BEK 2021 51 - Ausstand; provisorische Anordnung von Sicherheitshaft
Beschluss vom 7. Mai 2021
BEK 2021 51
Mitwirkend
KantonsgerichtsPräsident Dr. Urs Tsch?mperlin,
Kantonsrichterinnen Clara Betschart und lic. iur. Ilaria Beringer,
Gerichtsschreiberin lic. iur. Antoinette Hürlimann.
In Sachen
A.__,
Gesuchsteller und Beschwerdeführer,
erbeten verteidigt durch Rechtsanwältin B.__,
gegen
1. C.__,
Gesuchsgegner,
2. Staatsanwaltschaft, 1. Abteilung, Sicherheitsstätzpunkt Biberbrugg, Postfach 75, 8836 Bennau,
Gesuchstellerin und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Staatsanwalt D.__,
betreffend
Ausstand; provisorische Anordnung von Sicherheitshaft
(Beschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters am Zwangsmassnahmengericht vom 22. April 2021, ZME 2021 31);-
hat die Beschwerdekammer,
nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. a) Am 29. November 2020 bzw. 18. Februar 2021 eröffnete die Staatsanwaltschaft gegen A.__ (nachfolgend: Beschuldigter) eine Strafuntersuchung betreffend strafbaren Vorbereitungshandlungen (Art. 260bis StGB), Schreckung der Bevölkerung (Art. 248 StGB) sowie Widerhandlungen gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz (U-act. 9.1.001 bzw. 9.1.003). Am 1. Dezember 2020 ordnete der Einzelrichter am Zwangsmassnahmengericht gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft bis am 27. Februar 2021 an (ZME 2020 85), welche mit Verfügung vom 3. März 2021 bis am 27. April 2021 verlängert wurde (ZME 2021 18). Eine gegen diese HaftVerlängerung vom Beschuldigten erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht mit Beschluss vom 19. April 2021 ab (BEK 2021 31). Zwischenzeitlich erhob die Staatsanwaltschaft am 21. April 2021 Anklage beim Strafgericht Schwyz wegen mehrfacher Schreckung der Bevölkerung, strafbarer Vorbereitungshandlung sowie mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz (Vi-act. 1a). Gleichzeitig beantragte sie beim Zwangsmassnahmengericht die Anordnung von Sicherheitshaft (Vi-act. 1). Mit Verfügung vom 22. April 2021 ordnete C.__ gegen den Beschuldigten provisorisch bis zum Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts Sicherheitshaft an und setzte der Verteidigerin Frist zur Stellungnahme zum Antrag auf Anordnung der Sicherheitshaft.
b) Dagegen erhob der Beschuldigte am 23. April 2021 (Datum Postaufgabe) Beschwerde beim Kantonsgericht und beantragte sinngemäss die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, mithin die Entlassung aus der Haft. Ausserdem verlangte er den Ausstand von C.__ und verschiedener Mitgliedern des Kantonsgerichts (KG-act. 1). Mit Eingabe vom 27. April 2021 beantragte C.__ die Abweisung des Ausstandsbegehrens, soweit darauf einzutreten sei (KG-act. 3). Die Staatsanwaltschaft trug mit Vernehmlassung vom 29. April 2021 auf Abweisung der Beschwerde an (KG-act. 5). Der Beschuldigte reichte am 3. Mai 2021 (Datum Postaufgabe) eine Stellungnahme ein (KG-act. 7).
2. a) Will eine Partei den Ausstand einer in einer StrafBehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Das Begehren muss konkrete Tatsachen darlegen, auf welche sich die Ablehnung stätzt, die äusserung blosser Behauptungen und Vermutungen genügt nicht (Keller, in: Donatsch et al., Kommentar StPO, 3. A., N 9 zu Art. 58 StPO; BSK StPO I-Boog, 2. A., N 4 zu Art. 58 StPO). Verfahrensoder Einschätzungsfehler alleine vermögen eine Befangenheit in der Regel nicht zu begründen (zum Ganzen Keller, a.a.O., N 40 ff. zu Art. 56 StPO).
b) Der Beschuldigte begründet das Ausstandsgesuch gegen C.__ im Wesentlichen damit, dass die Staatsanwaltschaft ein von ihm am 24. Dezember 2020 gestelltes Haftentlassungsgesuch nicht rechtzeitig an das Zwangsmassnahmengericht weitergeleitet habe. C.__ und der fallführende Staatsanwalt hätten sich abgesprochen, nicht das korrekte Datum vom 24. Dezember 2020 zu nennen resp. die in dieser Eingabe gestellten Anträge seien ?unterdRückt? worden (KG-act. 7). C.__ erklärte dazu, das vom Beschuldigten erwähnte Haftentlassungsgesuch vom 24. Dezember 2020 sei dem fallführenden Staatsanwalt am 28. Dezember 2020 zugegangen und von ihm gleichentags dem Zwangsmassnahmengericht weitergeleitet worden. Selbst wenn das Gesuch bereits am 24. Dezember 2020 beim Staatsanwalt eingetroffen wäre, wäre die dreitätige Frist von Art. 228 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 90 Abs. 2 StPO noch eingehalten worden (KG-act. 3).
c) Will die Staatsanwaltschaft einem Haftentlassungsgesuch nicht entsprechen, so leitet sie es zusammen mit den Akten spätestens 3 Tage nach dessen Eingang mit einer begründeten Stellungnahme an das Zwangsmassnahmengericht weiter (Art. 228 Abs. 2 Satz 2 StPO). Fristen, die durch eine Mitteilung den Eintritt eines Ereignisses ausgeläst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen (Art. 90 Abs. 1 StPO). fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, einen Sonntag einen vom Bundesrecht vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei ihr Rechtsbeistand den Wohnsitz den Sitz hat (Art. 90 Abs. 2 StPO). Aus den Akten ist ersichtlich, dass der Beschuldigte sein Haftentlassungsgesuch mit einem Erstellungs- (13. Dezember 2020) und einem übergabedatum (24. Dezember 2020) versah (U-act. 4.1.028). Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Abweisung des Gesuchs datiert vom 28. Dezember 2020 und wurde dem Zwangsmassnahmengericht gleichentags elektronisch übermittelt (U-act. 4.1.030/1-11). Mit Verfügung des Einzelrichters am Zwangsmassnahmengericht vom 28. Dezember 2020 wurde das Gesuch und die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft der damaligen Verteidigerin zur Replik zugestellt (U-act. 4.1.031). Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Gesuch der Staatsanwaltschaft am 24. Dezember 2020 zuging, hätte die Frist frühestens am 25. Dezember 2020 zu laufen begonnen. Weil aber der 27. Dezember 2020 auf einen Sonntag fiel, würde sie am darauffolgenden Werktag, das heisst am 28. Dezember 2020 enden. Anzufügen ist aber, dass nach Arbeits- und nicht nach Kalendertagen zu rechnen wäre (vgl. dazu Frei/Zuberb?hler, in: Donatsch et al., a.a.O., N 3 zu Art. 228 StPO mit Hinweis), was bedeutet, dass die Frist grundsätzlich ohnehin erst am 28. Dezember 2020 zu laufen begonnen hätte. Die Frist war also unabhängig davon, ob Arbeitsoder Kalendertage gezählt werden, eingehalten. Ein C.__ anzulastender Verfahrensfehler betreffend die Dreitagesfrist ist damit nicht ersichtlich. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang auch der Vorwurf des Beschuldigten, die vormalige Verteidigerin sei damals übereits entlassen gewesen (KG-act. 1). Richtig ist vielmehr, dass die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 28. Dezember 2020 den Antrag des Beschuldigten auf einen Verteidigerwechsel abwies (U-act. 2.1.004); der Beschuldigte war somit nach wie vor rechtmässig verteidigt. Zusammengefasst wurden keine Umstände glaubhaft gemacht, welche einen Ausstandsgrund im Sinne von Art. 56 StPO zu begründen vermöchten.
d) Der Beschuldigte verlangt ausserdem den Ausstand von E.__, F.__ und G.__ sowie weiterer nicht namentlich bezeichneter Mitglieder des Kantonsgerichts (etc, KG-act. 1 S. 4). Soweit ersichtlich, moniert der Beschuldigte eine ?verschleppte? Beschwerde gegen die HaftVerlängerung von Ende Februar 2021, welche am Kantonsgericht hängig sei
(KG-act. 1 S. 4). Gemeint sein dürfte die HaftVerlängerungsVerfügung vom 27. Februar 2020, gegen die der Beschuldigte Beschwerde erhob, welche das Kantonsgericht aber, wie eingangs erwähnt, mit Beschluss vom 19. April 2021 abgewiesen hatte (BEK 2021 31). Es ist somit diesbezüglich kein Verfahren mehr hängig. Davon abgesehen macht der Beschuldigte weder konkrete, einen Ausstand begründende Sachverhalte glaubhaft, noch benennt er die jeweiligen AusstandsGründe für jeden einzelnen Kantonsrichter (Keller, a.a.O., N 10 zu Art. 58 StPO; BSK StPO I-Boog, N 2 zu Art. 56 StPO). Das Gesuch erweist sich folglich ohnehin als unzulässig, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Entsprechend kann auf die Einholung einer Stellungnahme im Sinne von Art. 58 Abs. 2 StPO verzichtet werden.
3. a) Das Zwangsmassnahmengericht kann die provisorische Fortdauer der Untersuchungshaft bis zu seinem Entscheid anordnen (Art. 229 Abs. 3 lit. b i.V.m. Art. 227 Abs. 4 StPO). Mit der provisorischen Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft gemäss Art. 227 Abs. 4 StPO wird vermieden, dass es zwischen dem Ablauf der urspränglich festgesetzten Dauer der Untersuchungshaft und dem Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts nach Art. 227 Abs. 5 StPO an einem gültigen Hafttitel fehlt (BGE 146 IV 279 E. 3.2; Frei/Zuberb?hler Els?sser, a.a.O., N 9 f. zu Art. 227 StPO; BSK StPO II-Forster, 2. A., N 5 zu Art. 227 StPO). Dies gilt auch für die Sicherheitshaft (BGE 146 IV 279 E. 3.5).
b) über die Anordnung von Sicherheitshaft bei vorbestehender Untersuchungshaft muss neu gepröft werden, ob die Haftvoraussetzungen noch erfüllt sind (Frei/Zuberb?hler Els?sser, a.a.O., N 3 zu Art. 229 StPO). Das Kantonsgericht erwog im Beschluss vom 19. April 2021, dass gemäss dem psychiatrischen Gutachten vom 17. Februar 2017 (U-act. 11.2.015) beim Beschuldigten neben akzentuierten zügen einer impulsiven persönlichkeit eine paranoide persönlichkeitssTürung vorliege sowie Verdacht auf eine Cannabisabhängigkeit bestehe, wobei zwischen dem psychiatrischen STürungsfeld und den vorgeworfenen Handlungen ein direkter Kausalzusammenhang bestände. Gemäss der Einschätzung der Gutachter werde das Risiko für erneute Drohungen als sehr hoch und dasjenige für Gewalthandlungen als moderat bis hoch eingeschätzt. Das Kantonsgericht bejahte eine Wiederholungsgefahr (wie auch die Voraussetzung des Tatverdachts, vgl. BEK 2021 31 E. 2 und 4). Aus den Akten ist weder ersichtlich, noch zeigt der Beschuldigte in seiner Beschwerde auf, inwiefern sich seit dem Beschluss des Kantonsgerichts vom 19. April 2021 die Haftvoraussetzungen resp. seine persönlichen Verhältnisse derart vorteilhaft verändert hätten, dass die Wiederholungsgefahr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im Endentscheid über die Sicherheitshaft anders zu beurteilen wäre. Weil dem aber nicht so ist, sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die provisorische Fortsetzung der Haft bis zum Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts nicht gerechtfertigt wäre.
4. Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen. Ausgangsgemäss trägt der unterliegende Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens (Art. 428 Abs. 1 StPO);-
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Ausstandsgesuch gegen C.__ wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. Auf das Ausstandsgesuch gegen verschiedene Mitglieder des Kantonsgerichts wird nicht eingetreten.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1000.00 werden dem Beschuldigten auferlegt.
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden. Die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
5. Zufertigung an die Verteidigerin (2/R, unter Beilage von KG-act. 7 inkl. Beilagen z. K.), die Staatsanwaltschaft (1/A an die 1. Abteilung und 1/R an die Amtsleitung/Zentraler Dienst, jeweils unter Beilage von
KG-act. 7 inkl. Beilagen z. K.), C.__ (1/ES, unter Beilage von KG-act. 7 inkl. Beilagen z. K.), die Vorinstanz (1/?) sowie nach definitiver Erledigung an die Vorinstanz (1/ES, mit den Akten) und an die Kantonsgerichtskasse (1/, im Dispositiv).
Namens der Beschwerdekammer
Der KantonsgerichtsPräsident Die Gerichtsschreiberin
Versand
10. Mai 2021 kau