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Urteil Steuergericht (SO)

Zusammenfassung des Urteils SGSTA.1998.204: Steuergericht

A. B.________, ein Bürger des Kosovo, der an Hörproblemen und psychosomatischen Beschwerden leidet, beantragte Leistungen der Invalidenversicherung. Nach verschiedenen medizinischen Untersuchungen und Gutachten wurde festgestellt, dass keine objektiven Befunde vorliegen, die eine teilweise oder vollständige Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen würden. Die Ärzte des Versicherungsdienstes kamen zu dem Schluss, dass die Beschwerden des Versicherten nicht als invalidisierend anzusehen seien und dass er in der Lage sei, eine angemessene Tätigkeit auszuüben. Trotz der Diagnosen von Stress, Depression und somatoformen Schmerzstörungen wurde festgestellt, dass der Versicherte in der Lage ist, vollständig zu arbeiten. Aufgrund dieser Bewertungen wurde der Rentenantrag abgelehnt, da keine invalidisierende Gesundheitsbeeinträchtigung vorliegt. Der Versicherte legte Rechtsmittel ein, jedoch wurde das Rechtsmittel abgelehnt, da die medizinischen Gutachten die Arbeitsfähigkeit des Versicherten bestätigten. Die Gerichtskosten belaufen sich auf CHF 0.

Urteilsdetails des Kantongerichts SGSTA.1998.204

Kanton:SO
Fallnummer:SGSTA.1998.204
Instanz:Steuergericht
Abteilung:-
Steuergericht Entscheid SGSTA.1998.204 vom 15.11.1999 (SO)
Datum:15.11.1999
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Privilegierte Besteuerung von Kapitalleistungen / Fristwahrung Wiederherstellung
Schlagwörter : Steuer; Vorsorge; Recht; Frist; Veranlagung; Krankheit; Veranlagungs; Einsprache; Ehegatte; Besteuerung; Kapitalleistung; Hypothek; Sinne; Ehegatten; Veranlagungsverfügung; Ehefrau; Entschuldigungsgr; Handlung; Säule; Steuerpflichtigen; Veranlagungsbehörde; Auszahlung; Fristversäumnis; Rekurs; Vorinstanz; Kapitalleistungen
Rechtsnorm:Art. 113 DBG ;Art. 133 DBG ;Art. 3 BV ;Art. 30c BV ;Art. 331d OR ;Art. 331e OR ;Art. 38 DBG ;Art. 76 BV ;Art. 83a BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts SGSTA.1998.204

Urteil St 1998/204 und BSt 1998/44 vom 15.11.1999

Sachverhalt:

1. Herr. X. bezog im Dezember 1994 im Sinne von Art. 3 Abs. 3 BVV 3 sein Guthaben aus der Säule 3a und amortisierte damit sein privates Hypothekardarlehen auf der von ihm selbst genutzten Liegenschaft bei der Schweizerischen Volksbank. Kurze Zeit später erhöhte er die Hypothek wieder und finanzierte damit eine Lebensversicherung mit Einmalprämie. Die Veranlagungsbehörde Grenchen besteuerte die Auszahlung mit definitiver Veranlagungsverfügung vom 13. Mai 1996 zusammen mit dem übrigen Einkommen.
2. Die Rechtsnachfolger liessen am 9. September 1996, also rund vier Monate nach der Zustellung der Veranlagungsverfügung, Einsprache gegen die Veranlagung erheben. Der Eintretensantrag wurde mit Art. 137 Abs. 2 StG und Art. 133 Abs. 3 DBG begründet: X. habe im August 1995 eine schwere Hinblutung erlitten. In der Folge sei er mehrfach operiert worden. 1996 sei die Diagnose Krebs gestellt worden und der Gesundheitszustand von X. habe sich kontinuierlich verschlechtert. Am 11. August 1996 sei er verstorben. Seit August 1995 sei X. zu 100% arbeitsunfähig gewesen und habe daher sein Rechte im Sinne von § 137 StG und Art. 133 DBG nicht wahrnehmen können. Die in § 137 Abs. 2 StG und Art. 133 Abs. 3 DBG vorgesehene Frist sei eingehalten, da die Einsprache 30 Tage nach dem Tod von X. erhoben worden sei.
Die Veranlagungsbehörde Grenchen trat auf die Einsprache infolge Fristversäumnis nicht ein. Zwar könne mit einiger Gewissheit davon ausgegangen werden, dass es dem Steuerpflichtigen nicht möglich gewesen sei, fristgerecht Einsprache zu erheben. Doch sei die Veranlagungsverfügung auch seiner Ehefrau zugestellt worden. Ein Grund, weshalb diese ihre Recht nicht innert Frist hätte wahren können, werde nicht vorgebracht. Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist sei daher abzuweisen.
3. Zum Formellen
a) Gegen diesen Nichteintretensentscheid führen die Rechtsnachfolger rechtzeitig mit Eingabe vom 18. Dezember 1998 durch ihren Anwalt Rekurs, bzw. Beschwerde. Sie machen geltend, der Entschuldigungsgrund müsse beim Steuerpflichtigen, seinem vertraglichen gesetzlichen Vertreter gegeben sein. Der Steuerpflichtige sei weder vertraglich noch gesetzlich vertreten gewesen. Die Ehefrau habe weder das Recht noch die Pflicht gehabt, die Steuerfaktoren des Ehegatten auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Selbst wenn man eine Pflicht der Ehefrau des Steuerpflichtigen zur fristgerechten Einsprache gegen die Veranlagung vom 13. Mai 1996 annehmen wollte, wäre die Einsprache der Rekurrentin/Beschwerdeführerin nicht verspätet gewesen. Denn bei ihr hätten selber erhebliche Gründe im Sinne von § 137 Abs. 2 StG bzw. Art. 133 Abs. 3 DBG vorgelegen. Es sei der Ehefrau keinenfalls zumutbar gewesen, sich in Zeiten intensiver Betreuung und Pflege wenige Wochen vor dem Tod des Ehemannes mit Steuerangelegenheiten zu befassen.
b) In der Vernehmlassung vom 15. März 1999 führt die Vorinstanz aus, es habe zwar eine gewisse Vermutung bestanden, dass der Steuerpflichtige aufgrund seines Krankheitsverlaufs nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Veranlagung vom 13. Mai 1996 fristgerecht anzufechten. Allerdings müsse der Steuerpflichtige nachweisen, dass er verhindert gewesen sei. Auf die verspätete Einsprache werde nur eingetreten, wenn es dem Steuerpflichtigen wegen des Hinderungsgrundes nicht möglich gewesen sei, das Rechtsmittel rechtzeitig zu erheben. Die Anforderungen an eine Einsprache seien gering. Auch habe der Steuerpflichtige am 4. März 1996 die Aufforderung der Veranlagungsbehörde zur Vorlegung von Beweismitteln trotz 100% Arbeitsunfähigkeit korrekt und vollständig beantwortet und am 10. Juni 1996 bzw. 3. Juli 1996 Steuereinzahlungen vorgenommen. Aus diesen Gründen könne es nicht als erwiesen erachtet werden, dass X. verhindert gewesen sei, innert Frist Einsprache zu erheben. Selbst wenn man annehmen wolle, dass X. wegen seiner Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, fristgerecht zu handeln, so treffe dieser Entschuldigungsgrund auf die Rekurrentin bzw. Beschwerdeführerin nicht zu. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen (§ 132 Abs. 1, 3 und 4 StG, Art. 113 Abs. 4 DBG) ergebe sich, dass jeder Ehegatte berechtigt sei, die Verfahrensrechte selbständig auszuüben und Rechtsmittel zu ergreifen. Die Ehegatten seien wegen der Unteilbarkeit des gemeinsamen Steuerobjekts im Veranlagungsund Rechtsmittelverfahren notwendige Streitgenossen. Es liege eine widerlegbare Vermutung einer gesetzlichen Vertretung des einen Gatten durch den andern vor. Diese könne nur durch gemeinsames Handeln, Bestellung eines gemeinsamen Vertreters durch Bevollmächtigung des andern Gatten aufgehoben werden. Wenn ein Ehegatte schon berechtigt sei, auch für den anderen Rechtsmittel einzulegen, so ergebe sich aus der ehelichen Beistandspflicht und der solidarischen Haftung für die Steuerschuld auch eine Verpflichtung, die Rechte beider Ehegatten zu wahren, sofern er dazu fähig sei. Es dürfe nicht sein, dass einem Ehepaar, obwohl der ein Gatte rechtzeitig zu handeln in der Lage gewesen wäre, die Rechtsmittelfrist wiederhergestellt werde, nur weil der andere ausser Stande gewesen sei, fristgerecht ein Rechtsmittel einzulegen.
c) In der Rückäusserung beharren die Rekurrenten/Beschwerdeführer auf ihrem Standpunkt. Nach Lehre und Rechtsprechung müsse die Krankheit derart schwer sein, dass die Vornahme der geforderten Handlung unmöglich sei. Habe die Krankheit die Arbeitsunfähigkeit zur Folge, sei der Entschuldigungsgrund regelmässig gegeben. Aufgrund der Hirnblutung und des Krebsleidens habe dem Steuerpflichtige offensichtlich die Fähigkeit gefehlt, seine in der Steuererklärung deklarierten Faktoren auf die Übereinstimmung mit der Veranlagungsverfügung zu überprüfen bzw. sich Rechenschaft über die vorgenommene Aufrechnung zu geben. Mit der Diagnose konfrontiert, innert weniger Wochen Monate zu sterben, habe er sich nicht mehr um die Überprüfung seiner Steuererklärungen kümmern können. Würde man bei derart schwerer, tödlich verlaufender und das Gehirn schädigender Krankheit das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes verneinen, so würde dies zu einer massiven Überdehnung der Anforderungen an die Entschuldigungsgründe führen. Dass die Steuerrechnungen fristgerecht bezahlt und die eingeforderten Beweismittel eingereicht worden seien, widerlege keinenfalls, dass ein Entschuldigungsrund wegen schwerer Krankheit vorgelegen habe. Diese Handlungen hätten aufgrund der Klarheit und Einfachheit des Sachverhalts ohne weiteres erfüllt werden können, während die Bewertung einer Veranlagungsverfügung mit einer Aufrechnung viel schwieriger vorzunehmen und einzuordnen gewesen sei.
 
Weiter sei darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht die Wiederherstellung einer Frist als allgemeinen Rechtsgrundsatz anerkannt habe und Art. 35 OG und 24 VwVG auch analogieweise auf andere Bundesgesetz anwende. Das Bundesgericht sei dabei relativ grosszügig und lasse einen im Ausland erlittenen Unfall als Wiederherstellungsgrund zu. Es sei zu betonen, dass im Steuerrecht als Massenverfahren durch eine ausdrückliche Vorschrift Krankheit als Fristwiederherstellungsgrund genannt sei und damit grosszügiger gehandhabt werden sollte als in anderen Rechtsgebieten, in denen keine solche Fristwiederherstellung vorgesehen sei.
 
Betreffend den Entschuldigungsgrund der Rekurrentin bzw. Beschwerdeführerin wird geltend gemacht, es habe bezüglich der Faktoren ihres Ehemannes keine Handlungspflicht von Frau X. bestanden. Auch wenn man mit der Vorinstanz das vom Zürcher Verwaltungsgericht (RB 1989 Nr. 32) vertretene Dogma der notwendigen Streitgenossen annehmen wolle, bleibe festzustellen, dass dadurch keine Handlungspflicht des einen für den anderen Ehegatten bestehe, sondern lediglich ein Recht. Wie in RB 1989 Nr. 34 festgestellt worden sei, wirke sich die Gewährung einer Fristwiederherstellung gegenüber dem einen Ehegatten auch für den anderen Ehegatten aus. Bei der Rekurrentin bzw. Beschwerdeführerin hätten selber erhebliche Gründe im Sinne von § 137 Abs. 2 StG bzw. Art. 133 Abs. 3 DBG vorgelegen.
 

Es gehe nicht an, unter Hinweis auf die relativ geringen Formanforderungen an eine Einsprache die Gründe für eine Fristwiederherstellung bei Krankheit massiv einzuschränken. Es sei Ziel der Wiederherstellung der Einsprachefrist, unverschuldete Fristversäumnis nicht mit unannehmbaren Konsequenzen in einem Massenverfahren ohne Korrekturmöglichkeiten hinzunehmen. Die Ablehnung der Fristwiederherstellung im vorliegenden Fall würde in krassem Widerspruch zum Institut der Fristwiederherstellung und dem vom Bundesgericht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatz stehen.

 

4. Zum Materiellen

a) In der gegen die definitiven Veranlagungsverfügungen vom 13. Mai 1996 am 9. September 1996 eingereichten Einsprache stellten die Erben des Steuerpflichtigen das Begehren, es seien die Veranlagungsverfügungen von Bund und Kanton aufzuheben und es sei von einer Aufrechnung der Auszahlung der 3. Säule in der Höhe von Fr. 100'986.-abzusehen. Der Steuerpflichtige habe im Jahre 1994 im Sinne von Art. 3 Abs. 3 BVV 3 sein Guthaben aus der 3. Säule bezogen und damit sein privates Hypothekardarlehen der von ihm selbst benutzten Liegenschaft gegen über der Schweizerischen Volksbank als Gläubigerin amortisiert. Dieser Bezug sei im Rahmen und im Einklang mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erfolgt.

b) In ihrem Nichteintretensentscheid vom 19. November 1998 führte die Veranlagungsbehörde Grenchen aus, das Vorsorgekapital der Säule 3a sei dem Hypothekarkonto gutgeschrieben, aber alsdann wieder belastet worden, weil damit die Prämie für eine Kapitalversicherung mit Einmaleinlage geleistet worden sei. Demzufolge habe die Veranlagungsbehörde die Auszahlung zusammen mit dem übrigen Einkommen besteuert. Nach § 47 Abs. 1 lit. a StG würden Kapitalleistungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und aus anerkannten Formen der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) von den übrigen Einkünften ausgeschieden und gesondert besteuert. Als Kapitalleistungen aus Vorsorge im Sinne von §§ 30 und 47 Abs. 1 lit. a StG würden alle zulässigen Barauszahlungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge inkl. der Vorbezug zu Wohneigentumszwecken im Sinne von Art. 30c BVG und Art. 331e OR sowie der Pfandverwertungserlös im Sinne vom Art. 331d Abs. 6 OR gelten, sofern sie nicht zweckwidrig verwendet würden (§ 7 Abs. 2 Steuerverordnung Nr. 12 betr. berufliche Vorsorge, StVO 12). Die privilegierte Besteuerung nach § 47 StG sei damit ausdrücklich auf rechtmässig bezogene Vorsorgeleistungen beschränkt und könne folglich nicht gewährt werden, wenn ein Vorbezug zweckwidrig verwendet werde. Steuerpflichtige, die vorsorgerechtliche Bestimmungen missachteten, sollten nicht noch zusätzlich in den Genuss von Steuerprivilegien gelangen, weil diese zur Förderung der Vorsorge und nicht zu deren Missbrauch geschaffen worden seien. Der Steuerpflichtige habe sich zwar die Vorsorgeleistung auf sein Hypothekarkonto auszahlen lassen, praktisch gleichzeitig habe er im gleichen Umfang wieder aufgestockt, wobei die frei gewordenen Mittel für den Erwerb einer Einmalprämienversicherung verwendet worden seien. Die Rückzahlung des Hypothekardarlehens auf der Liegenschaft an seinem Wohnsitz sei nur pro forma erfolgt und habe bloss zur Tarnung der rechtswidrigen Verwendung der Auszahlung gedient. Weil die Kapitalleistung krass zweckwidrig verwendet worden sei, könne für sie die privilegierte Besteuerung nach § 47 StG nicht gewährt werden.

c) Im gegen den Entscheid der Veranlagungsbehörde Grenchen geführten Rekurs bzw. in der Beschwerde wird geltend gemacht, die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 30 StG sowie § 7 Abs. 2 Steuerverordnung Nr. 12 zur beruflichen Vorsorge seien klarerweise erfüllt, da einerseits der ausbezahlte Betrag von einem Vorsorgekonto gestammt habe und andererseits zur Abzahlung einer Hypothek verwendet worden sei. Eine gesetzliche Grundlage, Vorsorgeguthaben in die ordentliche Veranlagung miteinzubeziehen, sei im Solothurner Steuergesetz nicht vorhanden. Eine abweichende Verordnungsbestimmung würde sich nicht auf das Gesetz abstützen und wäre daher wegen fehlender gesetzlicher Grundlage ungültig. Auch liege der für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erforderliche Missbrauch von zivilund sozialversicherungsrechtlichen Gestaltungsformen nicht vor. Dass sich der Steuerpflichtige kurze Zeit später entschlossen habe, die Hypothek wieder aufzustocken, stehe in keinem Zusammenhang mit der Auszahlung des Vorsorgeguthabens. Denn der Steuerpflichtige habe sich die Prämie für die Kapitalversicherung mit Einmaleinlage aufgrund seines übrigen Einkommens und Vermögens problemlos leisten können. Da die Errichtung einer Einmalprämienversicherung unter Rückgewährung von gemäss einschlägiger Praxis circa 90% des Versicherungswertes gegen Verpfändung der Police gemäss ständiger Praxis der Steuerund Steuerjustizbehörden keine Steuerumgehung darstelle, wenn genügend übriges Privatvermögen vorhanden sei, könne auch im vorliegenden Fall nicht von einer Steuerumgehung gesprochen werden. Die Besteuerung des bezogenen Vorsorgekapitals auf Bundesebene habe zu unterbleiben, da das im Dezember 1994 ausbezahlte Vorsorgekapital in ein Bemessungslücke gefallen sei: Es falle weder in die letzte Bemessungsperiode der Jahre 1993/1994 gemäss BdBSt noch in die erste Bemessungsperiode im Jahre 1995 des seit diesem Jahr geltenden DBG gefallen sei. Es liege mithin im Bund keine Gesetzesgrundlage für die Besteuerung des bezogenen Vorsorgekapitals vor.

d) Die Vorinstanz äusserte sich in ihrer Vernehmlassung vom 15. März 1999 nicht materiell zur Frage der Besteuerung der Kapitalauszahlung.

e) In der Rückäusserung zum Rekurs bzw. Beschwerde wird darauf hingewiesen, die Vorinstanz anerkenne, dass für die vorgenommene Besteuerung sowohl für die direkte Bundessteuer wie für die Kantonsund Gemeindesteuern eine gesetzliche Grundlage fehle, sei sie doch weder auf die materiellrechtliche Argumentation betreffend die Besteuerung der Kapitalauszahlung eingegangen noch habe sie die Ausführungen bestritten.

Erwägungen:

1. ...

2. Vorab ist zu prüfen, ob der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz rechtens ist. Gemäss § 137 Abs. 2 Gesetz über die Staatsund Gemeindesteuern (StG) ist eine Fristversäumnis zu entschuldigen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass er sein Vertreter u.a. durch Krankheit verhindert gewesen ist, innert der gesetzlichen Frist zu handeln.
Nach dem Wortlaut von § 137 Abs. 2 StG ist ein Wiederherstellungsgrund bei Krankheit gegeben. Das Gesetz setzt nicht Handlungsunfähigkeit voraus. Will man die Wiederherstellungsgründe nicht uferlos ausweiten, ist allerdings zu fordern, dass die Krankheit schwer und geeignet ist, die Handlungsfähigkeit zu beeinflussen. Die Schwere der Krankheit ist dabei in Relation zu setzen zu der Handlung, die nicht innert Frist vorgenommen worden ist. Je höhere Anforderungen rechtlicher und tatsächlicher Natur an die Handlung gestellt werden, umso eher ist eine schwere, die Fristversäumnis entschuldigende Krankheit anzunehmen. Aus diesem Grund kann das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes nicht von vornherein verneint werden mit dem Hinweis, der Steuerpflichtige habe am 4. März 1996 die Aufforderung der Veranlagungsbehörde zur Vorlegung von Beweismitteln trotz 100% Arbeitsunfähigkeit korrekt und vollständig beantwortet und am 10. Juni 1996 bzw. 3. Juli 1996 Steuereinzahlungen vorgenommen, denn hier handelt es sich um weit weniger anspruchsvolle Vorkehrungen als bei der Einreichung einer Steuereinsprache .
Unbestrittenermassen erlitt der Steuerpflichtige am 7. August 1995 eine schwere Hirnblutung und war in der Folge bis im Frühling 1996 rehabilitationsbedürftig. Da die angefochtene Veranlagungsverfügung jedoch vom 13. Mai 1996 datiert, ist dieses Ereignis für dieses Verfahren ohne Belang. Am 9. Februar 1996 wurde beim Steuerpflichtigen ein massiv aufgetretenes Krebsleiden diagnostiziert, weswegen er von diesem Zeitpunkt an bis zu seinem Tod am 11. August 1996 zu 100% arbeitsunfähig war. Im Zeitpunkt der Zustellung der Veranlagungsverfügung - 13. Mai 1996 war der Steuerpflichtige infolge seines Krebsleidens bereits zu 100% arbeitsunfähig. Eine tödliche Krebserkrankung muss als äusserst schwerwiegende Krankheit eingestuft werden, welche die Handlungsfähigkeit eines Menschen regelmässig sehr einschränkt. Dies gilt umso mehr, als die Diagnose einer tödlichen Krebserkrankung auch zu einer grossen psychischen Belastung führt. Die Fristversäumnis erweist sich damit im Fall von Herrn Mühlheim gemäss § 137 Abs. 2 StG als entschuldbar.

Nachdem das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes im Sinne von § 137 Abs. 2 StG bejaht werden muss, stellt sich die Frage, ob auch bei der Ehefrau ein solcher Grund gegeben ist. Das Gesetz erachtet die Fristversäumnis auch dann als entschuldigt, wenn der Steuerpflichtige durch andere erhebliche Gründe verhindert gewesen ist, innert der gesetzlichen Frist zu handeln (§ 137 Abs. 2 StG). Die Rekursbzw. Beschwerdeführer sehen diesen erheblichen Grund darin, dass es der Ehefrau aufgrund der schweren Erkrankung ihres Mannes nicht zuzumuten gewesen ist, fristgemäss zu handeln. Das Vorliegen einer Krankheit des einen Ehegatten darf nicht automatisch zur Fiktion führen, beim anderen Ehegatten liege ebenfalls ein erheblicher Grund im Sinne von § 137 Abs. 2 StG vor. Diese Feststellung schliesst nun aber nicht aus, dass das Handeln innert Frist bei besonders qualifizierten Krankheitstatbeständen des einen Ehegatten für den anderen unzumutbar wird. Diese Qualifikation darf und kann nicht allein von der durch die Krankheit des Ehepartners hervorgerufenen psychischen Belastung abhängen, ist diese doch nur schwer nachweisbar. Vielmehr ist beispielsweise vorauszusetzen, dass die Krankheit des einen Ehegatten zu einer zeitlichen Überbeanspruchung des anderen führt, etwa weil der erkrankte Ehegatte der ständigen Betreuung und Pflege bedarf. Die Rekursbzw. Beschwerdeführer machen zwar geltend, dass die Ehefrau Mühlheim ihren Gatten intensiv betreut und gepflegt hat, doch fehlen diesbezügliche Nachweise. Insbesondere geht aus den Akten nicht hervor, ob der Erkrankte die Monate vor seinem Tod im Spital bei sich zu Hause verbracht hat, und gegebenenfalls ob die Betreuung und Pflege zu Hause allein bzw. vorwiegend durch die Ehefrau erbracht worden ist. Das Vorliegen eines erheblichen Grundes ist daher in Bezug auf die Ehfrau zu verneinen. Die Vorinstanz ist zu Recht nicht auf die verspätete Einsprache der Ehefrau eingetreten.

Ob der beim einen Ehegatten vorliegende Entschuldigungsgrund den anderen Ehegatte davon dispensiert, fristgerecht zu handeln, braucht nachfolgend nicht entschieden zu werden. Denn nach § 18 Abs. 1 StG treten beim Tod des Steuerpflichtigen die Erben in seine Rechte und Pflichten ein. Die Steuersukzession ist nämlich nicht nur Zahlungs-, sondern auch Verfahrenssukzession (Höhn Ernst/ Waldburger Robert, Steuerrecht, Band I, Bern 1997, N 46 zu § 13). Folglich geht auch das Recht, innert der wiederhergestellten Frist, Einsprache zu erheben, mit dem Tod des Erblassers auf die Erben über. Die Fristversäumnis ist zu entschuldigen, wenn der Steuerpflichtige das Versäumte innert 30 Tagen nach Wegfall der Hinderungsgründe nachgeholt hat (§ 137 Abs. 2 StG).
 
Hinderungsgrund ist die Krankheit des Steuerpflichtigen. Mit seinem Tod fällt auch der Hinderungsgrund weg. Folglich beginnt die dreissigtägige Frist am 12. August 1996. Die Einsprache wurde am 9. September 1996 eingereicht, mithin innert der Frist von 30 Tagen.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass die Vorinstanz zu Unrecht nicht auf die Einsprache der Erben von X. zu denen auch Frau X. eingetreten ist.

Da sich der angefochten Nichteintretensentscheid bereits materiellrechtlich mit den Vorbringen der Rekursbzw. Beschwerdeführer auseinandergesetzt hat, rechtfertigt sich eine Rückweisung nicht. Vielmehr ist materiell über die Sache zu befinden haben.

3. Gemäss Art. 30c des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenenund Invalidenvorsorge (BVG) kann der Versicherte von seiner Vorsorgeeinrichtung einen Betrag für Wohneigentum zum eigenen Bedarf geltend machen. Die Artikel 30a ff. BVG sowie die Verordnung über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV; SR 831.411) umschreiben die näheren Voraussetzungen einer solchen Kapitalleistung aus Vorsorge.

Gemäss Art. 11 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) vom 14. Dezember 1990 werden Kapitalleistungen aus Vorsorgeeinrichtungen für sich allein besteuert. Sie unterliegen einer vollen Jahressteuer. Diese Bestimung wurde in das DBG (Art. 38) übernommen. Gemäss Art. 83a Abs. 1 BVG ist der Vorbezug aus Vorsorge zum Zwecke der Wohneigentumsförderung als Kapitalleistung aus Vorsorge steuerbar. Der Kanton Solothurn ist zwar zur Anpassung seiner Steuergesetzgebung an das StHG erst bis spätestens 1. Januar 2001 verpflichtet. In diesem Punkt hat er jedoch mit den Bestimmungen von §§ 30 und 47 StG gemäss Fassung vom 12. Juni 1994 die Anpassung bereits vollzogen. Da sich der massgebende Sachverhalt (Kapitalleistung) im Jahre 1994 verwirklicht hat, ist das StG jedoch in der damaligen Fassung anwendbar. Danach kann die gesonderte Besteuerung von Kapitalleistungen nach § 30 StG nur einmal in zehn Jahren beansprucht werden.

Der Regierungsrat hat jedoch in § 7 der Steuerveordnung Nr. 12 betr. Berufliche Vorsorge (BSG 614.159.12), in Kraft seit 1. Januar 1995, eine Definition des gesetzlichen Begriffs der Kapitalleistungen aus Vorsorge im Sinne von §§ 30 und 47 Abs. 1 Bst. a StG vorgenommen. Danach sollen nur zulässige Barauszahlungen darunter fallen, welche nicht zweckwidrig verwendet werden. Diese Definition ist bereits deshalb nicht unproblematisch, weil Kapitalleistungen aus Vorsorgeeinrichtungen wie dargelegt ein bundesrechtlicher Begriff ist, den der Kanton nicht anders auslegen kann, als ihn der Bundesgesetzgeber versteht. Zudem ist jedoch auch höchst fraglich, ob diese erst 1995 eingefügte Definition Wirkung auf einen Sachverhalt von 1994 haben kann. Die Frage muss jedoch aus nachstehenden Gründen nicht abschliessend beantwortet werden.

4. Im vorliegenden Fall hat der Steuerpflichtige sein Guthaben aus der Säule 3a bezogen und vorerst zur Amortisierung seines privaten Hypothekardarlehens auf der von ihm selbst genutzten Liegenschaft benutzt. Kurze Zeit später hat er jedoch die Hypothek wieder erhöht und damit eine Lebensversicherung mit Einmalprämie finanziert. Formellrechtlich betrachtet hat der Steuerpflichtige zwar (kurzfristig) die Vorsorgegelder zur Amortisation der Hypothek benutzt. Wirtschaftlich betrachtet jedoch hat er die Vorsorge 3. Säule in eine Lebensversicherung umgewandelt. Die Frage, ob dieses Vorgehen mit den einschlägigen Bestimmungen namentlich des BVG und der Ausführungsverordnung WEFV vereinbar ist, kann aus den nachstehenden Gründen offengelassen werden.

Weder aus dem Wortlaut der zitierten Bundesgesetze noch aus demjenigen der §§ 30 und 47 StG lässt sich entnehmen, dass die privilegierte Besteuerung davon abhängig ist, ob die Auszahlung von Vorsorgegelder rechtmässig erfolgt bzw. ob die Gelder dem gesetzlichen Zweck entsprechend verwendet werden.

Mit der gesonderten Besteuerung wird verhindert, dass diese Einkünfte durch das übrige Einkommen auf eine höhere Progressionsstufe erhoben werden. Mit Blick auf die Ausrichtung des Tarifs auf jahresperiodisch zufliessende Einkünfte ist eine solche getrennte Besteuerung von Einkommensbestandteilen immer dann sinnvoll und sachgerecht, wenn es sich dabei um aperiodische Einkünfte handelt, die betragsmässig ein ausserordentliches Ausmass aufweisen (Zweifel/Athanas, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Band I/1, N.38 zu Art. 11 StHG). Diese Sonderbehandlung von Kapitalleistungen aus Vorsorgeeinrichtungen ist deshalb gerechtfertigt, weil diese Gelder in der Regel über Jahre hinweg angehäuft worden sind. Der Versicherte konnte dabei jeweils einen Steuerabzug von seinem Einkommen für die BVG-Beiträge machen, die ihn ohne diesen Abzugwenn überhaupt - nur unbedeutend in die Steuerprogression gebracht hätten. Gleichermassen wäre die Besteuerung der später fällig werdenden Rentenzahlungen entsprechend der Höhe der jährlichen Rente massvoll gewesen. Die Bestimmungen nach Art. 11 Abs. 3 StHG, Art. 38 DBG und §§ 30 und 47 StGB stellen somit auch sicher, dass bei einer Kapitalleistung aus Vorsorge grundsätzlich keine höhere Besteuerung stattfindet, als wenn die Rentenbeiträge nicht einbezahlt worden wären als wenn die Renten später ausbezahlt werden.

Damit steht aber auch fest, dass die Höhe der Besteuerung nichts mit der Rechtmässigkeit der Kapitalleistung zutun hat. Die Besteuerung dient nicht der Absicherung der Rechtmässigkeit der Auszahlung deren Verwendung. Es ist auch nicht an den Steuerbehörden, diese Rechtmässigkeit vorfrageweise zu prüfen. Diese Pflicht obliegt der Vorsorgeeinrichtung. Allenfalls müssen sich auch die Strafverfolgungsbehörden damit befassen (vgl. Art. 76 BVG). Im übrigen wäre es für die Steuerbehörde mitunter eine aufwändige und schwierige Aufgabe, die Rechtmässigkeit von Freizügigkeitsleistungen zu überprüfen. So könnte man sich fragen, wie lange ein Versicherter die Hypothek nicht wieder erhöhen darf, um sich nicht dem Vorwurf der Zweckenfremdung von Vorsorgegeldern auszusetzen. Und wie würde die Sache beurteilt, wenn der Versicherte vorgängig die Hypothek aufstockt, um sie dann mit Vorsorgegeldern wieder zu amortisieren Für die Steuerbehörden geht es nur darum festzustellen, dass eine Kapitalleistung aus Vorsorge vorliegt. Der anderslautende § 7 Abs. 2 der Steuerverordnung Nr. 12 betr. Berufliche Vorsorge entspricht nicht dem Sinn der Regelungen im BVG, DBG und StG und ist deshalb mit dem übergeordneten Recht nicht vereinbar.

Aus diesen Gründen erweisen sich Rekurs und Beschwerde als begründet. Der Vorbezug von Geldern der 3. Säule zur Wohneigentumsförderung ist grundsätzlich gesondert mit einer Jahressteuer zu besteuern.

Steuergericht, Urteil vom 15. November 1999



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