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Urteil Kassationsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:AA070029
Instanz:Kassationsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Kassationsgericht des Kantons Zürich Entscheid AA070029 vom 03.12.2007 (ZH)
Datum:03.12.2007
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Beweiserhebung betreffend unbestritten gebliebener Behauptungen
Zusammenfassung : Eine Frau reichte ein Eheschutzbegehren ein, zog es jedoch zurück und reichte stattdessen ein Scheidungsbegehren ein. Sie beantragte vorsorgliche Massnahmen, die teilweise abgewiesen wurden. Der Ehemann erhob Berufung, argumentierte gegen die Massnahmen und die Verfügung der Vorinstanz. Das Obergericht wies die Berufung ab und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Die Gerichtskosten wurden dem Ehemann auferlegt.
Schlagwörter : Vorinstanz; Beschwerdegegner; Gericht; Beweis; Handelsgericht; Klage; Zweifel; Säumnis; Gesellschaft; Amtes; Liquidator; Verfahren; Liquidation; Beschwerdegegners; Liquidität; Verhandlungsmaxime; Kantons; Alleinaktionär; Entscheid; Forderung; Beklagten; Werbespots; Schweiz; Sinne; Kapitalerhöhung; Aktiven; Ermessen
Rechtsnorm:Art. 42 BGG ; Art. 652d OR ; Art. 742 OR ; Art. 754 OR ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Frank, Sträuli, Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 1997
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Kassationsgericht des Kantons Zürich

Kass.-Nr. AA070029/U/la

Mitwirkende: die Kassationsrichter Moritz Kuhn, Präsident, Andreas Donatsch, Paul Baumgartner, die Kassationsrichterin Yvona Griesser und der Kassationsrichter Matthias Brunner sowie die juristische Sekretärin Margrit Scheuber

Sitzungsbeschluss vom 3. Dezember 2007

A. AG,

in B.,

Klägerin und Beschwerdeführerin

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. C.

in Sachen

gegen

  1. E.,

    geboren , Beruf , Inhaber der Einzelfirma , whft. in , Spain,

    Beklagter und Beschwerdegegner

    betreffend

    Forderung
    Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Januar 2007 (HG040460/U/ei)

    Das Gericht hat in Erwägung gezogen:

    I.
    1. Die Klägerin ist ein schweizerischer Privatfernsehsender mit Schwerpunkt des Programms vor allem in den Bereichen Film, Lifestyle und Entertainment. Der Beklagte ist Unternehmensberater. Er war Verwaltungsrat und hernach Liquidator der am 3. August 1999 aufgelösten und am 4. Juni 2004 im Handelsregister gelöschten F. AG.

      Am 30. November 2004 ging beim Handelsgericht des Kantons Zürich die Forderungsklage der Klägerin ein, mit welcher sie die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung von Fr. 180'354.05 zuzüglich 5% Zins seit dem 30. März 2000 verlangte. Sie macht mit ihrer Klage im Wesentlichen geltend, die F., welche sich mit der Produktion, der Bearbeitung und dem Vertrieb von Tonund Bildträgern für Fernsehanstalten sowie dem Vertrieb und der Platzierung von Werbespots befasst habe, sei 1998 von der G. AG mit der Platzierung von Werbespots bei der Klägerin und in anderen Schweizer Privatfernsehprogrammen beauftragt worden. Wie vereinbart sei eine erste Serie von Werbespots in den Wochen 42 bis 53 des Jahres 1998 und eine zweite Serie zwischen Januar und Mai 1999 von der Klägerin und anderen Privatsendern ausgestrahlt worden. Das zugunsten der Klägerin vereinbarte Entgelt von Fr. 382'615.85 für die Ausstrahlung der Werbespots und den (teilweise durch die Klägerin besorgten) Einkauf von Werbezeit bei andern TV-Stationen sei jedoch nur teilweise bezahlt worden und ein Betrag von Fr. 180'354.05 sei ausstehend geblieben. Mit Verfügung vom 3. August 1999 des Einzelrichters im summarischen Verfahren des Bezirkes H. war die F. AG mangels Anpassung der Statuten an das vom Gesetz geforderte Mindest-Aktienkapital von Fr. 100'000.-aufgelöst und der einzige Verwaltungsrat D. E. als Liquidator eingesetzt worden (HG act. 3/15). Die Klägerin macht mit ihrer Forderungsklage gegen den Beklagten D. E. Verantwortlichkeitsansprüche gegen diesen aus dessen Tätigkeit als Liquidator der F. AG geltend.

      Nachdem der offenbar in Spanien wohnhafte Beklagte mit Verfügung des Handelsgerichts vom 13. Dezember 2004 vergebens aufgefordert worden war, einen Zustellungsempfänger in der Schweiz zu bezeichnen und sich der Beklagte auch sonst nicht zur Klage äusserte (HG Prot. S. 4 f. und zweite Aufforderung vom 23. Juni 2005: HG Prot. S. 7), wurde die Klägerin mit Verfügung vom 12. Oktober 2005 aufgefordert, sich zur Vermögenslage (Aktiven/Passiven) der F. AG im Zeitpunkt von deren Liquidation zu äussern (HG Prot. S. 8 f.). Mit Beschluss vom 27. Januar 2006 auferlegte das Handelsgericht der Klägerin den Hauptbeweis dafür, dass die F. AG im August 1999 noch über eine Barschaft/Bankguthaben dergleichen von rund CHF 200'000.-verfügt habe (HG Prot. S. 11). Nach Durchführung eines Beweisverfahrens wies das Handelsgericht mit Urteil vom 23. Januar 2007 die Klage ab (HG act. 25).

    2. Mit Eingabe vom 1. März 2007 erhob daraufhin die Klägerin kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei das Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Januar 2007 aufzuheben und es sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 180'354.05 zuzüglich 5% Zins seit dem 30. März 2000 zu bezahlen, eventualiter sei der Prozess zur Neubeurteilung an das Handelsgericht zurück zu weisen (KG act. 1). Die der Klägerin und Beschwerdeführerin (nachfolgend: Beschwerdeführerin) im Sinne von § 75 und 76 auferlegte Prozesskaution in der Höhe von Fr. 12'000.-ging innert Frist ein (KG act. 9). Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner trotz gerichtlicher Aufforderung im Verfahren vor Handelsgericht weder einen Rechtsvertreter bevollmächtigt noch einen Zustellungsempfänger in der Schweiz bezeichnet hatte, erfolgte auch die Zustellung der Aufforderung zur Erstattung der Beschwerdeantwort im Beschwerdeverfahren durch Ablage in den Akten (KG Prot. S. 3 und KG act. 6). Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet (KG act. 8).

II.

1. Die Vorinstanz führte aus, gemäss unbestritten gebliebener Darstellung der Beschwerdeführerin habe die G. AG die F. 1998 mit der Platzierung von Werbespots im Programm der Klägerin und Beschwerdeführerin und bei anderen Schweizer Privat-TV-Programmen beauftragt. Das vereinbarte Entgelt von insgesamt Fr. 670'000.-sei von der G. AG an die F. bezahlt worden. Das für die Beschwerdeführerin vereinbarte Entgelt von Fr. 382'615.85 für die Ausstrahlung von TV-Spots und den Einkauf von Werbezeit bei anderen Programmen habe die Beschwerdeführerin nur teilweise erhalten und ein Betrag von Fr. 180'354.05 sei ausstehend geblieben. Mit Verfügung des Einzelrichters im summarischen Verfahren des Bezirkes H. vom 3. August 1999 sei sodann die F. AG wegen Nichtanpassung an das neue Aktienrecht aufgelöst und der Beklagte und Beschwerdegegner als Liquidator eingesetzt worden. Die Liquidationsschuldenrufe hätten am

  1. März 2000, 3. April 2000 und am 4. April 2000 stattgefunden und die Gesellschaft sei am 10. Juni 2004 im Handelsregister gelöscht worden (KG act. 2, S. 7). Das Handelsgericht führt weiter aus, die Beschwerdeführerin mache geltend, der Beschwerdegegner habe seine Pflichten als Liquidator verletzt und insbesondere die Beschwerdeführerin im Wissen um deren Gläubigerstellung - nicht über die bevorstehende Auflösung der F. informiert und zur Anmeldung ihrer Forderung aufgefordert, obwohl er dazu gemäss Art. 742 Abs. 2 OR verpflichtet gewesen wäre. Zudem habe er keine Liquidationsbilanz erstellt und die Hinterlegungspflicht verletzt. Durch die Unterlassungen habe die Beschwerdeführerin ihre Forderungen nicht anmelden können und sei so zu Schaden gekommen (KG act. 2, S. 8). Im Weiteren erwog die Vorinstanz, die Beschwerdeführerin mache mit ihrer Klage unmittelbaren Gläubigerschaden geltend und sei deshalb zur Verantwortlichkeitsklage legitimiert (KG act. 2, S. 8 f.). Weiter ging sie davon aus, es liege eine nach Art. 754 OR geforderte Pflichtverletzung des Liquidators vor, welche schuldhaft erfolgt sei, da der Beschwerdegegner nach unbestrittener Darstellung der Beschwerdeführerin wissentlich und willentlich eine Benachrichtigung der Beschwerdeführerin als ihm bekannte Gläubigerin unterlassen habe (KG act. 2,

    S. 9). Schliesslich prüfte die Vorinstanz, ob zwischen der pflichtwidrigen Unterlassung des Beschwerdegegners und dem von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Schaden der erforderliche Kausalzusammenhang gegeben sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn die sich in Liquidation befindliche F. AG damals auch über die Mittel verfügt hätte, um ihren Verpflichtungen, insbesondere auch gegenüber der Beschwerdeführerin, nachzukommen. Zweifel daran ergäben sich schon daraus, weil es unwahrscheinlich erscheine, dass ein Alleinaktionär seine über erhebliche Liquidität verfügende Gesellschaft von Amtes wegen auflösen lasse, anstatt die erforderliche Kapitalerhöhung vorzunehmen. Die Gesellschaft sei sodann am 10. Juni 2004 wegen fehlender verwertbarer Aktiven vom Handelsregisteramt gelöscht worden (KG act. 2, S. 9 f.). In der Folge auferlegte daher die Vorinstanz der Klägerin und Beschwerdeführerin den Hauptbeweis dafür, dass die

    F. AG im August 1999 noch über eine Barschaft/Bankguthaben dergleichen von rund Fr. 200'000.-verfügt habe. Dieser Beweis wurde nach Würdigung der Aussage des angerufenen Zeugen I., welcher mit einer Firma K. AG Revisionsmandate für die F. ausgeübt hatte, sowie in Würdigung verschiedener vom Zeugen eingereichter Unterlagen als gescheitert angesehen. Die Vorinstanz ging davon aus, das Beweisverfahren habe höchstens Indizien dafür hervorgebracht, dass die F. auch im Sommer 1999 noch über namhafte Aktiven verfügt haben könnte; diese Indizien reichten jedoch nicht aus, um die Zweifel des Gerichts zu zerstören. Sodann könne auch aus der unterbliebenen Edition der Jahresabschlüsse 1997/1998/1999, der Liquidationsbilanz und der Geschäftsbücher der F. nicht gefolgert werden, dass die F. auch im August 1999 noch über mindestens Fr. 200'000.-verfügt habe bzw. könne daraus kein diesbezügliches Zugeständnis des Beschwerdegegners abgeleitet werden (KG act. 2, S. 10 ff.).

    1. Die Beschwerdeführerin macht mit ihrer Beschwerde vorerst geltend, die Vorinstanz habe einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz, nämlich jenen der Verhandlungsmaxime, verletzt, indem sie trotz der Säumnis des Beschwerdegegners und der Unbestrittenheit ihrer Sachdarstellung behauptete Tatsachen zum Beweis verstellt habe. Die Vorinstanz habe keine ernsthaften Zweifel im Sinne von § 131 Abs. 1 ZPO dargelegt und die beiden von der Vorinstanz genannten Zweifel beruhten auf willkürlichen Annahmen. So bestehe vorliegend kein Anhaltspunkt dafür, dass die Vermutung, wonach es unwahrscheinlich sei, dass ein

      Alleinaktionär seine liquide Gesellschaft von Amtes wegen auflösen lasse, auf den vorliegenden Sachverhalt zutreffe. Zudem zeige die Vorinstanz mit der Formulierung, dass es unwahrscheinlich erscheine selber eine Unsicherheit bezüglich der Richtigkeit des Zweifels auf, weshalb kein ernsthafter Zweifel im Sinne des Gesetzes gegeben sei. Weiter sei auch die zweite Annahme der Vorinstanz willkürlich, da aus der Vermögenssituation der F. AG im Juni 2004, als diese mangels verwertbarer Aktiven gelöscht wurde, nicht darauf geschlossen werden könne, dass sie bereits am 3. August 1999 über keine Vermögenswerte mehr verfügt habe. Schliesslich stehe auch die Würdigung der Vorinstanz im Widerspruch zum Gesetz, wonach die Unterlassung der beantragten Edition der Geschäftsbücher durch den Beschwerdegegner nicht dahingehend interpretiert werden könne, dass der Beschwerdegegner zugestanden habe, dass die F. AG im Sommer 1999 über Vermögen verfügt habe. Gemäss § 130 f. ZPO führe nämlich das Ausbleiben einer Stellungnahme des Beschwerdegegners zur Sachdarstellung der Beschwerdeführerin zur Annahme, dass er die Darstellung anerkannt habe und es brauche keine weiteren Zugeständnisse durch den Beschwerdegegner. Insgesamt sei somit die Vorinstanz von einem anderen als von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt ausgegangen, was einen Nichtigkeitsgrund darstelle (KG act. 1, Rz 14 - 30, S. 5 - 9).

    2. Untersteht ein Verfahren wie im vorliegenden Fall der Verhandlungsmaxime, so ist bei Säumnis der beklagten Partei grundsätzlich Verzicht auf Einreden und Anerkennung der tatsächlichen Klagegründe anzunehmen (§ 130 ZPO); die Beachtung der Säumnisfolgen durch das Gericht hat eine säumige Partei hinzunehmen und die Gegenpartei hat darauf Anspruch. In diesem Zusammenhang hat das Kassationsgericht (unter Hinweis auf ZR 44 Nr. 113) bereits früher entschieden, dass der Richter eine Klage im Falle des Ausbleibens der Klageantwort gutheissen müsse, wenn die als wahr angenommenen Ausführungen in der Klagebegründung den Klageantrag rechtfertigen. Das Gericht habe mithin auf Grund des einseitigen Vorbringens des Klägers über dessen Anspruch zu erkennen, wobei es andere aus den Akten ersichtliche Tatsachen nur insoweit zu berücksichtigen habe, als sie für das Vorhandensein der von Amtes wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen von Bedeutung seien. Darüber hinaus habe es sich jedoch

      nicht mit den vom Kläger eingereichten Unterlagen auseinander zu setzen zu befassen (vgl. dazu Kass.Nr. 98/381 i.S. P., Beschluss vom 1. Februar 1999, unter Hinweis auf Kass.Nr. 93/055 i.S. R., Beschluss vom 13. Dezember 1993, Erw. II.3.2, und auf ZR 44 Nr. 113). Aus den genannten Entscheiden ergibt sich somit nur aber immerhin, dass ein Gericht in einem der Verhandlungsmaxime unterstehenden Prozess zumindest dann nicht zur Prüfung von eingereichten klägerischen Unterlagen verpflichtet ist, wenn es die Ausführungen der Klagebegründung als für die Gutheissung der Klage genügend erachtet.

      In Einschränkung des Grundsatzes gemäss § 130 ZPO gibt § 131 Abs. 1 ZPO indessen dem Gericht bei Säumigkeit des Beklagten die Möglichkeit, den Beweis unbestritten gebliebener Behauptungen zu verlangen, wenn es ernsthafte Zweifel an deren Richtigkeit hat. Damit soll das Gericht insbesondere eine Handhabe haben, um zu verhindern, dass der Kläger das Ausbleiben des Beklagten wider Treu und Glauben ausnützt, z.B. durch eine Darstellung, die seinen eigenen Akten widerspricht (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N 3 zu § 131 ZPO). § 131 Abs. 1 ZPO wird damit als Sonderfall der Beweiserhebung von Amtes wegen gemäss § 142 Abs. 2 ZPO angesehen. Danach kann das Gericht auch im Bereich der Verhandlungsmaxime von Amtes wegen Beweis erheben, unter der Voraussetzung, dass damit die Feststellung des wahren Sachverhaltes gefördert werden kann. Der Entscheid liegt weitgehend im Ermessen des Gerichts und setzt besondere sachliche Umstände voraus, soll also nicht einfach die Säumnis des Beklagten korrigieren (Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., N 2 zu § 142 ZPO, unter Hinweis auf ZR 49 Nr. 167). Der Kommentar nennt als Beispiele dazu den Schutz einer unbeholfenen schlecht beratenen Partei die Abwendung einer groben Irreführung des Gerichts. Bei den Bestimmungen von §§ 130, 131 und 142 ZPO handelt es sich ferner um kantonale Verfahrensgrundsätze, welche vom Kassationsgericht frei überprüft werden können. Dies gilt auch für sich vorfrageweise stellende Fragen des materiellen Bundesrechts für die Frage, ob die Vorinstanz von den zutreffenden Voraussetzungen tatsächlicher Natur ausgegangen ist (vgl. RB 1990 Nr. 65).

    3. Der Entscheid darüber, ob gemäss § 131 Abs. 1 ZPO im Säumnisverfahren trotz Unbestrittenheit über bestimmte Tatsachen Beweis abzunehmen sei, liegt somit im pflichtgemässen Ermessen des Gerichts. Die Beschwerdeführerin macht diesbezüglich geltend, die Vorinstanz habe in ihrem Entscheid keinen Verstoss der Beschwerdeführerin gegen Treu und Glauben dargelegt, wie er für die Abweichung von der Verhandlungsmaxime gefordert werde; sinngemäss macht sie damit geltend, die Vorinstanz habe ihr Ermessen nicht pflichtgemäss ausgeübt bzw. ihr Ermessen überschritten. Die Vorinstanz begründet ihre Zweifel daran, dass die F. im August 1999 noch über die Mittel verfügt hätte, um ihren Verpflichtungen gegenüber der Beschwerdeführerin nachzukommen, damit, dass unwahrscheinlich erscheine, dass ein Alleinaktionär seine noch über erhebliche Liquidität verfügende Gesellschaft vom Amtes wegen auflösen lasse, anstatt die erforderliche Kapitalerhöhung vorzunehmen (KG act. 2, S. 10). Grundsätzlich hängt die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung für einen Alleinaktionär nicht von der Liquidität der Gesellschaft, sondern von seiner eigenen Liquidität ab, ausser es besteht die Möglichkeit, die Kapitalerhöhung durch Umwandlung von frei verfügbarem Eigenkapital zu erwirken (Art. 652d Abs. 1 OR), wofür vorliegend für die Vorinstanz aber keine Anzeichen ersichtlich waren. Sodann sind auch andere Gründe denkbar, weshalb ein Alleinaktionär anstelle einer Kapitalerhöhung die (hier amtliche) Auflösung einer Gesellschaft vorziehen könnte (z.B. Aufgabe der Geschäftstätigkeit ähnliches). Auch dass die Gesellschaft am 10. Juni 2004

also fast fünf Jahre nach den Liquidationsschuldenrufen mangels verwertbarer Aktiven vom Handelsregisteramt gelöscht wurde, legt nicht unbedingt nahe, dass bereits im Jahr 1999 keine Liquidität mehr vorhanden war. Da es sich bei der Bestimmung von § 131 Abs. 1 ZPO, wonach im Säumnisverfahren bei ernsthaften Zweifeln das Gericht trotz Unbestrittenheit den Nachweis von Tatsachenbehauptungen verlangen kann, um eine Ausnahme von der sonst geltenden Verhandlungsmaxime handelt, ist diese eher restriktiv anzuwenden und die ernsthaften Zweifel sollten von einer gewissen Intensität sein. Dafür, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Behauptung, die F. habe im Zeitpunkt der Auflösung im August 1999 noch über eine Liquidität von mindestens Fr. 200'000.-verfügt, eine Behauptung wider Treu und Glauben aufgestellt hätte und in treuwidriger Weise von

der Säumnis des Beschwerdegegners hätte profitieren wollen, liegen keine Anhaltspunkte vor. Auch im massgebenden Kommentar wird das blosse Korrigieren der Säumnis einer Partei nicht als ausreichender Grund für die Beweiserhebung von Amtes wegen angesehen (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, a.a.O., N 2 zu § 142 ZPO). Davon abgesehen würde hier nicht nur die Säumnis des Beschwerdegegners korrigiert, sondern dieser würde noch besser gestellt, als wenn er erschienen wäre, indem die Beschwerdeführerin zum Beweis einer Tatsache (Liquidität der F. zu einem bestimmten Zeitpunkt) verpflichtet wurde, welche naturgemäss eigentlich nur unter Mithilfe des (säumigen) Beschwerdegegners (als Alleinaktionär, ehemaliger Verwaltungsrat und Liquidator der F.) bewiesen werden könnte und dessen allfällige Weigerung im Sinne von § 148 ZPO hätte gewürdigt werden können. Insgesamt hat die Vorinstanz ihr Ermessen im Hinblick auf die Beweiserhebung von Amtes wegen gemäss § 131 Abs.1 und § 142 ZPO überschritten, sowie die Verhandlungsmaxime gemäss § 54 Abs. 1 ZPO und damit einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz verletzt. Eine Beweiserhebung über die Frage, ob die F. zum Zeitpunkt der Liquidation noch über erhebliche Vermögenswerte verfügt hatte, wäre nicht durchzuführen gewesen, sondern es wäre auf die unbestritten gebliebenen Behauptungen der Beschwerdeführerin abzustellen gewesen. Der vorinstanzliche Entscheid ist demnach aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung zurück zu weisen. Damit müssen die weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgründe (KG act. 1, S. 10 - 14) nicht mehr geprüft werden.

III.

Die Beschwerdeführerin obsiegt mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde. Der Beschwerdegegner hat sich nicht zur Beschwerde geäussert. Demnach sind die Gerichtskosten in Anwendung von § 66 Abs. 2 ZPO auf die Gerichtskasse zu nehmen. Mangels gesetzlicher Grundlage kommt allerdings die Zusprechung einer Prozessentschädigung an die Beschwerdeführerin aus der Gerichtskasse nicht in Frage.

Das Gericht beschliesst:

  1. In Gutheissung der Beschwerde wird das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Januar 2007 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Kassationsverfahren wird festgesetzt auf:

  3. Die Kosten des Kassationsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.

  4. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.

  5. Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von

    Art. 90 ff. BGG innert 30 Tagen nach dessen Empfang schriftlich durch eine Art. 42 BGG entsprechende Eingabe Beschwerde gemäss Art. 72 ff. BGG an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, erhoben werden. Der Streitwert beträgt Fr. 180'354.05.

    Hinsichtlich des Fristenlaufes gelten die Art. 44 ff. BGG.

  6. Schriftliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin gegen Empfangsschein und an den Beschwerdegegner durch Ablage in den Akten, sowie an das Handelsgericht des Kantons Zürich gegen Empfangsschein.

KASSATIONSGERICHT DES KANTONS ZÜRICH

Die juristische Sekretärin:

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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