Zusammenfassung des Urteils ST.2015.34: Kantonsgericht
Ein Polizeibeamter hat bei einer Nachfahrkontrolle die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und einen unzureichenden Abstand eingehalten, um einen Verkehrsverstoss festzustellen. Das Gericht entschied, dass diese Verstösse gerechtfertigt und verhältnismässig waren, da sie im Rahmen der polizeilichen Aufgaben erfolgten. Die Videoaufzeichnung und das darauf basierende Gutachten waren daher nicht von einem Beweisverwertungsverbot betroffen. Der Richter entschied, dass die Verkehrsregelverletzungen des Beschuldigten als grob einzustufen sind und verurteilte ihn entsprechend.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | ST.2015.34 |
Instanz: | Kantonsgericht |
Abteilung: | Strafkammer und Anklagekammer |
Datum: | 27.10.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 14 StGB (SR 311.0), Art. 31 Abs. 1, Art. 141 Abs. 2 StPO (SR 312.0), Art. 6 |
Schlagwörter : | Verkehr; Verkehrs; Polizei; Polizeibeamte; Kanton; Geschwindigkeit; Kantons; Fahrzeug; Verkehrsregelverletzung; Abstand; Recht; Strasse; Strassen; Polizeibeamten; Verteidigung; Gefährdung; Fahrkontrolle; Höchstgeschwindigkeit; Gallen; Hinweis; Quot; Autobahn; Polizist; Fahrmessung; Fahrt; önne |
Rechtsnorm: | Art. 10 StPO ;Art. 12 VRV ;Art. 14 StGB ;Art. 141 StPO ;Art. 216 StPO ;Art. 3 VRV ;Art. 31 SVG ;Art. 31 StPO ;Art. 34 SVG ;Art. 57a SVG ;Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 104 IV 192; 120 IV 63; 121 IV 230; 124 II 97; 124 IV 34; 127 II 302; 131 IV 133; 132 II 234; 139 IV 128; |
Kommentar: | - |
741.01), Art. 3 PG (sGS 451.1). Gewisse Verkehrsregelverstösse sind im Rahmen einer Nachfahrkontrolle durch Polizeibeamte erlaubt und nicht strafbar, wenn sie verhältnismässig sind (E. II./2c). Im konkreten Fall waren das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit und teilweise Nichteinhalten eines ausreichenden Abstandes durch den Polizeibeamten anlässlich der Nachfahrmessung erforderlich bzw. verhältnismässig (E. II./3a/bb und 3b/ cc). Es bestehen keine Vorschriften, die vorsehen, dass ein Nachfahrmessgerät nur von einem Beifahrer bedient werden dürfte (E. II./3c/ cc). Im zu beurteilenden Fall hat der fahrende Polizeibeamte keine Verkehrsregelverletzung zufolge Bedienen des Nachfahrmessgeräts begangen (E. II./3c/cc). Dieser hat den Beschuldigten auch nicht zur Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit provoziert (E. II./4c). Schliesslich war die Kantonspolizei St. Gallen zur Verfolgung des Beschuldigten bzw. zur Nachfahrmessung örtlich zuständig (E. II./5b und c). Bei dieser Sachlage unterlagen die Videoaufzeichnung der Polizeibeamten und das darauf beruhende METAS-Gutachten keinem Beweisverwertungsverbot gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO (E. II./6) (Kantonsgericht, Strafkammer, 27. Oktober 2015, ST.2015.34).
Zum Sachverhalt und zur Prozessgeschichte:
X wird vorgeworfen, am 31. Januar 2014 um 11.35 Uhr einen Lieferwagen in Kenntnis der auf Autobahnen gesetzlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf der Autobahn A3 in Benken, Höhe Reichenburger Kreuz, in Fahrtrichtung Chur gelenkt zu haben. Dabei sei er mit einer rechtserheblichen Durchschnittsgeschwindigkeit von
170.9 km/h, somit 50 km/h schneller als erlaubt gefahren. Die Vorinstanz erklärte X der
groben Verkehrsregelverletzung schuldig. Die Strafkammer bestätigte diesen
Schuldspruch.
Aus den Erwägungen: II.
1. Aufgrund des METAS-Gutachtens vom 17. Oktober 2014 erstellt und letztlich unbestritten ist, dass X mit einer rechtserheblichen Durchschnittsgeschwindigkeit von
170.9 km/h und damit mehr als 50 km/h zu schnell gefahren ist. Die Verteidigung bringt allerdings vor, das durch den Polizisten im zivilen Polizeifahrzeug aufgezeichnete Videomaterial dürfe aufgrund des Beweisverwertungsverbotes gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO nicht verwertet werden. Der Polizist habe sich durch Überschreiten der höchstzulässigen Geschwindigkeit, durch zu geringen Abstand und durch das Bedienen des Nachfahrmessgerätes bei überhöhter Geschwindigkeit in mehrfacher Hinsicht strafbar gemacht. Das Verhalten des Polizisten sei unverhältnismässig und nicht nach Art. 14 StGB gerechtfertigt. Nach dem Gesagten stellt sich zunächst die Frage, ob die Videoaufzeichnung und das darauf abstützende METAS-Gutachten einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
2.a) Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich (Art. 141 Abs. 2 StPO).
Gesetzliche Grundlage für die Nachfahrkontrolle sind verschiedene Bestimmungen in der Strassenverkehrskontrollverordnung (SKV; SR 741.013) und in der Verordnung des ASTRA hiezu (VSKV-ASTRA; SR 741.013.1) einerseits sowie im Polizeigesetz des Kantons St. Gallen vom 10. April 1980 (PG, sGS 451.1) andererseits. Die Kontrolle des Verkehrs auf öffentlichen Strassen obliegt der nach kantonalem Recht zuständigen Polizei (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 SKV).
Die kantonalen Behörden richten die Kontrollen schwerpunktmässig unter anderem nach sicherheitsrelevantem Fehlverhalten (Art. 5 Abs. 1 SKV). Die Kontrollen erfolgen
stichprobenweise, systematisch im Rahmen von Grosskontrollen (Art. 5 Abs. 2 SKV). Nach Möglichkeit sind bei den Kontrollen technische Hilfsmittel einzusetzen (Art. 9 Abs. 1 SKV), insbesondere bzw. unter anderem (a) bei der Kontrolle der Geschwindigkeit. Geschwindigkeitskontrollen können gemäss Art. 6 lit. c Ziff. 2 VSKVASTRA unter anderem durchgeführt werden durch Nachfahren und Ermittlung der Geschwindigkeit durch einen Geschwindigkeitsvergleich zwischen den beiden Fahrzeugen (Nachfahrkontrolle; vgl. zum Ganzen BGer 6B_1025/2015 E. 2.3, zur Publikation vorgesehen).
Die Polizeikräfte wirken bei der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mit und treffen bei unmittelbarer Gefährdung Störung die unaufschiebbaren Massnahmen (Art. 12 lit. a PG). Sie überwachen und regeln den Verkehr auf öffentlichen Strassen gemäss der Gesetzgebung über den Strassenverkehr (Art. 12 lit. c PG) und unterstützen die Unfallund Verbrechensverhütung (Art. 12 lit. e PG). Weiter führt die Polizei Ermittlungen gemäss der Gesetzgebung über die Strafrechtspflege durch (Art. 12 lit. b PG). Dabei hat sie den für eine Straftat relevanten Sachverhalt festzustellen und namentlich Spuren und Beweise sicherzustellen und auszuwerten (Art. 12 lit. b PG i.V.m. Art. 306 Abs. 1 und 2 lit. a StPO). Polizeiliche Eingriffe müssen zur Wahrung Herstellung des gesetzmässigen Zustandes geeignet sein (Art. 3 Abs. 1 PG). Sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zweckes erforderlich ist (Art. 3 Abs. 2 PG). Sie dürfen nicht zu einem Nachteil führen, der in einem Missverhältnis zum verfolgten Zweck steht (Art. 3 Abs. 3 PG).
Gemäss Art. 14 StGB verhält sich rechtmässig, wer handelt, wie es das Gesetz gebietet erlaubt, auch wenn die Tat nach diesem einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts können sich Polizeibeamte, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Rechtsverletzungen begehen, allerdings dann nicht auf Art. 14 StGB berufen, wenn ihr Handeln unverhältnismässig ist. Das Handeln der Polizeibeamten muss mit andern Worten zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein, und das beeinträchtigte Rechtsgut sowie das Ausmass der Rechtsgutverletzung müssen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen (vgl. BGer 6B_1025/2015 E. 2.3 mit Hinweis auf BGer 6B_1006/2013 E. 4.3, 6B_288/2009 E. 3.5 und 6B_20/2009 E. 4.4.2). Bei der
Nachfahrkontrolle eines Fahrzeuglenkers, der mit übersetzter Geschwindigkeit fährt,
kommen die Polizeibeamten gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darum herum, ihrerseits die Vorschriften betreffend die zulässige Höchstgeschwindigkeit und allenfalls weitere Vorschriften (beispielsweise betreffend das Gebot des Linksüberholens) zu missachten. Solche Verstösse im Rahmen einer Nachfahrkontrolle sind erlaubt und daher nicht strafbar, wenn sie im genannten Sinne verhältnismässig sind (BGer 6B_1025/2015 E. 2.4).
3. a/aa) Die Verteidigung macht geltend, die vom Polizisten durch Überschreiten der höchstzulässigen Geschwindigkeit begangene Verkehrsregelverletzung sei in keiner Art und Weise verhältnismässig. Der Polizeibeamte hätte X auch lediglich aufgrund seiner Wahrnehmung und damit ohne gefährliche Nachfahrmessung zur Anzeige bringen können. Erfahrungsgemäss attestiere die Rechtsprechung den Polizisten ein geschultes Auge, mit welchem sie eher Straftaten wahrnehmen könnten als private Personen.
bb) Dass der Polizeibeamte, der vorliegend die Nachfahrmessung durchführte, seinerseits in vergleichbarer Weise die Höchstgeschwindigkeit gemäss Art. 90 SVG
i.V.m. Art. 4a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) überschritten hat, ist offensichtlich und ergibt sich wie erwähnt bereits aus der Natur einer Nachfahrkontrolle. Es ist indes nicht ersichtlich, dass der Polizeibeamte eine (wesentlich) erhöhte Gefährdungslage herbeiführte. So blieb der Polizeibeamte stets hinter dem Fahrzeug von X. Bei deutlichen Geschwindigkeitsübertretungen liegt denn auch ein wesentlicher Teil der Gefährdung darin, dass andere Verkehrsteilnehmer durch das unerwartet schnell kommende Fahrzeug überrascht werden und ihr eigenes Fahrverhalten nicht mehr rechtzeitig danach ausrichten können. Dieses Risiko wurde durch das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit durch den Polizisten nicht wesentlich erhöht. Gemäss den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz fand die Nachfahrkontrolle zudem um die Mittagszeit, mithin bei Tageslicht, und auf einem gut überschaubaren Autobahnabschnitt statt. Die Sicht war unstrittig gut, die Fahrbahn trocken und es herrschte ein normales Verkehrsaufkommen.
Nicht gefolgt werden kann sodann der Auffassung der Verteidigung, der Polizeibeamte hätte X lediglich aufgrund seiner Wahrnehmung anzeigen können. Die Verteidigung verkennt dabei einerseits, dass Art. 9 Abs. 1 lit. a SKV ausdrücklich vorsieht, dass bei
der Kontrolle der Geschwindigkeit „nach Möglichkeit“ technische Hilfsmittel einzusetzen sind. Andererseits übersieht sie, dass sich der Polizeibeamte vom Ausmass der Geschwindigkeitsüberschreitung des wegfahrenden Fahrzeugs keinen Eindruck hätte machen können, wenn er diesem nicht mit übersetzter Geschwindigkeit gefolgt wäre. Auch aus diesem Grund war die Nachfahrt und die damit verbundene Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Polizeibeamten erforderlich.
Insgesamt erweist sich das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit durch den Polizeibeamten als erforderlich respektive verhältnismässig.
b/aa) Weiter macht die Verteidigung geltend, auch die Verkehrsregelverletzung durch zu geringen Abstand stehe einer Verwertung des Videomaterials entgegen. Die Verteidigung stellt dabei anhand eines Bildausschnitts Berechnungen an, wonach der Polizeibeamte bei einer Geschwindigkeit von 169 km/h nur einen Abstand von 51 Meter eingehalten habe. Die Regeln „halber Tacho“ und „2 Sekunden Abstand“ seien somit nicht eingehalten worden.
bb) Gemäss Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern ausreichender Abstand zu wahren, namentlich beim Kreuzen und Überholen sowie beim Nebenund Hintereinanderfahren. Der Fahrzeugführer hat beim Hintereinanderfahren einen ausreichenden Abstand zu wahren, so dass er auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig halten kann (Art. 12 Abs. 1 VRV). Was unter einem "ausreichenden Abstand" im Sinne von Art. 34 Abs. 4 SVG zu verstehen ist, hängt von den gesamten Umständen ab. Dazu gehören unter anderem die Strassen-, Verkehrsund Sichtverhältnisse sowie die Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge. Die Rechtsprechung hat keine allgemeinen Grundsätze zur Frage entwickelt, bei welchem Abstand in jedem Fall, d.h. auch bei günstigen Verhältnissen, eine einfache Verkehrsregelverletzung anzunehmen ist. Im Sinne von Faustregeln wird für Personenwagen auf die Regel "halber Tacho" (entsprechend 1,8 Sekunden) und die "Zwei-Sekunden"-Regel abgestellt (zum Ganzen BGE 131 IV 133 E. 3.1 mit Hinweisen). Diese Distanz entspricht ungefähr der Anhaltestrecke bei plötzlichem ordnungsgemässem Bremsen und Anhalten des vorausfahrenden Personenwagens (BGE 104 IV 192 E. 2b). Für die Beurteilung, ob eine grobe Verkehrsregelverletzung anzunehmen ist, wird auf Autobahnen als Richtschnur die Regel "1/6-Tacho" bzw.
Abstand von 0,6 Sekunden herangezogen (BGE 131 IV 133 E. 3.2.2; vgl. zum Ganzen BGer 6B_92/2015 E. 1.3.1 mit Hinweis auf BGer 6B_593/2013 E. 2.3.2, 6B_127/2012 E. 3.1 und 6B_1014/2010 E. 3.5).
cc) Vorliegend beziehen sich die Berechnungen der Verteidigung auf den Zeitpunkt während der Videoaufnahme, in welchem das Fahrzeug des Polizeibeamten den deutlich kürzesten Abstand zum Fahrzeug von X hatte. Dennoch kann im Zweifel (mithin zugunsten von X; vgl. Art. 10 Abs. 3 StPO) nicht ausgeschlossen werden, dass der Polizeibeamte den gemäss Art. 34 Abs. 4 SVG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 VRV erforderlichen Mindestabstand zeitweilig nicht eingehalten hat. Allerdings hat er den Abstand, wie sich aus der Videoaufnahme unzweifelhaft ergibt, in keinem Zeitpunkt in einem Mass unterschritten, das die Annahme einer groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG zuliesse. Derartiges wird denn auch von der Verteidigung zu Recht nicht geltend gemacht. Damit steht wenn überhaupt höchstens eine einfache Verkehrsregelverletzung durch teilweise zu geringen Abstand im Raum. Selbst wenn man eine solche bejahen wollte, wäre ein entsprechender Verstoss im Rahmen einer Nachfahrkontrolle verhältnismässig, nachdem wie erwähnt von guten Strassen-, Verkehrs-, Sichtund Wetterverhältnissen auszugehen (vgl. vorstehend E. II.3.a.bb) und keine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszumachen ist (vgl.
BGer 6B_1025/2015 E. 2.4, wo gar ein Rechtsüberholen seitens der Polizeibeamten im
Rahmen einer Nachfahrkontrolle als verhältnismässig betrachtet wurde).
c/aa) Schliesslich bringt die Verteidigung vor, ein Beweisverwertungsverbot müsse allein aufgrund der Tatsache bestehen, dass das Nachfahrmessungsgerät gemäss interner Weisung der zürcherischen Polizei nur vom Beifahrer bedient werden dürfe. Bediene der Fahrer das Gerät selber, so mache er sich einer Verkehrsregelverletzung nach Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 VRV strafbar.
bb) Der Fahrzeuglenker muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV). Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV). Er hat ferner dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit insbesondere durch Tonwiedergabegeräte sowie Kommunikations-
und Informationssysteme nicht beeinträchtigt wird (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VRV). Das Mass der Aufmerksamkeit, die der Fahrzeugführer nach Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden hat, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 127 II 302 E. 3c; 122 IV 225 E. 2b; 120 IV 63 E. 2a). Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 VRV durch die Verwendung von Kommunikationsund Informationssystemen liegt nur vor, wenn die Aufmerksamkeit dadurch auch tatsächlich beeinträchtigt wird (vgl. BGE 120 IV 63 E. 2c). Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV untersagt demgegenüber explizit jede die Fahrzeugbedienung erschwerende Verrichtung. Gesetz und Verordnung gehen mithin davon aus, dass bestimmte Verrichtungen an sich die notwendige Beherrschung des Fahrzeugs beeinträchtigen und dadurch im Sinne eines Gefährdungsdelikts stets zumindest eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer schaffen (BGE 120 IV 63 E. 2a). Der Fahrzeuglenker muss das Lenkrad mindestens mit der einen Hand halten (Art. 3 Abs. 3 VRV) und hat so die andere, wenn sie nicht zum Lenken gebraucht wird, für Handgriffe wie die Betätigung der Warnsignale, der Richtungsanzeiger, gegebenenfalls des Schalthebels, der Scheibenwischer, des Lichtschalters und dergleichen zur Verfügung. Ob eine Verrichtung das Lenken einen dieser Handgriffe erschwert bzw. verunmöglicht, hängt grundsätzlich von der Art der Verrichtung, dem Fahrzeug und der Verkehrssituation ab. Dauert eine solche Verrichtung nur sehr kurz und muss dabei weder der Blick vom Verkehr abgewendet noch die Körperhaltung geändert werden, so kann eine Erschwerung der Fahrzeugbedienung in der Regel verneint werden. Ist die Verrichtung jedoch von längerer Dauer erschwert sie in anderer Weise die nötigenfalls sofortige Verfügbarkeit der sich nicht am Lenkrad befindlichen Hand, so ist die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise behindert ( BGE 120 IV 63 E. 2d; vgl. zum Ganzen BGer 6B_1183/2014 E. 1.3).
cc) Vorliegend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass weder in den einschlägigen Verordnungen (namentlich SKV und VSKV-ASTRA) und in den Weisungen des Bundesamts für Strassen vom 22. Mai 2008 über polizeiliche Geschwindigkeitskontrollen und Rotlichtüberwachung im Strassenverkehr noch in der Dienstvorschrift „Geschwindigkeitskontrollen“ des Polizeikommandos des Kantons
St. Gallen vom 1. Juli 2012 vorgesehen ist, ein Nachfahrmessgerät (hier SAT-SPEED
G2) dürfte nur von einem Beifahrer bedient werden. Im Kanton St. Gallen kommt es denn auch immer wieder vor, dass Polizeibeamte alleine mit einem Einsatzfahrzeug unterwegs sind. Gemäss Auskunft des Fachbereichsverantwortlichen "Technik mobil" der Kantonspolizei St. Gallen, Verkehrspolizei, ist das Bedienpanel des Messgerätes in einer Halterung fixiert. Um eine Messung zu starten und richtig zu beenden, müssten
„minimal“ zwei Knöpfe bedient werden (Messstart und Messende). Ein geübter Messbeamter könne diese Knöpfe beinahe blindlings bedienen. Die Ablenkung sei minimal, nicht mehr, als wenn am Radio der Sender gewechselt an der Heizung / Klimaanlage die Einstellungen geändert würden. Es besteht kein Anlass, an diesen Ausführungen zu zweifeln, zumal auch im METAS-Gutachten erwähnt wird, die Bedienung sei „etwa vergleichbar mit der Bedienung der Lüftung des Radios an einem Fahrzeug“. Dass der Blick in relevanter Weise vom Verkehr abgewandt werden gar die Körperhaltung geändert werden müsste, ist demgemäss zu verneinen. Aus der Videoaufnahme ergeben sich denn auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrzeugbedienung aufgrund der kurzen Verrichtung in verkehrsrelevanter Weise erschwert gewesen wäre der Polizeibeamte für die wie erwähnt normale - Verkehrssituation (vgl. hierzu oben E. II.3.a.bb) nicht die erforderliche Aufmerksamkeit aufgebracht hätte. Insbesondere fiel er nicht durch eine besondere Fahrweise auf. Dass sich der Polizeibeamte einer (einfachen) Verkehrsregelverletzung strafbar gemacht hätte, ist nach dem Gesagten zu verneinen. Selbst wenn man dies entgegen den vorstehenden Erwägungen bejahen wollte, erwiese sich ein entsprechender Verstoss im Rahmen einer Nachfahrkontrolle angesichts der guten Strassen-, Verkehrs-, Sichtund Wetterverhältnissen und der fehlenden, konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer im Übrigen als verhältnismässig. Es kann hierfür auf die Ausführungen in E. II.3.b.cc verwiesen werden.
Auch eine gesamthafte Betrachtung der Umstände, d.h. dass der Polizeibeamte mit stark erhöhter Geschwindigkeit und knappem Abstand zum vorderen Fahrzeug ein Messgerät bediente, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Verhalten des Polizeibeamten war insgesamt zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sowie erforderlich und stand in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verfehlung von X zum Zeitpunkt der Einleitung der Nachfahrkontrolle nicht bereits abgeschlossen war, sondern fortdauerte. Die Nachfahrkontrolle diente damit nicht (allein) der Identifikation
von X, sondern der Erkennung und Ermittlung der sich im Gange befindlichen groben Verkehrsregelverletzung (vgl. zur Massgeblichkeit dieses Gesichtspunkts vgl.
BGer 6B_1025/2015 E. 2.4). Die Nachfahrt war in diesem Sinne darauf ausgerichtet,
eine erhebliche Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu dokumentieren.
Wesentlich ist letztlich auch bei einer Gesamtschau, dass die Nachfahrt des Polizeibeamten angesichts der Verhältnisse keine derartige Gefährdung verursachte, dass das Strafverfolgungsinteresse davor zurücktreten müsste. Denn trotz der hohen Geschwindigkeit und des knappen Abstandes erfolgte die Nachfahrt, wie sich aus der Videoaufnahme mit aller Deutlichkeit ergibt, ausgesprochen kontrolliert, ohne konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und überdies bei guten Strassen-, Verkehrs-, Sichtund Wetterverhältnissen. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt denn auch entscheidend von anderen Fällen, in denen das Verhalten von Polizeibeamten als unverhältnismässig einzustufen war. Das gilt namentlich in Bezug auf die drei von der Verteidigung erwähnten Bundesgerichtsentscheide. So schloss der Polizeibeamte in BGer 6B_20/2009 „weniger als 18 Meter“ zum vor ihm fahrenden Personenwagen auf, bedrängte diesen und beschleunigte sein Auto anschliessend auf eine Geschwindigkeit von 186 km/h, wobei im Bereich mit einer maximal zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs noch immer 162 km/h betrug. Der Abstand war, ausgehend von einer Geschwindigkeit von 120 bis 125 km/h, derart gering, dass dem Polizisten diesbezüglich - und damit anders als im vorliegenden Fall eine grobe Verkehrsregelverletzung vorzuwerfen war. Ebenfalls auf eine grobe Verkehrsregelverletzung war in BGer 6B_288/2009 zu erkennen, wo der fragliche Polizeibeamte „in dichtem Morgenverkehr“ mit dem Einhalten eines Abstands von zwischen 5 und 14 Metern bei einer Geschwindigkeit zwischen 113 und 135 km/h den erforderlichen Abstand „sehr deutlich“ unterschritten hatte. Zudem ging es in diesem Fall nur noch um die Identifizierung des fehlbaren Lenkers, dessen Verfehlungen zum Zeitpunkt der Einleitung der Verfolgungsfahrt bereits abgeschlossen gewesen waren. Letzteres war auch in BGer 6B_1006/2013 der Fall. Darin überschritt eine Polizeibeamtin innerorts (!) an einer beidseits überbauten Hauptstrasse im Bereich von Schulweg, zwei Bushaltestellen und zwei Einmündungen, mithin mit grossem Gefahrenpotenzial, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 61 km/h, wobei die Strasse zusätzlich nass war.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Verhalten des Polizeibeamten unter den gegebenen Umständen verhältnismässig und damit nach Art. 14 StGB gerechtfertigt war. Dass der Polizeibeamte weder das Blaulicht noch das Wechselklanghorn eingeschaltet hatte, ist im Übrigen unerheblich, da vorliegend gemäss den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz keine dringliche Dienstfahrt (Art. 100 Ziff. 4 SVG) zur Diskussion steht. Liegt keine dringliche Dienstfahrt vor, so steht der beschuldigten Person grundsätzlich weiterhin die Berufung auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB offen (BGer 6B_1025/2015 E. 3.2 mit Hinweis auf BGer 6B_20/2009 E. 4.4.2 und 6B_288/2009 E. 3.5). Verkehrsregelverletzungen durch Polizeibeamte sind auch in Fällen, in denen, wie etwa bei Nachfahrkontrollen, weder Blaulicht noch Wechselklanghorn eingesetzt werden, gestützt auf Art. 14 StGB und allenfalls kantonales Polizeirecht erlaubt und somit nicht strafbar, wenn die Verkehrsregelverletzung im Rahmen der Erfüllung polizeilicher Aufgaben erfolgt und wie vorliegend verhältnismässig ist (BGer 6B_1025/2015 E. 3.2). Fehl geht angesichts dessen auch der Einwand, der Polizist wäre bei einer Verkehrskontrolle durch die Kantonspolizei Glarus verurteilt worden und es dürfe sich nicht negativ auf das vorliegende Verfahren auswirken, dass der zuständige Staatsanwalt kein Strafverfahren eröffnet habe. Vielmehr hätte sich der Polizeibeamte in einem entsprechenden Verfahren ebenfalls erfolgreich auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB berufen können.
4.a) Sodann macht die Verteidigung geltend, X sei auf der Autobahn A53 seit der Auffahrt in Schmerikon von einem ihm folgenden Auto bedrängt worden. In der Folge habe X die Geschwindigkeit auf ungefähr 110 km/h reduziert, in der Hoffnung, dass der ihm nah auffahrende Lenker des ihm folgenden Autos zum Überholen ansetzen würde. Dies sei in der Folge nicht geschehen, weshalb X sein Auto bei der Auffahrt auf die A3 beschleunigt habe. Nachdem das nach ihm fahrende Fahrzeug nicht von ihm liess, habe er weiter beschleunigt, um einen sicheren Abstand zu dem ihm folgenden Fahrzeug zu erlangen. X habe seit Beginn des Verfahrens immer wieder darauf hingewiesen, dass er sich vom nachfolgenden Lenker bedrängt gefühlt und beschleunigt habe, um Abstand zu dem ihm zu nah auffahrenden Auto zu erhalten. Der die Nachfahrmessung ausführende Polizist könne somit als „agent provocateur“ bezeichnet werden, welcher massgeblich auf den Entschluss von X zur Ausführung der Geschwindigkeitsüberschreitung eingewirkt habe. Der Polizist habe mit seinem
Verhalten unnötigerweise provoziert. Das daraus erhobene Beweismaterial dürfe auch unter diesem Aspekt nicht verwertet werden. Das X belastende Videomaterial zeige nur diejenigen Sequenzen, welche X belasten würden. Die Sequenzen, welche sich unmittelbar vor und nach der hier relevanten Verkehrsregelverletzung von X abgespielt hätten, seien entweder gelöscht nicht aufgezeichnet worden.
b) Ein "agent provocateur" „Lockspitzel“ wirkt tatprovozierend auf eine Zielperson ein. Er wird damit zum Anstifter für eine Straftat, um den Provozierten schliesslich bei der Tatausführung zu überführen. Derartige Methoden sind unredlich, verstossen gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit sowie gegen die Maxime der Fairness bzw. des gerechten Verfahrens (BGE 124 IV 34 E.3.d.aa; BSK StPO-Knodel, Art. 293 N 6).
c) Die Darstellung von X, er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit wegen angeblich provozierenden Verhaltens des Polizeibeamten überschritten, erweist sich als Schutzbehauptung. In diesem Zusammenhang fällt insbesondere auf, dass X entgegen der Darstellung der Verteidigung gerade nicht von Beginn weg aussagte, er sei bedrängt worden. Gegenteils antwortete er unmittelbar nach der Fahrt anlässlich der ersten polizeilichen Einvernahme vom 31. Januar 2014 auf die Frage, warum er die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe, wie folgt: „Ich war mit den Gedanken an einem anderen Ort. Mein Hund ist an Krebs erkrankt. Den Bescheid habe ich erst gerade vorher erhalten. Das ist der 5. Hund innerhalb von 1½ Jahren.“ X führte die Geschwindigkeitsüberschreitung mithin auf Gedankenlosigkeit respektive seine seelische Belastung wegen der Krebserkrankung seines Hundes zurück. Demgegenüber erwähnte er mit keinem Wort, dass er sich im Verkehr bedrängt verfolgt gefühlt hatte. Dies behauptete erst nachträglich im Rahmen der Einvernahme vom 6. November 2014, nachdem er gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben und eine private Verteidigung beigezogen hatte. Entsprechend ist von einer nachgeschobenen Schutzbehauptung auszugehen, zumal X auch bei dieser Einvernahme von sich aus zunächst die Krebserkrankung seines Hundes und die damit verbundene Panik bzw. seine Existenzängste und erst danach das angebliche Fehlverhalten des Polizeibeamten erwähnte. Es liegen denn auch keinerlei Hinweise vor, dass der Polizeibeamte, der die Nachfahrmessung durchführte, in irgendeiner Hinsicht auf X eingewirkt und dessen Tatentschluss geweckt verstärkt hätte. Im
Gegenteil zeigt die Videoaufnahme, dass es X war, der nach der Einfahrt auf die A3 von der rechten Spur sofort auf die Überholspur wechselte und massiv beschleunigte, anstatt sich hinter dem vor ihm fahrenden Audi in den Verkehr einzureihen. X machte denn auch in der Folge keinerlei Anstalten, wieder auf die Normalspur zurück zu wechseln.
Offen gelassen werden kann bei diesem Ergebnis, ob ein aufdringliches Verhalten im Strassenverkehr überhaupt als Anstiftung in Frage käme. Denn sofern eine drängelnde Fahrweise keinen geradezu nötigenden Charakter aufweist, erscheint diese kaum geeignet, den Tatentschluss zu einer derart massiven Geschwindigkeitsüberschreitung zu wecken, wenn X die Bereitschaft dazu nicht bereits in sich trägt.
5.a) Schliesslich macht die Verteidigung geltend, die Nachfahrmessung sei auf einem Strassenabschnitt durchgeführt worden, welcher sich auf Schwyzer und Glarner Kantonsgebiet befinde und auf welchem die Zuständigkeit des St. Galler Polizisten nicht gegeben gewesen sei.
Die Kantone haben von Bundesrechts wegen im Hinblick auf eine effiziente Erfüllung der Aufgaben für den Polizeidienst Zuständigkeitsabschnitte zu bilden (Art. 57a Abs. 1 SVG). Die zuständige Autobahnpolizei besorgt auf ihrem Abschnitt unabhängig von den Kantonsgrenzen den Ordnungsund Sicherheitsdienst und die polizeiliche Fahndung sowie bei Straftaten jeder Natur die unaufschiebbaren Massnahmen, die auf Autobahngebiet vorzunehmen sind. Sie veranlasst bei Straffällen unverzüglich die Organe des Gebietskantons zu den weiteren Massnahmen (Art. 57a Abs. 2 SVG). Die Gerichtsbarkeit des Gebietskantons und die Anwendung seines Rechts bleiben vorbehalten (Art. 57a Abs. 3 SVG). Die Regierungen der beteiligten Kantone regeln die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus der Polizeitätigkeit im Gebiet des Nachbarkantons (Art. 57a Abs. 4 SVG).
Gestützt auf Art. 57a Abs. 4 SVG bzw. den ursprünglichen, gleich lautenden aArt. 57bis Abs. 4 SVG haben der Regierungsrat des Kantons Glarus und der Regierungsrat des Kantons St. Gallen die Vereinbarung vom 27. Dezember 1973 zwischen den Kantonen Glarus und St. Gallen über die Ausübung der Autobahnpolizei auf der N 3 von der Kantonsgrenze Bilten bis zum Anschlusswerk Doggen (sGS 711.52) geschlossen.
Danach besorgt die Kantonspolizei des Kantons Glarus auf dem hier relevanten Abschnitt der Autobahn von der Kantonsgrenze in Bilten GL bis zum Anschlusswerk Doggen SG den Verkehrs-, Ordnungsund Sicherheitsdienst, die polizeiliche Fahndung sowie in kriminalpolizeilicher Hinsicht die unaufschiebbaren Massnahmen (Art. 1 Abs. 1). Allerdings können sich derartige Vereinbarungen gemäss Botschaft des Bundesrates vom 16. September 1966 an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr „nicht auf bundesrechtlich geordnete Fragen (z. B. Zuständigkeit, Art. 346 ff. StrGB) beziehen“ (BBl 1966 II 332 ff., 337). Seit dem 1. Januar 2011 wird diese örtliche Zuständigkeit nicht mehr durch das Strafgesetzbuch, sondern durch die
Art. 31 ff. StPO (3. Kapitel: Gerichtsstand) geregelt. Danach sind für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist (Art. 31 Abs. 1 StPO). Aus den Satellitenkoordinaten zu Beginn und am Ende der Nachfahrmessung ergibt sich, dass die vorliegend zu beurteilende Tathandlung ihren Anfang im Kanton St. Gallen nahm bzw. sich grossmehrheitlich auf dessen Kantonsgebiet abspielte. Entsprechend waren die St. Galler Strafverfolgungsbehörden und damit auch die Kantonspolizei St. Gallen zur Verfolgung zuständig. Das zeigt sich im Übrigen auch daran, dass die Kantonspolizei des Kantons Glarus laut Vereinbarung bei Straffällen unverzüglich die Untersuchungsorgane des Kantons St. Gallen und damit gerade die hier von sich aus aktiv gewordene Kantonspolizei St. Gallen zu orientieren hat (Art. 4 Abs. 2).
Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die örtliche Zuständigkeit aufgrund der Vereinbarung zwischen den Kantonen Glarus und St. Gallen allein bei der Kantonspolizei des Kantons Glarus läge, würde sich nichts ändern. So ist die Kantonspolizei St. Gallen in dringenden Fällen gestützt auf Art. 216 Abs. 1 StPO zur Nacheile auf das Gebiet einer andern Gemeinde eines anderen Kantons berechtigt. Erst recht ist sie damit zur Nacheile auf einem Autobahnabschnitt befugt, der aufgrund einer interkantonalen Vereinbarung nicht in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich, jedoch auf ihrem Kantonsgebiet liegt. Schliesslich ist mit Blick auf die frühere bundesgerichtliche bzw. kantonale Praxis (BGer vom 10. Dezember 1987, in: ZBl 9/1989 S. 418 ff.; OGer TG vom 8. April 2010, in: SJZ 2012 S. 123 f.)
sowie die Lehre (BSK SVG-Weissenberger, Art. 57a N 8) und in Anbetracht der neuesten Rechtsprechung zu Art. 141 Abs. 3 StPO (BGE 139 IV 128) davon
auszugehen, dass die Nachfahrmessung bzw. die Videoaufzeichnung selbst dann verwertbar wäre, wenn man entgegen sämtlichen vorstehenden Ausführungen annehmen wollte, sie sei in Verletzung der Zuständigkeitsordnung erlangt worden.
6. Zusammenfassend ergibt sich, dass weder die Videoaufzeichnung noch das darauf beruhende Gutachten einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.
7.a) Gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft in Kauf nimmt. Der Tatbestand ist nach der Rechtsprechung objektiv erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerwiegender Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung Verletzung voraus (BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen).
Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG ein rücksichtsloses sonst schwerwiegend verkehrswidriges Verhalten, das heisst ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Diese ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt. In solchen Fällen ist grobe Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht (BGE 131 IV 133 E. 3.2 mit Hinweisen).
Nach ständiger Rechtsprechung sind die objektiven und grundsätzlich auch die subjektiven Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG ungeachtet der konkreten Umstände zu bejahen, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen um 35 km/h mehr überschritten wird (BGE 132 II 234 E. 3.1 S. 237 f. mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen statt vieler BGer 6B_104/2012 E. 2.2 und 6B_772/2010 E. 2.3).
b/aa) Wie eingangs erwähnt ist aufgrund der Videoaufzeichnung respektive des
METAS-Gutachtens vom 17. Oktober 2014 erstellt und letztlich unbestritten, dass X mit einer rechtserheblichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 170.9 km/h und damit mehr als 50 km/h zu schnell gefahren ist. Bei den Vorschriften über die Geschwindigkeit handelt es sich um grundlegende Verkehrsregeln. Sie sind wesentlich für die Sicherheit des Strassenverkehrs (BGE 121 IV 230 E. 2c). Entsprechend ist im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung objektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG zu bejahen (vgl. auch BGer 6B_534/2008 E. 2.6 und 6S. 477/2004 E. 2).
bb) Sodann ist der Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. X ist wie erwähnt um mehr als 50 km/h zu schnell gefahren. Wer die Höchstgeschwindigkeit in derart massiver Weise überschreitet, handelt in aller Regel vorsätzlich mindestens grobfahrlässig (BGer 6B_193/2008 E. 2.3 mit Hinweisen). Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher ist Rücksichtslosigkeit subjektiv zu bejahen, sofern keine besonderen Gegenindizien vorliegen (BGer 6B_104/2012 E. 2.4 und BGer 6B_361/2011 E. 3.1 mit Hinweis). Solche entlastenden Umstände hat das Bundesgericht bei der Mehrheit der Geschwindigkeitsüberschreitungen verneint (vgl. BGer 6B_104/2012 E. 2.4 und die Hinweise in BGer 6B_148/2012 E. 1.3 sowie 6B_361/2011 2011 E. 3, 6B_893/2010 E.
3.3.3 und 6B_193/2008 E. 2.3) und sind auch vorliegend nicht ersichtlich. Das gilt auch in Bezug auf die von X behauptete Belastung zufolge der Krebserkrankung seines Hundes, zumal sich X gemäss eigenen Angaben bewusst war, dass er „in diesem Moment nicht hätte Autofahren dürfen“ (vgl. BGer 6B_104/2012 E. 2.4 mit Hinweis auf BGE 124 II 97 E. 2d, wo sich die Beschuldigte auf dem Heimweg von einer für sie emotional stark belastenden - Sterbebegleitung für einen todkranken Freund [AIDS im Endstadium] befand; gemäss Bundesgericht wäre angesichts der emotional starken Belastung eine besonders vorsichtige Fahrweise angezeigt gewesen). Vielmehr hat sich X mit seiner massiven Geschwindigkeitsüberschreitung rücksichtslos über die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt und sich gleichgültig gegenüber fremden Rechtsgütern gezeigt.
cc) Dass der (einschlägig vorbestrafte) X gemäss eigenen Angaben durch eine Verurteilung besonders hart getroffen würde, ändert an der Strafbarkeit im Übrigen nichts, sondern ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
8. Zusammenfassend hat die Vorinstanz X zu Recht der groben Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG schuldig erklärt. Die Berufung erweist sich mithin in diesem Punkt als unbegründet.
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