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Urteil Versicherungsgericht (SO)

Zusammenfassung des Urteils VSBES.2017.208: Versicherungsgericht

Die Beschwerdeführerin A. hat eine Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen die Einwohnergemeinde Rüttenen erhoben, da sie die Verrechnung einer Wegkostenpauschale im Zusammenhang mit Spitexleistungen moniert hat. Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hat entschieden, dass die Beschwerde zulässig ist und die Gemeinde innerhalb von 30 Tagen eine Verfügung erlassen muss oder das Gesuch an die zuständige Stelle weiterleiten soll. Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Parteientschädigung von CHF 1'319.80.

Urteilsdetails des Kantongerichts VSBES.2017.208

Kanton:SO
Fallnummer:VSBES.2017.208
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:-
Versicherungsgericht Entscheid VSBES.2017.208 vom 31.10.2017 (SO)
Datum:31.10.2017
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Rechtsverweigerung / Wegkostenpauschale
Schlagwörter : Recht; Verfügung; Wegkosten; Pflege; Verfahren; Rechtsverweigerung; Leistung; Bundes; Person; Entscheid; Regel; Einwohnergemeinde; Versicherungsgericht; Spitex; Regelung; Kanton; Rechtsverweigerungsbeschwerde; Krankenversicherung; Kantons; Verfahrens; Solothurn; Gemeinde; Bundesgericht; Pflegefinanzierung; Patienten; Versicherungsträger; Leistungen
Rechtsnorm:Art. 1 KVG ;Art. 25a KVG ;Art. 30 ATSG ;Art. 49 ATSG ;Art. 51 ATSG ;Art. 52 ATSG ;Art. 56 ATSG ;Art. 58 ATSG ;Art. 80 KVG ;
Referenz BGE:133 V 188; 140 V 58;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts VSBES.2017.208

Urteil vom 31. Oktober 2017

Es wirken mit:

Präsident Flückiger

Oberrichterin Weber-Probst

Oberrichter Marti

Gerichtsschreiber Isch

In Sachen

A.___ vertreten durch B.___ hier vertreten durch Fürsprecher Herbert Bracher

Beschwerdeführerin

gegen

Einwohnergemeinde Rüttenen, 4522 Rüttenen,

Beschwerdegegnerin

betreffend Rechtsverweigerung / Wegkostenpauschale


zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:

I.

1. Mit Schreiben vom 10. August 2017 (A.S. [Akten-Seite] 1 ff.) lässt A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin) beim Departement des Innern des Kantons Solothurn Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen die Einwohnergemeinde Rüttenen (nachfolgend Beschwerdegegnerin) erheben und folgende Rechtsbegehren stellen:

1.    Die Einwohnergemeinde Rüttenen sei anzuweisen, betreffend Verrechnung einer Wegkostenpauschale im Zusammenhang mit Spitexleistungen an A.___ eine anfechtbare Verfügung zu erlassen.

2.    Unter Kostenund Entschädigungsfolgen

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, im Dezember 2015 habe die Beschwerdegegnerin den Patientinnen und Patienten der Spitex Aare-Nord-SO mitgeteilt, dass der Gemeinderat der Einwohnergemeinde am 9. November 2015 beschlossen habe, die Wegkosten der Spitexbehandlung im täglichen Umfang von max. CHF 6.00 pro Einsatztag mit Wirkung ab dem 1. Januar 2016 über die Abrechnung der Spitex Aare-Nord-SO der jeweiligen Patientin bzw. dem Patienten aufzuerlegen. Wiederholt habe der Sohn der Beschwerdeführerin, B.___, für seine Mutter gegenüber der Beschwerdegegnerin die Rechtswidrigkeit der Verrechnung der Wegkostenpauschale moniert und um deren Aufhebung ersucht. Mit Schreiben vom 27. Juli 2017 habe die Beschwerdegegnerin dem Vertreter der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass in der Frage der Verrechnung der Wegkostenpauschale an die Beschwerdeführerin keine Verfügung erlassen werde, und ihn auf den Klageweg verwiesen. Weiter hielt die Beschwerdeführerin fest, materiell werde streitig sein, ob die Wegkosten der Spitexleistungen zumindest zum Teil auf die Patientinnen und Patienten überwälzt werden dürften. Es handle sich dabei um Fragen des öffentlichen Rechts im Pflegebereich (KVG/KLV). Mit Merkblatt vom Mai 2015 habe sich das Amt für soziale Sicherheit auf den Standpunkt gestellt, dass die Wegkosten zusätzlich zu den Pflegeleistungen im Rahmen der ambulanten Pflege verrechnet werden könnten, habe aber den Entscheid hierüber, ob dies geschehen solle, den Einwohnergemeinden überlassen. Der Spitexbereich sei gemäss Sozialgesetzgebung ein kommunales Leistungsfeld, in welchem die Einwohnergemeinden selber entscheiden könnten, ob sie die Wegkosten als gemeinwirtschaftliche Leistung tragen wollten diese den Patientinnen bzw. Patienten weiterverrechnen wollten. Mit ihrem Beschluss vom 9. November 2015 habe die Beschwerdegegnerin hoheitlich in die Rechte und Pflichten ihrer Bürgerinnen und Bürger eingegriffen. Auf Verlangen habe sie daher im Streitfalle eine Verfügung zu erlassen.

2. Mit Schreiben vom 28. August 2017 überweist das Departement des Innern die Rechtsverweigerungsbeschwerde vom 10. August 2017 zuständigkeitshalber an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und hält diesbezüglich unter anderem fest, der Rechtsweg richte sich im vorliegenden Fall nicht nach der kantonalen Gemeindegesetzgebung, sondern nach dem Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG; SR 830.1). Für die Behandlung der vorliegenden Rechtsverweigerungsbeschwerde sei somit nicht das Departement des Innern, sondern das Versicherungsgericht des Kantons Solothurns zuständig (Art. 58 Abs. 1 ATSG i.V.m. §§ 54 f. Gesetz über die Gerichtsorganisation vom 13. März 1977 [GO; BGS 125.121).

3. In der Folge führt das Versicherungsgericht einen internen Meinungsaustausch mit dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn durch (A.S. 7 f.) und teilt den Parteien danach mit Verfügung vom 4. September 2017 (A.S. 10 ff.) mit, der Meinungsaustausch habe ohne Präjudiz für den Endentscheid zum Ergebnis geführt, dass von der Zuständigkeit des Versicherungsgerichts auszugehen sei.

4. Mit Beschwerdeantwort vom 6. Oktober 2017 (A.S. 17 ff.) beantragt die Beschwerdegegnerin, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin. Zur Begründung hält die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen fest, der Gemeinderat habe am 9. November 2015 mit Wirkung per 1. Januar 2016 gestützt auf die Empfehlungen des Amtes für soziale Sicherheit beschlossen, die Spitex-Wegkosten nicht mehr voll als (freiwillige) gemeinwirtschaftliche Leistung zu übernehmen. Gemäss den Ausführungen des Kantons im vorerwähnten Merkblatt werde die separate Erhebung der Wegkosten bei der Verrechnung der Pflegeleistungen als zulässig erachtet. Es gebe mit andern Worten keine gesetzliche Verpflichtung, dass die Gemeinden die Wegkosten einen Teil davon bei den ambulanten Diensten zu tragen hätten. Die Beschwerdegegnerin übernehme jedoch freiwillig jenen Teil, welcher CHF 6.00 pro Tag überschreite. Gemäss dem Merkblatt des Amtes für soziale Sicherheit bestehe keine gesetzliche Verpflichtung zur Übernahme der vollen Wegkosten und damit auch kein Rechtsanspruch, was dem Sohn der Beschwerdeführerin mit Brief vom 21. Februar 2017 auch mitgeteilt worden sei. Die Beschwerdegegnerin könne somit keine rechtsverbindliche Regelung treffen, dass Bezüger von Spitex-Dienstleistungen einen Teil die ganzen Wegkosten zu tragen hätten, weil sich dies bereits aus der Rechtsordnung so ergebe, sie mithin bereits durch Gesetz dazu verpflichtet seien. Mittels Verfügung könne die Gemeinde lediglich feststellen, dass sie den Anteil der Wegkosten, welcher 6 Franken pro Tag übersteige, als freiwillige gemeinwirtschaftliche Leistung übernehme. Die Übernahme dieses Teils der Wegkosten sei vorliegend aber gerade nicht streitig. Die Beschwerdegegnerin sei deshalb der Auffassung, dass das vorliegende Verhältnis nicht mit Verfügung geregelt werden könne, weshalb sie der Beschwerdeführerin auch mitgeteilt habe, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich den Klageweg beschreiten müsse.

II.

1.

1.1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung leistet einen Beitrag an die Pflegeleistungen, welche aufgrund einer ärztlichen Anordnung und eines ausgewiesenen Pflegebedarfs ambulant, auch in Tagesoder Nachtstrukturen, im Pflegeheim erbracht werden (Art. 25a Abs. 1 Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG, SR 832.10]). Gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG dürfen der versicherten Person von den nicht von Sozialversicherungen gedeckten Pflegekosten höchstens 20 Prozent des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrages überwälzt werden. Die Kantone regeln die Restfinanzierung.

1.2 Das Bundesgericht hat bisher nicht abschliessend entschieden, ob die kantonale Kompetenz, den Bereich der Pflegefinanzierung zu regeln (vgl. Art. 25a Abs. 5 KVG), auch die Befugnis zur Regelung des Verfahrens bzw. des Rechtsmittelverfahrens umfasst. Es hat aber erkannt, das Verfahren gemäss dem Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) finde zumindest dann auf konkrete Streitigkeiten betreffend die Pflegefinanzierung Anwendung, wenn der kantonale Gesetzgeber keine keine abweichende Regelung getroffen hat. Weiter hielt es fest, Art. 25a Abs. 5 Satz 2 KVG enthalte in Bezug auf das Verfahrensrecht keinen (expliziten) Vorbehalt des Bundesgesetzgebers zu Gunsten des kantonalen Rechts, sondern der Gesetzgeber sei wohl selbstverständlich von der Anwendbarkeit des ATSG ausgegangen (BGE 140 V 58 E. 4.2. S. 62 f.).

1.3 Die neue Pflegefinanzierung des Bundes ist per 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Die kantonalen Bestimmungen zur Pflegefinanzierung, namentlich die §§ 144bis - 144quater des Sozialgesetzes vom 31. Januar 2007 (SG, BGS 831.1) wurden mit Beschluss des Kantonsrats vom 9. November 2011 im Rahmen einer Teilrevision neu eingefügt und traten am 1. Januar 2012 in Kraft. Die Botschaft des Regierungsrats zur Änderung des Sozialgesetzes; Pflegefinanzierung, vom 28. Juni 2011 (RRB Nr. 2011/1497) enthält keine Aussagen zum anwendbaren Verfahrensrecht, insbesondere zum Rechtsmittelweg. Weder wurde eine § 159 Abs. 2 SG entsprechende Regelung getroffen noch erfolgte ein Hinweis, in Streitigkeiten betreffend die Pflegefinanzierung sei das ATSG anwendbar.

§ 144bis Abs. 2 SG geht noch davon aus, die Kosten für die ambulante Pflege würden durch die Beiträge der Krankenversicherung sowie die Patientenbeteiligung von höchstens 20 % (Art. 25a Abs. 5 KVG) grundsätzlich gedeckt. Nachdem sich herausgestellt hat, dass dies nicht immer zutrifft, ist zurzeit eine Neufassung von §§144bis ff. SG in der Vernehmlassung, wobei gemäss § 180 eine Übergangsfrist von 3 Jahren vorgesehen ist. Auch die neue Normierung würde jedoch, soweit aus der Vernehmlassungsvorlage ersichtlich, keine Regelung des Rechtswegs enthalten.

Im Licht der genannten Rechtsprechung ist demnach mangels kantonaler Regelung das ATSG anwendbar und somit das Versicherungsgericht zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerdesache zuständig (Art. 58 Abs. 1 ATSG i.V.m. §§ 54 f. kantonales Gesetz über die Gerichtsorganisation [GO, BGS 125.12]). Ob eine abweichende kantonale Regelung überhaupt zulässig wäre, erscheint mit Blick auf den erwähnten BGE 140 V 58 als fraglich, kann aber offenbleiben.

2.

2.1 Die Beschwerdeführerin erhebt Beschwerde wegen Rechtsverweigerung. Gemäss Art. 56 Abs. 2 ATSG kann eine Rechtsverweigerungsbeschwerde erhoben werden, wenn der Versicherungsträger entgegen dem Begehren der betroffenen Person keine Verfügung keinen Einspracheentscheid erlässt. Diese Rechtsverweigerungsbeschwerde kann ausschliesslich darauf gerichtet sein, einen anfechtbaren Entscheid des Versicherungsträgers zu erhalten (vgl. BGE 133 V 188). Die Rüge einer Rechtsverweigerung ist grundsätzlich jederzeit möglich und jedenfalls dann nicht verspätet, wenn der Versicherungsträger das anbegehrte Handeln noch nicht vollzogen hat (Urteil des Bundesgerichts 8C_738/2016 vom 28. März 2017 E. 3.1.1)

2.2 Strittig und im vorliegenden Verfahren zu entscheiden ist die Frage, ob eine Rechtsverweigerung vorliegt, nachdem die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. Juli 2017 (Beschwerdebeilage 6) ausdrücklich den Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung verlangt hatte und die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 27. Juli 2017 (Beschwerdebeilage 1) festgehalten hat, ihr stehe es nicht zu, das vorliegende Verhältnis mit Verfügung zu regeln. Die am 10. August 2017 erhobene Rechtsverweigerungsbeschwerde ist rechtzeitig eingegangen, zumal die verlangte Verfügung bis heute nicht erlassen wurde. Das Versicherungsgericht ist gestützt auf Art. 56 Abs. 2 und Art. 58 ATSG zur Beurteilung örtlich und sachlich zuständig. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

3.

3.1 Die vom Bundesgericht bejahte Anwendbarkeit der bundesrechtlichen Vorschriften auf die Restkostenfinanzierung nach Art. 25a Abs. 5 KVG betrifft auch das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren. Nach Art. 1 Abs. 1 KVG sind die Bestimmungen des ATSG auf die Krankenversicherung und damit auch auf Ansprüche aus Art. 25a Abs. 5 KVG anwendbar, soweit nicht das KVG selbst das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz (KVAG, SR 832.12) ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.

3.2 Das ATSG unterscheidet zwischen dem formellen Verfahren mittels Verfügung (Art. 49 ATSG) und dem formlosen Verfahren (Art. 51 ATSG):

3.2.1 Nach Art. 49 Abs. 1 ATSG hat der Versicherungsträger bzw. im vorliegenden Fall in analoger Anwendung die Einwohnergemeinde über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, schriftlich Verfügungen zu erlassen. Dagegen kann innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden (vgl. Art. 52 Abs. 1 ATSG).

3.2.2 Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter Artikel 49 Abs. 1 ATSG fallen, können dagegen in einem formlosen Verfahren behandelt werden (Art. 51 Abs. 1 ATSG). Die betroffene Person kann jedoch den Erlass einer Verfügung verlangen (Art. 51 Abs. 2 ATSG). Der Anwendungsbereich des formlosen Verfahrens beschränkt sich somit auf den relativ engen Bereich der nicht erheblichen Leistungen, gegen deren Festsetzung die betroffene Person keinen Widerspruch erhebt. Ausserdem geht das formlose Verfahren in das formelle Verfügungsverfahren über, wenn die betroffene Person eine Verfügung verlangt.

3.3 Für den Bereich der Krankenversicherung besteht eine abweichende Regelung. Gemäss Art. 80 Abs. 1 KVG werden Versicherungsleistungen im formlosen Verfahren nach Artikel 51 ATSG gewährt. Dies gilt in Abweichung von Art. 49 Abs. 1 ATSG auch für erhebliche Leistungen. Im Leistungsbereich der Krankenversicherung bildet somit das formlose Verfahren die Regel. Die Behörde muss, auch wenn erhebliche Leistungen zur Diskussion stehen, nicht von Anfang an eine Verfügung erlassen, sondern ihr Entscheid kann in Form eines einfachen Schreibens einer Abrechnung ergehen (zur Frage, ob das formlose Verfahren auch zulässig ist, wenn die betroffene Person von Anfang erklärt hat, sie sei mit dem Entscheid nicht einverstanden, vgl. Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrechts, Band XIV, 3. Auflage, Basel 2016, S. 865 N 1535). Die versicherte Person hat aber das Recht, den Erlass einer Verfügung zu verlangen (Art. 80 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 51 Abs. 2 ATSG; Eugster, a.a.O., S. 865 N 1534). Wird eine Verfügung verlangt, ist diese innerhalb von 30 Tagen zu erlassen (Art. 127 Verordnung über die Krankenversicherung [KVV, SR 832.102]).

3.4 Für Ansprüche, welche auf Art. 25a Abs. 5 KVG gestützt werden, gilt somit die folgende, krankenversicherungsrechtliche Verfahrensregelung: Die mit der Sache befasste Behörde, sei es ein Versicherungsträger ein Gemeinwesen, hat über das Bestehen eines Anspruchs und gegebenenfalls über dessen Höhe einen Entscheid zu fällen. Dieser Entscheid kann im formlosen Verfahren nach Art. 51 Abs. 1 ATSG, beispielsweise in Form eines einfachen Schreibens einer Abrechnung, ergehen. In diesem Schreiben bzw. der Abrechnung ist darauf hinzuweisen, dass die betroffene Person das Recht hat, eine anfechtbare Verfügung zu verlangen. Wird eine Verfügung verlangt, ist eine solche innerhalb von 30 Tagen seit dem Eingang des Gesuchs zu erlassen. Diese Grundsätze gelten auch für Entscheide von Einwohnergemeinden. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin kann die betroffene Person nicht auf den Klageweg verwiesen werden.

4.

4.1 Die Beschwerdeführerin hat bei der Beschwerdegegnerin ein Gesuch um Übernahme ungedeckter Wegkosten im Rahmen der Spitexpflege von CHF 6.00 pro Tag gestellt. Die Beschwerdegegnerin hat in ihren Schreiben vom 21. Februar 2017 zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht gewillt ist, die vollen Kosten zu übernehmen. Der Betrag von CHF 6.00 pro Tag respektive CHF 2'190.00 pro Jahr hat in diesem Zusammenhang als erhebliche Leistung im Sinne von Art. 49 Abs. 1 ATSG zu gelten (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2015, Rz. 22 zu Art. 49, wonach die Erheblichkeitsgrenze bei einigen hundert Franken liegt). Wie dargelegt (E. II. 3.3 und 3.4 hiervor), konnte die Beschwerdegegnerin, obwohl eine erhebliche Leistung zur Diskussion steht, zunächst im formlosen Verfahren über das Gesuch entscheiden. Nachdem die Beschwerdeführerin aber mit ihrem Schreiben vom 10. Juli 2017 ausdrücklich den Erlass einer anfechtbaren Verfügung verlangt hatte, war die Beschwerdegegnerin gehalten, eine solche zu erlassen. Ihre im Schreiben vom 27. Juli 2017 festgehaltene Weigerung, eine Verfügung zu erlassen, verstösst gegen diese Verpflichtung und ist als formelle Rechtsverweigerung zu qualifizieren.

4.2 Was die Beschwerdegegnerin dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Zwar geht der Kanton Solothurn, wie oben erwähnt, in seiner bisherigen Gesetzgebung davon aus, bei der ambulanten Pflege sei keine Restfinanzierung notwendig (§ 144bis Abs. 2 SG; vgl. E. II. 1.3 hiervor). Deshalb regelte der Gesetzgeber auch nicht, wer im Falle eines ungedeckten Betrages bei der ambulanten Pflege die Restkosten zu übernehmen hätte. Aus den §§ 142 ff. und insbesondere § 144ter Abs. 2 lit. c SG geht aber hervor, dass die Einwohnergemeinden für die Restfinanzierung im Sinne von Art. 25a Abs. 5 KVG zuständig sind. Damit ist die Beschwerdegegnerin grundsätzlich auch für den Entscheid über die Übernahme der strittigen Wegkosten zuständig, zumal die Frage, ob die Wegkosten zu den Pflegeleistungen zu zählen sind, in der Rechtsprechung wohl bislang noch nicht geklärt worden ist (vgl. hierzu das Merkblatt des Amtes für soziale Sicherheit, Stand Mai 2015; Beilage 2 zur Beschwerdeantwort).

4.3 Die Beschwerdegegnerin hat somit mittels Verfügung über den strittigen Anspruch materiell zu befinden. Sollte sie sich allenfalls entgegen dem vorstehend Gesagten als nicht zuständig erachten, hat sie die Akten zeitnah an die kantonale Behörde zu überweisen (Art. 30 ATSG) und dies der Beschwerdeführerin mitzuteilen. Die Rechtsverweigerungsbeschwerde ist daher gutzuheissen. Die Beschwerdegegnerin ist entsprechend der Regelung von Art. 127 KVV (E. II. 3.3 hiervor) zu verpflichten, innerhalb von 30 Tagen das Leistungsgesuch der Beschwerdeführerin zu behandeln sei es durch einen materiellen Entscheid allenfalls durch eine Weiterleitung des Gesuchs und der Akten an die als zuständig erachtete Stelle, verbunden mit einem Nichteintretensentscheid mangels Zuständigkeit. Die Beschwerdeführerin ist über das Vorgehen zu informieren.

4.4 Der Einwand der Beschwerdegegnerin, es wäre unsinnig, wenn die Rechnungen für die erbrachten ambulanten Dienste bezüglich der Wegkosten jeweils in Form einer Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung erlassen werden müssten, ist zu relativieren. Wie vorstehend festgehalten wurde, ist ein formloses Vorgehen grundsätzlich zulässig. Eine formelle Verfügung muss nur und erst dann erlassen werden, wenn dies verlangt wird. Das zuständige Gemeinwesen muss also nicht in jedem Fall eine Verfügung erlassen, sondern der Weg, der offenbar bisher beschritten wurde, ist weiterhin gangbar. Wenn aber die betroffene Person eine formelle Verfügung verlangt, ist die Gemeinde gehalten, eine solche zu erlassen. Ausserdem ist auf dem formlosen Schreiben der Rechnung darauf hinzuweisen, dass die betroffene Person das Recht hat, über die hier strittige Frage eine formelle, anfechtbare Verfügung zu verlangen.

5.

5.1 Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung. Diese hat sich ohne Rücksicht auf den Streitwert nach dem zu beurteilenden Sachverhalt und der Schwierigkeit des Prozesses zu bemessen.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin macht mit Kostennote vom 17. Oktober 2017 (A.S. 22) eine Honorarforderung von total CHF 2'106.00 geltend, wobei er den Aufwand von 6.5 Stunden zu einem Stundenansatz von CHF 300.00 abgerechnet hat. Gemäss § 160 Abs. 2 GebT ist bei anwaltlicher Vertretung für den Stundenansatz zwar ein Rahmen von CHF 230.00 bis 330.00 möglich. Praxisgemäss gewährt das Versicherungsgericht aber einen Ansatz von mehr als CHF 260.00 nur in ganz aussergewöhnlichen Fällen. Ein solcher liegt hier nicht vor. Aus den rechtlichen Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin geht denn auch nicht hervor, dass zur Erarbeitung der Rechtsschriften aussergewöhnlich komplexe rechtliche Abklärungen notwendig gewesen wären. Zudem betrifft die Position vom 7. Juli 2017 vorprozessualen Aufwand und ist demnach nicht zu berücksichtigen. Zu vergüten ist daher ein Stundenansatz von CHF 260.00. Somit beläuft sich die Parteientschädigung auf CHF 1'319.80 (4.7 x CHF 260.00 zuzüglich 8 % Mehrwertsteuer).

5.2 Grundsätzlich ist das Verfahren kostenlos. Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Rechtsverweigerungsbeschwerde wird gutgeheissen. Die Beschwerdegegnerin wird angewiesen, innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Entscheides entweder eine Verfügung zu erlassen das Gesuch und die Akten an die ihrer Ansicht nach zuständige Stelle weiterzuleiten.

2.    Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von CHF 1'319.80 (inkl. Mwst.) zu bezahlen.

3.    Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

Rechtsmittel

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Mitteilung beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar (vgl. Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes, BGG). Bei Vorund Zwischenentscheiden (dazu gehört auch die Rückweisung zu weiteren Abklärungen) sind die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 92 93 BGG zu beachten.

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn

Der Präsident Der Gerichtsschreiber

Flückiger Isch



Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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