Zusammenfassung des Urteils HE220008: Handelsgericht des Kantons Zürich
Die International GmbH verlangte von der Consulting GmbH die Zahlung von CHF 47'141.30 sowie weiterer Kosten aufgrund einer nicht beglichenen Rechnung. Die Consulting GmbH bestritt die Forderung und führte Gegenforderungen an, erwähnte jedoch keine Beweise. Das Gericht entschied, dass der Sachverhalt nicht eindeutig sei und wies das Gesuch um Rechtsschutz ab. Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 3'900.00 wurden der International GmbH auferlegt.
Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HE220008 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 26.04.2022 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rechtsschutz in klaren Fällen |
Schlagwörter : | Gesuch; Recht; Gesuchsgegnerin; Richt; Parteien; Sachverhalt; Gericht; Rechtslage; Vertrag; Schweiz; Forderung; E-Mail; Zahlung; Rechnung; Verfahren; Beweis; Rechtsschutz; Betreibung; Frist; Stellungnahme; Vorbringen; Fällen; Zuständigkeit; Behauptungen; Eventualverrechnung; Betrag; Schweizer; Streitwert; Handelsgericht |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ;Art. 116 IPRG ;Art. 117 IPRG ;Art. 16 IPRG ;Art. 257 ZPO ;Art. 56 ZPO ;Art. 6 IPRG ;Art. 6 ZPO ; |
Referenz BGE: | 134 III 151; 135 III 185; 138 III 123; 138 III 620; 140 III 315; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Einzelgericht
Geschäfts-Nr.: HE220008-O U/mk
Mitwirkend: Oberrichter Dr. Stephan Mazan sowie der Gerichtsschreiber Fabio Hürlimann
in Sachen
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt X. ,
gegen
Gesuchsgegnerin
betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen
(act. 1 S. 2)
Die Gesuchsgegnerin sei zur Zahlung von CHF 47'141.30 nebst Zins von 5% seit 03.08.2000 sowie CHF 103.30 Kosten des Zahlungsbefehls des Betreibungsamtes Illnau-Effretikon sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von CHF 681.65 an die Gesuchstellerin zu verurteilen und es sei der Rechtsvorschlag in dieser Betreibung im genannten Umfang zu beseitigen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
Sachverhaltsüberblick und Prozessgeschichte
Mit Vertrag vom 14. September 2018 verpflichtete sich die Gesuchstellerin gegenüber der Gesuchsgegnerin zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Erstellung von Software, wobei dieser Vertrag mit Zusatzvereinbarung vom
1. Mai 2020 verlängert wurde (act. 1 S. 2; act. 2/1-2).
Mit Rechnung vom 1. Juli 2020 verlangte die Gesuchstellerin unter Anrechnung einer zuvor durch die Gesuchsgegnerin geleisteten Überzahlung EUR 43'811.60 für ihre Leistungen in den Monaten Mai und Juni 2020 (act. 2/3). Diese Rechnung wurde von der Gesuchsgegnerin nicht bezahlt (act. 1 S. 2, act. 17 S. 1).
In der Folge leitete die Gesuchstellerin mit Zahlungsbefehl vom 8. November 2021 die Betreibung der Gesuchsgegnerin ein, welche die Betreibung aller- dings mittels Rechtsvorschlag stoppte (act. 2/7).
Am 14. Januar 2022 (Datum Poststempel) stellte die Gesuchstellerin das vorliegende Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen (act. 1).
Mit Verfügung vom 18. Januar 2022 wurde der Gesuchstellerin Frist angesetzt, um für die Gerichtskosten einen Vorschuss zu leisten, um eine von einem vertretungsberechtigten Organ der Gesuchstellerin ausgestellte schriftliche Prozessvollmacht einzureichen, um ein Verzeichnis der Beweismittel einzureichen und um in der Schweiz ein Zustelldomizil zu bezeichnen (act. 3).
Die Gesuchstellerin leistete den Vorschuss fristgerecht (act. 5). Ebenfalls innert Frist reichte sie die Prozessvollmacht und das Beweismittelverzeichnis ein und bezeichnete ein Zustelldomizil in der Schweiz (act. 6-10).
Mit Verfügung vom 28. Februar 2022 wurde der Gesuchsgegnerin Frist zu Stellungnahme angesetzt (act. 12).
Die Stellungnahme der Gesuchsgegnerin erreichte das Gericht innert erstreckter Frist (act. 16-17).
Die Stellungnahme der Gesuchsgegnerin wurde in der Folge der Gesuchstellerin zugestellt (Prot. S. 8). Die Gesuchstellerin äusserte sich indessen nicht zur Stellungnahme der Gesuchsgegnerin.
Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
Formelles
Die Gesuchstellerin hat ihren Sitz in der Republik Belarus, die Gesuchsgegnerin ist hingegen in der Schweiz domiziliert, womit ein internationaler Sachverhalt vorliegt und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem IPRG richtet (BGE 135 III 185 E. 3.1 m.w.H). Da sich die Gesuchsgegnerin in ihrer Eingabe vom 1. April 2022 vorbehaltlos zur Sache äussert, hat sie sich auf das Verfahren eingelassen, was gemäss Art. 6 IPRG ohne Weiteres zur örtlichen Zuständigkeit des hiesigen Gerichts führt.
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 6 ZPO i.V.m. § 45 lit. d GOG.
Materielles
Das Gericht gewährt nach Art. 257 Abs. 1 ZPO Rechtsschutz im summarischen Verfahren, wenn der Sachverhalt unbestritten sofort beweisbar (lit. a) und die Rechtslage klar ist (lit. b). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist auf die Klage nicht einzutreten (Art. 257 Abs. 3 ZPO). Eine Abweisung mit Rechtskraftwirkung ist unzulässig (BGE 140 III 315 ff.). Die Rechtslage ist klar, wenn sich die
Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes – unter Berücksichtigung von Lehre und Rechtsprechung – ohne Weiteres ergibt, und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt (BGE 138 III 123 E. 2.1.2 m.w.H.). Es muss auch in Anbetracht der Einwendungen und Einreden der beklagten Partei ein liquider Sachverhalt, d.h. ein klarer Fall, vorliegen. Blosses Glaubhaftmachen ge- nügt für die Geltendmachung des Anspruchs nicht, sondern der Gesuchsteller hat den vollen Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen zu erbringen. Offensichtlich haltlose bzw. offensichtlich unbegründete Behauptungen, über die sofort entschieden werden kann, genügen indessen nicht, um einen klaren Fall auszuschliessen (BGE 138 III 620 E. 5.1.1).
Die Gültigkeit des Vertrag zwischen den Parteien, die Rechnungstellung durch die Gesuchstellerin und die ausstehende Begleichung der eingeklagten Forderung durch die Gesuchsgegnerin sind unbestritten. Die Gesuchstellerin schliesst ihrerseits aus einer E-Mail vom 20. November 2020 (act. 2/5) auf einen liquiden Sachverhalt, da die Gesuchsgegnerin darin ihre Zahlungsverpflichtung anerkannt habe (act. 1 S. 3).
Die Gesuchsgegnerin bestreitet hingegen den Bestand der Forderung an sich. So hätten die Parteien anlässlich einer Videokonferenz vom 10. August 2020, mündlich vereinbart, dass man gegenseitig auf Forderungen verzichte. Zu- dem seien die von der Gesuchstellerin für den Zeitraum von März bis Juni 2020 gestellten Rechnungen um EUR 44'881.80 zu hoch gewesen. Die überhöhten Rechnungen für März und April 2020 habe die Gesuchstellerin bereits nur vor dem Hintergrund einer Drohung der Gesuchstellerin, bei Nichtbezahlung komme es zu Schaden bei den Kunden der Gesuchsgegnerin, bezahlt. Tatsächlich sei es zudem zu mehreren Incidents gekommen, aus denen gesamthaft ein Schaden von EUR 47'200.– entstanden sei. Durch dieses Verhalten der Gesuchstellerin habe die Gesuchsgegnerin einen Kunden verloren. Die Gesuchstellerin habe zu- dem Hardware im Wert von EUR 4'000.– nicht zurückgegeben. Insgesamt bestünden daher Gegenforderungen von EUR 96'081.80 (act. 17). Diese Vorbringen der nicht anwaltlich vertretenen Gesuchsgegnerin sind als Eventualverrechnung zu verstehen. Für sämtliche Behauptungen offeriert die Gesuchsgegnerin keiner-
lei Beweise. Inwiefern ihr in Ausübung der gerichtlichen Fragepflicht (Art. 56 ZPO) dazu noch die Möglichkeit zu geben wäre, kann jedoch angesichts der nachfolgenden Erwägungen offen bleiben.
Zunächst ist hinsichtlich der Vorbringen der Gesuchstellerin, die Gesuchsgegnerin habe per E-Mail ihre Schuld anerkannt, festzuhalten, dass die offerierten E-Mails angesichts der Bestreitungen der Gesuchsgegnerin nicht ausreichen, um den vollen Beweis für den Bestand der Forderung zu erbringen. Einerseits ist die Nachricht der Gesuchsgegnerin, man habe den Betrag überwiesen, unspezifisch und kann nicht leichthin als Anerkennung einer konkreten Verpflichtung gedeutet werden. Andererseits stimmt der Betrag, den die Gesuchstellerin in den E-Mails scheinbar fordert (48'834.20 gemäss E-Mail vom 25. September 2020; act. 2/5) weder mit der eingeklagten Summe in Schweizer Franken (CHF 47'171.30) noch dem diesem Betrag zugrundeliegende Forderung in Euro (EUR 43'811.60) überein. Zudem ist ohnehin unklar, in welcher Währung diese 48'834.20 gemäss E- Mail denn überhaupt geschuldet sein sollen. Somit ist der Sachverhalt schon in dieser Hinsicht nicht liquide.
Kommt hinzu, dass die Vorbringen der Gesuchsgegnerin zum gegenseitigen Verzicht auf die jeweiligen Forderungen zwischen den Parteien auch nicht als unhaltbar abzutun sind. Die Vorbringen der Gesuchsgegnerin zur mündlichen Saldovereinbarung zwischen den Parteien steht zwar in gewissem Widerspruch zur hiervor erwähnten E-Mailnachricht (act. 2/5), worin die Gesuchsgegnerin immerhin zu erkennen gibt, dass sie im November 2020 eine Zahlung an die Beklagte gemacht habe, welche von der Bank aber nicht ausgeführt wurde (act. 1
S. 3). Nichtsdestotrotz scheint sie nicht angesichts der unklaren Formulierung in besagter Nachricht und dem Umstand, dass die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien anscheinend abgebrochen wurde, auch nicht vollkommen abwegig. Gleiches gilt im Übrigen auch für die sinngemässe Eventualverrechnung. Die Gegenforderungen der Gesuchsgegnerin sind zwar – wie bereits erwähnt – nicht mit Urkunden belegt, jedoch ausreichend detailliert und nachvollziehbar, mithin nicht vollkommen haltlos, weshalb auch aufgrund der erklärten Eventualverrechnung keine klare Sachlage gegeben ist.
Schliesslich ist auch Rechtslage unklar, da die Gesuchstellerin mit keinem Wort darauf eingeht. Vorliegend handelt es sich – wie vorstehend festgehalten – um einen internationalen Sachverhalt, bei dem sich auch das anwendbare Recht nach dem IPRG bestimmt (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. b IPRG). Dabei untersteht der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht (Art. 116 Abs. 1 IPRG). Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt, was vermutungsweise dort ist, wo die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringt, ihre Niederlassung hat (Art. 117 Abs. 1 und 2 IPRG). Die Klägerin stellt in ihrem Gesuch keinerlei Behauptungen dazu auf, ob die Parteien eine Rechtswahl getroffen haben und falls nicht, welchem Recht der Vertrag gemäss Art. 117 IPRG untersteht, was offenkundig bereits zu einer unklaren Rechtslage führt. Der Vollständigkeit halber sei zudem bemerkt, dass selbst wenn klar wäre, dass schweizerisches belarussisches Recht anzuwenden wäre, keine klare Rechtslage vorläge: Nach schweizerischem Recht kann der Gläubiger eine Fremdwährungsforderung nicht in Schweizer Franken fordern, wie es die Gesuchstellerin vorliegend scheinbar tut (vgl. BGE 134 III 151 E. 2.2). Und bei der Anwendbarkeit von belarussischem Recht wären von der Gesuchstellerin besonders vor dem Hintergrund von Art. 16 IPRG einschlägige Ausführungen zu erwarten. Somit scheitert die Gesuchstellerin auch bei der Darlegung einer klaren Rechtslage.
Das Gesuch um Rechtsschutz in klaren Fällen ist daher mangels liquidem Sachverhalt sowie auch mangels klarer Rechtslage abzuweisen.
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Gesuchstellerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Der Streitwert beträgt vorliegend CHF 47'141.30. Bei diesem Streitwert ist die Gerichtsgebühr unter Berücksichtigung der summarischen Natur des Verfahrens auf CHF 3'900.00 festzusetzen (§§ 4 und 8 GebV OG). Eine Parteientschädigung wurde von der Gesuchsgegnerin nicht beantragt und ist ihr daher auch nicht zuzusprechen.
Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 3'900.00.
Die Kosten werden der Gesuchstellerin auferlegt und aus dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 47'141.30.
Zürich, 26. April 2022
Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht
Der Gerichtsschreiber:
Fabio Hürlimann
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