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Urteil Steuergericht (SO)

Zusammenfassung des Urteils SGSTA.2014.19: Steuergericht

Ein Einzelunternehmer, der sein Unternehmen liquidiert, wird steuerlich nicht als Liebhaberei oder unselbstständige Erwerbstätigkeit betrachtet. Die Liquidation eines Unternehmens gilt als selbstständige Erwerbstätigkeit, besonders wenn ein erheblicher Gewinn erzielt wird. Die geplante Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens neuer Steuerregelungen im Januar 2011 wird steuerlich berücksichtigt. Die Buchhaltung und Bewertung des Unternehmens vor und während der Liquidation sind entscheidend für die steuerliche Behandlung von stillen Reserven und Kosten. Das Steuergericht entscheidet, dass die Selbstständigkeit des Unternehmers bis Ende 2010 bestand und eine Anpassung der Veranlagung für das Steuerjahr 2010 erforderlich ist.

Urteilsdetails des Kantongerichts SGSTA.2014.19

Kanton:SO
Fallnummer:SGSTA.2014.19
Instanz:Steuergericht
Abteilung:-
Steuergericht Entscheid SGSTA.2014.19 vom 23.02.2015 (SO)
Datum:23.02.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Staats- und Bundessteuer 2010
Schlagwörter : Liquidation; Rekurrent; Rekurrenten; Erwerbstätigkeit; Betrag; Jahresrechnung; Steuerrecht; Aktiven; Zeitpunkt; Bilanz; Handelsbilanz; Reserven; Rechnung; Veranlagung; Urteil; Veranlagungsbehörde; Hintergr; Grundsatz; Jahresgewinn; ändiger
Rechtsnorm:Art. 140 DBG ;Art. 27 DBG ;Art. 37b DBG ;Art. 959 OR ;
Referenz BGE:137 II 353;
Kommentar:
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Entscheid des Kantongerichts SGSTA.2014.19

Urteil des Bundesgerichts 2C_101/2008 vom 18.6.2008, E. 2.1). Bei einem Einzelunternehmer, welcher sein Unternehmen liquidiert (im Einzelnen zumeist durch die Vornahme einer Bestandesaufnahme, die Erfüllung bestehender Verpflichtungen, die Entgegennahme von Entgelten sowie die Verwertung der Aktiven) kann selbstverständlich weder von Liebhaberei, noch von einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gesprochen werden. Die Liquidation einer Unternehmung gehört vielmehr zur selbständigen Erwerbstätigkeit. Vorliegend kann dies umso weniger zweifelhaft sein, als aus dieser Liquidation noch ein erheblicher Gewinn resultierte. Ausschlaggebend für den Zeitpunkt der definitiven Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit kann folglich nicht der Tag sein, an welchem ein praktizierender Arzt den letzten Patienten empfangen behandelt hat. Da in keiner Weise belegt ersichtlich ist, dass die Liquidation der Einzelunternehmung bereits per 31. Dezember 2010 vollzogen war, besteht kein Raum für eine Besteuerung des Liquidationserlöses im Jahr 2010.

3.3 Daran vermag auch die absichtliche Festlegung der Wirkungen des Übergangs der Arztpraxis an die Käuferin auf den 1. Januar 2011 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelungen in Art. 37b DBG und § 47ter StG - nichts zu ändern. Die Unternehmenssteuerreform II, welche die fragliche Regelung mit sich brachte, wurde bereits im Jahr 2005 durch den Bundesrat vorgeschlagen (Botschaft des Bundesrates vom 22.6.2005, BBl 2005 4733 ff.) und am 23. März 2007 durch die eidgenössischen Räte beschlossen (AS 2008 2896). Bereits dann konnte also ein Selbständigerwerbender die Steuererleichterungen vorhersehen und die Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit genau auf den Zeitpunkt der Inkraftsetzung planen. Eine solche Ruhestandsplanung, welche die vom Gesetzgeber gewollten steuerreduzierenden Wirkungen in Anspruch nimmt, kann für sich allein nicht als unzulässige Steuerumgehung angesehen werden. Die Voraussetzungen zur Annahme einer Steuerumgehung liegen offensichtlich nicht vor.

3.4 Das von der Veranlagungsbehörde in der Begründung zum Einspracheentscheid vorgebrachte Argument, es liege keine Liquidation, sondern eine Umstrukturierung vor, wurde in der Vernehmlassung nicht mehr aufrechterhalten. Da in jedem Fall bis am 31. Dezember 2010 keine Veräusserung der Arztpraxis vorgenommen wurde, erübrigen sich vorliegend weitere Ausführungen hierzu.

3.5 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Rekurrent am 31. Dezember 2010 selbständig erwerbend war und eine Aufrechnung von im Jahr 2011 erzielten Liquidationsgewinnen zu Unrecht erfolgte.

4.1 In der Jahresrechnung pro 2010 des Rekurrenten sind in der Bilanz angefangene Arbeiten von CHF 100000.00 per 31. Dezember 2010 verbucht. Der Vorjahreswert (per 31.12.2009) betrug noch CHF 200000.00. Im Kaufvertrag per 1. Januar 2011 wurde dieses Aktivum für CHF 305246.25 verkauft. Das Steueramt erachtet die Bewertung per 31. Dezember 2010 vor diesem Hintergrund als nicht korrekt. Die Rekurrenten begründen die Buchung damit, dass wegen der bevorstehenden Liquidation schneller abgerechnet worden sei, damit die C. AG von Null aus starten konnte.

4.2 Die steuerliche Gewinnermittlung knüpft an die Jahresrechnung (Erfolgsrechnung und Bilanz) und damit an das Ergebnis einer nach den handelsrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäss geführten Buchhaltung an (Art. 58 Abs. 1 lit. a DBG). In Lehre und Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Handelsbilanz für das Steuerrecht massgebend ist, sofern sie den Anforderungen entspricht, die das Handelsrecht verlangt. Andernfalls ist sie zu berichtigen (Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für das Steuerrecht, vgl. BGE 137 II 353 E. 6.2 S. 359 f.; 136 II 88 E. 3.1 S. 92; 133 I 19 E. 6.3 S. 26; 132 I 175 E. 2.2 S. 177 f.; markus reich, Steuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 15 N. 54 ff., insb. N. 61; blumenstein/locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl. 2002, S. 269 ff.; peter böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, S. 910 ff.).

4.3 Zu den Anforderungen an die Handelsbilanz gehören nach Art. 959 OR und den kaufmännischen Grundsätzen u.a. die Grundsätze der Klarheit, Übersichtlichkeit und Stetigkeit (Vergleichbarkeit der Bilanzen; vgl. richner et al., Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N 9 ff. zu Art. 58). Die eingangs unter E. 4.1 geschilderten Buchungen sind vor diesem Hintergrund in der Tat nicht nachvollziehbar. Insbesondere die Begründung, dass schneller als in den Vorjahren abgerechnet werden musste, damit die C. AG von Null aus starten könne, ist vor dem Hintergrund, dass die Liquidation erst im 2011 erfolgte und auf den 1. Januar 2011 zurückdatiert wurde, nicht nachvollziehbar. Die Rekurrenten sind bei ihrer Argumentation, dass die Bilanz per 31. Dezember 2010 noch zu Fortführungswerten erstellt wurde und die Liquidation erst im Jahr 2011 erfolgt ist, zu behaften. Entsprechend lag kein Grund vor, zu Liquidationszwecken bereits per 31. Dezember 2010 sämtliche angefangenen Arbeiten abgerechnet zu haben. Selbst wenn dem so wäre, ist nicht nachvollziehbar, dass eine Abrechnung der angefangenen Arbeiten per 31. Dezember 2010 einen Betrag von CHF 100'000.00 ergibt, und obwohl im Jahr 2011 nach eigenen Angaben keine Behandlungen durch den Rekurrenten mehr stattfanden - der (Selbstkosten-)Wert am 1. Januar 2011 CHF 305246.25 betrug.

Aus der Jahresrechnung 2010 ist ersichtlich, dass die Reduktion der Aktiven nicht ertragswirksam unter dem Konto 3190 verbucht wurde. Hingegen wurde das Aktivum per 1. Januar 2011 für CHF 305246.25 (Selbstkostenwert) verkauft. Somit hat die Reduktion der angefangenen Arbeiten, wie das Kantonale Steueramt richtig ausführt, die gemäss Art. 37b DBG und § 47ter Abs. 1 StG separat und reduziert zu versteuernden stillen Reserven um CHF 100000.00 erhöht. Diese nach dem Beweisergebnis geschäftsmässig nicht begründete, gewillkürte Schaffung von stillen Reserven aus buchmässigen Aktiven kann steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Der entsprechende Betrag von CHF 100000.00 ist somit dem steuerbaren Jahresgewinn per 31. Dezember 2010 hinzuzurechnen (Art. 58 Abs. 1 lit. b DBG und § 91 Abs. 1 lit. b StG). Zu betonen ist, dass es sich hierbei nicht um eine Realisierung von stillen Reserven handelt, welche ohnehin gemäss Art. 37b DBG und § 47ter Abs. 1 StG privilegiert zu besteuern wären, sondern um die Schaffung zusätzlicher stiller Reserven durch geschäftsmässig nicht begründete Wertberichtigungen bei bereits vorher buchmässig erfassten Aktiven.

5.1 Gemäss Art. 27 DBG und § 34 StG sind die geschäftsoder berufsmässig begründeten Kosten vom Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit abziehbar. Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen ist somit, dass diese geschäftsmässig begründet sind. Dies ist so lange zu bejahen, als ein sachlicher Zusammenhang zwischen Ausgabe und Geschäftsbetrieb besteht (richner et al., a.a.O., N 4 ff. zu Art. 27). Dies ist insbesondere zu bejahen bei Beratungskosten im Hinblick auf eine Liquidation (richner et al., a.a.O., N 5 zu Art. 27). Auch im Hinblick auf die berufsmässig begründeten Kosten gilt der oben unter E. 4.2 angeführte Grundsatz der Massgeblichkeit der korrekt geführten Handelsbilanz für das Steuerrecht, mit den ebenfalls dort genannten spezifischen Vorgaben. Dazu gehört zudem der Grundsatz der konsequenten Periodenabgrenzung.

5.2 In verfahrensrechtlicher Hinsicht obliegt den Rekurrenten im Rekursund Beschwer-deverfahren die Pflicht zur substantiierten Sachdarstellung und die Beweislast für den geschilderten Sachverhalt (richner et al., a.a.O., N 55 zu Art. 140 DBG; Urteil des Steuergerichts SGSTA.2011.144; BST.2011.127 vom 28.1.2013).

5.3 In der Jahresrechnung 2010 der Rekurrenten wird ein Betrag von CHF 39340.60 als Beratungsaufwand verbucht. Im Rekurs vom 19. März 2014 werden tabellarisch mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängende Honorare über CHF 31739.55 sowie CHF 3980.70 aufgeführt. Zu den betragsmässigen Differenzen zum Betrag in der Jahresrechnung 2010 wird auch in der Replik mit keinem Wort Stellung genommen.

Bei den CHF 31739.55 wird offensichtlich der Zeitpunkt der Fälligkeit zur Periodenab-grenzung (zur Verbuchung im Jahr 2010) beigezogen. Entsprechend kann bei konsequenter Periodenabgrenzung die Rechnung über CHF 3980.70 vom 13. Januar 2011 nicht in Betracht fallen.

Vom erstgenannten Betrag sind zudem diejenigen Rechnungen abzuziehen, bei welchen die geschäftsmässige Begründetheit (im Gegensatz zu den übrigen Rechnungen) nicht aufgrund detaillierter Tätigkeitsberichte nachgewiesen worden ist, so die Rechnung vom 1. September 2010 über CHF 1109.70 sowie vom 10. September 2010 über CHF 1843.85. Die letztere wurde überdies von der E. AG ausgestellt, welche nach eigenen Angaben der Rekurrenten im Schreiben vom 23. Juli 2013 an die Veranlagungsbehörde das private Mandat des Rekurrenten zur Erstellung der Steuererklärung innehatte.

Somit resultiert ein nachgewiesenermassen geschäftsmässig begründeter Beratungs-aufwand für das Jahr 2010 von CHF 28786.00. Gegenüber dem geltend gemachten Betrag von CHF 39340.60 reduzieren sich die Kosten bzw. erhöht sich der steuerbare Jahresgewinn um die Differenz von CHF 10554.60.

6. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Liquidation der Einzelfirma des Rekurrenten per 31. Dezember 2010 nicht erfolgt ist. Hingegen ist der steuerbare Jahresgewinn aus selbständiger Erwerbstätigkeit per 31. Dezember 2010 gegenüber der Selbstdeklaration gemäss den obigen Erwägungen um CHF 10554.60 zu erhöhen.

7. Nach dem Ausgeführten erweisen sich Rekurs und Beschwerde als teilweise begründet und sind teilweise gutzuheissen. Die Veranlagung betreffend Staatssteuer und Bundessteuer 2010 ist durch die Veranlagungsbehörde im Sinne der Erwägungen abzuändern. Dabei sind auch die Sozialversicherungsabgaben zu berücksichtigen.

Steuergericht, Urteil vom 23. Februar 2015 (SGSTA.2014.19; BST.2014.15)



Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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