GPR 2018 15 - Einstellung (Entschädigung)
Verfügung vom 7. März 2019
GPR 2018 15
Mitwirkend
Kantonsgerichtsvizepräsident Dr. Reto Heizmann,
Gerichtsschreiberin lic. iur. Antoinette Hürlimann.
In Sachen
A.__,
Beschuldigter und Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt B.__,
gegen
Staatsanwaltschaft Innerschwyz, Postfach 562, Schmiedgasse 21, 6431 Schwyz,
Strafverfolgungsbehörde und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Staatsanwalt C.__,
betreffend
Einstellung (Entschädigung)
(Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Innerschwyz vom 31. August 2018, SUI 2017 3840);-
hat der Kantonsgerichtsvizepräsident,
nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. a) In der Nacht vom 28. auf den 29. August 2017 verteilten Unbekannte in der Gemeinde Eschenbach Postkarten mit dem Absender „Islamischer Zentralrat Eschenbach“, worin darum gebeten wurde, dass sich die Frauen verschleiern. In diesem Zusammenhang führte die Staatsanwaltschaft Innerschwyz gegen A.__ (Beschuldigter) eine Strafuntersuchung wegen Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB), Störung der Glaubensund Kultusfreiheit (Art. 261 StGB), Pornografie (Art. 197 Abs. 5 StGB), mehrfacher vorsätzlicher Widerhandlung gegen das Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a WG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a WG, Art. 8 Abs. 1 WG, Art. 15 Abs. 1 WG, Art. 20 Abs. 4 WV) sowie unzulässigen Gebrauchs öffentlicher Zeichen (Art. 28 Abs. 1 lit. a WSchG i.V.m. Art. 5 WSchG). Mit Verfügung vom 9. August 2018 zeigte die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten an, das Verfahren wegen Rassendiskriminierung, Störung der Glaubensund Kultusfreiheit und Pornografie einstellen zu wollen, bezüglich der Verstösse gegen das Wappenschutzgesetz und das Waffengesetz werde ein Strafbefehl erlassen. Gleichzeitig forderte sie den Beschuldigten zur Bezifferung allfälliger Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung auf (U-act. 15.0.01). Mit Eingabe vom 14. August 2018 machte die Verteidigung eine Entschädigung von Fr. 2‘332.35 geltend (U-act. 15.0.05). Mit Verfügung vom 31. August 2018 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Rassendiskriminierung, Störung der Glaubensund Kultusfreiheit und Pornografie ein (Dispositivziffer 1), auferlegte die Verfahrenskosten dem Staat (Dispositivziffer 2) und wies den Entschädigungsantrag ab (Dispositivziffer 3). Gleichentags erging wegen der Verstösse gegen das Wappenschutzgesetz und das Waffengesetz ein Strafbefehl (U-act. 16.0.01).
b) Die Verteidigung erhob gegen die Einstellungsverfügung vom 31. August 2018 am 17. September 2018 Beschwerde beim Kantonsgericht mit dem Antrag, Dispositivziffer 3 der angefochtenen Verfügung sei aufzuheben und es seien dem Beschuldigten die Parteikosten des Verteidigers von Fr. 2‘332.35 (inkl. Auslagen) zu entschädigen (KG-act. 1). Die Staatsanwaltschaft trug mit Vernehmlassung vom 26. September 2018 auf Beschwerdeabweisung an, eventualiter sei eine Entschädigung von Fr. 300.00 zuzusprechen (KG-act. 3).
2. a) Wird die beschuldigte Person ganz teilweise freigesprochen wird das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte; Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die ihr aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind; Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug (Art. 429 Abs. 1 lit. a-c StPO). Die Strafbehörde kann nach Art. 430 Abs. 1 StPO die Entschädigung Genugtuung namentlich herabsetzen verweigern, wenn (lit. a) die beschuldigte Person rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt dessen Durchführung erschwert hat (lit. c) die Aufwendungen der beschuldigten Person geringfügig sind. Die Grundsätze zur Auflage von Verfahrenskosten trotz Freispruchs Verfahrenseinstellung gemäss Art. 426 Abs. 2 StPO gelten auch bei der Beurteilung, ob eine Entschädigung (oder Genugtuung) im Sinne von Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO herabzusetzen zu verweigern ist. Der Kostenentscheid präjudiziert die Entschädigungsfrage. Bei Auferlegung der Kosten ist grundsätzlich keine Entschädigung auszurichten. Umgekehrt hat die beschuldigte Person Anspruch auf Entschädigung, soweit die Kosten von der Staatskasse übernommen werden (BGer, Urteil 6B_398/2018 vom 21. August 2018 E. 2.1 mit Hinweis auf BGE 137 IV 352 E. 2.4.2).
b) Vorliegend stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren in drei von fünf untersuchten Vorwürfen ein und ordnete hinsichtlich der Kostenund Entschädigungsfolge an, dass die Verfahrenskosten zu Lasten des Staates gehen, wies jedoch den Entschädigungsantrag ab. Hierzu erwog sie, dass die eingestellten Tatbestände der Rassendiskriminierung, Störung der Glaubensund Kultusfreiheit und der Pornografie nur einen Teil der Vorwürfe beträfen, welche Gegenstand des laufenden Verfahrens seien. Wegen dieser eingestellten Tatbestände seien dem Beschuldigten aber keine zusätzlichen Kosten erwachsen (angefocht. Verfügung E. 19 S. 6). Die Verteidigung monierte, dass die Kosten, welche dem Beschuldigten für seine Verteidigung angefallen seien, in überwiegendem Masse im Zusammenhang mit den eingestellten Straftatbeständen entstanden seien, denn die Strafuntersuchung habe sich hauptsächlich um die Tatbestände der Rassendiskriminierung und der Störung der Glaubensund Kultusfreiheit gedreht; bei den übrigen Vorwürfen, nämlich bei der Verurteilung wegen Verstössen gegen das Waffengesetz und des unzulässigen Gebrauches öffentlicher Zeichen sowie der Einstellung wegen Pornografie, habe es sich dagegen um Nebenschauplätze gehandelt (KG-act. 1 S. 4 f.).
c) In der angefochtenen Verfügung verwies die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung auf die Bestimmung von Art. 430 Abs. 1 lit. a-c StPO. Weil nach dem unter E. 2a Gesagten die Auferlegung der Verfahrenskosten den grundsätzlichen Anspruch auf eine Entschädigung präjudiziert, fällt Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO a priori ausser Betracht, denn ansonsten hätten dem Beschuldigten bereits die Verfahrenskosten ganz teilweise auferlegt werden müssen. In Frage kommt noch der Verweigerungsgrund von Art. 430 Abs. 1 lit. c StPO. Jedoch entfällt auch dieser Herabsetzungsbzw. Verweigerungsgrund, da die vorliegend dem Beschuldigten durch den Beizug eines Verteidigers entstandenen Kosten nicht mehr als geringfügig bezeichnet werden können (vgl. BSK StPO II-Wehrenberg/Frank, 2. A., N 18 zu Art. 430 StPO). Daraus erhellt, dass für eine Verweigerung der Entschädigung gestützt auf Art. 430 Abs. 1 StGB jedenfalls kein Raum besteht.
d) Folglich besteht für die mit der angefochtenen Verfügung eingestellten Delikte (Rassendiskriminierung, Störung der Glaubensund Kultusfreiheit sowie Pornografie) ein Anspruch auf Entschädigung. Deren Höhe richtet sich nach den Anwaltstarifen und nach dem Zeitaufwand, den der Verteidiger für die Verteidigung der beschuldigten Person aufwendete. Grundsätzlich sind diese Verteidigungskosten voll zu entschädigen, sie müssen jedoch im Umfang den Verhältnissen entsprechen, d.h. sachbezogen und angemessen sein (Wehrenberg/Frank, a.a.O., N 15 zu Art. 429 StPO). Die Verteidigung führte selber aus, die Verteidigungskosten seien „in überwiegendem Masse“ im Zusammenhang mit den eingestellten Straftatbeständen entstanden (KG-act. 1 S. 5). Daraus ist e contrario zu schliessen, dass im geltend gemachten Betrag auch Aufwendungen enthalten sind, welche nicht auf die eingestellten Straftatbestände entfallen, sondern eben auf diejenigen Vorwürfe, bezüglich derer ein Schuldspruch resp. ein Strafbefehl erging. Jedenfalls brachte der Verteidiger nicht vor, der geltend gemachte Verteidigungsaufwand sei ausschliesslich wegen der eingestellten Tatbestände entstanden. Folglich ist eine Entschädigung nur insoweit zuzusprechen, als sie tatsächlich die eingestellten Delikte betrifft. Das bedeutet, dass vom geltend gemachten Betrag ein Abzug für diejenigen Vorwürfe zu machen ist, für welche ein Strafbefehl erging, das heisst für die Verstösse gegen das Wappenschutzgesetz und das Waffengesetz. Allerdings liegt es auf der Hand, dass sich der Aufwand nicht für jeden der einzelnen fünf Tatbestände, wegen derer unter derselben Verfahrensnummer ermittelt wurde, betragsmässig separieren lässt, so dass der Abzug pauschal festzulegen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass von insgesamt fünf Delikten hinsichtlich zweier ein Strafbefehl erging. Davon stand eines - der Verstoss gegen das Wappenschutzgesetz im Zusammenhang mit der Postkartenaktion, auf welche sich die Strafuntersuchung schwergewichtig konzentrierte. Hinsichtlich des anderen Tatbestandes (Widerhandlungen gegen das Waffengesetz) entstand höchstens ein geringer Aufwand, da der Beschuldigte die Vorwürfe eingestand (U-act. 10.0.01 Frage 102 S. 16). Auf der anderen Seite sind die zu entschädigenden drei Delikte zu berücksichtigen. Dabei ist der überwiegende Aufwand auf die Vorwürfe der Rassendiskriminierung und der Störung der Glaubensund Kultusfreiheit zurückzuführen. Dagegen fiel hinsichtlich des Vorwurfs der Pornografie kaum Aufwand an (Zufallsfund einer einzigen Fotodatei). In Berücksichtigung dieser Umstände ist die Entschädigung ermessenweise von Fr. 2’332.35 auf neu Fr. 1‘800.00 (jeweils inkl. Auslagen und MWST) zu reduzieren.
3. Zusammenfassend ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen. Ausgangsgemäss gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu einem Viertel zu Lasten des Beschuldigten und im Übrigen der Staatskasse. Sodann ist der erbetene Verteidiger für das Beschwerdeverfahren reduziert zu entschädigen (§ 12 i.V.m. § 2 Abs. 1 GebTRA; § 2 Abs. 2 GebTRA);-
verfügt:
1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird Dispositivziffer der angefochtenen Verfügung der Staatsanwaltschaft Innerschwyz vom 31. August 2018 hinsichtlich der Entschädigung aufgehoben und dem Beschuldigten eine Entschädigung von pauschal Fr. 1‘800.00 (inkl. Auslagen und MWST) aus der Bezirkskasse zugesprochen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 600.00 werden zu einem Viertel (Fr. 150.00) dem Beschuldigten und im Rest (Fr. 450.00) dem Staat auferlegt.
3. Der Beschuldigte wird für das Beschwerdeverfahren mit pauschal Fr. 250.00 (inkl. Auslagen und MWST) entschädigt.
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden. Die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen
5. Zufertigung an Rechtsanwalt B.__ (2/R), die Oberstaatsanwaltschaft (1/R), die Staatsanwaltschaft Innerschwyz (1/A) sowie nach definitiver Erledigung an die Staatsanwaltschaft Innerschwyz (1/R, mit den Akten) und die Kantonsgerichtskasse (1/ü, im Dispositiv).
Der Kantonsgerichtsvizepräsident
Die Gerichtsschreiberin
Versand
7. März 2019 kau