Zusammenfassung des Urteils VSBES.2017.147: Versicherungsgericht
Die Chambre des recours des Kantonsgerichts tagt, um über die Beschwerde von A.________ aus Clarens, dem Beklagten, gegen das Urteil der Friedensrichterin des Bezirks Riviera-Pays-d'Enhaut vom 23. Juni 2008 in der Streitsache mit R.________ aus Rolle, dem Kläger, zu entscheiden. Der Beklagte wurde verurteilt, dem Kläger die Summe von 6'253 Franken 25 zu zahlen, zuzüglich Zinsen, und die Gerichtskosten wurden festgelegt. Der Kläger hatte Waren geliefert, die der Beklagte als Manager eines Restaurants nicht bezahlte. Das Gericht entschied, dass der Beklagte persönlich für die Schulden haftet. Der Beklagte legte Berufung ein und argumentierte, dass er nicht persönlich haften sollte. Das Gericht stellte fest, dass es sich um eine Bürgschaft handelte und das Urteil wurde zugunsten des Beklagten geändert.
Kanton: | SO |
Fallnummer: | VSBES.2017.147 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 08.11.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | AHV-Beiträge 2011 - 2014 - Nachzahlungsverfügungen / AHV-Beiträge für Selbständigerwerbende pro 2011 - 2017 |
Schlagwörter : | ändig; Einkommen; Schweiz; Recht; Erwerbstätigkeit; AK-Nr; Mitglied; Person; Verwaltung; Deutschland; Verordnung; Arbeit; Verwaltungsrat; Ausgleich; Sozialversicherung; Ausgleichskasse; Beschäftigung; Einsprache; Solothurn; Beiträge; Mitgliedstaaten; Rechtsvorschriften; Arbeitnehmer; Sicherheit; Selbständigerwerbende; Firma; «management |
Rechtsnorm: | Art. 12 ATSG ;Art. 3 AHVG ;Art. 394 OR ;Art. 5 AHVG ;Art. 9 AHVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Es wirken mit:
Präsident Flückiger
Oberrichterin Weber-Probst
Oberrichter Kiefer
Gerichtsschreiber Häfliger
In Sachen
1. A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Buttliger,
2. B.___ vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Buttliger,
Beschwerdeführer
gegen
Ausgleichskasse Kt. Solothurn, Postfach 116, 4501 Solothurn,
Beschwerdegegnerin
betreffend Nachzahlungsverfügungen Sozialversicherungsbeiträge pro 2011 - 2014 / AHV/IV/EO-Beitragsverfügungen für Selbständigerwerbende pro 2011 - 2017 (Einspracheentscheide vom 27. und 28. April 2017)
zieht das Versicherungsgericht in Erwägung:
I.
1.
1.1 Am 4. April 2016 führte ein Revisor der Suva [...] in der Firma A.___ AG, [...], eine ordentliche Revision durch. Dabei gelangte er zum Ergebnis, die Firma habe auf Vergütungen in Form von «management fees», die in den Jahren 2011 bis 2014 an B.___ ausgerichtet worden seien, die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgerechnet. Diese «management fees», die als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit anzusehen seien, hätten sich auf CHF 159'120.00 pro 2011, CHF 145'200.00 pro 2012, CHF 157'510.00 pro 2013 und CHF 126'000.00 pro 2014 belaufen (Ausgleichskasse-Beleg [AK-]Nr. I 5).
1.2 In seinem Bericht vom 10. August 2016 hielt der Revisor fest, er habe Abklärungen zur wirtschaftlichen Stellung von B.___ getroffen. Ihm sei mitgeteilt worden, B.___ habe in Deutschland eine Einzelfirma und stelle via diese der A.___ AG Rechnung. Ferner sei er noch für die Firma C.___ AG tätig. Unterlagen zur Tätigkeit von B.___ seien trotz entsprechender Ankündigungen und Fristverlängerungen nicht geliefert worden. Laut Auskunft der Ausgleichskasse [...] liege keine selbständige Erwerbstätigkeit vor (AK-Nr. I 6).
2. Die Firma D.___ AG, [...], als Rechtsvertreterin der A.___ AG meldete der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn (nachfolgend Beschwerdegegnerin) am 4. August 2016, die Aktiven und Passiven der A.___ AG seien rückwirkend per 1. Januar 2016 durch die E.___ AG übernommen und im Handelsregister gelöscht worden (AK-Nr. I 3). Dem beigelegten Handelsregisterauszug lässt sich entnehmen, dass B.___ seit der Gründung der E.___ im Jahr 2012 Mitglied sowie zeitweise Präsident Delegierter des Verwaltungsrates dieser Firma war (AK-Nr. I 4).
3.
3.1 Mittels Nachzahlungsverfügungen vom 24. August 2016 setzte die Beschwerdegegnerin die durch die Firma A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin 1) zusätzlich zu bezahlenden AHV/IV/EO-Beiträge sowie FAKund ALV-Beiträge (inkl. Verwaltungskosten) fest, und zwar auf CHF 22'215.35 für das Jahr 2011, CHF 21'907.75 für das Jahr 2012, von CHF 22002.50 für das Jahr 2013 und CHF 30'361.05 für das Jahr 2014; dabei stellte sie auf ein AHV-beitragspflichtiges Einkommen von CHF 159'120.00 pro 2011, CHF 157970.00 pro 2012, CHF 157'510.00 pro 2013 und CHF 214767.00 pro 2014 ab (AK-Nr. I 9).
3.2 Gegen diese Nachzahlungsverfügungen liess die Beschwerdeführerin 1 am 28. September 2016 Einsprache erheben (AK-Nr. I 13).
3.3 Am 20. Oktober 2016 forderte die Beschwerdegegnerin den Vertreter der Beschwerdeführerin 1 auf, die Buchhaltungsabschlüsse von B.___ für die Jahre 2011 - 2014 einzureichen sowie bekanntzugeben, wo in Deutschland sich dessen Betrieb befinde (AK-Nr. I 17).
3.4 Die Beschwerdeführerin 1 liess am 14. Dezember 2016 Kopien der verlangten Abschlüsse (samt Steuerbescheiden) einreichen (AK-Nr. I 21-23). Weiter teilte sie mit, die Einzelunternehmung von B.___ sei beim Finanzamt [...] registriert, B.___ persönlich gebe seine Einkommenssteuererklärung als beschränkt steuerpflichtige Person dem Finanzamt [...] ab und B.___ erziele in Deutschland Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, wobei er keine Arbeitnehmer beschäftige (AK-Nr. I 20).
4.
4.1 Am 22. Dezember 2016 erliess die Beschwerdegegnerin gegenüber B.___ eine Beitragsverfügung für Selbständigerwerbende, mit der sie ihn zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen von CHF 5'281.55, basierend auf einem beitragspflichtigen Einkommen von CHF 55'200.00, für das Jahr 2011 verpflichtete (AK-Nr. II 16).
4.2 Am 4. Januar 2017 erliess die Beschwerdegegnerin gegenüber B.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer 2) als Selbständigerwerbenden weitere Beitragsverfügungen für die Jahre 2012 bis 2016. In diesen Verfügungen verpflichtete sie den Beschwerdeführer 2 zur Zahlung von persönlichen Beiträgen (inkl. Verwaltungskosten und FAK [letztere ab 2013]) pro 2012 von insgesamt CHF 4'857.00, pro 2013 von CHF 3136.20, pro 2014 von CHF 10'615.20 sowie pro 2015 und 2016 zu Akontobeiträgen von jeweils CHF 10'615.20; dabei stellte sie auf ein beitragspflichtiges Einkommen von (jeweils gerundet) CHF 52900.00 pro 2012, CHF 37700.00 pro 2013, CHF 92400.00 pro 2014 sowie jeweils CHF 92400.00 pro 2015 und 2016 ab (AK-Nr. II 18 ff.). Am 17. Februar 2017 wurde überdies eine Verfügung für das Jahr 2017 erlassen, die auf Akontobeiträge von CHF 10'474.80, basierend auf einem beitragspflichtigen Einkommen von CHF 92'400.00, lautete (AK-Nr. II 18 ff.).
4.3 Gegen die Beitragsverfügungen für das Jahr 2011 vom 22. Dezember 2016 und für die Jahre 2012 bis 2016 vom 4. Januar 2017 liess der Beschwerdeführer 2 am 1. Februar 2017 Einsprache erheben (AK-Nr. II 23). Am 31. März 2017 liess er auch die Verfügung vom 17. Februar 2017 über die Akontobeiträge pro 2017 mit Einsprache anfechten (AK-Nr. II 29).
5.
5.1 Mit Entscheid vom 27. April 2017 wies die Beschwerdegegnerin die Einsprache der Beschwerdeführerin 1 vom 28. September 2016 gegen die Nachzahlungsverfügungen vom 24. August 2016 für die Jahre 2011 bis 2014 ab (AK-Nr. I 28).
5.2 Am 28. April 2017 wies die Beschwerdegegnerin die Einsprachen des Beschwerdeführers 2 vom 1. Februar 2017 und 31. März 2017 betreffend persönliche Beiträge für die Jahre 2011 2017 ebenfalls ab (AK-Nr. II 32).
6. Am 1. Juni 2017 lassen die Beschwerdeführer gegen die Einspracheentscheide vom 27. und 28. April 2017 Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn erheben. Ihr Vertreter stellt und begründet folgende Anträge (Aktenseite [A.S.] 10 ff.; 52 [Replik]):
1. Es seien der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 27. April 2017 und damit auch die Nachzahlungsverfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 28. August 2016 über die Nachforderung von Lohnbeiträgen für die Jahre 2011 bis 2014 aufzuheben und festzustellen, dass keine nicht abgerechneten Lohnbeiträge der A.___ für Herrn B.___ bestehen.
2. Es seien der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 28. April 2017 und damit auch die Beitragsverfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 4. Januar und 17. Februar 2017 betreffend persönliche Beiträge für die Jahre 2011 bis 2017 aufzuheben und festzustellen, dass keine nicht abgerechneten Lohnbeiträge von Herrn B.___ bestehen.
3. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegnerin.
7. In der Beschwerdeantwort vom 29. Juni 2017 beantragt die Beschwerdegegnerin, die Beschwerden seien abzuweisen (A.S. 38 ff.)
8. Mit prozessleitender Verfügung vom 30. Juni 2017 werden die beiden Beschwerdeverfahren VSBES.2017.147 und VSBES.2017.148 auf Antrag der Beschwerdeführer und im Einverständnis der Beschwerdegegnerin (vgl. A.S. 39) vereinigt und unter der Verfahrensnummer VSBES.2017.147 weitergeführt (A.S. 41).
9. In seiner Replik vom 2. Oktober 2017 nimmt der Vertreter der Beschwerdeführer zur Beschwerdeantwort Stellung (A.S. 51 ff.), wozu sich die Beschwerdegegnerin am 25. Oktober 2017 äussert (A.S. 61 f.). Zu dieser Duplik lassen sich die Beschwerdeführer am 4. Dezember 2017 nochmals vernehmen; gleichzeitig reicht ihr Vertreter seine Kostennote ein (A.S. 69 ff.).
Auf die Ausführungen der Parteien in ihren Rechtsschriften wird im Folgenden, soweit notwendig, eingegangen. Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.
II.
1.
1.1 Die Sachurteilsvoraussetzungen (Einhaltung von Frist und Form, örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
1.2 Streitig im vorliegenden Verfahren ist einerseits, ob die Beschwerdeführerin 1 einer AHV/IV/EO-Beitragspflicht für die in den Jahren 2011 2014 an den Beschwerdeführer 2 respektive dessen Einzelfirma in Deutschland ausgerichteten «management fees» untersteht, und andererseits, ob der Beschwerdeführer 2 für die in den Jahren 2011 2017 in Deutschland generierten Einkommen persönliche Sozialversicherungsbeiträge zu leisten hat.
2. Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger. Er übt sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland Erwerbstätigkeiten aus. Es stellt sich daher zunächst die Frage nach der Versicherungsunterstellung im zwischenstaatlichen Verhältnis.
2.1 Gemäss Art. 8 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) regeln die Vertragsparteien die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäss Anhang II. Laut Anhang II, Art. 1 Ziff. 1, kommen die Vertragsparteien überein, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die in Abschnitt A dieses Anhangs genannten Rechtsakte der Europäischen Union in der durch diesen Abschnitt geänderten Fassung gleichwertige Vorschriften anzuwenden. Abschnitt A nennt namentlich die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (nachfolgend: Vo 883/2004; SR 0.831.109.268.1) mit seitherigen Änderungen. Die genannte Verordnung (sogenannte Grundverordnung) und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (sogenannte Durchführungsverordnung; SR 0.831.109.268.11; nachfolgend: Vo 987/2009) gelten im Verhältnis zur Schweiz seit 1. April 2012. Während des Zeitraums bis 31. März 2012, der hier ebenfalls eine Rolle spielt streitig sind Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 2011 , waren die Grundverordnung Nr. 1408/71 (nachfolgend Vo 1408/71; ebenfalls SR 0.831.109.268.1) und die Durchführungsverordnung Nr. 574/72 (ebenfalls SR 0.831.109.268.11) massgebend.
2.2 Laut Art. 8 Vo 883/2004 tritt diese Verordnung im Rahmen ihres Geltungsbereichs an die Stelle aller zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen über soziale Sicherheit. Ausnahmen müssen in Anhang II der Verordnung aufgeführt sein. Dieser Anhang II enthält keine hier relevanten Bestimmungen. Massgebend sind demnach die Vorschriften der Verordnung.
2.3 Zum anwendbaren Recht hält Art. 11 Abs. 1 Vo 883/2004 fest, Personen, für die diese Verordnung gilt, unterlägen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Die Unterstellung von Personen, die gewöhnlich in zwei mehr Vertragsstaaten eine Beschäftigung ausüben, wird in Art. 13 Vo 883/2004 geregelt; laut dessen Abs. 1 unterliegt eine Person, die gewöhnlich in zwei mehr Mitgliedschaften eine Beschäftigung ausübt, in der Regel den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt. Andernfalls bestimmt sich das anwendbare Recht nach einer differenzierten Regelung. «Beschäftigung» im Sinne der Verordnung meint eine unselbständige Erwerbstätigkeit (vgl. Art. 1 lit. a Vo 883/2004). Eine Person, die gewöhnlich in zwei mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt den Rechtsvorschriften des Mitglied-/Vertragsstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet, wenn sie nicht in einem der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt (Art. 13 Abs. 2 Vo 883/2004). Eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung (also eine unselbständige Erwerbstätigkeit) ausübt, oder, wenn sie eine solche Beschäftigung in zwei mehr Mitgliedstaaten ausübt, den nach Absatz 1 bestimmten Rechtsvorschriften (Art. 13 Abs. 3 Vo 883/2004). Für die Unterstellung ist somit entscheidend, ob eine bestimmte Tätigkeit als unselbständig («Beschäftigung») als selbständig zu qualifizieren ist sowie gegebenenfalls davon, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnsitzstaat ausgeübt wird. Die Durchführungsverordnung Vo 987/2009 hält in Art. 14 Abs. 5b fest, für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach Art. 13 der Grundverordnung (Vo 883/2004) würden marginale Tätigkeiten nicht berücksichtigt.
2.4 Für die Konstellation, dass eine Person in einem Vertragsstaat unselbständig und in einem anderen selbständig erwerbstätig ist, sieht die Vo 883/2004 demnach in Art. 13 Abs. 3 die generelle Unterstellung unter die Vorschriften desjenigen Vertragsstaats vor, in dem die unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Unter der Vo 1408/71, die bis 31. März 2012 massgebend war, verhielt es sich grundsätzlich ebenso: Laut Art. 14c lit. a unterlag eine Person, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine abhängige Beschäftigung und eine selbständige Tätigkeit ausübte, grundsätzlich den Rechtsvorschriften desjenigen Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie eine abhängige Beschäftigung ausübte. Art. 14c lit. b liess allerdings Abweichungen zu, die in Anhang VII zur Verordnung Nr. 1408/71 aufgeführt waren.
2.5 Die Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit als unselbständig («Beschäftigung») als selbständig zu qualifizieren ist, beantwortet sich nach dem innerstaatlichen Recht desjenigen Staats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Art. 1 lit. a und b Vo 883/2004). Dieser Grundsatz galt inhaltlich bereits unter der Verordnung Nr. 1408/71, die bis 31. März 2012 massgebend war und in Art. 1 lit. a Ziff. i) festhielt, «Arbeitnehmer» sei jede Person, die gegen ein Risiko gegen mehrere Risiken, die von Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst werden, pflichtversichert freiwillig weiterversichert ist.
3.
3.1 Nach Art. 1a Abs. 1 lit. a und b Bundesgesetz über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG, SR 831.10) sind die natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz wie auch die natürlichen Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben, nach diesem Gesetz versichert. Die Versicherten sind beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben (Art. 3 Abs. 1 AHVG). Analog geregelt ist die Beitragspflicht in weiteren Sozialversicherungszweigen (IV, EO, ALV, Familienzulagen). Die Beiträge werden für diese Zweige gemeinsam erhoben.
3.2 Vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, im Folgenden massgebender Lohn genannt, wird ein Beitrag erhoben. Als massgebender Lohn gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungsund andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferienund Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen (vgl. Art. 5 AHVG). Zum Erwerbseinkommen gehört, soweit nicht in den nachfolgenden Bestimmungen ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind, das im Inund Ausland erzielte Baroder Naturaleinkommen aus einer Tätigkeit einschliesslich der Nebenbezüge (Art. 6 Abs. 1 Verordnung über die Altersund Hinterlassenenversicherung [AHVV]; SR 831.101).
3.3 Als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten Personen, die in unselbständiger Stellung Arbeit leisten und dafür massgebenden Lohn nach dem jeweiligen Einzelgesetz beziehen (Art. 10 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1]). Unter anderem gehören Tantiemen, feste Entschädigungen und Sitzungsgelder an Mitglieder der Verwaltung juristischer Personen zum massgebenden Lohn aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 7 lit. h AHVV). Bei Leistungen einer AG an Verwaltungsratsmitglieder gilt die Vermutung, dass sie diesem als Organ der juristischen Person zukommen und daher als massgebender Lohn zu qualifizieren sind (Ueli Kieser, Altersund Hinterlassenenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. Auflage, Basel 2016, S. 1266, N 209; Peter Forster, AHV-Beitragsrecht, Zürich 2007, S. 417; ZAK 1984 S. 91 ff.; ZAK 1983 S. 23). Gemäss Rz. 3089 der vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) herausgegebenen Wegleitung über die Versicherungspflicht in der AHV/IV (WVP) stellt die Leitung eines Unternehmens in der Schweiz keine marginale Tätigkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 5b VO 987/2009 (vgl. E. II. 2.3 hiervor am Ende) dar, da die leitende Tätigkeit aufgrund ihrer Eigenart nicht unbedeutend ist.
3.4 Nach Art. 9 Abs. 1 AHVG ist Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt (s. a. Art. 12 Abs. 1 ATSG). Selbständigerwerbende können gleichzeitig auch Arbeitnehmerinnen Arbeitnehmer sein, wenn sie ein entsprechendes Erwerbseinkommen erzielen (Art. 12 Abs. 2 ATSG).
3.5 Nach Art. 24 und 25 AHVV haben die Beitragspflichtigen im laufenden Beitragsjahr periodisch Akontobeiträge zu leisten. Die Ausgleichskassen bestimmen die Akontobeiträge aufgrund des voraussichtlichen Einkommens des Beitragsjahres. Sie können dabei vom Einkommen ausgehen, das der letzten Beitragsverfügung zugrunde lag, es sei denn der Beitragspflichtige mache glaubhaft, dieses entspreche offensichtlich nicht dem voraussichtlichen Einkommen. Die Ausgleichskassen setzen die für das Beitragsjahr geschuldeten Beiträge in einer Verfügung fest und nehmen den Ausgleich mit den geleisteten Akontobeiträgen vor.
4.
4.1 Die Beschwerdegegnerin hat in den angefochtenen Entscheiden sowie in ihren Rechtsschriften im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer 2 sei für die A.___ AG als Präsident des Verwaltungsrates und damit als Unselbständigerwerbender tätig gewesen. Verwaltungsratshonorare gehörten zum massgebenden Lohn. Ferner sei der Beschwerdeführer 2 in Deutschland als Selbständigerwerbender tätig. Eine Tätigkeit als Verwaltungsrat in einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz gelte nicht als marginale Tätigkeit (vgl. E. II. 2.3 hiervor am Ende), und eine Person, die eine unselbständige und gleichzeitig eine selbständige Tätigkeit in zwei verschiedenen Staaten ausübe, sei für das gesamte Einkommen in dem Staat der Sozialversicherung unterstellt, in welchem die unselbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Die Unterstellung unter die Schweizerische Sozialversicherung beziehe sich daher auf das Einkommen aus der A.___ AG, aber auch auf das selbständige Einkommen aus Deutschland. Grund dafür sei das bilaterale Abkommen zwischen der EU und der Schweiz. Die private Versicherungslösung des Beschwerdeführers 2 in Deutschland sei kein Grund für eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht in der Schweiz. Er gelte in der Schweiz als Unselbständigerwerbender bei der A.___ AG, die folglich für ihn pro 2011 2014 Sozialversicherungsbeiträge abzurechnen habe. Zusätzlich sei er in der Schweiz als Selbständigerwerbender (mit Geschäftssitz in Deutschland) für die Jahre 2011 2017 sozialversicherungspflichtig. Aufgrund der durch den Beschwerdeführer 2 eingereichten Buchhaltungsunterlagen gehe sie, die Beschwerdegegnerin, davon aus, dass das Einkommen gemäss Buchhaltungsunterlagen aus der Einzelunternehmung des Beschwerdeführers 2 und dem nachträglich durch die Arbeitgeberrevision festgestellten Einkommen bei der A.___ AG für die Jahr 2011 - 2014 nicht aus derselben Tätigkeit stammten; dies deshalb, weil die Einkommen für die gleiche Zeitperiode in keiner Weise kongruent seien. Die Darstellung der Beschwerdeführer erscheine nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als nicht nachgewiesen, da keine Kontodetails aus der Buchhaltung des Beschwerdeführers 2 vorhanden seien, die die Herkunft dieser Einkommen bestätigen würden. Die Folgen der Beweislosigkeit hätten die Beschwerdeführer zu tragen (AK-Nr. 38 ff., 61 f.).
4.2 Demgegenüber lassen die Beschwerdeführer in ihren Rechtsschriften im Wesentlichen vorbringen, der Beschwerdeführer 2 sei zwar Verwaltungsratspräsident der ehemaligen A.___ AG gewesen und sei heute Verwaltungsratsmitglied der F.___ AG. Er habe aber für die A.___ AG in den Jahren 2011 bis 2014 Beratungstätigkeiten nicht in seiner Funktion als Verwaltungsrat, sondern als Beauftragter erbracht. Er sei Inhaber der Einzelunternehmung B.___ Unternehmensberatung in [...]. Er übe seine selbständige Erwerbstätigkeit nicht in der Schweiz aus, sondern berate mit seiner Einzelunternehmung öffentliche Gemeinwesen im EU-Raum sowie in Russland, China und Taiwan. Seine Einzelunternehmung habe für die Beschwerdeführerin 1 Beratungsdienstleistungen und Akquisitionstätigkeiten in ganz Europa und später auch in Russland, China und der USA erbracht. Diese externe Beratungsund Akquisitionstätigkeit sei durch «management fees» entschädigt worden, die von der Beschwerdeführerin 1 in den Jahren 2011 2014 an die B.___ Unternehmensberatung in Deutschland ausgerichtet und von den Schweizer Steuerbehörden als unternehmerischer Aufwand des Beschwerdeführerin 1 anerkannt worden seien. Der Beschwerdeführer 2 habe die «management fees» weder als Gehalt noch als Verwaltungsratshonorar erhalten, sondern als nicht sozialversicherungspflichtige Entschädigung für Aufträge im Sinne von Art. 394 ff. OR, d.h. als Entgelt für eine Beratungstätigkeit. Er sei in Deutschland steuerpflichtig und auch privat versichert. In der Schweiz habe er ein Anstellungsverhältnis mit einer anderen Gesellschaft gehabt und sei für jenes Einkommen AHV-pflichtig gewesen. Er sei Verwaltungsrat der A.___, ohne je ein Verwaltungsratshonorar bezogen zu haben. Bei seiner Beratungstätigkeit handle es sich um eine selbständige Erwerbstätigkeit ausserhalb des Staatsgebiets der Schweiz, in einem Land (Deutschland), in dem er bereits sozialversicherungsrechtlich abgesichert sei. Der Beschwerdeführer 2 übe in der Schweiz keine operative Tätigkeit aus, sondern diese finde im Ausland statt. Er sei in der Schweiz nur als Verwaltungsratsmitglied tätig, weil die A.___ im Rahmen einer Konzernstruktur zu einem Familienverbund (Familiy Office) gehöre.
Was die Rechtsgrundlagen anbelange, sei Art. 7 AHVV nicht anwendbar, da es sich bei den ausgerichteten «management fees» nicht um Tantiemen etc., sondern um Entschädigungen nach Art. 394 Abs. 3 OR, mithin um eine selbständige Erwerbstätigkeit ausserhalb des Staatsgebiets der Schweiz, gehandelt habe. Auch Art. 13 Vo Nr. 883/2004 sei nicht anwendbar, da der Beschwerdeführer 2 nicht in zwei Mitgliedstaaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, sondern sich die Tätigkeit der B.___ Unternehmungsberatung alleine im Ausland (Deutschland) abgespielt habe, wo er bereits sozialversicherungsrechtlich abgesichert sei. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin stammten die Einkommen gemäss Buchhaltungsunterlagen der Einzelunternehmung des Beschwerdeführers 2 in den Jahren 2011 bis 2014 aus derselben Tätigkeit und seien für die gleiche Zeitperiode kongruent. Es könne nicht sein, dass derselbe Umsatz zweimal schweizerischen sozialversicherungsrechtlichen Abgaben unterliege (A.S. 10 ff., 23 ff., 69 f.).
5.
5.1 Vorab ist festzustellen, dass sich die aus einer Erwerbstätigkeit stammenden Einkünfte des Beschwerdeführers 2 nach Lage der Akten in drei Sparten einteilen lässt, die sich wie folgt darstellen lassen:
1. Einkommen von der A.___ AG in den Jahren 2011 2014 in der Schweiz aufgrund der Suva-Revision vom 4. April 2016
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