Einsicht in umfangreiche
Akten nehmen, welche sich nicht einfach herumschicken lassen würden. Zudem sei ein Teil der Akten, wie Verträge mit den KiTa-Kindern, aus datenschutzrechtlichen Gründen vertraulich. Es sei der Gesuchstellerin überdies zumutbar, zur Ausübung des Einsichtsrechts zum Geschäftssitz zu kommen. Weitere Bedingung für die Einsichtnahme sei gewesen, dass Vertraulichkeit gewahrt werde, mithin Rechtsanwalt X. von der Teilnahme an der Einsicht ausgeschlossen werde. Dessen Präsenz sei unzumutbar, nachdem C. bei der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zürich eine Anzeige gegen Rechtsanwalt
X. eingereicht habe, welcher ein Interessenkonflikt zugrunde liege. So vertrete Rechtsanwalt X. E. , den Bruder der Gesuchstellerin, in einem Rechtsöffnungsverfahren gegen sie betreffend Rückforderung eines Darlehens. Weiter vertrete Rechtsanwalt X. die dem Ehemann der Gesuchstellerin gehörende F. AG gegen sie (die Gesuchsgegnerin) in Zusammenhang mit ei- ner Investition, die nun ebenfalls von ihr zurückgefordert werde. Ferner pflege Rechtsanwalt X. aktendwidrig zu behaupten, C. verweigere die für sich und die Gesuchstellerin geforderte Einsicht in ihre Akten. Schliesslich manifestiere sich auch darin, dass nicht etwa die Gesuchstellerin, sondern G. den Kostenvorschuss für das vorliegende Verfahren geleistet habe, einen Interessenkonflikt. Bereits am 29. Juni 2022 habe C. der Gesuchstellerin per 4. Juli 2022, 14.00 Uhr, vollumfängliche Einsicht in die Gesellschaftsakten angeboten (act. 12 Rz. 13 ff.). Ebenso seien der Gesuchstellerin an der Generalversammlung vom 20. September 2020 die Jahresabschlüsse 2021 sowie Juni 2022 übergeben sowie Fragen beantwortet worden (act. 12 Rz. 27), mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 sei ihr angeboten worden, die Akten abzuholen (act. 12 Rz. 34), und am Termin der Vewaltungsratssitzung vom 25. Oktober 2022 habe C. die Akten dabei gehabt und Fragen beantworten wollen, wozu es aber wegen des Verhaltens der Gesuchstellerin nicht gekommen sei (act. 12 Rz. 36).
Das Rechtsbegehren im Gesuch der Gesuchstellerin besteht aus einem dreiteiligen Fragenkatalog. Ein Einsichtsrecht in die Bücher und Akten der Gesellschaft ist dagegen ausdrücklich nicht Gegenstand der von der Gesuchstellerin gestellten Rechtsbegehren. Aus dem vorgelegten Schriftverkehr zwischen der Gesuchstellerin und C. ist ersichtlich, dass die Gesuchstellerin in der Position als Verwaltungsrätin zunächst die Übermittlung und dauerhafte Zurverfügungstellung von Unterlagen über die Gesellschaft verlangte und eine Einsicht- nahme in den Geschäftsräumlichkeiten der Gesellschaft als klar ungenügend taxierte (act. 3/10 S. 2; act. 3/11 S. 2). Um welche Unterlagen es der Gesuchstellerin damals im Einzelnen ging, ist im Übrigen nicht ersichtlich (vgl. act. 3/10 S. 3). Ferner geht aus den Akten hervor, dass sich auch die in der Folge geführte Korrespondenz und Diskussion in unergiebigen Kontroversen erschöpfte, wie, wo, in welcher Form und von wem das Einsichtsrecht ausgeübt werden soll. Da es im Rechtsbegehren der Gesuchstellerin jedoch nicht um die Gewährung des Einsichtsrechts geht, muss im vorliegenden summarischen Verfahren eine Ausei- nandersetzung mit diesen Vorgängen unterbleiben. Von Bedeutung ist dagegen, dass die Gesuchstellerin mit Schreiben vom 25. August 2022 der Gesuchsgegnerin bereits den Fragenkatalog gemäss Rechtsbegehren unterbreitete, und zwar in ihrer Position als Verwaltungsratspräsidentin sowie auch in der Position einer Aktionärin (act. 3/13-14).
Die Gesuchstellerin behauptet recht pauschal, die geforderten Auskünfte zu benötigen, um sich ein Bild über die finanzielle Situation der Gesuchstellerin machen zu können und um ihre Pflicht zur gehörigen Erfüllung ihrer Aufgaben in aller Sorgfalt sowie im Interesse der Gesellschaft erfüllen zu können. Sie verzichtet in- dessen weitgehend darauf, konkret darzulegen, inwiefern die einzelnen von ihr geforderten Auskünfte für die Erfüllung ihrer Aufgabe als Verwaltungsratsmitglied erforderlich sind, insbesondere für welche ihrer Aufgaben. Ebenso wenig äussert sie sich dazu, wie sie die verlangten Informationen einordnet (Informationen über Geschäftsgang, über einzelne Geschäfte anderes).
Welche Aufgaben der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft zu erfüllen hat, geht bereits aus dem Gesetz hervor, sieht doch Art 716a OR vor, dass ihm
u.a. die unübertragbare und unentziehbare Aufgabe der Ausgestaltung des Rech- nungswesens, der Finanzkontrolle und der Finanzplanung sowie die Pflicht zur Benachrichtigung des Richters im Fall einer Überschuldung zukommt. Ferner haften die Mitglieder des Verwaltungsrats der Gesellschaft und den Aktionären sowie den Gesellschaftsgläubigern für den Schaden, den sie durch absichtliche oder
fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen (Art. 754 Abs. 1 OR). Insofern ist das Bedürfnis des Verwaltungsrates und jedes einzelnen Mitglieds an fundamentalen Informationen über die finanzielle Situation der Gesellschaft evident.
Alle von der Gesuchstellerin im vorliegenden Verfahren verlangten Auskünfte betreffen Aspekte der finanziellen Situation der Gesuchsgegnerin. Die Gesuchstellerin als Verwaltungsratspräsidentin hat – wie gerade erwähnt – zur Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere derjenige der Ausgestaltung der Finanzkontrolle und -planung, im Grundsatz ein Recht auf solche Informationen. Die Gesuchsgegnerin macht sodann nicht geltend, dass alle einige der Gesuchstellerin gestellten Fragen keinen Zusammenhang zu den von dieser zu erfüllenden Aufgaben haben. Sie begnügt sich mit der Behauptung, dass der Gesuchstellerin in der Generalversammlung vom 20. September 2022 die Jahresabschlüsse, d.h. die Bilanz und Erfolgsrechnung 2021 und Juni 2022, übergeben worden und Fragen beantwortet worden seien bzw. bei entsprechender Kooperation der Gesuchstellerin noch an der Verwaltungsratssitzung vom 25. Oktober 2022 beantwortet worden wären. Bereits aus den übergebenen Abschlüssen seien die meisten der verlangten Informationen ersichtlich und die meisten Fragen der Gesuchstellerin beantwortet (act. 12 Rz. 27, Rz. 28).
Richtig ist, dass gemäss dem Protokoll besagter Generalversammlung vom
20. September 2022 eine Bilanz der Gesellschaft per 30. Juni 2022 und eine Erfolgsrechnung der Gesellschaft vom 1. Januar 2022 bis 30. Juni 2022 vorgelegt bzw. der Gesuchstellerin übergeben worden seien. Im Versammlungsprotokoll und in der letzten Stellungnahme der Gesuchstellerin wird in diesem Zusammenhang von entsprechenden Snap-Shots Screen Shots gesprochen (act. 3/16 S. 5). Keine der Parteien reichte diese Dokumente Snap-/Screen- Shots ein, insbesondere die Gesuchsgegnerin nicht. Inwiefern die Übergabe der Abschlüsse in Gestalt blosser Snap-Shots Screen-Shots es zulassen, tatsächlich die von der Gesuchstellerin benötigten und gewünschten Informatio- nen zu gewinnen, lässt sich den Ausführungen der Gesuchsgegnerin nicht ent- nehmen und mangels Einreichung der Dokumente Dateien auch nicht ersehen. Am 25. Oktober 2022 kam es – aus welchen Gründen auch immer – nicht zu einer weiter reichenden Übergabe von Akten.
Weiter macht die Gesuchsgegnerin geltend, an der Generalversammlung vom 20. September 2022 verschiedene bzw. die meisten Fragen der Gesuchstellerin beantwortet zu haben. Sie gibt dazu eine rudimentäre Aufzählung wieder, in welcher indessen nur teilweise ersichtlich ist, wie die Fragen beantwortet wurden (act. 12 Rz. 28). Die Gesuchsgegnerin fügt in diesem Kontext an, dass das Protokoll der Generalversammlung bewusst falsch abgefasst worden sei (act. 12 Rz. 29). Was falsch protokolliert worden sein soll, lässt sie jedoch offen; es ist daher nicht ersichtlich, ob insbesondere Fehler bei der Protokollierung der beantworteten Fragen geltend gemacht werden, geschweige denn welche. Am 25. Oktober 2022 kam es zu keinem weiteren Informationsaustausch der Parteien. Insgesamt ergibt sich aus diesen Einwänden der Gesuchsgegnerin nichts, was gegen ein nach wie vor bestehendes Auskunftsbedürfnis der Gesuchstellerin und damit ihren entsprechenden grundsätzlichen Auskunftsanspruch sprechen könnte. Mit ihren Einwänden gelingt es der Gesuchsgegnerin daher nicht, den grundsätzlich bestehenden Auskunftsanspruch zu entkräften als gegenstandslos erschei- nen zu lassen.
Wie vorne dargelegt, beschränkt sich das Recht des einzelnen Verwaltungsrates, ausserhalb von Verwaltungsratssitzungen Auskunft zu verlangen, auf Informationen über den Geschäftsgang und allenfalls über einzelne Geschäfte. Die Gesuchsgegnerin kritisiert ansatzweise, dass diesen Aspekten im Gesuch der Gesuchstellerin nicht Rechnung getragen würde (act. 12 Rz. 75 ff.). Dieser Aspekt ist zu prüfen: Mit den Ziffern 1 und 2 der Rechtsbegehren der Gesuchstellerin werden Auskünfte zu Erfolgsrechnung und Bilanz bzw. Stand der Erträge, Aufwände, Aktiven und Passiven per Ende August des Geschäftsjahres 2022 verlangt. Ohne dass dies weiterer Erläuterung durch die Gesuchstellerin bedürfte, ist genügend klar, dass es sich um Kennzahlen und Erläuterungen handelt, die den Geschäftsgang der Gesellschaft betreffen und der Gesuchstellerin als Verwaltungsratspräsidentin daher auch ausserhalb einer Verwaltungsratssitzung zu beantworten sind. Zu Informationen zum Geschäftsgang gehören insbesondere
auch solche über den Personalbestand und Veränderungen. Die Frage nach Rangrücktritten auf bestehenden Verbindlichkeiten ist ebenfalls dazu zu zählen, sind solche doch zur Prüfung allfälliger Anzeigepflichten des Verwaltungsrats relevant (vgl. Art. 725 Abs. 2 OR) und ist im Rahmen der Beurteilung des Geschäftsganges von Bedeutung, wann und in welchem Umfang sie gegebenenfalls erfolgten. Diese Begehren (Ziffer 1 und 2 der Rechtsbegehren) sind daher insgesamt gutzuheissen.
Was hingegen die Fragen gemäss Ziffer 3 der Rechtsbegehren mit dem Geschäftsgang der Gesuchsgegnerin im vorher beschriebenen Sinn (E.4.1.1.) mit einzelnen Geschäften zu tun haben könnten – so dass von einem Informationsrecht der Gesuchstellerin auch ausserhalb einer Verwaltungsratssitzung ausgegangen werden könnte – ergibt sich mit einer Ausnahme weder von selbst, noch wird Entsprechendes von der Gesuchstellerin dargetan. Soweit ersichtlich und mangels anderer Angaben der Gesuchstellerin ist vielmehr davon auszugehen, dass die in dieser Ziffer gestellten Fragen nicht die Entwicklung des Geschäfts der Gesuchsgegnerin in der letzten Zeitperiode betreffen; zudem werden mitunter ganze Serien von Angaben, dies zum Teil über Jahre hinweg, verlangt. Dass namentlich mit Bezug auf Haftungsfragen ein grundsätzliches Bedürfnis der Gesuchstellerin an den hier von ihr verlangten Auskünften bestehen dürfte, vermag nichts daran zu ändern, dass diese den vorliegend zu respektierenden Rahmen – im Sinne eines Anspruchs auf Informationen über den Geschäftsgang und einzelne Geschäfte der Gesuchsgegnerin – sprengen. Die Voraussetzungen für eine Gutheissung der ausserhalb einer Verwaltungsratssitzung gestellten Auskunftsbegehren sind daher nicht erfüllt. Die genannte Ausnahme betrifft die Frage nach der Anzahl bestehender KiTA-Verträge und den Kosten eines KiTa-Platzes, welche augenscheinlich den Geschäftsgang der Gesuchsgegnerin betrifft. Dieses Auskunftsbegehren ist somit gutzuheissen, während Ziffer 3 der Rechtsbegehren im Übrigen abzuweisen ist.
Vollstreckungsmassnahmen wurden keine beantragt, weshalb auf entsprechende Anordnungen zu verzichten ist.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Angesichts des Ausgangs des Verfahrens rechtfertigt es sich, der Gesuchsgegnerin zwei Drittel und der Gesuchstellerin einen Drittel der Prozesskosten aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 1 und 2 ZPO). Die Gerichtsgebühr ist angesichts des auf CHF 100'000.– zu beziffernden Streitwerts auf CHF 6'500.– festzusetzen (§§ 4 und 8 GebV OG).
Die Gesuchsgegnerin ist zu verpflichten, der Gesuchstellerin eine auf ein Drittel reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen. Ausgehend von einer vollen Parteientschädigung von 6'000.– ist der reduzierte Betrag auf CHF 2'000.– festzusetzen.
Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, der Gesuchstellerin folgende Auskünfte zur Erfolgsrechnung des laufenden Geschäftsjahres 2022 zu erteilen:
Wie hoch waren die Nettoerlöse der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 und wie setzten sie sich zusammen?
Wie hoch waren die Erlösminderungen der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 und worauf waren diese zurückzuführen?
Wie hoch waren der Warenaufwand und die Fremdleistungen der
B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022
Wie hoch war der Personalaufwand der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022
Wie hoch war der Personalbestand der B. AG per 31. August 2022 und wie verteilte er sich auf die verschiedenen Bereiche?
Welchen Personen wurden zu welchen Konditionen im laufenden Geschäftsjahr 2022 eingestellt? Welchen Personen wurde im laufenden Geschäftsjahr 2022 gekündigt?
Welche übrigen betrieblichen Aufwendungen wurden für die B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 getätigt und wie setzten sich diese zusammen?
Gab es im laufenden Geschäftsjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr 2021 relevante Änderungen beim Raumaufwand der B. AG (Aktiengesellschaft)
Wie hoch war der Verwaltungs- und Informatikaufwand der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022 Aus welchen Positionen setzt sich dieser zusammen?
Wurden Entwicklungsausgaben im laufenden Geschäftsjahr getätigt?
Falls ja, in welcher Höhe
Wie hoch war der EBITDA der B. AG per 31. August 2022 im laufenden Geschäftsjahr 2022
Wurden im laufenden Geschäftsjahr 2022 bis zum 31. August 2022 Dividenden der B. AG ausgeschüttet? Falls ja, in welcher Höhe
Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, der Gesuchstellerin folgende Auskünfte zur Bilanz des laufenden Geschäftsjahres 2022 der Beklagten zu erteilen:
Wie hoch waren die flüssigen Mittel der B. AG per 31. August 2022 Wie verteilten sich die flüssigen Mittel der B. AG per 31. August 2022 auf die verschiedenen Bankkonti der B. AG (Aktiengesellschaft)
Wie hoch war der Forderungsbestand der B. AG aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Dritten per 31. August 2022
Wie hoch war der Bestand an Vorräten der B. AG per 31. August 2022 Gab es seit dem 31. Dezember 2021 relevante Änderungen in Bezug auf das Anlagevermögen der Gesellschaft?
Wie hoch war der Bestand an kurzfristigen Verbindlichkeiten der
B. AG per 31. August 2022 und wie setzte sich dieser zusammen?
Wie hoch war der Bestand an langfristigen Verbindlichkeiten der
B. AG per 31. August 2022 und wie setzte sich dieser zusammen?
Bestand per 31. August 2022 ein offener COVID-Kredit? Falls ja, in welcher Höhe
Bestanden per 31. August 2022 zinstragende Verbindlichkeiten? Falls ja, in welcher Höhe
Gab es per 31. August 2022 Rangrücktritte auf bestehende Verbindlichkeiten der B. AG (Aktiengesellschaft) Falls ja, auf welchen Verbindlichkeiten der B. AG und in welcher Höhe
Wie hoch war das Eigenkapital der B. AG per 31. August 2022
Die Gesuchsgegnerin wird weiter verpflichtet, der Gesuchstellerin Auskunft darüber zu erteilen, wie viele KiTa-Verträge per 31. August 2022 bestanden und was ein KiTa-Platz aktuell kostet.
Im Übrigen wird das Gesuch der Gesuchstellerin abgewiesen.
Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf CHF 6'500.–.
Die Gebühr wird der Gesuchsgegnerin zu zwei Drittel und der Gesuchstellerin zu einem Drittel auferlegt. Die Gebühr wird aus dem von der Gesuchstellerin geleisteten Vorschuss gedeckt. Der Gesuchstellerin wird für den der
Gesuchsgegnerin auferlegten Anteil (CHF 4'333.35) das Rückgriffsrecht eingeräumt.
Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, der Gesuchstellerin eine reduzierte Parteientschädigung in Höhe von CHF 2'000.– zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Gesuchsgegnerin unter Beilage eines Doppels von act. 16 und act. 17/1-2.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 100'000.–.
Zürich, 21. Dezember 2022
Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht
Der Gerichtsschreiber:
Dr. Severin Harisberger
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