Zusammenfassung des Urteils Nr. 62/2004/13: Obergericht
Das Gerichtsurteil behandelt einen Fall von häuslicher Gewalt, bei dem der Beschuldigte seine Partnerin angegriffen hat. Er wurde schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, wovon 18 Tage durch Untersuchungshaft erstanden sind. Zudem muss er eine Geldstrafe von CHF 1'000.- bezahlen und wird für 5 Jahre des Landes verwiesen. Die Gerichtskosten werden dem Beschuldigten auferlegt. Der Anwalt des Beschuldigten wird mit CHF 15'806.65 entschädigt. Die Privatklägerin wird auf den Zivilweg verwiesen.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 62/2004/13 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 18.03.2005 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 47 VAG; § 1 VGD. Zuständigkeit des Obergerichts als kantonales Versicherungsgericht bei Streitigkeiten aus der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung |
Schlagwörter : | Kranken; Krankenversicherung; Zusatzversicherung; Versicherungsgericht; Obergericht; Streitigkeiten; Zusatzversicherungen; Kanton; Zuständigkeit; Unfall; Zusammenhang; Kantons; Krankenpflege; Klage; Solothurn; Recht; Bundesgesetz; Verfahren; Sozialversicherung; Taggeld; Obergerichts; Krankheit; Erwerbsausfall; Dekrets; Unfallversicherung; Bundesgesetzes; Entscheid; Krankentaggeldversicherung; ätzlich |
Rechtsnorm: | Art. 1a KVG ; |
Referenz BGE: | 125 III 461; |
Kommentar: | - |
Veröffentlichung im Amtsbericht.
Das Obergericht ist als kantonales Versicherungsgericht zuständig zur Beurteilung von Streitigkeiten aus privatrechtlichen Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung i.S.v. Art. 47 Abs. 2 VAG.
Unter diesen Begriff fallen privatrechtliche vertragliche Versicherungsansprüche, die wegen Krankheit, Mutterschaft subsidiär wegen Unfall bestehen und mit der Krankenpflege, den Krankenpflegekosten mit dem Erwerbsausfall, mithin mit der sozialen Krankenversicherung in einem inneren Zusammenhang stehen.
Eine Versicherungsgesellschaft erhob beim Obergericht als Versicherungsgericht Rückforderungsklage gegen einen Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit ausbezahlten Leistungen der KollektivTaggeldversicherung. Der Beklagte beantragte, auf die Klage mangels Zuständigkeit nicht einzutreten. Das Obergericht stellte daraufhin seine Zuständigkeit in einem Zwischenbeschluss fest.
Aus den Erwägungen:
1.a) Umstritten ist ..., ob das Obergericht überhaupt zur Behandlung der vorliegenden Klage zuständig sei. Die Klägerin, welche dies bejaht, stützt sich auf § 1 des Dekrets über das Versicherungsgericht in der Krankenund Unfallversicherung vom 29. Januar 1968 (VGD, SHR 173.520), wonach das Obergericht als kantonales Versicherungsgericht auch zur Entscheidung von Streitigkeiten aus der Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung im Sinne von Art. 47 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978 (VAG, SR 961.01) zuständig ist. Der Beklagte hält dem entgegen, die Klägerin stütze ihre Forderung auf eine mit ihm abgeschlossene Kollektivtaggeldversicherung nach dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 (VVG, SR 221.229.1). Daher könne Art. 47 Abs. 2 VAG (einfaches und rasches Verfahren für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen
Krankenversicherung) nicht zur Anwendung gelangen. Vielmehr gelte Art. 47 Abs. 1 VAG, wonach privatrechtliche Streitigkeiten zwischen Versicherungseinrichtungen und den Versicherten der Richter entscheide. In der Duplikschrift verweist der Beklagte überdies auf einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Solothurn, welches aufgrund einer ähnlichen Vorschrift wie § 1 VGD die Zuständigkeit der Zivilgerichte für entsprechende Streitigkeiten bejaht habe. Es gehe um einen Rechtsstreit aus einer auf privatrechtlicher Basis gemäss VVG abgeschlossenen freiwilligen Krankentaggeldversicherung und nicht um eine zusätzliche freiwillige Krankentaggeldversicherung zur sozialen Krankenversicherung nach Art. 67 ff. des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG, SR 832.10) um eine kombinierte Versicherungspolice. Es gebe keinen Grund, die Schaffhauser Regelung extensiver auszulegen als diejenige des Kantons Solothurn, zumal das Versicherungsgerichtsdekret demnächst ohnehin im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG, SR 830.1) revidiert werden müsse.
Wie der Beklagte in der Duplikschrift nunmehr selber anerkennt, ist es grundsätzlich durchaus zulässig, dass der kantonale Gesetzgeber Streitigkeiten über eine Krankentaggeldversicherung nach VVG dem kantonalen Sozialversicherungsgericht zur Entscheidung zuweist, zumal es sich auch bei dieser Instanz um ein unabhängiges Gericht i.S.v. Art. 47 Abs. 1 VAG handelt (vgl. dazu BGE 125 III 461 ff. und BGE Nr. 5C.193/2003 vom 28. Oktober 2003, wo das Bundesgericht auf eine Berufung gegen das erwähnte Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn nicht eingetreten ist, da sich die sachliche Zuständigkeit nach kantonalem Recht beurteilt). Auszulegen ist somit § 1 VGD. Im Unterschied zur angeführten Regelung des Kantons Solothurn (§ 1 der Verordnung über das Verfahren vor dem Versicherungsgericht und über die Organisation und das Verfahren des Schiedsgerichts in der Krankenund Unfallversicherung vom 22. September 1987; Solothurner Gesetzessammlung [BGS] Nr. 125.922) verweist § 1 VGD in Klammer ausdrücklich auf Art. 47 Abs. 2 VAG, wo für die dem VVG unterliegenden Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung ein einfaches, rasches und (gemäss Abs. 3) grundsätzlich kostenloses Verfahren angeordnet wird. Bereits hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber offensichtlich auch die dem VVG unterliegenden Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung erfassen wollte. Dies wird denn auch in der Literatur empfohlen, um eine Gabelung des Rechtswegs und widersprüchliche Urteile im Zusammenhang mit demselben Versicherungsfall zu vermeiden (vgl. dazu Alfred Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 136 bei Fn. 337, und Arnold Marti, Zusammenlegung von privatrechtlichem und öf-
fentlichrechtlichem Rechtsschutz bei Verwaltungsjustizbehörden und Spezialgerichten, ZBl 2000, S. 169 ff., S. 175 f.).
Eine Bestätigung dieser gesetzgeberischen Absicht findet sich in den Materialien. In der Vorlage des Regierungsrats zur Revision des Versicherungsgerichtsdekrets vom 26. März 1996 (Amtsdruckschrift 4267) wird nämlich ausdrücklich festgehalten, da auch die dem Privatversicherungsrecht unterstehenden Zusatzversicherungen zur Krankenversicherung erfasst werden sollen, sei im Titel des Dekrets auf die Einschränkung auf die soziale Krankenund Unfallversicherung zu verzichten. Und zur heute geltenden Fassung von § 1 VGD wird ausgeführt, eine einheitliche Bezeichnung des Rechtsmittels sei nicht möglich, da im Bereich der Sozialversicherung aufgrund des Bundesrechts die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen stehe, während es sich im Bereich der Zusatzversicherungen zur Krankenversicherung um zivilrechtliche Klageverfahren handle (Vorlage, S. 22; vgl. auch Votum von Kommissionspräsident Bruno Loher, Grossratsprotokoll 1996, S. 475).
Damit steht fest, dass das Obergericht als kantonales Versicherungsgericht aufgrund der Dekretsrevision vom 10. Juni 1996, welche auf den 1. Januar 1996 in Kraft getreten ist (Amtsblatt für den Kanton Schaffhausen 1996, S. 795), auch für die Beurteilung von Streitigkeiten aus privatrechtlichen Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung zuständig ist.
Es stellt sich somit die Frage, ob die dem vorliegenden Klageverfahren zugrundeliegende Kollektivtaggeldversicherung als eine solche privatrechtliche Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung i.S.v. Art. 47 Abs. 2 VAG zu qualifizieren ist. Dieser Begriff ist auslegungsbedürftig und wird nicht einheitlich verwendet. Auszugehen ist davon, dass solche Zusatzversicherungen bezwecken, die soziale Krankenversicherung (obligatorische Krankenpflegeversicherung und freiwillige Taggeldversicherung gemäss Art. 67 ff. KVG; vgl. Art. 1a Abs. 1 KVG) nach den Wünschen der Versicherten zu ergänzen. Ob eine solche Zusatzversicherung vorliegt nicht, muss daher davon abhängen, ob zumindest ein gewisser Zusammenhang mit der sozialen Krankenversicherung besteht. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um privatrechtliche vertragliche Versicherungsansprüche handelt, die wegen Krankheit, Mutterschaft subsidiär wegen Unfall bestehen und mit der Krankenpflege, den Krankenpflegekosten mit dem Erwerbsausfall, mithin mit der sozialen Krankenversicherung in einem inneren Zusammenhang stehen (vgl. dazu und zur Abgrenzung gegenüber anderen Versicherungsarten Maurer, S. 131 ff., und neuerdings Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. November 2004 [KK.2002.00016]).
Im vorliegenden Fall liegt eine solche Zusatzversicherung vor, handelt es sich doch um eine Kollektiv-Taggeldversicherung, die vom Beklagten ge-
stützt auf das VVG mit der Klägerin abgeschlossen wurde und für den Fall der Krankheit des Unfalls ein Taggeld als Erwerbsausfallentschädigung vorsieht. Somit sind aufgrund von § 1 VGD das Obergericht als kantonales Versicherungsgericht und nicht die Zivilgerichte des Kantons Schaffhausen zur Behandlung der vorliegenden Klage zuständig (...). Nicht erforderlich ist, dass zwischen den Parteien auch eine soziale Krankenversicherung abgeschlossen worden ist gar Ansprüche aus beiden Arten von Versicherungen gleichzeitig streitig sind, da die Zuständigkeitskonzentration beim Obergericht als kantonalem Versicherungsgericht generell, d.h. unabhängig von der Konstellation des konkreten Einzelfalls, angeordnet worden ist.
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