Zusammenfassung des Urteils VSBES.2020.17: Versicherungsgericht
Die Groupe Mutuel hat gegen A.___ eine Betreibung wegen nicht bezahlter Kostenbeteiligungen aus der Krankenpflegeversicherung eingeleitet. A.___ hat Rechtsvorschlag erhoben, der jedoch beseitigt wurde. A.___ hat Einsprache erhoben, die abgewiesen wurde. A.___ hat Beschwerde eingereicht und argumentiert, dass die Rechnungsdaten nicht korrekt seien. Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, dass A.___ eine höhere IPV erhalten hat, was zu einem Saldo zu Gunsten von A.___ führt. Der Streitwert liegt unter CHF 30'000, daher wird der Fall vom Präsidenten des Versicherungsgerichts als Einzelrichter beurteilt. Es wird entschieden, dass A.___ die Kostenbeteiligungen und administrative Kosten zahlen muss. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, und A.___ muss CHF 404.50 bezahlen.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2020.17 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 17.06.2020 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Krankenversicherung KVG |
Schlagwörter : | Kostenbeteiligung; Kostenbeteiligungen; Recht; Prämien; Betreibung; Betrag; Bundesgericht; Krankenpflegeversicherung; Rechnung; Rechtsöffnung; Franchise; Spital; Person; Selbstbehalt; Zahlung; Urteil; Rechtsvorschlag; Prämienrechnung; Präsident; Versicherungsgericht; Beschwerdeführers; Versicherer; Bundesgerichts; Groupe; Mutuel; Krankenversicherung; Betreibungsamtes; Akten; Verfügung; Einsprache |
Rechtsnorm: | Art. 24 KVG ;Art. 64 KVG ;Art. 64a KVG ;Art. 87 OR ; |
Referenz BGE: | 125 V 276; |
Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Präsident Flückiger
Gerichtsschreiber Isch
In Sachen
A.___
Beschwerdeführer
gegen
Groupe Mutuel, Rue des Cèdres 5, 1920 Martigny
Beschwerdegegnerin
betreffend Krankenversicherung KVG (Einspracheentscheid vom 12. Dezember 2019)
zieht der Präsident des Versicherungsgerichts in Erwägung:
I.
1. Mit Zahlungsbefehl Nr. [...] des Betreibungsamtes B.___ vom 10. September 2019 liess die Groupe Mutuel (nachfolgend Beschwerdegegnerin) gegen A.___ (nachfolgend Beschwerdeführer) wegen nicht bezahlter Kostenbeteiligungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Monate Dezember 2018 und Januar 2019 die Betreibung einleiten (GA [Groupe Mutuel Akten] 14). Der Gesamtbetrag belief sich auf CHF 378.20 sowie CHF 110.00 für administrative Kosten. Gegen den vorgenannten Zahlungsbefehl erhob der Beschwerdeführer am 21. September 2019 mit der Begründung «keine Rechnung erhalten» Rechtsvorschlag. Diesen Rechtsvorschlag beseitigte die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 24. September 2019 (GA 15). Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 erhob der Beschwerdeführer dagegen Einsprache (GA 16). Diese wies die Beschwerdegegnerin mit Entscheid vom 19. Dezember 2019 (A.S. [Akten-Seite] 1 ff.) ab.
2. Dagegen erhebt der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. Januar 2020 (Datum Postaufgabe; A.S. 5) fristgerecht Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und macht im Wesentlichen und sinngemäss geltend, die Rechnungsdaten und die Ausstellungsdaten der Sammelforderung von CHF 378.20 stünden in keinem Zusammenhang. Der Rechtsvorschlag sei somit nicht aufzuheben und die Beschwerdegegnerin aufzufordern, Details darzulegen.
3. Mit Beschwerdeantwort vom 26. März 2020 (A.S. 12 ff.) schliesst die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde. Ergänzend weist die Beschwerdegegnerin darauf hin, der Beschwerdeführer erhalte die individuelle Prämienverbilligung (nachfolgend IPV), welche höher ausfalle, als die Krankenversicherungsprämie. Die Beschwerdegegnerin habe dem Beschwerdeführer am 19. Dezember 2019 die Prämienrechnung für Januar bis März 2020 sowie am 17. Februar 2020 die Prämienrechnung für April bis Juni 2020 zugestellt. Daraus ergebe sich aufgrund der höheren IPV ein Saldo von 2 x CHF 41.85 zu Gunsten des Beschwerdeführers. Dementsprechend reduziere sich der in Betreibung gesetzte Betrag auf CHF 404.50. Dafür sei die Rechtsöffnung zu erteilen.
4. Mit Eingabe vom 10. Juni 2020 (A.S. 30 ff.) lässt sich der Beschwerdeführer abschliessend vernehmen.
II.
1.
1.1 Im vorliegenden Fall ist die Bezahlung von Kostenbeteiligungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Monate Dezember 2018 und Januar 2019 von CHF 378.20 sowie CHF 110.00 für administrative Kosten abzüglich 2 x 41.85 (vgl. E. I. 3. hiervor) strittig. Damit liegt der Streitwert unter CHF 30000.00, weshalb die Angelegenheit vom Präsidenten des Versicherungsgerichts als Einzelrichter zu beurteilen ist (§ 54bis Abs. 1 lit. a GO).
1.2 Gemäss Art. 24 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen gemäss den Art. 25-31 nach Massgabe der in den Art. 32-34 festgelegten Voraussetzungen. Nach Art. 64 Abs. 1 KVG beteiligen sich die Versicherten an den Kosten der für sie erbrachten Leistungen. Diese Kostenbeteiligung besteht gemäss Abs. 2 aus einem festen Jahresbetrag (Franchise; lit. a) und zehn Prozent der die Franchise übersteigenden Kosten (Selbstbehalt; lit. b). Zudem leisten sie gemäss Abs. 5 einen nach der finanziellen Belastung der Familie abgestuften und vom Bundesrat festzusetzenden Beitrag an die Kosten des Aufenthalts im Spital. Gemäss Art. 104 Abs. 1 KVV beträgt dieser CHF 15.00 pro Tag.
1.3 Bezahlt die versicherte Person fällige Prämien Kostenbeteiligungen nicht, so hat der Versicherer ihr, nach mindestens einer schriftlichen Mahnung, eine Zahlungsaufforderung zuzustellen, ihr eine Nachfrist von 30 Tagen einzuräumen und sie auf die Folgen des Zahlungsverzuges hinzuweisen (Art. 64a Abs. 1 KVG). Bezahlt die versicherte Person trotz Zahlungsaufforderung die Prämien, Kostenbeteiligungen und Verzugszinse nicht innert der gesetzten Frist, so muss der Versicherer die Betreibung anheben (Abs. 2). Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag, kann die Krankenkasse nachträglich eine formelle Verfügung erlassen, in welcher auf die hängige Betreibung Bezug genommen und der Rechtsvorschlag ausdrücklich als aufgehoben erklärt wird (vgl. hierzu BGE 119 V 331 E. 2 b). Diese Verfügung stellt einen definitiven Rechtsöffnungstitel dar. Erwächst sie in Rechtskraft, kann die Krankenkasse die Betreibung direkt fortsetzen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 7B.213/2003 vom 20. Oktober 2003).
2. Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin die geltend gemachten Kostenbeteiligungen sowie administrative Kosten schuldet und somit dafür die definitive Rechtsöffnung zu erteilen ist.
2.1 Aufgrund der Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde ist nicht klar, was er rügen will. Offenbar ist für ihn nicht verständlich, wie die ausstehenden Kostenbeteiligungen zustande gekommen sind. Diese sind jedoch nicht zu beanstanden, wie nachfolgend darzulegen ist.
Am 11. März 2019 stellte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer die Abrechnung für Kostenbeteiligungen 2018 (Nr. [...]) im Betrag von CHF 15.00 sowie die Abrechnung für Kostenbeteiligungen 2019 (Nr. [...]) im Betrag von CHF 392.90 zu (GA 10). Der Gesamtbetrag belief sich auf CHF 407.90. Es handelt sich hierbei um Kostenbeteiligungen für die Behandlungen vom 31. Dezember 2018 bis 4. Januar 2019 durch die C.___ sowie vom 11. Januar 2019 durch die D.___. Wie die Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang in ihrer Beschwerdeantwort korrekt einräumt, hätte die Rechnung Nr. [...] vom 11. März 2019 grundsätzlich nachträglich um CHF 6.00 reduziert werden müssen. So entschied das Bundesgericht mit Urteil 9C_716/2018 vom 14. Mai 2019 E. 4.2.3, der Spitalkostenbeitrag sei vorab mit der Spitalrechnung zu verrechnen und erst danach seien Franchise und Selbstbehalt zu berücksichtigen. Würden vorerst Franchise und Selbstbehalt und erst an letzter Stelle der Spitalkostenbeitrag berücksichtigt, hätte sich die versicherte Person insofern doppelt an den Kosten zu beteiligen, als dass sie den Selbstbehalt von 10 % nicht nur auf die die Franchise übersteigenden, vom Versicherer zu übernehmenden Kosten im Sinne von Art. 64 Abs. 2 KVG, sondern auch auf den «zudem» nach Abs. 5 vom Versicherten zu leistenden Beitrag zu entrichten hätte. Wendet man diese Rechtsprechung auf die vorgenannte Rechnung vom 11. März 2019 an, ergibt sich für die 4 Spitaltage bzw. für die Spitalbeiträge von 4 x 15.00 ein zu Unrecht darauf erhobener Selbstbehalt von 10 % bzw. 4 x CHF 1.50. Wie die Beschwerdegegnerin aber weiter zu Recht ausführt, kann eine diesbezügliche Korrektur der Rechnung unterbleiben, da der Beschwerdeführer wie aus der Abrechnung der Kostenbeteiligung 2019 vom 14. Oktober 2019 (GA 21) ersichtlich sowohl seine Franchise als auch seine Selbstbehaltskosten für das Jahr 2019 vollständig bezahlt hat und ihm demnach dadurch im Resultat kein finanzieller Nachteil entstanden ist.
Sodann ist auf die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Verrechnungen mit der überschüssigen IPV des Beschwerdeführers einzugehen. Wie aus den Akten ersichtlich, stellte die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer am 12. Oktober 2019 die Prämienrechnung für Oktober bis Dezember 2019 (GA 7) zu, woraus sich aus der die Krankenversicherungsprämien übersteigenden IPV ein Saldo von 29.70 zu Gunsten des Beschwerdeführers ergab. Diesen Betrag brachte die Beschwerdegegnerin von den ausstehenden Kostenbeteiligungen von CHF 407.90 in Abzug, woraus sich der in Betreibung gesetzte Betrag für ausstehende Kostenbeteiligungen von CHF 378.20 ergibt. Auch dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Gemäss Art. 106c Abs. 5 lit. a KVV bezahlt der Krankenversicherer der versicherten Person die Differenz innerhalb von 60 Tagen aus, wenn seine restlichen Prämienforderungen für das laufende Kalenderjahr und seine anderen fälligen Forderungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, für die kein Verlustschein vorliegt, kleiner sind als die vom Kanton gewährte Prämienverbilligung. Demnach ist gemäss Art. 106c Abs. 5 KVV eine Verrechnung von überschüssigen Prämienverbilligungen mit ausstehenden Kostenbeteiligungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch die Beschwerdegegnerin zulässig. Das Gleiche gilt auch für die von der Beschwerdegegnerin erst mit Beschwerdeantwort geltend gemachten Verrechnungen aufgrund der Prämienrechnung vom 19. Dezember 2019 für Januar bis März 2020 sowie vom 17. Februar 2020 für April bis Juni 2020 im Betrag von 2 x CHF 41.85. Der entsprechende Prämienüberschuss ergibt sich aus den genannten Prämienrechnungen vom 12. August 2019 (GA 7), 19. Dezember 2019 (GA 8) und vom 17. Februar 2020 (GA 9). Zudem hat die Beschwerdegegnerin die IPV-Überschüsse zu Recht auf die ältesten ausstehenden Forderungen angerechnet (vgl. Art. 87 OR). Somit betragen die noch ausstehenden Kostenbeteiligungen CHF 294.50.
2.2 Des Weiteren ist es nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin nebst den ausstehenden Kostenbeteiligungen sogenannte administrative Kosten von CHF 110.00, welche sich aus Mahnspesen von CHF 50.00 und Dossieröffnungskosten von CHF 60.00 zusammensetzen, in Rechnung gestellt hat. So ist bei Verzug der Zahlung von Prämien Kostenbeteiligungen die Erhebung angemessener Mahngebühren und Umtriebsspesen zulässig, sofern die versicherte Person Aufwendungen schuldhaft verursacht hat und der Versicherer in seinen allgemeinen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der versicherten Personen eine entsprechende Regelung vorsieht (Urteil des Bundesgerichts K 40/05 vom 12. Januar 2006; BGE 125 V 276). Die geltend gemachten Gläubigerkosten finden ihre Grundlage in Art. 3.1 der ergänzenden Ausführungsbestimmungen zur obligatorischen Krankenpflegeversicherung gemäss KVG der Beschwerdegegnerin (GA 1). Zudem werden die Mahnspesen und die Dossieröffnungskosten auch hinsichtlich ihrer Höhe durch den vorgenannten Bundesgerichtsentscheid gestützt und sind demnach in der beantragten Höhe in die Rechtsöffnung mit einzubeziehen.
3. Die Beschwerde wird somit insofern teilweise gutgeheissen, dass sich die in Betreibung gesetzten Kostenbeteiligungen im Vergleich zum angefochtenen Einspracheentscheid auf CHF 294.50 reduzieren. Zusammenfassend ist demnach in der Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamtes B.___ im Umfang von CHF 404.50 (Kostenbeteiligungen von CHF 294.50, Mahnspesen von CHF 50.00 und Dossieröffnungskosten von CHF 60.00) die definitive Rechtsöffnung zu erteilen.
4.
4.1 Da der Beschwerdeführer weder anwaltlich noch anderweitig fachlich vertreten ist, wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.2 Grundsätzlich ist das Verfahren kostenlos. Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.
2. Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, der Beschwerdegegnerin den Betrag von CHF 404.50 zu bezahlen. In diesem Umfang wird in der Betreibung Nr. [...] des Betreibungsamtes B.___ definitive Rechtsöffnung erteilt.
3. Es werden weder eine Parteientschädigung ausgerichtet noch Verfahrenskosten erhoben.
Rechtsmittel
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vor- und Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
Der Präsident Der Gerichtsschreiber
Flückiger Isch
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