Zusammenfassung des Urteils ZZ.1998.17: Zivilkammer
Die Cour de Cassation pénale hat am 28. Oktober 2009 über den Rekurs von B.________ gegen ein Urteil entschieden, das am 23. Juli 2009 vom Präsidenten des Bezirksgerichts Est vaudois ergangen war. B.________ wurde verurteilt, die Gerichtskosten in Höhe von 200 CHF zu tragen. Der Rekurs wurde abgelehnt, da kein Fall von höherer Gewalt vorlag, der die Abwesenheit des Rekurrenten bei der Gerichtsverhandlung rechtfertigen würde. Das Gericht bestätigte das Urteil und legte die Kosten von 630 CHF dem Rekurrenten auf.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | ZZ.1998.17 |
Instanz: | Zivilkammer |
Abteilung: | - |
Datum: | 20.03.1998 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | LugÜ / Luganer-Übereinkommen, Übergangsrecht, Zuständigkeit |
Schlagwörter : | Gericht; Zuständigkeit; Übereinkommen; LugÜ; Staat; Gerichtsstand; Gerichtsstandsvereinbarung; Lugano-Übereinkommen; Staatsvertrag; Gerichte; Urteil; Entscheid; Vollstreckung; Übereinkommens; Urteile; Österreich; Schweiz; Anerkennung; Entscheidung; Rekurrent; Staatsvertrages; Voraussetzungen; Entstehung; Zivil; Lugano-Übereinkommens; Klage; Ursprungsstaat; Titels |
Rechtsnorm: | Art. 1 IPRG ;Art. 114 IPRG ;Art. 115 IPRG ;Art. 149 IPRG ;Art. 5 IPRG ;Art. 59 BV ; |
Referenz BGE: | 123 III 377; |
Kommentar: | - |
Folgender zeitliche Ablauf ist für den vorliegenden Fall von Bedeutung:
1.1.1992 Inkrafttreten des Lugano-Übereinkommens für die Schweiz
11.6.1992 Klageerhebung der Gläubigerin gegen den Schuldner beim Landesgericht Leoben
1.9.1996 Inkrafttreten des Lugano-Übereinkommens für Österreich
14.5.1997 Urteil des Obersten Gerichtshofes der Republik Österreich
Gestützt auf die folgenden Erwägungen anerkannte das Obergericht die österreichischen Urteile als definitive Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 Abs. 1 und 81 Abs. 3 SchKG:
4. a) Das Lugano-Übereinkommen enthält im Titel VI Übergangsbestimmungen. Art. 54 Abs. 1 LugÜ enthält den Grundsatz der Nichtrückwirkung. Gemäss Absatz 2 dieser Bestimmung wird eine Ausnahme von diesem Grundsatz gemacht, wenn die Klage zwar noch vor Inkrafttreten des Übereinkommens zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Staat erhoben, die Entscheidung aber erst danach ergangen ist. Die Parteien sind sich darin einig, dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Das Lugano-Übereinkommen findet somit gemäss Art. 54 Abs. 2 LugÜ auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung. Nach Art. 54 Abs. 2 LugÜ können Entscheidungen nach den Bestimmungen des Titels III des Übereinkommens (Art. 31 ff.) vollstreckt werden, wenn das Gericht des Ursprungsstaates aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II eines Abkommens übereinstimmen, das im Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen dem Ursprungsstaat und dem Staat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft war. Art. 54 Abs. 2 LugÜ gestattet den Behörden des Vollstreckungsstaates in diesen Fällen demnach abweichend von dem in Art. 28 Abs. 4 LugÜ verankerten Verbot, die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungslandes zu überprüfen, eine umfassende Zuständigkeitskontrolle (BGE 123 III 377 f.; mit weiteren Hinweisen).
b) Wie der Rekurrent vor der Vorinstanz zutreffend ausführte, geht das Lugano-Übereinkommen in seinem Anwendungsbereich anderen Abkommen vor (Gerhard Walter: Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 1995, S. 357). Übergangsrechtlich aber bleiben die Zuständigkeitsvorschriften eines solchen Abkommens gemäss Art. 54 Abs. 2 LugÜ alternativ zu denjenigen des Lugano-Übereinkommens anwendbar. Die Ausführungen des Rekurrenten in seiner Eingabe ans Obergericht konzentrieren sich denn auch auf die Auslegung des Staatsvertrages mit Österreich. Da die Voraussetzungen einer Zuständigkeit der österreichischen Gerichte nach dem Lugano-Übereinkommen in der Tat sehr fraglich erscheinen, ist vorab die Vollstreckbarkeit nach dem Staatsvertrag zu überprüfen.
5. a) In Art. 1 des Staatsvertrages mit Österreich werden die Voraussetzungen definiert, unter denen ein in einem der beiden Staaten gefällter gerichtlicher Entscheid in Zivilund Handelssachen anerkannt wird. Strittig sind vorliegend nur die in den Ziffern 1 und 2 formulierten Voraussetzungen. Die übrigen, von Amtes wegen zu überprüfenden Voraussetzungen sind denn auch erfüllt (Abs. 2). Nach Ziffer 1 darf die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaates nach den Grundsätzen des Vollstreckungsstaates über die zwischenstaatliche Zuständigkeit nicht ausgeschlossen sein. Die Grundsätze über die zwischenstaatliche Zuständigkeit sind für die Schweiz im Internationalem Privatrecht festgelegt. Eine Zuständigkeit der österreichischen Gerichte ist zwar nach Art. 115 IPRG nicht gegeben. Art. 5 Abs. 1 IPRG lässt aber eine Gerichtsstandsvereinbarung zu, und zwar unabhängig davon, ob diese vor nach Entstehung des Streites getroffen wurde. Anders als Art. 114 IPRG, welcher für Verträge mit Konsumenten einen zum voraus vereinbarten Verzicht des Konsumenten auf "seine" Gerichtsstände für unzulässig erklärt, enthält Art. 115 IPRG keinen derartigen Vorbehalt. Damit ist aber auch die Frage, ob eine im Arbeitsrecht im voraus getroffene Gerichtsstandsvereinbarung gegen den schweizerischen ordre public verstösst, sogleich zu verneinen, andernfalls der schweizerische Gesetzgeber in seinem internationalen Privatrecht zweifellos auch hier einen entsprechenden Vorbehalt angebracht hätte. Davon, dass dem Rekurrenten mit der am 12. Januar 1990 abgeschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung in missbräuchlicher Weise der Gerichtsstand des schweizerischen Rechts entzogen worden wäre, kann, da in diesem Zeitpunkt keinerlei Beziehungen zur Schweiz bestanden, keine Rede sein. Nicht anwendbar ist indessen entgegen den Ausführungen des Rekurrenten vor der Vorinstanz Art. 149 IPRG über die Anerkennung ausländischer Entscheide, da diese durch den Staatsvertrag, welcher dem IPRG vorgeht (Art. 1 Abs. 2 IPRG), geregelt wird. Dasselbe gilt für die Art. 25 ff. IPRG. Nach den schweizerischen Bestimmungen über die zwischenstaatliche Zuständigkeit ist demnach die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte zum Entscheid über die vorliegende arbeitsrechtliche Streitsache zu bejahen. Die Voraussetzungen einer Anerkennung gemäss Art. 1 des Staatsvertrages sind demnach erfüllt.
b) Im Staatsvertrag wird die Zuständigkeit des Ursprungslandes gemäss Art. 2 Abs. 1 für persönliche Ansprüche gegen einen zahlungsfähigen Schuldner ausgeschlossen, wenn dieser zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz im Vollstreckungsland hatte. Darin ist ein Vorbehalt zugunsten von Art. 59 BV zu erkennen. Dieser Vorbehalt wird indessen im Falle einer Gerichtsstandsvereinbarung durch Ziffer 1 von Art. 2 Abs. 2 sogleich wieder rückgängig gemacht. Auch nach dieser Bestimmung wird keine Unterscheidung danach getroffen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung vor nach der Entstehung der Streitigkeit abgeschlossen wurde. Damit hat es sein Bewenden. Insbesondere besteht kein Raum für eine mit Art. 17 Abs. 5 LugÜ kompatible Auslegung. Weder Art. 2 Abs. 1 des Staatsvertrages noch Art. 59 BV schliessen somit die nach Art. 1 des Staatsvertrages gegebene Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für die ihnen gestützt auf eine Gerichtsstandsvereinbarung vorgelegte arbeitsrechtliche Streitsache aus.
c) Die österreichischen Gerichte waren somit zuständig. Ihre Urteile sind demnach gemäss Art. 54 Abs. 2 LugÜ nach den Bestimmungen im Titel III des Lugano-Übereinkommens zur Vollstreckung zuzulassen. Die Anerkennung der ins Recht gelegten Urteile begründet, wie bereits erwähnt, keinen Widerspruch zur öffentlichen Ordnung der Schweiz (Art. 27 Ziff. 1 LugÜ). Insbesondere aber kann sich der Rekurrent nicht auf Art. 17 Abs. 5 LugÜ berufen, welcher einer Gerichtsstandsvereinbarung bei individuellen Arbeitsverträgen nur dann rechtliche Wirkungen zuerkennt, wenn sie nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen werden. Art. 17 Abs. 5 LugÜ steht im 6. Abschnitt des Titels II des Luganer-Übereinkommens und wird damit von der Verweisung auf die Vorschriften des 3., 4. und 5. Abschnittes des Titels II in Art. 28 Abs. 1 LugÜ nicht miterfasst. Andere Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung der österreichischen Urteile zu verweigern, werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Obergericht Zivilkammer, Urteil vom 20. März 1998
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