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Zusammenfassung des Urteils UV 2008/52: Versicherungsgericht
Der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Eugen Mätzler, forderte Versicherungsleistungen von der Ersatzkasse UVG aufgrund eines Unfalls. Die Ersatzkasse verweigerte den Versicherungsschutz, da sie feststellte, dass der Beschwerdeführer nie für den behaupteten Arbeitgeber gearbeitet hatte. Nach mehreren Einsprachen und Beschwerden wurde entschieden, dass die Beschwerdegegnerin ihre Untersuchungspflicht verletzt hatte und weitere Abklärungen notwendig waren. Der Präsident des Versicherungsgerichts lud die Suva zum Prozess ein, da die Zuständigkeit möglicherweise bei der Suva lag. Es wurde festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin weitere Abklärungen vornehmen und die Sache an sie zurückverweisen muss. Der Gerichtskosten sind keine zu erheben, jedoch hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.--.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | UV 2008/52 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | UV - Unfallversicherung |
Datum: | 29.06.2009 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 43 (und 28f.) ATSG, Art. 45 UVG und Art. 53ff. UVV: Geltendmachung des Leistungsanspruchs und Abklärungspflicht der Unfallversicherung. Art. 1a Abs. 1 UVG, Art. 1 UVV (und Art. 10 ATSG): Arbeitnehmereigenschaft als Voraussetzung für die obligatorische Unfallversicherung. Art. 35 ATSG, Art. 66, 68 und 72f. UVG: Ersatzkasse ist zuständiger Unfallversicherer bei Fehlen eines Versicherungsvertrags und eines Betriebes gemäss Art. 66 UVG trotz Tätigkeit im Baugewerbe (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 29. Juni 2009, UV 2008/52). |
Schlagwörter: | Arbeit; Versicherung; Recht; Beweis; Unfall; Beschwerdeführer; Beschwerdeführers; Arbeitnehmer; Ersatzkasse; Abklärungen; Einsprache; Sozial; Sachverhalt; Sozialversicherung; Unfallversicherung; Akten; Arbeitsverhältnis; Person; Anspruch; Hinweis; Entscheid; Rechtsvertreter; Unterlagen; Beweise; Beweiswürdigung; Gallen; Versicherungsleistungen; Umbau; Verfügung |
Rechtsnorm: | Art. 10 ATSG ;Art. 1a UVG ;Art. 28f ATSG ;Art. 29 ATSG ;Art. 29 BV ;Art. 35 ATSG ;Art. 43 ATSG ;Art. 45 UVG ;Art. 61 ATSG ;Art. 66 UVG ;Art. 68 UVG ;Art. 73 UVG ; |
Referenz BGE: | 104 V 209; 119 V 335; 122 V 157; 125 V 351; 130 V 501; 132 V 368; 134 V 306; |
Kommentar: | Zünd, Kieser, ATSG- 2. Aufl., Art. 61 ATSG SR, 2009 |
Entscheid vom 29. Juni 2009
in Sachen L. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Eugen Mätzler, Poststrasse 23, 9001 St. Gallen,
gegen
Ersatzkasse UVG, Hohlstrasse 552, Postfach, 8048 Zürich,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer, Stampfenbachstrasse 42, 8006 Zürich,
und
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, Postfach 4358, 6002 Luzern,
Beigeladene, betreffend
Versicherungsleistungen Sachverhalt:
A.
Der 1984 geborene L. wurde am 31. Januar 2006 als Beifahrer bei einem Selbstunfall anlässlich einer Strolchenfahrt schwer verletzt (act. G 7.1/A1, G 7.2/M1- M9). Mit Schreiben vom 22. September 2006 gelangte sein Rechtsvertreter,
Dr. E. Mätzler, St. Gallen, an die Ersatzkasse UVG (Ersatzkasse) und fragte betreffend Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung an (act. G 7.3/6). Er machte geltend, sein Mandant habe im Monat vor dem Unfall umfangreiche und regelmässige Handwerkerleistungen beim Umbau eines Hauses für A. erbracht, und reichte verschiedene Unterlagen zu seinen Vorabklärungen bei der Arbeitslosenkasse und bei A. ein. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2007 hielt die Ersatzkasse fest, der Ansprecher habe aufgrund der Akten, besonders der Angaben von A. , nie für diesen gearbeitet, und verweigerte den Versicherungsschutz, weil die Bestimmungen gemäss Art. 1a UVG und Art. 1 UVV nicht erfüllt seien (act. G 7.3/24).
Gegen diese Verfügung liess der Ansprecher Einsprache erheben, weitere Unterlagen einreichen und die Ersatzkasse zu weiteren Abklärungen auffordern. Die Ersatzkasse wies die Einsprache mit Entscheid vom 7. April 2008 ab.
B.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 5. Mai 2008 mit den Anträgen, der Einspracheentscheid vom 7. April 2008 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Ersatzkasse UVG die gesetzlichen Leistungen nach dem Unfall des Beschwerdeführers vom 31. Januar 2006 zu erbringen habe, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Zur Begründung liess er anführen, nach dem Untersuchungsgrundsatz habe die Ersatzkasse den rechts erheblichen Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären. Die offerierten Beweise habe die Vorinstanz in völlig unzutreffender Weise antizipiert gewürdigt und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung klar verletzt.
Die Beschwerdegegnerin lässt sich im Beschwerdeverfahren durch Fürsprecher
R. W. Schleifer, Zürich, vertreten. Dieser beantragt mit Beschwerdeantwort vom 3. Juli 2008 die Abweisung der Beschwerde mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe seine Arbeitnehmereigenschaft nicht genügend geltend gemacht und sei damit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Die Beschwerdegegnerin bleibe dabei, dass weder die beantragten Zeugeneinvernahmen noch ein Augenschein geeignet seien, die Arbeitnehmereigenschaft des Beschwerdeführers hinreichend darzutun.
Replicando hielt der Beschwerdeführer an seinem Standpunkt und seinen Anträgen fest. Ergänzend wies er auf die sehr schweren Unfallfolgen, das über Wochen dauernde künstliche Koma und die damit verbundenen Erinnerungslücken hin. Er reichte weitere Unterlagen ein, darunter eine schriftliche Darstellung von B. der ebenfalls für A. gearbeitet habe, und beantragte dessen Einvernahme als Zeuge.
Mit Duplik vom 18. Dezember 2008 bestritt die Beschwerdegegnerin unter anderem die Gedächtnisprobleme des Beschwerdeführers und argumentierte gegen die übrigen, erst mit der Replik eingereichten Beweise.
C.
Mit Verfügung vom 25. März 2009 lud der Präsident des Versicherungsgerichts die Suva zum Prozess bei, da eine vorläufige Beurteilung der Beschwerde ergeben habe, dass in diesem Fall die Zuständigkeit für die Prüfung der Unterstellung unter das
Versicherungsobligatorium nicht bei der Ersatzkasse sondern bei der Suva gelegen hätte.
In der Stellungnahme vom 21. April 2009 führte die Suva aus, weder das Bundesrecht noch das Verfahrensrecht des Kantons St. Gallen kenne das Institut der Beiladung für das kantonale Prozessverfahren, weshalb die Suva nicht beigeladen werden könne. Streitgegenstand sei ausschliesslich die Leistungspflicht der Ersatzkasse, nicht diejenige der Suva. Die Leistungspflicht der Suva sei vom Verfahren nicht betroffen; das
instanzabschliessende Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen könne
gegenüber der Suva keinerlei Rechtswirkung entfalten.
D.
Auf die Begründungen in den einzelnen Rechtsschriften sowie den Inhalt der weiteren Akten wird, soweit entscheidnotwendig, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen:
1.
Mit Verfügung vom 25. März 2009 lud der Präsident des Versicherungsgerichts die Suva zum Prozess bei. Das Institut der Beiladung ist gemäss Rechtsprechung (BGE 134 V 306, 132 V 166 E. 3 S. 172, 130 V 501, 125 V 80 E. 8b S. 94f. sowie RKUV 2003
Nr. U 485 S. 253ff.) und Literatur (U. Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N 75-77 zu Art. 61 ATSG; Ch. Zünd, Die Beiladung im Sozialversicherungsprozess, in
R. Schaffhauser / F. Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2004, S. 35ff.;
F. Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 183f.) im
Sozialversicherungsprozess etabliert. Daher ist es unbeachtlich, dass es im Kanton
St. Gallen und bundesrechtlich für das kantonale Beschwerdeverfahren nicht gesetzlich geregelt ist, wie die Suva zutreffend ausführt. Gemäss BGE 130 V 501 wird die Rechtskraft des Urteils auch auf die Beigeladene ausgedehnt (E. 1.2 S. 502).
2.
Streitig ist vorliegend, ob der Beschwerdeführer vor dem Unfall vom 31. Januar 2006 als Arbeitnehmer von A. Arbeitsleistungen erbracht hat und ob daher, gestützt auf das Arbeitsverhältnis, gegenüber der Beschwerdegegnerin ein Anspruch auf Versicherungsleistungen besteht.
3.
Gemäss Art. 1a Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) sind alle in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer nach diesem Gesetz obligatorisch versichert. Als Arbeitnehmerin Arbeitnehmer gelten gemäss Art. 10 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) Personen, die in unselbständiger Stellung Arbeit leisten und dafür massgebenden Lohn nach dem jeweiligen Einzelgesetz beziehen. Laut Art. 1 der Verordnung über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) gilt als Arbeitnehmer, wer eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) ausübt (vgl. auch Erläuterungen zu den Änderungen der UVV vom 15. Dezember 1997 in RKUV 1998 S. 87). Für Personen, die in einem Betrieb gemäss Art. 66 UVG angestellt sind, besteht die Versicherung von Gesetzes wegen bei der Suva, für die übrigen Arbeitnehmenden muss durch die Arbeitgebenden bei einem Versicherer gemäss Art. 68 UVG eine Unfallversicherung nach UVG abgeschlossen werden. Ist keine Versicherung abgeschlossen worden und nicht die Suva für die Versicherung zuständig, erbringt gemäss Art. 73 UVG die Ersatzkasse die Versicherungsleistungen, sofern die verunfallte Person als Arbeitnehmerin Arbeitnehmer im Sinn von UVG und UVV gilt. Der Begriff des Arbeitnehmers der Arbeitnehmerin ist auch nach Inkrafttreten des ATSG ein sozialversicherungsrechtlich selbständiger Begriff und ist nicht identisch mit dem
Arbeitnehmerbegriff im Arbeitsvertragsrecht (Art. 319ff. des Bundesgesetzes betreffend
die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fünfter Teil: Obligationenrecht;
OR; SR 220]) im Arbeitsgesetz (Art. 1 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz [ArGV 1; SR 822.111]). Wohl ist jede Person, die einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, auch im Sinn des Sozialversicherungsrechts Arbeitnehmerin, der
sozialversicherungsrechtliche Begriff geht jedoch weit über den zivilrechtlichen Begriff hinaus (Th. Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl. 2003, S. 170f.; vgl. Kieser, a.a.O., N 5 zu Art. 10 ATSG).
Wer Versicherungsleistungen beansprucht, hat sich gemäss Art. 29 Abs. 1 ATSG beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form anzumelden. Die Unfallmeldung ist in Art. 45 UVG und Art. 53 UVV geregelt. Art. 43 ATSG hält die Abklärungspflicht der Versicherungsträger einerseits und die Mitwirkungspflicht der Beteiligten andererseits fest. Details zu den Mitwirkungspflichten in der Unfallversicherung regeln die Art. 54ff. UVV, die sich auf Art. 28f. ATSG stützen.Nach dem im Sozialversicherungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz hat die Behörde den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, ohne dabei an die Anträge der Parteien gebunden zu sein. Sie hat aus eigener Initiative vorzugehen und darf Parteivorbringen nicht mit der Begründung abtun, diese seien nicht belegt worden (Kieser, a.a.O., N 9 zu Art. 43 ATSG; A. Rumo-Jungo, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 3. Aufl. 2003,
S. 348; B. Kupfer Bucher, Das nichtstreitige Verwaltungsverfahren nach dem ATSG und seine Auswirkungen auf das AVIG, Diss. Freiburg 2006, S. 117). Die Untersuchungspflicht dauert gemäss Urteil des Bundesgerichts 9C_288/2008 vom
16. Mai 2008, E. 2, so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht (vgl. auch BGE 132 V 368 E. 5
S. 374). Zur Klärung des rechtserheblichen Sachverhalts sind (weitere) Abklärungsmassnahmen vorzunehmen zu veranlassen, wenn dazu auf Grund der Parteivorbringen anderer sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht, wobei alle Tatsachen rechtserheblich sind, von deren Vorliegen es abhängt, ob über den streitigen Anspruch so anders zu entscheiden ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts I 110/07 vom 25. Juni 2007, E. 4.2.2, mit
Hinweisen; BGE 117 V 282 E. 4a S. 282f.).
Das Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen verpflichtet den Richter, auf den festgestellten Sachverhalt jenen Rechtssatz anzuwenden, den er als den zutreffenden ansieht, und ihm auch die Auslegung zu geben, von der er überzeugt ist (GYGI, a.a.O., S. 212). Nach dem Rügeprinzip untersucht die Beschwerdeinstanz nur die vorgebrachten Beanstandungen und prüft nicht, ob sich die angefochtene Verfügung unter schlechthin allen in Frage kommenden Aspekten als korrekt erweist (GYGI, a.a.O., S. 214ff.).
Der Untersuchungsgrundsatz weist enge Bezüge zum Prinzip der freien Beweiswürdigung auf, welches auf Verwaltungs- und Gerichtsstufe in gleicher Weise gilt (vgl. Art. 61 lit. c in fine ATSG; Kieser a.a.O. N 33 zu Art. 43; vgl. BGE 124 V
90 E. 4b S. 94, 122 V 157 E. 1d S. 162): Führt die pflichtgemässe, umfassende und sachbezogene Beweiswürdigung ( BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) den Versicherungsträger das Gericht zur Überzeugung, der Sachverhalt sei hinreichend abgeklärt, darf von weiteren Untersuchungen (Beweismassnahmen) abgesehen werden. Ergibt die Beweiswürdigung jedoch, dass erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellungen bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteil des Bundesgerichts 9C_288/2008 vom 16. Mai 2008, E. 2).
Der aus Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV; SR 101) fliessende Anspruch auf rechtliches Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt er ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (vgl. BGE 122 V 157 E. 1
S. 158 mit Hinweisen). Dem Recht, Beweisanträge zu stellen, steht die Pflicht der Behörde zur Beweisabnahme gegenüber. Beweise sind im Rahmen dieses verfassungsmässigen Anspruchs indessen nur über jene Tatsachen abzunehmen, die für die Entscheidung der Streitsache erheblich sind. Auf weitere Beweisvorkehren kann auch dann verzichtet werden, wenn der Sachverhalt, den eine Partei beweisen will, nicht rechtserheblich ist, wenn bereits Feststehendes bewiesen werden soll, wenn von vornherein gewiss ist, dass der angebotene Beweis keine Klärungen herbeizuführen vermag, wenn die Behörde den Sachverhalt gestützt auf ihre eigene Sachkenntnis bzw. jene ihrer fachkundigen Beamten zu würdigen vermag ( BGE 104 V 209 E. a
S. 211 mit Hinweisen). In solchen Fällen kann auf ein beantragtes Beweismittel
verzichtet werden. Die damit verbundene antizipierte Beweiswürdigung stellt keinen
Verstoss gegen das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV dar (BGE 122 V 157 E. 1d
S. 162; BGE 119 V 335 E. 3c in fine S. 344 mit Hinweisen). 4.
Mit Schreiben vom 22. September 2006 machte Rechtsanwalt Mätzler für seinen Mandanten Versicherungsleistungen der Ersatzkasse geltend (act. G 7.3/6). Dabei wurde die Beschwerdegegnerin darauf hingewiesen, dass A. dazu tendiere, ein Arbeitsverhältnis in Abrede zu stellen. Es wurde daher beantragt, die betroffenen Personen einzuvernehmen. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 wiederholte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, A. werde das Arbeitsverhältnis wahrscheinlich leugnen, und präzisierte den Antrag auf Zeugenbefragung (act. G 7.3/13). Nachdem A. am 4. Oktober 2006 zunächst schriftlich zum Telefonanruf bei der Ersatzkasse aufgefordert (act. G 7.3/7) und danach am 27. November 2006 (act.
G 7.3/9) und 25. Mai 2007 (act. G 7.3/16) schriftlich gemahnt und auf die
(straf-)rechtlichen Folgen aufmerksam gemacht worden war, verneinte er im E-Mail vom 20. Juni 2007, den Beschwerdeführer mit Arbeiten (beim Umbau des Hauses seiner Eltern) betraut gehabt zu haben Inhaber irgendeiner Firma zu sein (act. G 7.3/18). Dem E-Mail vom 20. Juni 2007 war laut dessen Wortlaut offenbar ebenfalls am
20. Juni 2007 ein Telefongespräch ähnlichen Inhalts vorausgegangen, worüber die Akten keinerlei Aufzeichnung durch die Beschwerdegegnerin enthalten, trotz Aufzeichnungspflicht gemäss Art. 43 Abs. 1 ATSG. Nachdem der Anwalt von A. am
10. Juli 2007 unterschriftlich festhielt, Daniel Lippuner habe gegenüber A. nie Arbeitsleistungen erbracht und A. verfüge über keine Angestellten (act. G 7.3/21), entschloss sich die Beschwerdegegnerin, keine weiteren Abklärungen vorzunehmen und ihre Leistungspflicht für den Unfall des Beschwerdeführers vom 31. Januar 2006 abzulehnen. Indem die Beschwerdegegnerin wenig aktiv auf den behaupteten Arbeitgeber zuging und ihn nicht im persönlichen Gespräch und im Beisein des Beschwerdeführers bzw. seines Rechtsvertreters mit dessen Behauptungen konfrontierte, obwohl sie vom Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht worden war, dass A. vermutlich ein Arbeitsverhältnis leugnen werde, und damit seine Aussage und Glaubwürdigkeit in erhebliche Zweifel zog, verletzte sie ihre Untersuchungspflicht.
Bevor die Beschwerdegegnerin am 8. Oktober 2007 formell verfügte (act. G 7.3/24), gab sie dem Beschwerdeführer die geplante Ablehnung am 16. August 2007 im Sinn des rechtlichen Gehörs bekannt (act. G 7.3/23). Soweit aus den Akten ersichtlich, gingen dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Mitteilung vom
16. August 2007 und die Beilagen nicht zu, so dass er erst im Einspracheverfahren auf das E-Mail von A. 20. Juni 2007 und das Schreiben von dessen Rechtsanwalt vom
10. Juli 2007 reagieren konnte (act. G 7.3/26). Er tat dies postwendend in der Einsprache vom 16. Oktober 2007 und doppelte in der Einspracheergänzung vom
23. Januar 2008 nach (act. G 7.3/26 und 7.3/30). Wie bereits in der früheren Korrespondenz wies der Rechtsvertreter auf den zusätzlichen Abklärungsbedarf hin, beantragte diverse Zeugeneinvernahmen und einen Augenschein. Nachdem sie die Chance der persönlichen Befragung mit direkter Konfrontation von A. vor dessen Positionsbezug im E-Mail vom 20. Juni 2007 vertan hatte, hätte der Beschwerdegegnerin spätestens aufgrund der Eingaben im Einspracheverfahren klar werden müssen, dass weiterer Abklärungsbedarf bestand. Indem sie auf weitere Abklärungen verzichtete bzw. deren Ergebnis in antizipierter Beweiswürdigung vorwegnahm, verletzte sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör.
Angesichts der speziellen Situation des Beschwerdeführers mit teilweisen Erinnerungslücken, die von ihm glaubhaft gemacht wurden und weder aufgrund der Akten noch durch die Ausführungen der Beschwerdegegnerin widerlegt werden, und aufgrund der Tatsache, dass A. ein Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer in Abrede stellte, drängt sich ein Augenschein am Umbauobjekt C. mit gleichzeitiger Befragung des Beschwerdeführers und von A. sowie der Eigentümerschaft auf. Der Beschwerdegegnerin ist zwar darin beizupflichten, dass ein Augenschein als solcher keinen Aufschluss gibt über die rechtliche Qualifikation des Verhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und A. . Im vorliegenden Fall erscheint dieser jedoch als das geeignete Mittel, vor Ort die wesentlichen Fragen zu den jeweiligen Tätigkeiten, zur Materialbeschaffung, zur Planung und Kontrolle des Bauvorschritts usw. an die Kontrahenten zu stellen und ihre offenbar fehlende Erinnerung aufleben zu lassen. Ein solcher Augenschein am Umbauobjekt C. und die gleichzeitige Befragung des Beschwerdeführers und von A. sowie der Eigentümerschaft sind von der Beschwerdegegnerin nachzuholen, wozu die Streitsache an sie zurückzuweisen ist. Ob
im Lauf der weiteren Abklärungen die Strafakten des Kantonsgerichts betreffend Glaubwürdigkeit von A. beizuziehen sind, wie vom Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren ohne Opposition durch die Beschwerdegegnerin beantragt, hängt von diesen Abklärungen ab und kann daher an dieser Stelle offen bleiben.
Bereits aus den Unterlagen, die dem Anmeldungsschreiben vom 22. September 2006 beilagen (act. G 7.3/2-5, besonders act. G 7.3/3), und aus diesem selbst (act.
G 7.3/6), ist ersichtlich, dass - nach der Darstellung des Beschwerdeführers bzw. seiner Mutter - A. von letzterer Geld ausgeliehen worden war, damit er nachträglich eine Unfallversicherung für den Beschwerdeführer abschliesse. Aus den Akten ist nicht erkennbar, dass A. durch die Beschwerdegegnerin mit diesen Behauptungen konfrontiert wurde. Eine solche Konfrontation erfolgte auch nicht, als der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin mit der Einspracheergänzung vom
23. Januar 2008 die Kopie einer entsprechenden Schuldanerkennung einreichte (act. G 7.3/30/1). Zwar ist diese weder Beweis dafür, dass das Darlehen zur Bezahlung von Versicherungsprämien geleistet worden war, noch für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und A. . Die Schuldanerkennung ist jedoch als gewichtiger Hinweis für die Darstellung des Beschwerdeführers und seiner Mutter zu werten. Auch die Konfrontation von A. mit den Behauptungen des Beschwerdeführers betreffend Darlehen von dessen Mutter an A. zur Bezahlung der Versicherungsprämien ist durch die Beschwerdegegnerin nachzuholen.
In der Zusammenfassung der Krankengeschichte vom 1. März 2006 hielt Dr. med. D. , Abteilungsarzt am Rehabilitationszentrum Klinik Valens, unter Sozial- und Arbeitsanamnese fest, der Patient habe als Maurer/Hilfsarbeiter auf der Baustelle gearbeitet, keine Berufslehre abgeschlossen und die Lehre als Netzelektriker abgebrochen (act. G 7.2/M8). Für den zweiten Klinikaufenthalt in Valens brachte Abteilungsarzt Dr. med. E. am 11. April 2006 ebenfalls in der Zusammenfassung der Krankengeschichte zu Papier, der Patient habe keine Lehre abgeschlossen, sei Hilfsarbeiter und arbeite zum Teil temporär auf dem Bau, letztmals im Januar 2006
(act. G 7.2/M2). Es kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer bei diesen Antworten frei auf die Fragen der Ärzte antwortete und insbesondere nicht an die später strittige rechtliche Qualifikation seines Verhältnisses zu A. dachte. Die
Ausführungen des Beschwerdeführers gegenüber den Ärzten stellen ein weiteres Indiz für Arbeitsleistungen des Beschwerdeführers als Arbeitnehmer dar.
Alle Angaben, die der Beschwerdeführer zum behaupteten Arbeitsverhältnis machte, stellen konstant ein und denselben Sachverhalt dar, nämlich dass er im Dezember 2005 und Januar 2006 für A. Bauarbeiten am Wohnhaus von dessen Eltern ausgeführt hatte. Die verschiedenen Unterlagen enthalten, wie dargelegt, mehrere gewichtige Indizien für das geltend gemachte Arbeitsverhältnis zwischen A. und dem Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer gab der Beschwerdegegnerin mit dem Anmeldeschreiben vom 22. September 2006 mit Beilagen (act. G 7.3/2-6), dem Formular Unfallmeldung (act. G 7.3/12) und der Bestätigung über die korrekte Ausrichtung des Lohns bis zum Unfalltag (act. G 7.3/11), beide unterzeichnet am
7. Dezember 2006, sowie mit dem Schreiben vom 14. Dezember 2006 (act. G 7.3/13) alle Unterlagen, über die er verfügte und machte alle Angaben, die nach seinem Dafürhalten nötig waren, damit die Beschwerdegegnerin die weiteren Abklärungen vornehmen könne. Diese verlangte keine weiteren Angaben von ihm und befragte ihn auch nicht persönlich, obwohl sie, wie im Einspracheentscheid vom 7. April 2008 geltend gemacht, weitere Angaben benötigte. Der Vorwurf an den Beschwerdeführer, er habe in der Unfallmeldung ungenügende Angaben gemacht, ist demnach völlig ungerechtfertigt. Es liegt zudem keinerlei Hinweis vor, dass dieser eine konkrete Mitwirkung in irgendeiner Weise verweigert hätte. Im Gegenteil anerbot sich sein Rechtsvertreter wiederholt, an Abklärungen und Befragungen mitzuwirken. Die Beschwerdegegnerin verletzte ihre Untersuchungspflicht somit auch bezüglich weiterer Abklärungen beim Beschwerdeführer selbst.
Obwohl erst im Beschwerdeverfahren die schriftliche Aussage von B. vom
22. November 2008 (act. G 15.1/9) beigebracht wurde, ist die Streitsache auch zu dessen Befragung sowie zur Konfrontation des A. mit dessen Aussagen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Sollte sich im Lauf dieser Abklärungen herausstellen, dass A. mehrere Personen (den Beschwerdeführer und B. sowie allfällige weitere) als Arbeitnehmer beschäftigte, ist auch zu erheben, ob er einen (befristeten) Betrieb im Sinn von Art. 66 UVG führte. In diesem Fall wäre wegen allfälliger Versicherungspflicht bei der Suva die Zuständigkeit der Ersatzkasse gemäss
Art. 35 ATSG (erneut) zu überprüfen und die Sache allenfalls an die Suva zu
überweisen.
Der ebenfalls erst im Beschwerdeverfahren vom Beschwerdeführer eingereichte "Wochenrapport" der Kalenderwoche 3/2006 (act. G 15.1/7) ist lediglich ein Hinweis, dass der Beschwerdeführer vom 24. bis 28. Januar 2006, besonders am 25. und
26. Januar 2006, Arbeiten beim Umbau eines Privathauses als Verantwortlicher ausgeführt hatte, dass A. in irgendeiner Form beteiligt war sowie dass eine Person namens B. als seine Stellvertretung fungierte. Aus dieser Kopie ist nicht ersichtlich, ob es sich um ein Arbeits- Auftrags- bzw. Werkvertragsverhältnis handelte und welche rechtlichen Funktionen die namentlich genannten Personen innehatten. Ob es eine und welche Funktion dieses Papier im Laufe der nötigen weiteren Abklärungen durch die Beschwerdegegnerin erhält, kann an dieser Stelle offen bleiben.
5.
Zusammenfassend ist die Beschwerde unter Aufhebung des Einspracheentscheids vom 7. April 2008 gutzuheissen und die Sache zu ergänzenden Abklärungen im Sinn der vorstehenden Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG). Hingegen hat der obsiegende Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung für die Kosten der Vertretung und Prozessführung (Art. 61 lit. g ATSG). Diese ist, wie in gleichartigen Verfahren ohne mündliche Verhandlung, auf pauschal Fr. 3'500.-- (einschliesslich Bar auslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Beschwerde wird unter Aufhebung des Einspracheentscheids vom 7. April 2008 gutgeheissen und die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit pauschal Fr. 3'500.-- zu
entschädigen.
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