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Urteil Obergericht (SH)

Zusammenfassung des Urteils Nr. 60/2018/31: Obergericht

In dem Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. Juli 2019 ging es um eine Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich bezüglich eines Vorfalls, bei dem Schüsse abgegeben wurden und eine Person verletzt wurde. Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, dass die Schüsse von einer Person abgegeben wurden, die später Selbstmord begangen hat, und keine weiteren strafrechtlich relevanten Hinweise vorlagen. Die Beschwerdeführerin forderte eine erneute Untersuchung und kritisierte, dass ihre Rechte nicht gewahrt wurden. Das Obergericht wies die Beschwerde ab und legte die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin auf.

Urteilsdetails des Kantongerichts Nr. 60/2018/31

Kanton:SH
Fallnummer:Nr. 60/2018/31
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid Nr. 60/2018/31 vom 15.10.2019 (SH)
Datum:15.10.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort: Aufenthaltsbewilligung; Verhältnismässigkeit; Prüfung von Vollzugshindernissen im ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren - Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 33 Abs. 3, Art. 62 Abs. 1 lit. e, Art. 83 Abs. 4 und 6 sowie Art. 96 AIG. Wird die ausländerrechtliche Bewilligung verweigert, prüft die zuständige Behörde zugleich auch die Wegweisung umfassend und hat bei ihrem Entscheid allfälligen Vollzugshindernissen nachzugehen (E. 2). Erforderlich ist eine konkrete Einzelfallprüfung, welche sowohl die Interessenabwägung im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung beschlägt, wie auch im Zuge der Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse zu berücksichtigen ist. Wenn Wegweisungsvollzugshindernisse nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden können, hat die kantonale Behörde beim Staatssekretariat für Migration (SEM) ein Gesuch auf Anordnung der vorläufigen Aufnahme zu stellen (E. 4.5.3).
Schlagwörter : Sozialhilfe; Beschwerdeführers; Interesse; Aufenthalts; Vollzugs; Sozialhilfeabhängigkeit; Vollzugshindernisse; Diabetes; Prüfung; Migration; Interessen; Wegweisung; Aufenthaltsbewilligung; Integration; Widerruf; Behörde; Schweiz; Person; Beeinträchtigung; Vorinstanz; Insulin; Bewilligung
Rechtsnorm:Art. 5 BV ;Art. 8 EMRK ;Art. 83 AIG ;Art. 90 AIG ;Art. 96 AIG ;
Referenz BGE:137 II 305;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts Nr. 60/2018/31

Aufenthaltsbewilligung; Verhältnismässigkeit; Prüfung von Vollzugshindernissen im ausländerrechtlichen Bewilligungsverfahren - Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 33 Abs. 3, Art. 62 Abs. 1 lit. e, Art. 83 Abs. 4 und 6 sowie Art. 96 AIG.

Wird die ausländerrechtliche Bewilligung verweigert, prüft die zuständige Behörde zugleich auch die Wegweisung umfassend und hat bei ihrem Entscheid allfälligen Vollzugshindernissen nachzugehen (E. 2).

Erforderlich ist eine konkrete Einzelfallprüfung, welche sowohl die Interessenabwägung im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung beschlägt, wie auch im Zuge der Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse zu berücksichtigen ist. Wenn Wegweisungsvollzugshindernisse nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden können, hat die kantonale Behörde beim Staatssekretariat für Migration (SEM) ein Gesuch auf Anordnung der vorläufigen Aufnahme zu stellen (E. 4.5.3).

OGE 60/2018/31 vom 15. Oktober 2019 Keine Veröffentlichung im Amtsbericht

Sachverhalt

X. verfehlte die Zielvereinbarungen der abgeschlossenen Integrationsvereinbarung. Hierauf verlängerte das kantonale Migrationsamt zwar seine Aufenthaltsbewilligung, verwarnte ihn aber zugleich wegen weiterhin bestehenden Sozialhilfebezugs. Ein nächstes Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung wies das Migrationsamt ab und verfügte die Wegweisung von X. aus der Schweiz. Nachdem der Regierungsrat den hiergegen erhobenen Rekurs abgewiesen hatte, erhob X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht. Dieses hiess die Beschwerde teilweise gut und wies die Sache im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurück.

Aus den Erwägungen
  1. Nach Art. 33 Abs. 3 i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration vom 16. Dezember 2005 (Ausländerund Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20; gleichlautend: Art. 33 Abs. 3

    i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. e des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2015 [Ausländergesetz, AuG, SR 142.20] in der zeitlich anwendbaren Fassung vom 1. Januar 2018) kann die zuständige Behörde von der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung absehen, wenn eine ausländische Person auf Sozialhilfe angewiesen ist. Der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung muss zudem verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV; Art. 96 AIG). Wird die ausländerrechtliche Bewilligung verweigert, prüft die zuständige Behörde zugleich auch die

    Wegweisung umfassend und hat bei ihrem Entscheid allfälligen Vollzugshindernissen zwingend nachzugehen (Caroni et al., Migrationsrecht, 4. A., Bern 2018,

    S. 306 f.; Peter Bolzli, in: Spescha et al. [Hrsg.], OF-Kommentar, Migrationsrecht, 5. A., Zürich 2019, Art. 83 N. 17, S. 434; OGE 60/2009/21 vom 8. Januar 2010

    E. 6; BVGer E-5989/2018 vom 5. November 2018 E. 5.4).

  2. Beim Widerruf bzw. der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung einer ausländischen Person wegen ihrer Sozialhilfeabhängigkeit (Art. 62 Abs. 1 lit. e AIG) geht es in erster Linie darum, eine zusätzliche künftige Belastung der öffentlichen Wohlfahrt zu vermeiden. Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Der Widerruf bzw. die Nichtverlängerung der Bewilligung fällt in Betracht, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft für ihren Lebensunterhalt bzw. jenen ihrer Familie wird aufkommen können. Die Frage nach persönlich vorwerfbarem Verhalten bzw. dem Verschulden am Sozialhilfebezug ist hingegen erst im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung aufzugreifen (BGer 2C_730/2018 vom 20. März 2019 E. 4.1 f. mit Hinweisen; BGer 2C_870/2018 vom 13. Mai 2019 E. 5.1 f. mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer bezieht seit dem 1. Januar 2012 Leistungen der Sozialhilfe und wurde bis am 30. September 2018 mit Fr. 180'258.80 unterstützt. Nach wie vor verfügt er über keine Arbeitsstelle und begründet dies sowie die ihm unmögliche Stellensuche mit der Beeinträchtigung durch seine gesundheitlichen Probleme (vgl. hinten, E. 4.3 f.). Entsprechend fehlen derzeit Anzeichen, dass sich an der Sozialhilfeabhängigkeit des Beschwerdeführers in Zukunft etwas ändern wird. Er hat damit einen Widerrufsgrund im Sinne der genannten Bestimmung gesetzt. Dies bestreitet er denn auch nicht.

    1. Liegt der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit vor, ist zu prüfen, ob die damit verbundene aufenthaltsbeendende Massnahme verhältnismässig erscheint (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV sowie Art. 96 AIG). Zu berücksichtigen sind dabei unter anderem die Schwere des Verschuldens an der Sozialhilfeabhängigkeit, der Grad der Integration, die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die der betroffenen Person und ihrer Familie drohenden Nachteile; zu beachten ist daneben auch die Qualität der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen sowohl im Gastwie im Heimatland (BGer 2C_1040/2017 vom 21. Dezember 2018 E. 4.2).

    2. Zum öffentlichen Interesse an der Wegweisung führte der Regierungsrat aus, der Beschwerdeführer sei bereits seit dem 1. Januar 2012 von öffentlicher Sozialhilfe abhängig. Zuvor sei er von einer Familie privat unterstützt worden und habe kostenlos bei dieser wohnen können, sei aber ebenfalls keiner Arbeitstätig-

      keit nachgegangen. Die Sozialhilfeabhängigkeit des Beschwerdeführers sei selbstverschuldet und nicht auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen. Er sei nie ernsthaft gewillt gewesen, eine Arbeitsstelle zu finden und habe dazu verpflichtet werden müssen, sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) anzumelden und monatlich zehn Stellenbewerbungen vorzulegen, wobei er die Termine beim RAV nicht zuverlässig wahrgenommen und hauptsächlich lediglich mündliche Spontanbewerbungen getätigt habe. Die Teilnahme an einer Arbeitsmassnahme der Stiftung Impuls habe aufgrund schwankender Teilnahme am Programm bzw. teilweise unentschuldigter Fehltage im März 2016 gänzlich eingestellt werden müssen. Trotz seines Gesundheitszustandes wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, sich ernsthaft um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Das öffentliche Interesse an einem Widerruf der Aufenthaltsbewilligung sei umso gewichtiger, als der Beschwerdeführer sich trotz Verwarnung und unter Verletzung der Integrationsvereinbarung nicht wirklich darum bemüht habe, eine Arbeitsstelle zu finden.

    3. Der Beschwerdeführer bestreitet, die Sozialhilfeabhängigkeit selbst verschuldet zu haben und nie ernsthaft gewillt gewesen zu sein, eine Arbeitsstelle zu finden. Vielmehr sei er bis zum Beginn des Sozialhilfebezuges im Jahr 2012 wirtschaftlich unabhängig gewesen und habe sein Leben zu finanzieren vermocht. Es seien deshalb nachweislich erst die gesundheitlichen Probleme gewesen, die zu einer wirtschaftlichen Notlage geführt hätten. So sei die immer wieder durchbrochene Konstanz in seiner Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsprogramms der Stiftung Impuls seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung zuzuschreiben gewesen. Es sei eine notorische Tatsache, dass gesundheitliche Probleme eben gerade das Merkmal hätten, kaum einer willentlichen Steuerung zugänglich zu sein; sein Scheitern auf dem Arbeitsmarkt habe Gründe, für die er nicht verantwortlich gemacht werden könne.

    4. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers ergibt sich zunächst aus dem Vorliegen eines Widerrufsgrundes (vgl. vorne, E. 3). Zusätzlich ist nachstehend zu prüfen, ob die Sozialhilfeabhängigkeit dem Beschwerdeführer persönlich vorwerfbar ist.

      1. Nachdem sich der Beschwerdeführer im Rahmen der Integrationsvereinbarung vom 5. September 2013 verpflichtet hatte, in Zukunft keine Sozialhilfeleistungen mehr zu beziehen, wurde er - nachdem er diese Zielvereinbarung verfehlt hatte am 13. Januar 2016 vom Migrationsamt verwarnt, was weiterhin keine Wirkung zeitigte. Seit seinem Austritt aus dem Durchgangszentrum Friedeck am

        29. Februar 2008 ist weder eine Arbeitstätigkeit noch sind eigeninitiative Stellenbemühungen aktenkundig. Vielmehr wollte sich der Beschwerdeführer ausschliesslich seinem Filmprojekt widmen, bis ihn der Gemeinderat Y. am 11 Februar

        2014 verpflichtete, sich beim RAV anzumelden und monatlich zehn Stellenbewerbungen nachzuweisen. Die aktenkundigen Arbeitsbemühungen des Beschwerdeführers sind in qualitativer Hinsicht ungenügend, zumal er sich grossmehrheitlich mündlich und spontan bewarb, anstatt in Form von ordentlichen Bewerbungen (vgl. Art. 26 Abs. 1 der Verordnung über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 31. August 1983 [Arbeitslosenversicherungsverordnung, AVIV, SR 837.02]). Damit ist er seiner Schadenminderungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Dass seine Bewerbungen erfolglos blieben, dürfte darüber hinaus auch seinen mangelnden Deutschkenntnissen zuzuschreiben sein. Diese zu verbessern wurde der Beschwerdeführer im Rahmen der Integrationsvereinbarung ebenfalls aufgefordert. Bis heute vermochte er allerdings den Nachweis des vereinbarten und erforderlichen Sprachniveaus A2 nicht beizubringen. Nach einer anderthalbjährigen Teilnahme am Arbeitsintegrationsprogramm der Stiftung Impuls erfolgte am 15. September 2015 keine neuerliche Kostengutsprache aufgrund schwankender und teilweise unentschuldigter Teilnahme sowie der Tatsache, dass die Teilnahme am Programm die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht habe erhöhen können und der Beschwerdeführer auch das Ziel verfehlt habe, sich möglichst schnell nach einem lukrativeren Job umzusehen. Stattdessen erfolgte eine Umwandlung in ein Taglohnprogramm, im Rahmen dessen sich der Beschwerdeführer seinen Grundbedarf selbst zu erarbeiten hatte. Allerdings musste auch dieses Programm mit Beschluss vom 16. März 2016 als gescheitert erachtet und eingestellt werden. Mit Verfügung vom 18. Juni 2016 kürzte der Gemeinderat Y. schliesslich die Unterstützungsleistungen aufgrund fehlender Mitwirkung.

      2. Zwar ist dem Beschwerdeführer zugutezuhalten, dass er insbesondere durch seine Diabeteserkrankung gesundheitlich beeinträchtigt ist. Dass diese Erkrankung jedoch zur Sozialhilfeabhängigkeit geführt haben soll (vgl. BGer 2C_13/2018 vom 16. November 2018 E. 3.5.1 ff.), findet keine Grundlage in den Akten: Einerseits steht fest, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2004 unter Diabetes mellitus Typ II litt. Danach belegen Arztzeugnisse erstmals Ende Februar 2015 unregelmässig auftretende Perioden krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Die fast vollständige Erblindung des rechten Auges schliesslich ist erst seit Juni 2017 dokumentiert. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen werden erst in einem summarischen Arztbericht der behandelnden Ärztin Dr. med. W., Fachärztin für Innere Medizin, vom 13. November 2018 geltend gemacht und bleiben insbesondere ohne Erläuterungen, inwiefern sie zumindest ab dem Zeitpunkt ihres Auftretens zur Sozialhilfeabhängigkeit des Beschwerdeführers geführt haben sollen. Dass die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers seine Sozialhilfeabhängigkeit verursacht haben sollen, ist damit aufgrund der Akten nicht erstellt. Vielmehr lassen sich den Vorakten zahlreiche Sachverhaltselemente entnehmen, die

        auf eine uneinsichtige Grundhaltung und eine schlechte Compliance bezüglich des Diabetes mellitus des Beschwerdeführers hindeuten, welche einem auf Dauer ausgerichteten Arbeitserwerb und einer Ablösung von der Sozialhilfe entgegenstehen (vgl. auch BGer 2C_23/2018 vom 11. März 2019 E. 4.2.2). So berichtete beispielsweise der Regionale Sozialdienst Z. bereits am 15. Juli 2015, dass der Beschwerdeführer über seine Beschäftigung nicht erfreut sei, sich viel lieber seinem Filmprojekt widmen würde, nicht verstehe, weshalb dieses nicht als Berufstätigkeit anerkannt werde und daher meist auch die Anforderungen des Sozialamtes nicht nachvollziehen könne. Berichtet wurde überdies von unbeherrschtem Verhalten des Beschwerdeführers, weshalb er auch schon des Gesprächs habe verwiesen werden müssen. Er betrachte die Sozialhilfe als Lohn, bezeichne diese auch so und beschwere sich durchgehend, dass sein Lohn zu niedrig sei. Bei dieser Ausgangslage ist dem Beschwerdeführer die Sozialhilfeabhängigkeit persönlich vorwerfbar bzw. selbstverschuldet.

      3. Zusammenfassend erweist sich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers damit als erheblich.

      1. Bei den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz berücksichtigte der Regierungsrat die langjährige Aufenthaltsdauer von (damals) 17 Jahren, die er allerdings durch die fehlende wirtschaftliche Integration und die mangelhaften Deutschkenntnisse relativierte und anführte, der Beschwerdeführer habe die prägende Kindheit und Adoleszenz in Nigeria verbracht, sei mit der dortigen Sprache und Kultur vertraut und habe nach eigenen Angaben keine Familienangehörigen in der Schweiz, jedoch lebten vier seiner Geschwister in Lagos. Zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers führte der Regierungsrat aus, dass die Insulinkosten in Nigeria in der Regel von den Patienten selbst zu bezahlen seien, weshalb die Frage nach dem tatsächlichen Zugang des Beschwerdeführers zu einer Diabetesbehandlung von der Höhe seines (voraussichtlichen) Lohnes sowie der Häufigkeit der erforderlichen Insulininjektionen abhänge. Diese Fragen könnten jedoch offenbleiben, da der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers die Interessenabwägung nur beschränkt zu beeinflussen vermöge und für sich allein kein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht in der Schweiz begründe. Da die Frage unklar sei, ob eine medizinische Notlage i.S.v. Art. 83 Abs. 4 AIG vorliege, habe das Migrationsamt die Frage der vorläufigen Aufnahme im Rahmen des Vollzugs zu prüfen.

      2. Das ausländerrechtliche Bewilligungsverfahren untersteht dem Untersuchungsgrundsatz, welcher durch die spezialgesetzlich verankerten Mitwirkungspflichten (Art. 90 AIG) und im Rechtsmittelverfahren durch Rügeund Substantiierungspflichten relativiert wird (BGer 2C_1047/2013 vom 24. Juni 2014 E. 4.1 mit Hinweisen; vgl. auch Art. 5 und 44 VRG). Vor einer Nichtverlängerung dem

        Widerruf der Aufenthaltsbewilligung müssen die zuständigen Behörden im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes die verschiedenen Umstände umfassend und fair prüfen und im Zweifelsfall zusätzliche Abklärungen vornehmen (BGer 2C_50/2010 vom 17. Juni 2010 E. 2.2). Bestehen aufgrund einer medizinischen Notlage im Heimatstaat Anzeichen für eine konkrete Gefährdung der betroffenen ausländischen Person im Fall einer Rückreise, so enthalten die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien Elemente, welche auch bei der Prüfung der Unzumutbarkeit eines Vollzugs einer Wegweisung i.S.v. Art. 83 Abs. 4 AIG zur Anwendung gelangen können. Die Formulierung des Gesetzestexts macht deutlich, dass nur gravierende medizinische Fälle unter die Bestimmung zu subsumieren sind. Es geht dabei um lebensnotwendige medizinische Hilfe, ohne die eine erhebliche Verschlechterung der Gesundheitslage eintreten würde. Die Behandlung muss zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz dringend geboten sein. Es kommt dabei nicht nur auf die objektive Verfügbarkeit der notwendigen Behandlung und Medikamente an. Es ist vielmehr aufgrund des konkreten Einzelfalls zu prüfen, ob diese für die betroffene Person auch effektiv erhältlich sind. Die zuständige Migrationsbehörde hat die entsprechenden Abklärungen vorzunehmen vornehmen zu lassen; sie kann die Problematik nicht in das Vollzugsverfahren der Wegweisung verschieben (VGer ZH VB.2018.00327 vom 24. Oktober 2018

        E. 5.3.1.1 mit Hinweisen insbesondere auf BGE 137 II 305 E. 3.2 S. 309 sowie

        BGer 2C_396/2017 vom 8. Januar 2018 E. 7.6).

      3. Erforderlich ist damit eine konkrete Einzelfallprüfung, welche sowohl die Interessenabwägung im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung beschlägt (vgl. zu den Anforderungen mit Bezug auf Art. 8 EMRK jüngst das Urteil des EGMR I.M. vs. Schweiz 23887/16 vom 9. April 2019), wie auch im Zuge der Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse zu berücksichtigen ist. Erachten die kantonalen Behörden nach erfolgter Einzelfallprüfung die Verweigerung der ausländerrechtliche Bewilligung als verhältnismässig, haben sie im selbigen Entscheid zugleich auch allfälligen Vollzugshindernissen nachzugehen (vgl. vorne, E. 2). Wenn das Vorliegen von Wegweisungsvollzugshindernissen (nicht nur die Unmöglichkeit betreffend) nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, hat die kantonale Behörde beim Staatssekretariat für Migration (SEM) ein Gesuch auf Anordnung der vorläufigen Aufnahme nach Art. 83 Abs. 6 AIG zu stellen (vgl. BVGer E-5989/2018 vom 5. November 2018 E. 5.4).

      4. Die aus seiner Diabeteserkrankung herrührenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz zu Recht sowohl im Rahmen der privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz wie auch im Rahmen der Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse aufgegriffen. Auch hat sie korrekt dargelegt,

        dass im Zuge der Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse zu prüfen sei, ob die betroffene Person aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Behandlung das Medikament effektiv erhalten könne. Indessen hat sie diese Frage in der Folge offengelassen mit Verweis auf die Verhältnismässigkeitsprüfung bzw. die (dort ebenfalls ausdrücklich offengelassene) Frage der Verfügbarkeit medizinischer Versorgung in Nigeria (vgl. vorne, E. 4.5.1).

        Die Vorinstanz hat ihre Ausführungen und Abklärungen auf die aus der Diabeteserkrankung herrührenden, gesundheitlichen Beeinträchtigungen beschränkt. Sie hat festgehalten, dass der Beschwerdeführer auf Insulin angewiesen sei, und hat sodann gestützt auf eine country of origin information des Innenministeriums des Vereinigten Königreichs festgestellt, dass Diabetes in den grossen Städten Nigerias behandelt werden könne. Da die vier Geschwister des Beschwerdeführers in Lagos wohnten, sei es naheliegend, dass er sich ebenfalls dort niederlassen würde und damit, zumindest theoretisch, Zugang zu einer Diabetesbehandlung hätte. Mit Verweis auf einen 2012 in der Zeitschrift Diabetology & Metabolic Syndrome erschienenen Artikel zu Kosten und Verfügbarkeit von Insulin in Nigeria hielt die Vorinstanz fest, dass die Kosten für Insulin von den Patienten in der Regel selbst bezahlt werden müssten und für Nigerianer tatsächlich oft fast unerschwinglich seien. Dabei räumte sie ein, dass der Zugang zu einer adäquaten Diabetesbehandlung von der Höhe des (voraussichtlichen) Lohnes und auch davon abhänge, wie oft Insulin injiziert werden müsse. Jedoch liess sie diese sowohl für die Verhältnismässigkeitsprüfung wie auch für die Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse bedeutsamen - Fragen dann ausdrücklich offen.

        Zwar sind es nur drei Arztberichte, welche die gesundheitliche Verfassung des Beschwerdeführers dokumentieren, jedoch lassen sich diesen Hinweise auf weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers entnehmen: Im Arztbericht von Dr. med. U., Facharzt für Ophthalmologie, und med. pract. V. vom

        2. Juni 2017 wird festgestellt, dass es infolge der Diabeteserkrankung zu einer Erkrankung der Netzhaut gekommen sei, der Beschwerdeführer gemäss Auskunft der behandelnden Ärztin allerdings eine schlechte Compliance aufweise. Dem überwiegend stichwortartig gehaltenen Bericht der behandelnden Ärztin, Dr. med. W., vom 26. Juli 2017 lässt sich sodann zusätzlich entnehmen, dass der Beschwerdeführer insulinpflichtig und ungenügend behandelt sei, ein infolge der Diabeteserkrankung fast vollständiger Visusverlust eingetreten sei, und er zusätzlich unter Bluthochdruck, einer Depression sowie einer Schilddrüsenüberfunktion leide. In einem nächsten Bericht der behandelnden Ärztin vom 13. November 2018 wird zusätzlich von einer Niereninsuffizienz, Kataraktoperationen, einer Schilddrüsen- unterfunktion sowie epileptischen Anfällen aus dem Schlaf heraus berichtet. Nicht

        hervor geht aus diesen Berichten, in welcher Regelmässigkeit der Beschwerdeführer Behandlungen benötigt, wie diese Behandlungen ausgestaltet sind und ob sie sich in Insulininjektionen erschöpfen.

      5. Damit kann aufgrund der Aktenlage weder beurteilt werden, inwiefern die gesundheitlichen Probleme die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz zu beeinflussen vermögen, noch lässt sich feststellen, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers derart gravierend sind, dass ihm im Fall einer Rückkehr eine erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes drohen würde, weil der Zugang zu lebensnotwendiger medizinischer Hilfe nicht gewährleistet ist (vgl. vorne, E. 4.5.2, sowie Illes, Art. 83

N. 34, S. 799), wobei es (auch unter EMRK-Gesichtspunkten) genügt, dass im Heimatland die lebensnotwendige Grundversorgung allenfalls auf einem tieferen, aber nicht lebensgefährdenden Niveau sichergestellt bleibt (BGer 2D_14/2018 vom 13. August 2018 E. 5.2.2).

5. Zusammenfassend ist festzustellen, dass aufgrund der selbstverschuldeten Sozialhilfeabhängigkeit ein erhebliches öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers besteht (vgl. vorne, E. 3 sowie

E. 4.4). Die diesem Interesse entgegenstehenden privaten Interessen des Beschwerdeführers sowie damit verbunden die Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid allerdings nicht hinreichend abgeklärt. Bei dieser Sachund Rechtslage, und auch zur Wahrung des Instanzenzugs, enthält sich das Obergericht einer selbständigen Prüfung, weshalb die Beschwerde teilweise gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur weiteren Untersuchung und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.

Die Vorinstanz hat eine konkrete Einzelfallprüfung vorzunehmen, deren Ergebnis sowohl die Interessenabwägung im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung beschlägt, als auch im Zuge der Prüfung allfälliger Vollzugshindernisse zu berücksichtigen ist (vgl. vorne, E. 4.5.3). Sollte die Vorinstanz nach hinreichender Abklärung der Sachlage erneut zum Schluss kommen, dass der Gesundheitszustand für sich allein kein auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht zu begründen vermag, hat sie insbesondere zu prüfen, ob das Migrationsamt zulässigerweise davon abgesehen hat, dem SEM die vorläufige Aufnahme zu beantragen (vgl. vorne, E. 2 und E. 4.5.2 f.).

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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