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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:HE170111
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HE170111 vom 24.07.2017 (ZH)
Datum:24.07.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:vorsorgliche Massnahmen
Schlagwörter : Klagten; Beklagten; Anspruch; Sicherheit; Sicherstellung; Forderung; Schuld; Liquidation; Verfahren; Verteilung; Hinterlegung; Betrag; Kapitalherabsetzung; Massnahme; Klägerische; Schloss; Gleichwertige; Ansprüche; Schulden; Gläubiger; Vorzeitig; Hinweis; Parteien; Gesellschaft; Werden; Schuldenruf; Rückstellung; Verbindlichkeit; Seitens; Beschloss
Rechtsnorm: Art. 106 ZPO ; Art. 263 ZPO ; Art. 292 StGB ; Art. 60 OR ; Art. 732 OR ; Art. 733 OR ; Art. 734 OR ; Art. 738 OR ; Art. 742 OR ; Art. 744 OR ; Art. 745 OR ; Art. 746 OR ; Art. 839 ZGB ;
Referenz BGE:142 III 738;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Handelsgericht des Kantons Zürich

Einzelgericht

Geschäfts-Nr.: HE170111-O U/dz

Mitwirkend: der Oberrichter Dr. Johann Zürcher sowie der Gerichtsschreiber Adrian Joss

Urteil vom 24. Juli 2017

in Sachen

  1. ,

    Klägerin

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X1. vertreten durch Rechtsanwalt MLaw, LL.M. X2.

    gegen

  2. (Schweiz) AG in Liquidation,

    Beklagte

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y1. vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y2.

    betreffend vorsorgliche Massnahmen

    Rechtsbegehren:

    (act. 1 S. 2; 13. April 2017)

    1. Es sei der Gesuchsgegnerin unter Androhung der Bestrafung ihrer Organe gemäss Art. 292 StGB im Zuwiderhandlungsfall zu verbieten, ihr Vermögen vorzeitig zu verteilen, solange sie die Forderung der Gesuchstellerin über CHF 3'000'000 zuzüglich Zins von 5% seit dem 30. Juni 2005 nicht hinterlegt oder der Gesuchstellerin eine gleichwertige Sicherheit geleistet hat.

    2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zuzüglich Mehrwertsteuer zu Lasten der Gesuchsgegnerin.

    Der Einz elrichter z ieht in Erwägung:
    1. Wesentliches des unstrittigen Sachverhaltes

      1. Die Klägerin (= Gesuchstellerin) war bis zum Jahre 2009 Angestellte der Beklagten (= Gesuchsgegnerin), welche damals noch einen Bankbetrieb führte.

      2. Im Jahre 2005 brannte es in den Räumlichkeiten einer Filiale der Beklagten in

        C.

        (act. 11/10, act. 15/1). Die Klägerin will dadurch gesundheitliche Beeinträchtigungen davongetragen haben. Das führte zu Weiterungen. Die Unfallversichererin sprach der Klägerin am 10. Februar 2017 eine kleine Entschädigung zu (act. 3/5). Dagegen erhob die Klägerin Einsprache (act. 3/6). Als die Klägerin im September 2010 von der Beklagten unter Hinweis auf Art. 60 OR eine Erklärung betreffend Verzicht auf die Einrede der Verjährung erbat (act. 3/7), weigerte sich die Beklagte und wurde daraufhin in Höhe von CHF 3 Mio. nebst Zins zu 5% seit

        30. Juni 2005 betrieben (act. 3/8; act. 3/9, act. 3/10). Offenbar hatte sich die Klägerin auch um eine Invalidenrente bemüht (act. 3/5 S. 2, letzter Absatz). Seit Mai 2016 läuft zwischen den Parteien ein Zivilprozess in Genf. Die hiesige Beklagte trägt dort auf die Feststellung an, dass die seitens der Klägerin erhobene Forderung von CHF 3 Mio. aus dem erwähnten Brand unbegründet sei.

      3. Am 20. Dezember 2016 beschloss die Beklagte ihre Auflösung. Sie befindet sich seither im Stadium der Liquidation (Art. 738 OR). Die Schuldenrufe erfolgten am 17. - 19. Januar 2017 (act. 3/14 - act. 3/16). Damit verbunden war jeweils die

        Mitteilung, es sei eine vorzeitige Löschung der Gesellschaft gemäss Art. 745 Abs.

        3 OR vorgesehen. Nach dieser Bestimmung darf eine Verteilung bereits nach Ablauf von drei Monaten erfolgen, wenn ein zugelassener Revisionsexperte bestätigt, dass die Schulden getilgt sind und nach den Umständen angenommen werden kann, dass keine Interessen Dritter gefährdet werden. Die Löschung erfolgt nach Beendigung der Liquidation (Art. 746 OR).

      4. Dem Schuldenruf nachkommend, meldete die Klägerin bei der Beklagten unter dem 30. Januar 2017 ihre Forderung von CHF 3 Mio. an (vgl. Art. 742 Abs. 2 OR), wobei - offenbar versehentlich - ein falscher Beginn des Zinsenlaufes (2015 statt 2005) genannt wurde (act. 3/17; act. 3/19). Die Liquidatoren der Beklagten wiesen den klägerischen Anspruch zurück und bekräftigten das Vorgehen nach Art. 745 Abs. 3 OR (act. 3/18).

      5. Am 9. März 2017 ersuchte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf Art. 744 Abs. 2 OR, bis Ende Monat eine Hinterlegung nach Art. 744 Abs. 2 OR oder die Stellung einer Sicherheit nachzuweisen (act. 3/20). Gemäss der genannten Bestimmung, welche dem Gläubigerschutz dient, hat die zu liquidierende Gesellschaft für die nicht fälligen und die streitigen Verbindlichkeiten einen entsprechenden Betrag zu hinterlegen, sofern keine gleichwertige Sicherheit bestellt oder die Verteilung bis zur Erfüllung der Verbindlichkeiten ausgesetzt wird. Die Klägerin nannte einen Betrag von CHF 6 Mio., was einen Schadenszins für 20 Jahre einschloss, welche Dauer (2005 bis 2025) sie für die definitive Erledigung des Haftpflichtfalles schätzte (act. 3/20). Nach klägerischer Reklamation vom 6. April 2017 (act. 3/21) reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 13. April 2017, welches sich mit der Stellung des hiesigen Begehrens kreuzte (act. 7/28). Darin bestritt die Beklagte, dass eine Verteilung im Sinne von Art. 745 OR aktuell sei, weshalb kein Anspruch auf Hinterlegung oder auf Bestellung einer Sicherheit bestehe.

      6. Am 31. März 2017 beschloss die Beklagte eine Kapitalherabsetzung von rund CHF 62 Mio. auf rund CHF 16 Mio. Die Schuldenrufe erfolgten am tt. - tt. April 2017 (act. 3/23 - act. 3/25). In den Schuldenrufen wurde den Gläubigern mitgeteilt, sie könnten bis 6. Juni 2017 unter Anmeldung ihrer Forderungen Befriedigung oder Sicherstellung verlangen. Das entspricht dem Wortlaut von Art. 733

        OR. Unter dem 24. Mai 2017 ersuchte die Klägerin die Beklagte erneut und erneut vergebens um Befriedigung bzw. Sicherstellung im erwähnten Umfang, diesmal in Anwendung von Art. 733 OR (act. 17/5).

    2. Prozessverlauf

      1. Das Massnahmebegehren wurde am Grünndonnerstag, den 13. April 2017, 13'55 Uhr, überbracht (act. 1).

      2. Mit Verfügung vom selben Tag, welche wegen der zeitlichen Beschränkung an Ostern erst am 18. April 2017 versandt werden konnte, wurde der Beklagten superprovisorisch verboten, ihr Vermögen zu verteilen, solange sie die Forderung der Klägerin über CHF 3 Mio. zuzüglich Zins von 5% seit dem 30. Juni 2005 nicht hinterlegt oder der Klägerin eine gleichwertige Sicherheit bestellt hat (act. 4). Sodann wurden Fristen zur Leistung des Kostenvorschusses (Klägerin) und zur Beantwortung des Massnahmebegehrens (Beklagte) angesetzt, die Letztere verbunden mit dem Hinweis auf den grundsätzlich bloss einmaligen Parteivortrag im summarischen Verfahren.

      3. Mit klägerischer Noveneingabe vom 18. April 2017 wurde das oben unter Ziff.

        1.5 erwähnte Schreiben der Beklagten vom 13. April 2017 eingereicht (act. 6, act. 7/28).

          1. Die Massnahmeantwort datiert vom 9. Mai 2017 (act. 10). Die Beklagte trug auf Abweisung des klägerischen Begehrens an, eventualiter beantragte sie, die Kapitalherabsetzung sei auszuklammern und es sei die Hinterlegung bzw. Sicherstellung auf CHF 50'000 zu begrenzen. In prozessualer Hinsicht ersuchte die Beklagte um superprovisorische Ausklammerung der Kapitalherabsetzung, eventualiter sei die Klägerin anzuhalten, für die Geltungsdauer der vorsorglichen Anordnung eine Sicherheit von monatlich CHF 37'759 zu leisten, mindestens gesamthaft CHF 450'000.

          2. Mit Verfügung vom 11. Mai 2017 wurde das Dringlichkeitsbegehren der Beklagten abgewiesen (act. 12).

          3. Am 6. Juni 2017 machte die Klägerin von ihrem Replikrecht Gebrauch (act. 14).

          4. Für ihre Eingabe vom gleichen Tag berief sich die Beklagte ebenfalls auf ein Replikrecht und führte Noven ins Verfahren ein (act. 16).

          5. Die Klägerin nahm zu act. 16 am 16. Juni 2017 Stellung (act. 20).

          6. Die Beklagte nahm zu act. 20 am 22. Juni 2017 Stellung (act. 23).

    3. Zusammenfassung der wesentlichen Parteistandpunkte

      1. Es geht nur um eine summarische Auflistung. Auf einzelne Punkte wird zusätzlich bei der Würdigung eingegangen.

      2. Die Klägerin geht davon aus, das Gesetz schütze sie vor einem ganzen oder teilweisen Liquiditätsabfluss bei der Beklagten. Da sie [vorbehältlich Klageantwort vom 15. Mai 2017 zur Feststellungsklage; act. 17/3] einen - im Einzelnen noch nicht bezifferten bzw. eingeklagten - Anspruch aus dem Brandfall habe (Personenschaden), sei die Einbringlichkeit stark gefährdet oder gar ausgeschlossen, falls die Beklagte ihre angekündigten Vorhaben verwirklichen könne. Das einzige zielführende Mittel zur Interessenswahrung sei die Anordnung der beantragten vorsorglichen Massnahme.

      3. Das Bestreitungsfundament der Beklagten setzt sich aus verschiedenen Aspekten zusammen.

        1. Zunächst wird ins Feld geführt, die Klägerin sei durch den Brand in ihrer Gesundheit nicht beeinträchtigt worden, auch nicht bezüglich ihrer Arbeitskraft.

        2. Nachdem seitens der Klägerin deren angeblichen Ansprüche jahrelang nicht (genügend) beziffert worden seien, habe die Beklagte am 10. November 2015 in Genf das Schlichtungsgesuch gestellt und anschliessend am 4. Mai 2016 die Feststellungsklage eingereicht (act. 11/15; act. 3/11). In der Klageantwort vom 15. Mai 2017 im Genfer Verfahren (act. 17/3) sei seitens der Klägerin eine Wahnforderung behauptet worden. Eine auch nur ansatzweise Substantiierung fehle bis

          heute. Das Verhalten der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, weshalb sie sich auch von daher nicht auf Art. 744 Abs. 2 OR berufen könne.

        3. Die Beklagte plane nicht, ihr sämtliches Vermögen vorzeitig im Sinne von Art. 745 Abs. 3 OR zu verteilen. Sie habe schon bei der Stellung des Schlichtungsgesuches am 10. November 2015 darauf hingewiesen, dass die behaupteten klägerischen Ansprüche die Liquidierung der Beklagten verhindern würden (act. 11/15 Rz. 39). Der (freiwillig erfolgte) Hinweis bei den Schuldenrufen (act. 3/14 - 16) auf die vorzeitige Löschung sei so zu verstehen gewesen, dass diese dann Platz greife, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Eine vollständige Verteilung vor (definitiver) Klärung der klägerischen Ansprüche sei nie beabsichtigt gewesen.

        4. Aus der Kapitalherabsetzung drohe der Klägerin kein Nachteil. Hingegen sei sie für die Beklagte wichtig, weil dadurch rund CHF 45 Mio. zur Verteilung an die Aktionäre frei würden und man so die Belastung durch Negativzinsen vermeiden könne. Sie verursache einen monatlichen Schaden von CHF 37'759 (act. 11/20, act. 11/21). Sodann nimmt die Beklagte gestützt auf Lehrmeinungen den Standpunkt ein, die Pflicht nach Art. 734 OR beziehe sich nicht auf ausservertragliche Ansprüche, sie setze das Glaubhaftmachung einer Gefährdung der Forderung voraus und dürfe jedenfalls nur im Umfang der Differenztheorie verlangt werden.

        5. Die Beklage hält auch dafür, die anbegehrte Massnahme halte vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht Stand. Die Unfallversichererin habe der Klägerin ex aequo et bono eine Integritätsentschädigung von CHF 32'040 zugesprochen. Angesichts der völlig im Dunkeln liegenden Schadenspositionen sei höchstens eine Hinterlegung bzw. Sicherstellung im Umfange von CHF 50'000 angemessen.

        6. Schliesslich macht die Beklagte geltend, sie habe in einem E-Mail an die Klägerin vom 4. Juni 2017 (act. 15/8) klargestellt, dass ohne Hinterlegung oder Sicherstellung keine Liquidation stattfinden werde. Sie teilte der Klägerin damals sodann mit, man habe in Zusammenhang mit der klägerischen Forderung eine Rückstellung über CHF 5 Mio. gebildet, welche bis zur Klärung des Rechtsstreites

          nicht angetastet werde. Ferner wurde vorgeschlagen, dass die [des Staates D. ] Mutter der Beklagten eine Garantie bis zum Betrag von CHF 5 Mio. ausstelle oder die Schuld übernehme.

    4. Würdigung

      1. Die vorliegend wesentlichen Bestimmungen von Art. 744 Abs. 2 OR (Liquidationsverfahren) und Art. 733 OR (Verfahren bei Herabsetzung) weisen Ähnlichkeiten auf, ist doch in beiden von Sicherstellung die Rede und dienen sie dem Gläu- bigerschutz. Beiden ist auch eigen, dass es für die hier interessierenden strittigen Fragen keine höchstrichterliche Rechtsprechung und eine teilweise magere, teilweise divergierende Lehre gibt. Das klägerische Massnahmebegehren stützte sich auf die Bestimmungen zur Liquidation, kann aber auch auf die beschlossene Kapitalherabsetzung gelesen werden, da die Beklagte beabsichtigt, im Rahmen der Herabsetzung Aktiven an die Aktionäre bzw. im Wesentlichen an ihre [des Staates D. ] Mutter zu verteilen. Es rechtfertigt sich aber, die beiden Anspruchsgrundlagen getrennt zu behandeln.

      2. Der Wortlaut von Art. 744 Abs. 2 OR gibt der zu liquidierenden Gesellschaft bei streitigen Verbindlichkeiten drei Verhaltensvarianten: Hinterlegung, gleichwertige Sicherheit, Aussetzung der Verteilung des Gesellschaftsvermögens. Es darf ein gesetzlicher Anspruch der Gläubigerschaft angenommen werden, dass die Aktiengesellschaft in Liquidation eine dieser Varianten wählt und dies auch klar kommuniziert.

      3. Anspruchsvoraussetzung ist bei allen Varianten eine streitige Verbindlichkeit. Dass zwischen den Parteien ein Anspruch aus Deckung eines Personenschadens strittig ist, kann nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Zu prüfen ist allerdings, ob der geltend gemachte Anspruch ein gewisses (Mindest-) Beweismass erfüllen muss, wobei in erster Linie an das Glaubhaftmachen zu denken ist. Das Gesetz nennt kein Beweismass. In Art. 742 Abs. 2 OR ist lediglich von anzumeldenden Ansprüchen die Rede. Sodann können die Folgen gravierend sein, wenn ein Anspruch zur Zeit nicht glaubhaft gemacht werden kann, er sich später aber als ausgewiesen zeigt. Ist die Liquidation dannzumal beendet, geht die Gläubigerschaft leer aus. Von daher darf wohl kein Glaubhaftmachen verlangt werden. Andererseits ist dem Missbrauch kein Vorschub zu leisten. Das blosse Behaupten eines Anspruches, selbst wenn es ein Behauptungsgebäude ist, darf nicht genü- gen. Die Lösung liegt darin, ein schlüssiges Behaupten zu verlangen (zum Begriff vgl. BGer 5A_658/2014 E. 6.3.1; BGer 4A_646/2016 E 3.4). Allerdings steht die Bejahung oder Verneinung der Schlüssigkeit in einer Beziehung zur Anspruchsgrundlage, was eine Einzelfallprüfung bedeutet. Wer beispielsweise behauptet, er habe vor Jahr und Tag ein Darlehen in Millionenhöhe ohne schriftliche Festhaltung gegeben, an dessen Vorbringen sind relativ hohe Anforderungen hinsichtlich der Schlüssigkeit zu stellen. Bei den Personenschäden, die (wie vorliegend) im weiteren Sinn mit einem Unfalltrauma begründet werden, ist es schwieriger. Für juristisch gebildete Zeitgenossen und -genossinnen darf als notorisch gelten, dass die Begründung und die Abklärung solcher Ansprüche oftmals aufwendig und langwierig ist, insbesondere, weil man es meistens mit diffusen Beschwerdebildern zu tun hat, welche sich über einen längeren Zeitraum verändern können, und zu deren Abklärung die zur Entscheidung aufgerufenen Behörden des gutachterlichen Beistandes bedürfen. Ist eine Beeinträchtigung in einem bestimmten Umfang erstellt, folgen weitere schwierige Abklärungen, wobei hier nur auf die Stichworte Haushaltsschaden und Erschwerung des beruflichen Fortkommens hinzuweisen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint die Behauptung der Beklagten, welche sie nach Konsultation der Klageantwort im Genfer Verfahren erhob, wonach man es mit einer Wahnforderung zu tun habe, übertrieben. In der 50seitigen Rechtsschrift (act. 17/3) stellte die hiesige Klägerin diverse Behauptungen zu ihrem Gesundheitszustand und zum Quantitativ auf und offerierte Beweise. Die Entgegnungen der hiesigen Beklagten im hiesigen Verfahren (act. 16 Rz. 7 ff.) stellen eine Art Minireplik dar, welche aber nicht geeignet sind, das Vorhandensein einer Wahnforderung zu bejahen. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ist im vorliegenden Verfahren nicht glaubhaft gemacht. Die tiefen Anforderungen an die Schlüssigkeit waren und sind in casu erfüllt. Wieso die beiden Parteien mit der zivilrechtlichen Auseinandersetzung so lange zugewartet haben, ist nicht nachvollziehbar. Den Vorwurf müssen sich aber beide Seiten gefallen lassen und sie dürfen daraus keine Vorteile für sich ableiten. Gesamthaft ist die Anspruchsvoraussetzung der strittigen Verbindlichkeit auch im Umfange von CHF 3 Mio. als erfüllt zu betrachten.

      4. Die Beklagte war und ist zu einer gerichtlichen Hinterlegung im Sinne von Art. 744 OR nicht bereit.

      5. Verlaufs dieses Verfahrens schrieb die Beklagte das erwähnte Mail vom 4. Juni 2017 (act. 15/8). Es ist zu prüfen, ob die Rückstellung von CHF 5 Mio. und/oder das Offerieren einer Bankgarantie durch eine [des Staates D. ] Bank und/oder das Angebot der Schuldübernahme durch Letztere das Kriterium der gleichwertigen Sicherheit erfüllen bzw. dazu geeignet sind. Nachdem eine gerichtliche Hinterlegung zu einer mehr oder weniger hundertprozentigen Sicherheit führt, müssen die Anforderungen an die gleichwertige Sicherheit hoch sein. Es besteht eine gewisse Analogie zur hinreichenden Sicherheit beim Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 839 Abs. 3 ZGB). Diesbezüglich hat das Bundesgericht in BGE 142 III 738 entschieden, es müsse qualitativ und quantitativ die gleiche Deckung geboten werden (E. 4.4.3). Eine Rückstellung sichert gewissermassen buchhalterisch, jedoch steht damit kein Betrag mit Sicherheit für die Deckung eines zugesprochenen Betrages zur Verfügung. Garantieererklärungen oder Schuldübernahmen durch ausländische Gesellschaften können zu grossen Schwierigkeiten bei der Vollstreckung führen. Somit hat die Beklagte selbst unter dem Eindruck des vorliegenden Verfahrens keine gleichwertige Sicherheit gestellt oder angeboten.

      6. Was nun die Aussetzung der Verteilung des Vermögens anbelangt, so wurden die Argumente der Beklagten gehört, sie werden aber nicht erhört. Den Erklärungen im Prozess kann durchaus Glaubwürdigkeit bescheinigt werden, weshalb die Beklagten darauf zu behaften sein wird. Schwer wiegt aber die Mitteilung im Schuldenruf, wonach eine vorzeitige Verteilung bzw. Löschung beabsichtigt sei (act. 3/14 - 16) und schwer wiegt auch die abweisende Haltung bis zur Einleitung dieses Verfahrens, was nicht alle Zweifel an den Zusicherungen der Beklagten entfallen lässt. Von daher ist ein Anspruch im Sinne des gestellten Begehrens zu bejahen, wobei der drohende Nachteil (möglicher Entfall des Haftungssubstrates)

        auf der Hand liegt. Nach den Zusicherungen der Beklagte ist auch die Verhältnismässigkeit evident.

      7. Beim Anspruch auf Sicherstellung im Rahmen der Kapitalherabsetzung liegen die Dinge komplizierter. Soweit klare Lehrmeinungen existieren, tendieren sie dazu, die Sicherstellung von Forderungen restriktiv bis sehr restriktiv zu verstehen. Forstmoser, Meier - Hayoz und Nobel plädieren in ihrem Aktienrecht aus dem Jahre 1996 dafür, ein Anspruch stehe nur Gläubigern zu, welche der Gesellschaft im Hinblick auf die bisherige Vermögensbasis Kredit gewährt hätten (§ 53

        N. 162). Als Grund geben sie die Ratio des Schutzzweckes an, wobei weder der

        Schutzzweck noch die Ratio weiter dargelegt werden. In seiner Fribourger Dissertation aus dem Jahre 2004 (Die Herabsetzung des Aktienkapitals) setzt Michel Heinzmann für die Sicherstellungspflicht eine gewisse Glaubwürdigkeit der Forderung voraus (N. 325), wobei darunter eine Schuldanerkennung nach den Regeln des SchKG zu verstehen sei (N. 326). Peter Böckli stellte in der 4. Auflage seines Aktienrechtsbuches aus dem Jahre 2009 den Grundsatz auf, ein Anspruch auf Sicherstellung könne nur bestehen, wenn eine Gefährdung [der Einbringlichkeit] zufolge der Kapitalherabsetzung offensichtlich sei oder mindestens glaubhaft gemacht werde (N. 352). Sodann stellte er in den Raum, dass die Bestätigung des Revisionsexperten nach Art. 732 Abs. 2 OR das Rechtsschutzinteresse an der Sicherstellung entfallen lassen könne (N 352a). Martin Müller schloss sich dem erstgenannten Werk an und schloss daraus, dass Gläubiger von ausservertraglichen Ansprüchen nicht berechtigt seien, eine Sicherstellung zu verlangen (in AJP 2011 S. 531).

      8. Bei den Akten liegt ein Independent auditor's Report, welcher durch die Revisionsstelle der Beklagten erstellt wurde (act. 15/9). Darin wird unter Hinweis auf Art. 732 Abs. 2 OR bestätigt, dass die Ansprüche der Gläubiger auch nach der Kapitalreduktion voll gedeckt seien. Gemäss einer beigehefteten Aufstellung waren für langfristige Verbindlichkeiten Rückstellungen von über CHF 18 Mio. eingesetzt. Aus einem weiteren Dokument geht hervor, dass ein Rückstellungsbetrag von CHF 5 Mio. die klägerische Forderung betrifft (act. 17/2). Diese Umstände sind nicht strittig, in jedem Fall aber glaubhaft gemacht. Die Summe von CHF 5

        Mio. entspricht zwar nicht dem Betrag, für welchen sich die Klägerin eine Sicherstellung vorstellt (CHF 6 Mio.). Allerdings unterliegt der höhere Betrag insofern einem Rechnungsfehler, als bei Personenschäden die einzelnen Schäden erst nach und nach eintreten, weshalb der Zins nicht auf dem Maximalbetrag zu berechnen ist. Ginge man von einer mittleren Zinsdauer aus, so wäre nur für die Hälfte der angenommenen Zeit Zins geschuldet, was einen solchen von CHF 1,5 Mio. ergä- be. Selbstredend kann die konkrete Berechnung ein anderes Bild ergeben. Der Betrag von CHF 5 Mio. ist aber als genügende Sicherheit bzw. als genügende Rückstellung zu betrachten. Bei dieser Sachlage kann tatsächlich das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Sicherstellung im Sinne von Art. 734 OR verneint werden. Aufgrund der gleichen Sachlage ist auch der relevante Nachteil zu verneinen. So oder anders bietet Art. 734 OR keine Grundlage für die Anordnung vorsorglicher Massnahmen. Das Ausgeführte korrespondiert mit der Regelung in Art. 25 FusG und Art. 46 FusG, welche Bestimmungen eine ähnliche Konstellation betreffen.

      9. Aus dem Vorstehenden sind folgende Schlüsse zu ziehen:

        1. Das Massnahmebegehren ist gutzuheissen (Art. 261 f. ZPO). Ergänzend ist beizufügen, dass der Betrag einer Sicherstellung oder Hinterlegung unter Einschluss von Zins geschätzten CHF 5'000'000 entsprechen würde.

        2. Da die Beklagte erklärt hat, sie verzichte auf die Verteilung nach Art. 745 OR, solange über den geltend gemachten Anspruch der Klägerin nicht rechtskräf- tig entschieden worden sei, macht eine Fristansetzung nach Art. 263 ZPO keinen Sinn. In der Literatur ist anerkannt, dass es spezielle Konstellationen geben kann, bei welchen eine Fristansetzung unterbleiben darf (vgl. die Hinweise bei Johann Zürcher, DIKE-Komm-ZPO, N 4 zu Art. 263). Allerdings ist im Dispositiv festzuhalten, dass das Verbot gemäss Disp.-Ziff. 1 ohne Weiteres dahinfällt, sofern in einem rechtskräftigen Entscheid über den Schadenersatzanspruch der hiesigen Klägerin entschieden und eine allenfalls seitens der hiesigen Beklagten zu deckende Forderung getilgt wurde.

        3. Zur Klarstellung ist im Dispositiv festzuhalten, das die in der Generalversammlung der Beklagten vom 31. März 2017 beschlossene und im SHAB vom tt., tt. und tt. April 2017 öffentlich angekündigte Kapitalherabsetzung der B. (Schweiz) AG in Liquidation auf CHF 15'920'008 vom Anwendungsbereich des Verbotes gemäss Disp.-Ziff. 1 ausgeklammert ist.

        4. Nachdem keine Fristansetzung zur Einreichung einer Hauptklage erfolgt, sind die Nebenfolgen definitiv zu regeln. Da die Beklagte im Wesentlichen unterliegt, wird sie kostenpflichtig und hat der Klägerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 106 ZPO). Mangels Begründung bleibt die Mehrwertsteuer unberücksichtigt (BGer 4A_552/2015 E. 4.5). Der Streitwert beträgt CHF 3 Mio.

4.9.5. Es ist darauf hinzuweisen, dass Entscheide des Handelsgerichts grundsätzlich sofort vollstreckbar sind und in Rechtskraft erwachsen.

Der Einz elrichter erkennt:
  1. Der Beklagten bzw. Gesuchsgegnerin wird unter Androhung der Bestrafung ihrer Organe gemäss Art. 292 StGB mit Busse bis CHF 10'000 im Zuwiderhandlungsfall verboten, ihr Vermögen vorzeitig zu verteilen, solange sie die Forderung der Gesuchstellerin über CHF 3'000'000 zuzüglich Zins von 5% seit dem 30. Juni 2005 (bzw. CHF 5'000'000 inklusive Zins) nicht hinterlegt oder der Gesuchstellerin eine gleichwertige Sicherheit geleistet hat.

  2. Eine Fristansetzung nach Art. 263 ZPO unterbleibt. Das Verbot gemäss

    Disp.-Ziff. 1 fällt ohne Weiteres dahin, sofern in einem rechtskräftigen Entscheid über den Schadenersatzanspruch der hiesigen Klägerin entschieden und eine allenfalls seitens der hiesigen Beklagten zu deckende Forderung getilgt wurde.

  3. Die in der Generalversammlung der Beklagten vom 31. März 2017 beschlossene und im SHAB vom tt., tt. und tt. April 2017 öffentlich angekündig-

    te Kapitalherabsetzung der B. (Schweiz) AG in Liquidation auf CHF 15'920'008 ist vom Anwendungsbereich des Verbotes gemäss Disp.-Ziff. 1 ausgeklammert.

  4. Die Gerichtsgebühr von CHF 25'000 wird der Beklagten auferlegt.

  5. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung von CHF 33'000 zu bezahlen.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  7. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 3 Mio.

Zürich, 24. Juli 2017

Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht

Gerichtsschreiber:

Adrian Joss

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