Zusammenfassung des Urteils Nr. 50/2007/29: Obergericht
Ein Mann namens X wurde wegen Verstosses gegen das Waffengesetz bestraft, nachdem er mit einem Baseballschläger in die Schweiz einreisen wollte, den er zur Selbstverteidigung nutzen wollte. Nach mehreren Einsprüchen und Anklagen wurde er schliesslich vom Kantonsgericht verurteilt, der Baseballschläger wurde eingezogen. Das Obergericht hob das Urteil jedoch auf, da ein Baseballschläger nicht als Waffe im Sinne des Waffengesetzes qualifiziert werden kann. Laut Bundesgericht ist die objektive Zweckbestimmung entscheidend, und ein Baseballschläger als Sportgerät kann nicht als Waffe betrachtet werden. X wurde freigesprochen und der Baseballschläger muss ihm zurückgegeben werden.
Kanton: | SH |
Fallnummer: | Nr. 50/2007/29 |
Instanz: | Obergericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 04.04.2008 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Art. 4 Abs. 1 lit. d und Art. 33 Abs. 1 lit. a WG; Art. 69 StGB; Art. 235 Abs. 2, Art. 239 Abs. 1 und Art. 240 Abs. 1 StPO. Anwendbarkeit des Waffenrechts auf Baseballschläger; vereinfachtes Untersuchungsverfahren nach Einsprache gegen Strafverfügung |
Schlagwörter : | Waffe; Waffen; Baseball; Schläger; Baseball-Schläger; Einsprache; Polizei; Angeklagte; Verfügung; Gerät; Recht; Schweiz; Waffengesetz; Zweck; Vorinstanz; Untersuchungsverfahren; Sachverhalt; Untersuchungsbehörde; Einvernahme; Baseballschläger; Zweckbestimmung; Selbstverteidigung; Sport; Angeklagten; Befragung |
Rechtsnorm: | Art. 235 StPO ;Art. 239 StPO ;Art. 240 StPO ;Art. 69 StGB ; |
Referenz BGE: | 129 IV 351; |
Kommentar: | - |
Veröffentlichung im Amtsbericht
Art. 4 Abs. 1 lit. d und Art. 33 Abs. 1 lit. a WG; Art. 69 StGB; Art. 235Abs. 2, Art. 239 Abs. 1 und Art. 240 Abs. 1 StPO. Anwendbarkeit des Waffenrechts auf Baseballschläger; vereinfachtes Untersuchungsverfahren nach Einsprache gegen Strafverfügung (OGE 50/2007/29 vom 4. April 2008)Hat ein Angeschuldigter gegenüber der Polizei den Sachverhalt hinreichend anerkannt und auf eine untersuchungsrichterliche Anhörung verzichtet, fallen diese prozessualen Handlungen mit Erhebung einer Einsprache gegen eine Strafverfügung nicht dahin. Die Untersuchungsbehörde kann im nachfolgenden vereinfachten Untersuchungsverfahren auf das Polizeiprotokoll abstellen und auf eine Einvernahme verzichten.
Baseballschläger sind aufgrund ihrer objektiven Zweckbestimmung als Sportgeräte keine Waffen im Sinn des geltenden Waffenrechts. Ihre mögliche Zweckentfremdung als Schlaginstrumente und subjektive Beweggründe wie Verwendung zur Selbstverteidigung sind unbeachtlich. Eine Bestrafung wegen Mitführens eines solches Geräts fällt daher ebenso ausser Betracht wie eine Einziehung.
X. wollte mit einem Baseballschläger, der sich hinter dem Beifahrersitz seines Personenwagens befand, in die Schweiz einreisen; nach seinen Angaben sollte das Gerät der Selbstverteidigung dienen. Das Untersuchungsrichteramt erliess eine Strafverfügung gegen X. wegen Widerhandlung gegen das Waffengesetz. Nach Einsprache von X. bestätigte das Untersuchungsrichteramt die Verurteilung mit Strafbefehl. Nach erneuter Einsprache und Anklageerhebung bestrafte das Kantonsgericht X. wegen Widerhandlung gegen das Waffengesetz mit bedingter Geldstrafe und Busse; der als Waffe sichergestellte Baseballschläger wurde eingezogen. Eine hiegegen erhobene Berufung von X. hiess das Obergericht gut.
Aus den Erwägungen:
.a) Die Untersuchungsbehörden können eine Strafverfügung erlassen, wenn bei einem der Beurteilungskompetenz des Einzelrichters unterliegenden Vergehen lediglich eine Geldstrafe bis 180 Tagessätzen angemes-
sen erscheint, sofern der Beschuldigte den wesentlichen Sachverhalt zu Protokoll anerkannt und auf eine untersuchungsrichterliche Anhörung ausdrücklich verzichtet hat (Art. 235 Abs. 2 der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 [StPO, SHR 320.100]). Wird gegen eine gestützt auf diese Voraussetzungen erlassene Strafverfügung Einsprache erhoben, bewirkt dies die Eröffnung eines vereinfachten Untersuchungsverfahrens und eine Wiedererwägung der gesamten Strafverfügung durch die zuständige Untersuchungsbehörde (Art. 239 Abs. 1 StPO). Dabei kann von einer untersuchungsrichterlichen Einvernahme abgesehen werden, wenn sich der Angeschuldigte schriftlich (gegenüber der Untersuchungsbehörde) bei einer Polizeibehörde in hinreichender Weise geäussert hat (Art. 240 Abs. 1 StPO).
b) Der Angeklagte hatte sich nach seiner Anhaltung beim Grenzübergang Thayngen gegenüber den Beamten des Grenzwachtkorps (in ihrer Funktion als polizeiliche Behörde) zum wesentlichen Sachverhalt geäussert (Mitführen eines Baseball-Schlägers im Auto bei der Einreise in die Schweiz), diesen anerkannt und ausdrücklich sowie unterschriftlich auf eine untersuchungsrichterliche Einvernahme verzichtet. In der Folge erliess das Untersuchungsrichteramt zu Recht eine Strafverfügung i.S.v. Art. 235 Abs. 2 StPO, zumal auch die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben waren (oben E. 3a).
Der Angeklagte bringt vor, nach erhobener Einsprache hätte ein vereinfachtes Untersuchungsverfahren gar nicht durchgeführt werden dürfen, weil er sich nicht hinreichend bei den Polizeiorganen geäussert habe und der Verzicht auf untersuchungsrichterliche Einvernahme mit der Einsprache hinfällig geworden sei. Damit geht er jedoch fehl. Er äusserte sich gegenüber der zuständigen Polizeibehörde genügend hinreichend. Jedenfalls ist nicht zu sehen, wie er sich noch hinreichender hätte zum vorgeworfenen Sachverhalt äussern können, als die von den Grenzwachtorganen festgestellten offensichtlichen Fakten anzuerkennen, nämlich zwecks Selbstverteidigung einen Baseball-Schläger im Auto mitgeführt zu haben. Ausserdem liess er durch seinen Verteidiger die Einsprache gegen die Strafverfügung umfassend begründen (wie später auch diejenige gegen den Strafbefehl). Dem rechtlichen Gehör und der gesetzlichen Regelung von Art. 239 und Art. 240 StPO war damit im gesamten Untersuchungsverfahren Genüge getan. Die Untersuchungsbehörde hatte daher im Einspracheverfahren zu Recht das vereinfachte Verfahren gewählt und auf eine nochmalige Einvernahme des Angeklagten verzichtet. Der kantonale Gesetzgeber bezweckte mit der auch im Wortlaut eindeutigen Regelung von Art. 240 Abs. 1 StPO, dass in Fällen, in welchen der Sachverhalt durch das Polizeiprotokoll ohne weiteres erstellt ist, ohne zusätzliche untersuchungsrichterliche Befragung auf dieses abgestellt werden kann, zumal
dann, wenn wie vorliegend eine weitere Befragung offensichtlich keine neuen Erkenntnisse mehr ergeben würde. Die polizeiliche Befragung wird deshalb in solchen Fällen mit Erhebung der Einsprache ebenso wenig hinfällig wie ein gegenüber der Polizei zu Protokoll gegebener Verzicht auf formelle (untersuchungsrichterliche) Befragung. Sind aber die vom Angeklagten gegenüber den Grenzwachtorganen gemachten Aussagen prozessual verwertbar, ist der auch im weiteren Verfahren unbestrittene Anklagesachverhalt rechtsgenügend erstellt.
.a) Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 20. Juni 1997, in der Fassung vom 22. Juni 2001, in Kraft seit 1. Januar 2002 (WG, SR 514.54), wird mit Gefängnis Busse bzw. in Anwendung des seit 1. Januar 2007 in Kraft stehenden revidierten Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB) mit Freiheitsstrafe [bis zu drei Jahren Geldstrafe] bestraft, wer vorsätzlich ohne Berechtigung Waffen, wesentliche besonders konstruierte Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition Munitionsbestandteile überträgt, vermittelt, erwirbt, herstellt, abändert, trägt einführt. Art. 4 WG bestimmt den Geltungsbereich. Demnach gelten unter anderem Geräte dann als Waffen, wenn sie dazu bestimmt sind, Menschen zu verletzen. Das Gesetz erwähnt dabei namentlich Schlagringe, Schlagruten, Schlagstöcke, Wurfsterne, Wurfmesser und Hochleistungsschleudern (Abs. 1 lit. d). Der Katalog ist nicht abschliessend, was sich aus dem Wort namentlich ergibt. Die in Art. 4 Abs. 1 lit. d WG beispielhaft genannten Waffen dürfen nach Art. 5 Abs. 1 lit. c WG unter anderem nicht erworben, getragen in die Schweiz eingeführt werden. Nach Art. 27 Abs. 1 WG benötigt eine Waffentragbewilligung, wer in der Öffentlichkeit eine Waffe tragen will. Diese ist mitzuführen und auf Verlangen den Polizeiund Zollorganen vorzuweisen.
b) Zu klären ist die Rechtsfrage, ob der inkriminierte Baseball-Schläger überhaupt als Waffe i.S.v. Art. 33 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. d WG qualifiziert werden kann. Die Staatsanwaltschaft geht unter Hinweis auf eine nicht näher begründete Praxis der Strafverfolgungsbehörden, gemäss welcher auch auf subjektive Beweggründe abgestellt werden könne, aufgrund der angegebenen Verwendung als Selbstverteidigungsinstrument von einer Waffe aus (ebenso die Vorinstanz). Demgegenüber hält die Verteidigung wie bereits vor Vorinstanz dafür, ob ein Gegenstand zur Verletzung von Menschen bestimmt sei, entscheide sich nach rein objektiven Kriterien. Baseball-Schläger und ähnliche (Sport-)Geräte seien aufgrund ihres objektiven Bestimmungszwecks keine Waffen. Erst die noch nicht in Kraft stehende Revision des Waffengesetzes sehe eine Verschärfung vor, indem nun in einer neuen Bestimmung auch Gegenstände, die entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung dazu dienten, Menschen zu verletzen, zu bedrohen zu nötigen, als Waffe
betrachtet würden. Darunter würden auch Baseball-Schläger fallen, die vom bisherigen Waffengesetz noch nicht erfasst gewesen seien. Würde ein solcher Schläger bereits nach dem geltenden Recht als Waffe qualifiziert, wäre nicht nachvollziehbar, weshalb der Gesetzgeber neben Art. 4 Abs. 1 lit. d WG eine zusätzliche Bestimmung zur Erfassung solcher Gegenstände vorsehen müsste.
Diese Argumentation ist nachvollziehbar und überzeugend. Es ist ihr grundsätzlich zu folgen. In der Tat ist nur schwer einzusehen, weshalb der Gesetzgeber im Entwurf zur Waffengesetzrevision gerade solche Gegenstände wie einen Baseball-Schläger bei der Begriffsdefinition zusätzlich erfassen und deren missbräuchliche Verwendung unter Strafe stellen will, wenn hiefür bereits das geltende Recht genügen würde. Anders, als dass diesbezüglich bisher eine echte Gesetzeslücke besteht und solche Gegenstände eben (heute) nicht als Waffen betrachtet werden können, lässt sich dies nicht auslegen. So sollen im neuen Art. 4 Abs. 6 WG (Begriff der gefährlichen Gegenstände) namentlich neu Baseball-Schläger als gefährliche Gegenstände dem Waffengesetz unterstellt werden, und gemäss dem neuen Art. 28a WG (missbräuchliches Tragen gefährlicher Gegenstände, Möglichkeit der Einziehung) besteht neu für Polizei und Zollorgane die Möglichkeit, an öffentlich zugänglichen Orten getragene Schlaginstrumente präventiv einzuziehen, bevor damit Gefährdungen stattfinden Straftaten begangen werden können. Allerdings soll die Frage, ob ein solcher Gegenstand unter das neue Verbot fällt, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 11. Januar 2006 [BBl 2006 S. 2713, 2723]).
Gestützt wird diese Auffassung auch durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum geltenden Waffenrecht. In einem Grundsatzurteil stellte das Bundesgericht zur Waffendefinition klar, dass die Frage, ob ein Gerät i.S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. d WG dazu bestimmt sei, Menschen zu verletzen, ausschliesslich nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Ebenso geht die einschlägige Lehre von einem objektiven Verständnis der Zweckbestimmung aus (BGE 129 IV 351 E. 2.3, mit Hinweisen auf Hans Wüst, Schweizer Waffenrecht, Zürich 1999, S. 44 f., S. 58 f., und Philippe Weissenberger, Die Strafbestimmungen des Waffengesetzes, AJP 2000 S. 153 ff., S. 158). Insbesondere hielt das Bundesgericht fest, dass subjektive Momente unbeachtlich seien; andernfalls könnte fast jeder alltägliche Gebrauchsgegenstand, wie beispielsweise ein Küchenmesser, das bei entsprechendem Willen des Benutzers ebenfalls zweckwidrig zur Verletzung von Menschen eingesetzt werden könnte, als verbotene Waffe betrachtet werden. Damit wäre das Gesetz nicht praktikabel und verstiesse überdies gegen das Bestimmtheitsgebot und das Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937 [StGB, SR 311.0]). Art. 4 Abs. 1 lit. d WG sei des-
halb restriktiv auszulegen. Es könnten nur Gegenstände als Waffen gelten, die mit den im Gesetz beispielhaft genannten Geräten unter dem Aspekt der klaren und objektiven Zweckbestimmung vergleichbar seien (BGE 129 IV 351 f. E. 2.3 und E. 2.4).
Entgegen den Auffassungen der Vorinstanz, welche sich mit der Argumentation der Verteidigung gar nicht auseinandersetzte (wie diese zu Recht rügt), und der Staatsanwaltschaft kann deshalb der vorliegend zu beurteilende Baseballschläger aufgrund der allein massgebenden objektiven Zweckbestimmung nicht als Waffe i.S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. d WG betrachtet werden. Gemäss dem objektiven Zweck handelt es sich um ein Sportgerät, und der denkbare Einsatz als Schlagwaffe zur Gefährdung Verletzung von Menschen vermag daran nichts zu ändern. Ebenso unbeachtlich ist der subjektive Beweggrund des Angeklagten, das Gerät nicht für das Baseball-Spiel, sondern zur Selbstverteidigung zu verwenden. Im Licht der oben zitierten Lehre und Rechtsprechung ist daher die von der Staatsanwaltschaft erwähnte Praxis der Strafverfolgungsbehörden unzulässig; wegen des Abstellens auf subjektive Momente bei der Zweckbestimmung des jeweiligen Gegenstands bestünde bei deren (fortgesetzter) Anwendung die begründete Gefahr von Willkür. Ebenso abzulehnen ist die Auffassung der Vorinstanz und der Strafverfolgungsbehörden, den Baseball-Schläger undifferenziert mit einem Schlagstock gleichzusetzen; die Vorinstanz ergänzte dies mit der unnötigen Bemerkung, der Angeklagte sei kein Baseball-Spieler. Ein Schlagstock im Sinn des Gesetzes ist ein ursprünglich als solcher konzipiertes Gerät; es ist zum Schlagen und damit zur Verletzung von Menschen konstruiert. Ein Baseball-Schläger ist dagegen wie erwähnt grundsätzlich als Sportgerät konzipiert und kann entsprechend auch in Sportund nicht in Waffengeschäften erworben werden (auch Eishockey-Stock Tennis-Schläger wären hier zu nennen). Ob der Angeklagte selber Baseball spielt, ist zudem als subjektives Moment irrelevant. ...
Der Angeklagte ist des eingeklagten Delikts nicht schuldig und in Gutheissung seiner Berufung freizusprechen.
5.- Entsprechend diesem Ergebnis fehlt es an der Grundlage für die von der Vorinstanz angeordnete definitive Einziehung des beschlagnahmten Baseball-Schlägers. Wohl kann ein solcher Gegenstand eine potentielle Gefahr für die Sicherheit von Menschen o- der die öffentliche Ordnung i.S.v. Art. 69 StGB darstellen, doch entstammt er weder einer strafbaren Handlung noch war er zur Begehung einer solchen bestimmt (Donatsch/Flachsmann/Hug/Weder, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 17. A., Zürich 2006, Art. 69 StGB, S. 157 ff. mit Hinweisen). Der polizeilich sichergestellte Baseball-Schläger ist dem Angeklagten daher wieder herauszugeben.
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