Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 60/2018/1 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 10.09.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Aufenthaltsbewilligung; Kantonswechsel - Art. 37 Abs. 1 und 2, Art. 62 Abs. 1 lit. c und Art. 96 Abs. 2 AIG; Art. 66, Art. 67 Abs. 1 und Art. 77a Abs. 1 lit. b VZAE. In verfassungskonformer Auslegung ist bei einem nicht in den Arbeitsmarkt zu integrierenden und nicht vermittlungsfähigen Gesuchsteller nicht von einer anspruchzerstörenden Arbeitslosigkeit i.S.v. Art. 37 Abs. 2 AIG auszugehen (E. 4.2). Der Widerrufsgrund nach Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG i.V.m. Art. 77a Abs. 1 lit. b VZAE ist zu bejahen, wenn nach einem Mahnschreiben keine Bemühungen zur Schuldentilgung oder zur Lösungssuche mit Gläubigern erfolgen (E. 4.3.1, 4.3.5). Formelle Verwarnung i.S.v. Art. 96 Abs. 2 AIG aufgrund Vorliegens eines Grenzfalls, langer Aufenthaltsdauer und bislang ausgebliebener formeller Verwarnung (E. 4.4.3). |
Zusammenfassung : | In dem vorliegenden Fall ging es um eine Berufungsklage gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Bülach bezüglich Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Beschuldigte wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, jedoch hob das Bundesgericht das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Beurteilung zurück. Der Beschuldigte beantragte eine Fristverlängerung für die Übersetzung von Gesprächsaufzeichnungen und forderte eine Rückweisung des Verfahrens an die Vorinstanz. Letztendlich wurde beschlossen, das Urteil des Bezirksgerichts aufzuheben und den Prozess für eine neue Hauptverhandlung zurückzuweisen. Die Gerichtskosten wurden ausgesetzt, und der amtliche Verteidiger erhielt eine Entschädigung von CHF 5'403.55. |
Schlagwörter : | Kanton; Kantons; Aufenthalt; Aufenthalts; Kantonswechsel; Schaffhausen; Arbeit; Betreibung; Aufenthaltsbewilligung; Schulden; Schweiz; Beschwerdeführers; Widerruf; Interesse; Migrationsamt; Person; Hinweis; Gesuch; Bewilligung; Ausländer; Sozialhilfe; Verhalten; Auslegung; Mahnschreiben; Wegweisung; Rente; önne |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 108 ZPO ; Art. 119 ZPO ; Art. 29 BV ; Art. 369 StGB ; Art. 37 AIG ; Art. 62 AIG ; Art. 8 BV ; Art. 8 EMRK ; Art. 96 AIG ; |
Referenz BGE: | 139 I 16; 144 I 266; 145 III 63; |
Kommentar: | - |
In verfassungskonformer Auslegung ist bei einem nicht in den Arbeitsmarkt zu integrierenden und nicht vermittlungsfähigen Gesuchsteller nicht von einer anspruchzerstörenden Arbeitslosigkeit i.S.v. Art. 37 Abs. 2 AIG auszugehen (E. 4.2).
Der Widerrufsgrund nach Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG i.V.m. Art. 77a Abs. 1 lit. b VZAE ist zu bejahen, wenn nach einem Mahnschreiben keine Bemühungen zur Schuldentilgung zur Lösungssuche mit Gläubigern erfolgen (E. 4.3.1, 4.3.5).
Formelle Verwarnung i.S.v. Art. 96 Abs. 2 AIG aufgrund Vorliegens eines Grenzfalls, langer Aufenthaltsdauer und bislang ausgebliebener formeller Verwarnung (E. 4.4.3).
OGE 60/2018/1 vom 10. September 2019 Keine Veröffentlichung im Amtsbericht
SachverhaltX. zog 2016 aus dem Kanton Y. nach Z. im Kanton Schaffhausen, ohne vorgängig das Einverständnis des Migrationsamts des Kantons Schaffhausen einzuholen. Fünf Monate nach seinem Zuzug meldete er sich bei der Einwohnerkontrolle Z. an und stellte gleichentags ein Gesuch um Kantonswechsel. Das Migrationsamt wies das Gesuch ab und X. aus dem Kanton Schaffhausen weg. Nachdem der Regierungsrat den hiergegen erhobenen Rekurs abgewiesen hatte, erhob X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Obergericht. Dieses hiess die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut.
Aus den ErwägungenPersonen mit einer Aufenthaltsbewilligung können ihren Wohnort innerhalb des Kantons, der die Bewilligung erteilt hat, frei wählen (Art. 36 und Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration vom 16. Dezember 2005 [Ausländerund Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20]). Die Bewilligung gilt nur für das Gebiet des Kantons, der sie ausgestellt hat (Art. 66 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom
24. Oktober 2007 [VZAE, SR 142.201]). Will die Person ihren Wohnort in einen anderen Kanton verlegen, muss sie im Voraus eine Bewilligung des neuen Kantons beantragen (Art. 37 Abs. 1 AIG; Art. 67 Abs. 1 VZAE). Daraus ergibt sich, dass der Wohnortskanton zuständig ist für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (vgl. BGer 2C_322/2019 vom 15. April 2019 E. 3.1).
Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung haben Anspruch auf Kantonswechsel, wenn sie nicht arbeitslos sind und keine Widerrufsgründe nach Art. 62 Abs. 1 AIG vorliegen (vgl. Art. 37 Abs. 2 AIG). Vom neuen Kanton ist zu prüfen, ob ein Widerrufsgrund gegeben ist und eine Wegweisung aus der Schweiz verhältnismässig wäre (vgl. BGer 2C_785/2015 vom 29. März 2016 E. 3.3 und E. 4.1 mit Hinweisen).
[ ]
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 37 AIG einen Anspruch auf Kantonswechsel hat.
Ein Kantonswechsel setzt eine bestehende Aufenthaltsbewilligung voraus (vgl. vorne, E. 2, sowie BGer 2C_322/2019 vom 15. April 2019 E. 3.3). Eine solche lag am 29. November 2016, als der Beschwerdeführer das Gesuch um Kantonswechsel stellte, noch vor; die Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Y. war bis am
12. Januar 2017 gültig. Bereits zum Zeitpunkt der Verfügung des Migrationsamts
am 29. Mai 2017 war diese Bewilligung abgelaufen. Weil der Beschwerdeführer ohne die erforderliche vorgängige Bewilligung (vgl. vorne, E. 2.1) bereits im Juni 2016 in den Kanton Schaffhausen umzog, ist nicht davon auszugehen, dass er ein Verlängerungsgesuch im Kanton Y. gestellt hat. Sowohl das Migrationsamt als auch der Regierungsrat haben dies nicht geprüft und das Gesuch um Kantonswechsel einzig mit der Begründung abgelehnt, es liege ein Widerrufsgrund vor. Nachdem die Problematik der fehlenden Aufenthaltsbewilligung bis anhin nie thematisiert und dem Beschwerdeführer der prozedurale Aufenthalt im Kanton Schaffhausen gestattet wurde, erscheint es nachvollziehbar, dass er den Ausgang des hiesigen Verfahrens abwartete und nicht auch ein Verlängerungsgesuch im Kanton
Y. stellte, zumal ein Ausländer nur in einem Kanton eine Aufenthaltsbewilligung besitzen kann (Art. 66 VZAE) und der Wohnortskanton für deren Erteilung zuständig ist (vgl. vorne, E. 2.1). Deshalb wäre es zum jetzigen Zeitpunkt überspitzt formalistisch, das Gesuch um Kantonswechsel mit der Begründung abzuweisen, der Beschwerdeführer habe keine Aufenthaltsbewilligung mehr bzw. nicht im Kanton
Y. um deren Verlängerung ersucht (vgl. in einer anderen Konstellation mit ähnlichen Überlegungen BGer 2C_906/2015 vom 22. Januar 2016 E. 3.2 und VGer ZH VB.2017.00588 vom 25. Oktober 2017 E. 3). Das rechtswidrige Vorgehen des Beschwerdeführers ist allerdings im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung (vgl. hinten, E. 4.4) und bei den Kostenfolgen (vgl. hinten, E. 6) zu berücksichtigen.
Einen Anspruch auf Kantonswechsel hat gemäss Art. 37 Abs. 2 AIG nur, wer nicht arbeitslos ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzung haben die Vorinstanzen nicht geprüft und das Bundesgericht hat sich soweit ersichtlich - noch nicht mit dessen Auslegung auseinandergesetzt. Der Wortlaut lässt verschiedene Interpretationen zu, auch jene, wonach die gesuchstellende Person nicht ohne Arbeit
sein darf bzw. erwerbstätig sein muss. Dies legt auch die teleologische Auslegung nahe. Der Gesetzgeber wollte mit Art. 37 Abs. 2 AIG die berufliche Mobilität vereinfachen bzw. den Kantonswechsel von der beruflichen Integration und dem fehlenden Sozialhilferisiko abhängig machen (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002 [Botschaft AuG], BBl 2002 3790 f.). In systematischer Hinsicht gilt es indes zu beachten, dass der Begriff der Arbeitslosigkeit in Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 25. Juni 1982 (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG, SR 837.0) definiert wird und demnach als arbeitslos gilt, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeitbeschäftigung sucht (vgl. auch die Definition teilweiser Arbeitslosigkeit in Art. 10 Abs. 2 AVIG). Sinn und Zweck von Art. 37 Abs. 2 AIG ist sodann auch die Verhinderung von Sozialhilfetourismus (vgl. Botschaft AuG, S. 3790 f.). Klar ist, dass der Gesetzgeber mit Blick auf Art. 37 Abs. 2 AIG Konstellationen (vollständig) invalider Personen, die keiner Arbeit nachgehen können (vgl. sogleich E. 4.2.2), nicht vor Augen hatte. Sind, wie vorliegend, mehrere Auslegungen möglich, ist stets jene Auslegung zu wählen, welche der Verfassung am besten entspricht (sog. verfassungskonforme Auslegung, BGE 145 III 63 E. 2.1 mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer ist zwar nicht erwerbstätig, bezieht aber u.a. eine Invalidenrente, wobei der IV-Grad zunächst 51% betrug und sich später auf 100% erhöhte. Ausserdem erhält er eine Rente sowie eine Hilflosenentschädigung der Suva. Es ist demnach davon auszugehen, dass er nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden kann und nicht vermittlungsfähig im Sinne von Art. 15 Abs. 2 AVIG ist. Er erzielt wie dargelegt ein Ersatzeinkommen und bezieht seit seinem Zuzug in den Kanton Schaffhausen keine Sozialhilfe. Im Sinne der verfassungskonformen Auslegung bzw. Art. 8 Abs. 2 BV, wonach niemand wegen einer körperlichen Behinderung diskriminiert werden darf, ist demnach nicht von einer anspruchszerstörenden Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 37 Abs. 2 AIG auszugehen.
Zu prüfen ist sodann, ob einem Anspruch auf Kantonswechsel ein Widerrufsgrund nach Art. 62 Abs. 1 AIG entgegensteht, weil der Beschwerdeführer wovon das Migrationsamt und der Regierungsrat ausgehen mutwillig Schulden anhäufte. Der Beschwerdeführer bestreitet dies sinngemäss.
Nach Art. 62 Abs. 1 lit. c AIG kann eine Aufenthaltsbewilligung widerrufen nicht mehr verlängert werden, wenn die ausländische Person erheblich wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen hat diese gefährdet. Dies kann auch bei einer mutwilligen Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher privatrechtlicher Verpflichtungen der Fall sein (vgl. seit 1. Januar 2019 Art. 77a Abs. 1 lit. b VZAE; zuvor übereinstimmend in Art. 80 aVZAE). Die Verschuldung muss selbst verschuldet und qualifiziert vorwerfbar sein, wovon nicht
leichthin auszugehen ist. Wurde bereits eine ausländerrechtliche Verwarnung (Art. 96 Abs. 2 AIG) ausgesprochen, ist entscheidend, ob die ausländische Person danach weiterhin mutwillig Schulden angehäuft hat. Zu prüfen ist, welche Anstrengungen zur Sanierung unternommen worden sind (vgl. BGer 2C_93/2018 vom
21. Januar 2019 E. 3.4 mit Hinweisen). Erforderlich ist ein erheblicher Ordnungsverstoss, der auch in einer qualifizierten Leichtfertigkeit liegen kann. Eine durch Schicksalsschläge bedingte Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher privatrechtlicher Verpflichtungen gilt hingegen nicht als mutwillig (vgl. BGer 2C_789/2017 vom
7. März 2018 E. 3.3.1 mit Hinweis).
Der Beschwerdeführer verursachte am 14. Januar 2000 alkoholisiert einen Autounfall und ist seither querschnittgelähmt. In der Folge kam bis 2005 teils die Sozialhilfe für die Lebenshaltungskosten des Beschwerdeführers, seiner Kinder und seiner damaligen Ehefrau auf. Als Folge des Unfalls erhielt der Beschwerdeführer IV-, Suvaund BVG-Renten. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft R. vom
19. September 2008 wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahls verurteilt und mit einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 40.bestraft. Das Migrationsamt des Kantons Y. verwarnte ihn deshalb am 19. Juni 2009. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft T. vom 15. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmässiger Aneignung schuldig gesprochen. Die im Jahr 2008 ausgefällte bedingte Geldstrafe wurde widerrufen, und der Beschwerdeführer mit 360 Stunden gemeinnütziger Arbeit als Gesamtstrafe bestraft. Zwischenzeitlich arbeitete der Beschwerdeführer Teilzeit in der W.-Stiftung. Ab Februar 2013 bis Ende September 2014 bezog er wieder Sozialhilfe. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2013 ordnete die Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) U. eine Vertretungsbeistandschaft an. Mit Schreiben vom 15. Januar 2014 führte die Beiständin aus, der Beschwerdeführer sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, seine finanziellen und administrativen Belange zu erledigen. Aufgrund des geringen Einkommens habe keine Pfändung gemacht werden können, so sei es zu Verlustscheinen gekommen. Eine Schuldensanierung sei nicht möglich. Mit Mahnschreiben vom
31. März 2014 wies das Migrationsamt des Kantons Y. den Beschwerdeführer darauf hin, dass gegen ihn zahlreiche Betreibungen eingeleitet worden seien und Verlustscheine bestünden, zudem müsse er von der Sozialhilfe unterstützt werden und habe zu strafrechtlichen Klagen Anlass gegeben. Falls er seinen Verpflichtungen weiterhin nicht nachkommen sein Verhalten zu anderen Klagen Anlass geben sollte, werde man den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung prüfen.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 wies die neue Beiständin darauf hin, der Beschwerdeführer sei querschnittgelähmt und erhalte eine halbe IV-Rente, eine Unfallrente der Suva inkl. Hilflosenentschädigung sowie Zusatzleistungen. Vom 22. Juni bis 11. September 2015 sei er in stationärer Behandlung gewesen,
weshalb er in diesem Zeitraum keine Anfragen habe beantworten können. Zudem plagten ihn diverse unfallbedingte Leiden, die sich auch auf seine psychische Gesundheit auswirkten. Die IV-Stelle erachte eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt als nicht möglich, weshalb es keine Arbeitssuchbemühungen gebe. Der behandelnde Psychiater Dr. med. A. führte mit Verlaufsbericht vom 17. Juni 2015 aus, der Beschwerdeführer könne zufolge diverser psychischer Leiden nicht mehr arbeiten.
Der Betreibungsregisterauszug des Betreibungsamtes U. vom 30. Januar 2017 weist Betreibungen von insgesamt über Fr. 60'000.sowie Verlustscheine in der Höhe von über Fr. 108'000.aus. Entscheidend ist, wie sich die Verschuldung seit dem Mahnschreiben vom 31. März 2014 entwickelt hat; die in E. 4.3.1 zitierte Rechtsprechung ist sinngemäss zu berücksichtigen, auch wenn der Beschwerdeführer im Jahr 2014 nicht eine formelle auf Art. 96 Abs. 2 AIG gestützte - Verwarnung erhielt. Acht der zehn im Betreibungsregisterauszug des Betreibungsamtes U. aufgeführten Betreibungen, die nach dem 31. März 2014 eingeleitet wurden, liegen Forderungen im Totalbetrag von rund Fr. 5'400.zugrunde, welche nach dem 31. März 2014 entstanden sind. Dem Auszug aus dem Betreibungsregister des Betreibungsamtes Schaffhausen vom 3. April 2019 ist zwar zu entnehmen, dass den meisten im Kanton Schaffhausen angefallenen Betreibungen Verlustscheine aus dem Kanton Y. zugrunde liegen. Jedoch mussten namentlich auch aktuelle Steuerforderungen in Betreibung gesetzt werden (insgesamt rund Fr. 4'200.-). Einige weitere Forderungen sind womöglich ebenfalls erst in jüngerer Vergangenheit entstanden.
Der Beschwerdeführer hat hohe Schulden. Die Situation hat sich auch nach dem Mahnschreiben vom März 2014 nicht gebessert, im Gegenteil sind wenn auch nicht im selben Ausmass wie früher - neue Betreibungen dazugekommen, die jeweils in Verlustscheine mündeten. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nach Kräften dazu beigetragen, die Schulden nicht weiter anwachsen zu lassen, und führt aus, er sei auch in den letzten Monaten auf stationäre Behandlung angewiesen und sehr lange bettlägerig gewesen. Indes ist einzig ein Spitalaufenthalt im Sommer 2015 belegt. Auch der letzte vorliegende Arztbericht datiert aus dieser Zeit (vgl. vorne, E. 4.3.3). Auch wenn der Beschwerdeführer jedenfalls ab dem Jahr 2018 bei einem IV-Grad von 100% eine volle IV-Rente bezog (vgl. vorangehende E. 4.2.2), stellt sich die Frage, ob von qualifiziert leichtfertig und daher mutwillig angehäuften weiteren Schulden auszugehen ist. Aktuelle psychische Probleme werden weder geltend gemacht noch belegt. Im Rekursverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, er lebe alkoholund drogenfrei und die junge Beziehung mit seiner Freundin habe ihm geholfen, aus seinen Depressionen herauszukommen. Dass er aufgrund der Querschnittlähmung weiterhin an Dekubitus-
Beschwerden leidet, ist glaubhaft. Indes liegen Hinweise auf fahrlässiges Verhalten vor, das mit diesen Beschwerden nicht zu erklären ist. So zog er wie erwähnt Ende Juni 2016 ohne vorgängiges Einverständnis der hiesigen Migrationsbehörde in den Kanton Schaffhausen, meldete sich erst mit Verspätung bei der Gemeinde Z. an und reichte trotz mehrfacher Aufforderung die Unterlagen zur Bewilligung des Kantonswechsels nicht bzw. erst verspätet ein, was zu einem entsprechenden strafrechtlichen Schuldspruch führte. Dies erklärte er damit, er habe der Einwohnerkontrolle mehrmals gesagt, dafür sei seine Beiständin zuständig. Letztere sagte indes aus, sie habe dem Beschwerdeführer mehrfach erklärt, dass und wie er die Dokumente selber anfordern könne. Weiter habe er ihr gegenüber immer wieder gesagt, dass er keinen Beistand brauche. Wer wie der Beschwerdeführer - nach Polen in die Reha gehe, könne auch bei der Post die nötigen Unterlagen bestellen. Widersprüchlich ist sodann, dass der Beschwerdeführer geltend machen lässt, der Kanton Schaffhausen werde durch seinen Zuzug in keiner Weise belastet, indessen seine laufenden Steuerschulden in Betreibung gesetzt werden müssen. Daraus, und auch aus seinem aktenkundigen früheren Verhalten, geht hervor, dass er sich seit Jahren und weiterhin im Umgang mit Behörden unkooperativ verhält und
bei nur leichter Hilflosigkeit - nur schleppend um seine Angelegenheiten kümmert, ohne sich die notwendige Unterstützung zu holen. Zwar darf von einer qualifiziert vorwerfbaren Fahrlässigkeit nicht leichthin ausgegangen werden (vgl. vorne,
E. 4.3.1), entscheidend ist allerdings, ob und inwiefern sich der Beschwerdeführer bemüht hat, seine Verbindlichkeiten abzubauen und mit den Gläubigern nach einer Lösung zu suchen (vgl. BGer 2C_789/2017 vom 7. März 2018 E. 3.3.1). Bemühungen zur Schuldentilgung zur Lösungssuche mit Gläubigern werden weder vorgebracht, noch ergeben sie sich aus den Akten. Angebote gemeinnütziger Vereine zur Budgetund Schuldenberatung wären auch im Kanton Schaffhausen durchaus vorhanden (vgl. z.B. Fachstelle für Schuldenfragen des Schweizerischen Roten Kreuzes, https://www.srk-schaffhausen.ch/de/dienstleistungen/entlastung_ber atung/pdf/Flyer_Beratungen_web.2014.pdf, Stand 23. August 2019). Zwar ist dem Beschwerdeführer der Schuldenabbau aufgrund seiner körperlichen Behinderung sicherlich erschwert. Sein Einkommen in der Höhe von Fr. 3'795.exklusiv der zusätzlich ausgerichteten Beiträge der BVG-Stiftung (im Jahr 2016 betrug die BVGRente Fr. 61.20 pro Monat) müsste es dem Beschwerdeführer aber ermöglichen, monatlich zumindest einen geringen Betrag für eine regelmässige Schuldentilgung zu verwenden. Dass entsprechende Bemühungen seit dem Mahnschreiben vom
31. März 2014 gänzlich ausgeblieben sind, führt daher zum Vorliegen qualifiziert vorwerfbarer Fahrlässigkeit und damit Mutwilligkeit. Ausserdem zeitigte der im Mahnschreiben vom 31. März 2014 enthaltene Hinweis, der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung werde geprüft, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers in irgendeiner Weise zu Klagen Anlass gebe, keinerlei Wirkung. Vielmehr zeigte der
Beschwerdeführer weiterhin eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber der hiesigen Rechtsordnung, indem er sich ohne vorgängiges behördliches Einverständnis im Kanton Schaffhausen niederliess und sich um die Einreichung der erforderlichen Unterlagen auch später foutierte.
Der Kantonswechsel darf nur verweigert werden, wenn eine Wegweisung aus der Schweiz nach den gesamten Umständen verhältnismässig erscheint (vgl. vorne, E. 2.2). Bei der entsprechenden Interessenabwägung sind unnötige Härten zu vermeiden. Es gilt, insbesondere die Schwere des Fehlverhaltens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen sowie die Qualität der sozialen, kulturellen und familiären Beziehungen sowohl zum Gastwie zum Heimatstaat. Es sind die gesamten Umstände des Einzelfalls in die Beurteilung miteinzubeziehen (vgl. BGer 2C_789/2017 vom 7. März 2018 E. 3.1; BGE 139 I 16 E. 2.2 S. 19 ff.; 135 II 110
E. 2.1 S. 112; 130 II 176 E. 4.4.2 S. 190).
Das öffentliche Interesse an der Wegweisung des Beschwerdeführers besteht primär darin, zu verhindern, dass er weiterhin seine öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verpflichtungen nicht hinreichend erfüllt. Nachdem die hohe Verschuldung auch in jüngerer Vergangenheit wenn auch nicht mehr in schwerwiegender Weise angestiegen ist und keine Schuldensanierung erfolgte, besteht das Risiko einer weiteren Verschuldung. Es geht mithin um den Schutz potenzieller Gläubiger. Das so begründete öffentliche Interesse an der Wegweisung erscheint indes von geringerem Gewicht als in Fällen, in denen es um die Wegweisung straffälliger dauernd sozialhilfeabhängiger Personen geht (vgl. BGer 2C_789/2017 vom 7. März 2018 E. 3.3.1). Der Beschwerdeführer bezieht wie dargelegt seit dem Jahr 2014 keine Sozialhilfe mehr (vgl. vorne, E. 4.2.2). Auch bezieht er nunmehr
wohl im Zusammenhang mit der Zusprechung einer vollen IV-Rente keine Ergänzungsleistungen mehr. Dennoch besteht auch aufgrund der in Betreibung gesetzten aktuellen Steuerforderungen - das Risiko einer künftigen Belastung der öffentlichen Hand, das im Rahmen der Prüfung der Verhältnismässigkeit mitberücksichtigt werden darf (vgl. BGer 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 4.4). Nurmehr leicht negativ ins Gewicht fallen die Vermögensdelikte aus den Jahren 2008 und 2010, zumal es sich nicht um schwerwiegende Straftaten handelte, deren Einträge im Strafregister teils bereits gelöscht bzw. nächstes Jahr entfernt werden (vgl. Art. 369 Abs. 3 StGB). Zu berücksichtigen ist jedoch das über einen langen Zeitraum andauernde unkooperative Verhalten des Beschwerdeführers im Umgang mit den Behörden, das nicht hinreichend mit den behinderungsbedingten Leiden erklärbar ist (vgl. vorne, E. 4.3.5) und weshalb er zuletzt im Frühling 2017 wegen geringfügiger Widerhandlung gegen das Ausländergesetz zu einer Busse von
Fr. 200.verurteilt wurde. Weiter ist das Interesse an einer Kontrolle und Steuerung der Zuwanderung zu berücksichtigen (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.7 S. 276 mit Hinweisen). Insgesamt besteht daher ein erhebliches öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers.
Mit Bezug auf die privaten Interessen fällt ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer seit mittlerweile 28 Jahren in der Schweiz lebt. Angesichts dieser langen Aufenthaltsdauer ist grundsätzlich davon auszugehen, dass seine sozialen Beziehungen hier so eng geworden sind, dass das Recht auf Privatleben gemäss Art. 8 EMRK betroffen ist (vgl. BGer 2C_441/2018 vom 17. September 2018 E. 1.3.1 f. sowie BGE 144 I 266 E. 3.9 S. 277 ff.). Der Beschwerdeführer ist Vater zweier erwachsener Kinder, wobei er diesbezüglich aber nichts weiter vorbringt. Geltend macht er jedoch, dass sowohl seine Mutter als auch seine Freundin im grenznahen Ausland [ ] lebten. Im Rekursverfahren brachte er vor, seine Freundin unterstütze ihn bei den täglichen Besorgungen und der Haushaltsführung, und auch die Mutter besuche ihn regelmässig. Mit der Vorinstanz ist nach dem Gesagten davon auszugehen, dass eine Umsiedlung nach Serbien für den querschnittgelähmten Beschwerdeführer einschneidend wäre. Jedoch wäre auch dort eine medizinische Versorgung gewährleistet (vgl. BGer 2C_530/2014 vom 22. Januar 2015 E. 4.5; BGer 2C_470/2009 vom 4. November 2009 E. 3.3.1). Sodann hat der Beschwerdeführer zwar in Serbien gemäss eigenen Angaben keine nahen Verwandten. Indes erscheint es fraglich, ob er dort tatsächlich keine sozialen Kontakte hat; jedenfalls hat er sein Heimatland im Jahr 2014 besucht. In Bezug auf die Integration des Beschwerdeführers in der Schweiz ist angesichts der langen Aufenthaltsdauer und seiner eigenen, unbestritten gebliebenen Sachdarstellung im Rekursverfahren, wonach er Mundart spreche und verstehe, davon auszugehen, dass er sprachlich integriert ist (vgl. Art. 58a Abs. 1 lit. c AIG). Negativ ins Gewicht fällt allerdings die wiederholte Nichtbeachtung der öffentlichen Ordnung (vgl. vorne, E. 4.3.5, sowie Art. 58a Abs. 1 lit. a AIG). Zu berücksichtigen sind auch aktenkundige Hinweise auf ein unkooperatives und desinteressiertes Verhalten hinsichtlich seiner beruflichen Integration, soweit es bereits vor dem Unfall bestand nicht behinderungsbedingt ist. Im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen ist indes, dass der Beschwerdeführer mittlerweile nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnimmt, zumal den durch die Behinderung verursachten erschwerten Bedingungen angemessen Rechnung zu tragen ist (vgl. Art. 58 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 2 AIG). Insgesamt hat der Beschwerdeführer ein gewichtiges privates Interesse an einem weiteren Verbleib in der Schweiz.
Das öffentliche Interesse an der Wegweisung des Beschwerdeführers ist erheblich, allerdings erweist sich auch sein privates Interesse am Verbleib in der
Schweiz als gewichtig. Wiewohl es sich um einen Grenzfall handelt, wäre ein Widerruf zum jetzigen Zeitpunkt indes unverhältnismässig, dies insbesondere in Berücksichtigung der Tatsachen, dass es sich beim Mahnschreiben vom 31. März 2014 nicht um eine formelle Verwarnung handelte und der Beschwerdeführer sehr lange (seit 28 Jahren) in der Schweiz lebt. Der Beschwerdeführer muss sich jedoch im Klaren sein darüber, dass ihm eine letzte Chance eingeräumt wird, sein mutwilliges Verhalten zu ändern, und dass der weitere Verbleib in der Schweiz ein vollumfängliches Wohlverhalten voraussetzt. Um dies zu verdeutlichen, ist er nunmehr ausdrücklich gemäss Art. 96 Abs. 2 AIG formell zu verwarnen. Sollte er wiederum zu namhaften Klagen Anlass geben, hat er trotz seiner langen Anwesenheit mit einem sofortigen Widerruf seiner Bewilligung und der Wegweisung aus der Schweiz zu rechnen (vgl. BGer 2C_314/2018 vom 10. Januar 2019 E. 7.1 mit Hinweisen).
Zusammenfassend hat der Beschwerdeführer einen auf Art. 37 Abs. 2 AIG gestützten Anspruch auf den Kantonswechsel, da er nicht als arbeitslos zu qualifizieren ist und ein Widerruf zum jetzigen Zeitpunkt unverhältnismässig wäre.
Somit erweist sich die Beschwerde als begründet. Sie ist folglich im Sinne der Erwägungen gutzuheissen. Die Verfügung des Migrationsamts vom 29. Mai 2017 und der Beschluss des Regierungsrats vom 9. Januar 2018 sind aufzuheben. Das Migrationsamt ist anzuweisen, dem Beschwerdeführer die Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Schaffhausen (Kantonswechsel) zu erteilen. Der Beschwerdeführer wird jedoch mit der Aufforderung, sich inskünftig in jeder Hinsicht klaglos zu verhalten, formell verwarnt im Sinne von Art. 96 Abs. 2 AIG (vgl. vorne, E. 4.4.3).
Ausgangsgemäss sind keine Gerichtskosten festzusetzen, und der Beschwerdeführer wäre für die Kosten seiner Vertretung zu entschädigen (Art. 48 Abs. 1 VRG i.V.m. Art. 95 und Art. 106 Abs. 1 ZPO sowie Art. 92 JG). Bezüglich der beantragten Parteientschädigung ist davon jedoch abzuweichen, weil besondere Umstände vorliegen (Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO) und unnötige Prozesskosten vom Verursacher zu bezahlen sind (Art. 108 ZPO). Das Rechtsmittelverfahren im Kanton Schaffhausen ist vordringlich eine Folge des rechtswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers, der eigenmächtig hierher umzog, ohne vorgängig um Bewilligung eines Kantonswechsels ersucht zu haben. Dieses Versäumnis führte nur deshalb nicht zu einer Abweisung der Beschwerde, weil dies zum jetzigen Zeitpunkt überspitzt formalistisch wäre (vgl. vorne, E. 4.1). Vor diesem Hintergrund erscheint es als gerechtfertigt, den Beschwerdeführer die Kosten seiner anwaltlichen Vertretung selber tragen zu lassen. Demnach ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Nachdem keine Gerichtskosten auferlegt werden, ist einzig noch das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtsverbeiständung im gesamten Verfahren zu prüfen. Dafür wird u.a. die Bedürftigkeit vorausgesetzt (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 50 Abs. 1 VRG i.V.m. Art. 117 ff. ZPO; Stefan Meichssner, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV], Basel 2008,
S. 71 ff.). Die gesuchstellende Person hat ihre Mittellosigkeit substantiiert darzulegen (vgl. Art. 119 Abs. 2 ZPO; BGer 4A_563/2014 vom 25. Februar 2015 E. 2.1; Meichssner, S. 77). Der Beschwerdeführer äussert sich indes nicht zur Bedürftigkeit. Er bringt im Gegenteil vor, er sei weder auf Sozialhilfe noch auf Ergänzungsleistungen angewiesen, da er Renten beziehe, welche seinen Lebensunterhalt vollumfänglich deckten, weshalb er den Kanton Schaffhausen in keiner Weise belaste. Eine Bedürftigkeit wird damit nicht im Ansatz dargelegt, weshalb weitere diesbezügliche Abklärungen seitens des Gerichts zu unterbleiben haben. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtsverbeiständung ist mangels hinreichend substantiierter Bedürftigkeit abzuweisen.
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